Botschafter des Heils in Christo 1865

Vollkommene Erlösung

Wer zu Gott gebracht ist, hat Vergebung seiner Sünden durch den Glauben an das gesegnete Zeugnis Gottes; er hat die Erlösung durch das Blut Christi. Es ist aber dann nötig, auch die Größe, die Fülle und die Vollkommenheit dieser Erlösung zu kennen. Hierin mangelt es bei vielen Gläubigen, namentlich bei jungen Seelen. Deshalb sind folgende Zeilen hauptsächlich für diese geschrieben, obgleich sie durch die Gnade für alle gesegnet und selbst zur Erweckung von Unbekehrten nützlich sein können.

So wie ein kleines Kind vieles durch Bilder lernt, so kann der junge Christ in Betreff der Vollkommenheit und Segnung der göttlichen Wahrheit vieles durch die Vorbilder und Bilder des Alten Testaments lernen. Es ist vornämlich das zweite Buch Moses, worin wir ein genaues Bild finden von dem Weg, auf welchem Gott uns zu sich gebracht hat. Sogar ist der aus dem Wasser des Todes gezogene Moses ein schwaches Bild von dem, der aus den Toten auferweckt worden ist. Christus war der Erstgeborene aus den Toten, damit Er der auferstandene Befreier seines Volkes sein möchte.

Werfen wir nun zunächst einen Blick auf den Zustand des Volkes Israels zu jener Zeit. Es lastete auf ihm der grausame Druck der ägyptischen Dienstbarkeit; es seufzte unter der eisernen Rute Pharaos. Wir lesen im 2. Buch Moses 3,7–8: „Ich habe angesehen das Elend meines Volkes in Ägypten, und habe gehört ihr Geschrei über ihre Treiber; ich habe ihr Leid erkannt. Und ich bin herniedergekommen, dass ich sie errette von der Ägypter Hand, und sie ausführe aus diesem Land, ...“ Ist dies nicht überall und zu allen Zeiten der Zustand des Menschen? Ist er nicht von Natur ein Sklave Satans? O wie schrecklich ist das Elend, welches durch die Sünde auf das ganze Menschengeschlecht gekommen ist! Welch eine grässliche Wirklichkeit von Weh verbirgt sich unter der schönen Oberfläche der menschlichen Gesellschaft. Der Mensch glaubte dem Feind, er zweifelte an der Güte Gottes und fiel, und wahrlich, jener Fall war tief: – von der glücklichen Freiheit in Eden in die elende Sklaverei Satans.

Gott aber hörte das Geschrei des Elends und der Not. Kein Bild könnte treffender darstellen, dass Gott für uns ist. Er kam hernieder, um zu befreien, als für den armen Menschen kein Freund da war. Er brachte Errettung durch seine Rechte, als niemand vorhanden war, um zu helfen. „Hierin ist die Liebe an uns offenbart worden, dass Gott seinen eingeborenen Sohn gesandt hat in die Welt, auf dass wir durch Ihn leben. Hierin ist die Liebe: nicht dass wir Gott geliebt haben, sondern dass Er uns geliebt, und seinen Sohn gesandt hat als eine Versöhnung für unsere Sünden“ (1. Joh 4,9–10). O möchten wir alle ein völligeres Vertrauen zu dieser Liebe haben! Nichts anderes scheint das Herz Gottes zu den Kindern Israel hernieder gezogen zu haben, als ihre Sklaverei, ihr Elend und seine treue Bundesliebe. Wir sehen am Ende des zweiten Kapitels, dass sie seufzten und schrien; aber sie blickten nicht auf zu Gott; Gott aber blickte hernieder auf sie. „Und Gott erhörte ihr Wehklagen, und gedachte an seinen Bund mit Abraham, Isaak und Jakob. Und Er sah an die Kinder Israel und erkannte es wohl“ (V 24–25). Ja, alles war von Gott; es war kein Verdienst bei Israel. Gott hörte – Gott gedachte – Gott sah an – Gott kam hernieder, um zu erretten. Voll von Liebe und Mitgefühl offenbarte Er sich stets als der Freund der Unterdrückten; sein Name sei gepriesen!

Und war es nicht gerade so mit dir, mein lieber christlicher Leser? Gott hörte dein Seufzen; Er kam mit Erbarmen und Liebe dir entgegen; ja, wäre Er nicht gekommen, um uns zu erretten, welche Seufzer würden dann während der ganzen Ewigkeit von uns gehört werden. Aber Er ist gekommen; Jesus ist für unsere Sünden gestorben, lange vorher, ehe wir, die wir in diesen letzten Tagen leben, geboren waren. Darum ist es sicher, dass unsere Erlösung ganz und gar von Gott ist. Ja, vor aller Zeit erwählte Er uns in Christus, „in welchem wir haben die Erlösung – die Vergebung der Sünden.“ Die beiden ersten Kapitel des Briefes an die Epheser sind voll von diesem gesegneten Gegenstand. Dort wird die Seele ganz hingenommen von der Betrachtung der ewigen Liebe Gottes, aus welcher unsere Erlösung hervorströmte.

Doch lasst uns das Bild im 2. Buch Mose ein wenig weiterverfolgen. Gott hatte dem Moses sein Erbarmen und seine Liebe kundgemacht, und sandte ihn hin mit der Botschaft der Befreiung; (Kap 4) aber die Kinder Israel waren noch in gänzlicher Unwissenheit über die wunderbare Gnade, die für sie vorhanden war. Erst nachdem Moses dem Aaron begegnet war, wurde diese frohe Botschaft von der Befreiung Gottes dem Volk verkündigt. „Und das Voll glaubte; und da sie hörten, dass der Herr die Kinder Israel heimgesucht und ihr Elend angesehen hätte, neigten sie sich und beteten an“ (Kap 4,31). Und wie gering dachtest du von den Ratschlüssen der Liebe Gottes, als du noch in der Knechtschaft der Sünde seufztest! Erst als der Geist Gottes dir begegnete, wie Aaron dem Volk Israel, da kam „der Glaube aus dem Hören, und das Hören durch das Wort Gottes.“

In Kapitel 5 wird der Zustand des Volkes immer drückender und unerträglicher. Sie sehnen sich nach Befreiung; sie wünschen anzubeten; allein ihre Lasten werden vermehrt. Sie verlieren ihr Stroh, und können ihre Arbeit nicht vollenden. Das Kapitel endet mit harter Plage, und nicht mit Errettung. Es ist eine schmerzliche Sache für eine jede Seele, durch solche Erfahrungen zu gehen. Man wollte Ziegeln machen, aber da war kein Stroh; man will das Gute tun, aber das Böse ist vorhanden. Man sehnt sich, anzubeten, man bestrebt sich eifrig, die Vorschriften des Gesetzes zu erfüllen; aber man erntet nur Schläge, und keine Errettung. Wie lange war der arme Luther mit diesem Ziegelbrennen beschäftigt! Wärest du es auch, mein lieber Leser? Dann wirst du verstehen, dass „die Amtsleute sahen, dass es übel mit ihnen stand, weil man sagte: Ihr sollt nichts mindern von dem Tagwerk an euren Ziegeln“ (V 19). So gingen sie von Tag zu Tag unter schwerem Druck und vielem Seufzen einher. – Nur vergiss nicht, dass die Erlösung während des Ziegelbrennens in Ägypten noch nicht gekannt war. Ebenso wenig kann die göttliche Errettung gekannt sein von denen, welche durch Erfahrungen gehen, wovon das Ziegelbrennen in Ägypten nur ein Bild war. Vielleicht findet sich mein Leser noch in diesem Zustand. Du magst geglaubt haben, insoweit dir das Evangelium bekannt gemacht worden ist – du magst sehnlichst wünschen, Gott anzubeten – du magst von Herzen begehren, der Sünde und dem Satan zu entfliehen; dies alles mag das innigste Verlangen deiner Seele sein; aber die Erlösung selbst hast du noch nicht kennen gelernt. Du genießest sie nicht; du musst fortwährend bekennen: ich habe keine Kraft, zu tun, was ich zu tun wünsche; ebenso wie das Volk kein Stroh hatte. Sie hatten kein Stroh, und du Haft keine Kraft; und jetzt stellt dir Satan die Vorschriften des Gesetzes vor, und sagt, dass diese erfüllt werden müssen. Ja, welch ein treffendes Bild waren die Treiber Pharaos von jenen, welche die Werke zur Errettung predigen! „So geht nun hin, und arbeitet; Stroh soll man euch nicht geben, aber die Anzahl der Ziegel sollt ihr reichen.“ „So geht nun hin, und wirkt; es sei denn, dass ihr das Gesetz haltet, so könnt ihr nicht errettet werden.“ Wie übereinstimmend ist dem Wesen nach die Sprache von beiden. In Kapitel 6 setzen wir, dass die Verheißungen Gottes durchaus keine Erleichterung gaben, während das Volk unter der schrecklichen Last des Ziegelbrennens seufzte. In Vers 1–8 hören wir die zärtlichen Aussprüche Gottes: „Ich habe gehört die Wehklage.“ „Ich habe gedacht an meinen Bund.“ „Ich bin der Herr.“ „Ich will euch ausführen.“ „Ich will euch erretten.“ „Ich will euch annehmen für mich.“ „Ich will euer Gott sein.“ „Ich will euch bringen in das Land.“ „Ich will es euch geben.“ „Ich bin der Herr.“ Doch so köstlich jene Verheißungen auch sein mögen, so geben sie doch in den Abmühungen beim Ziegelbrennen nicht die geringste Erleichterung. „Sie hörten Mose nicht vor Verdrossenheit und vor harter Arbeit“ (V 9).

Jede erweckte Seele, die noch unter dem Gesetz ist, wird über kurz oder lang dieselben Erfahrungen machen. In jenem Zustand sagt man: „Gewiss, die Verheißungen Gottes sind sehr köstlich, aber ich kann meine Pflicht nicht erfüllen. Ich habe versucht, für Gott zu leben und seine Gebote zu erfüllen; aber so oft, ja immer komme ich zu kurz.“ Ach! solange die Seele auf ihrer eigenen Verantwortlichkeit unter dem Gesetz steht, findet sie nur Fehltritte, Sünden, einen geängstigten Geist und traurige Knechtschaft. Und jedes Kind Gottes weiß, welch eine starke Neigung da ist, stets bei sich selbst stehen zu bleiben. Und dies hat nur seinen Grund in der Unwissenheit über die völlige Erlösung. Gott aber sei gepriesen! Wir stehen nicht in unserer eigenen Verantwortlichkeit unter Gesetz, wie die Ziegelbrenner Ägyptens, sondern sind in dem auferstandenen Christus, durch dessen kostbares Blut wir die Erlösung haben – die Vergebung der Sünden.

Jetzt zeigt Gott seine Macht in den Plagen Ägyptens, in seinem Gericht über den stolzen Unterdrücker seines Volkes; aber da war noch keine Befreiung. Dies sind höchst ernste Bilder von dem Gericht Gottes in den letzten Tagen, die uns im Buch der Offenbarung mitgeteilt werden. Ach! in jenen Tagen wird der stolze Unterdrücker des Volkes Gottes gänzlich zerstört werden. Doch wenden wir uns zu unserem Gegenstand zurück.

Es mag uns auffallend erscheinen, dass durch eine so große Entfaltung der Macht des Herrn in Ägypten nicht eine einzige Seele befreit wurde. Wir sehen dasselbe in den Evangelien. Nach all den reichen Offenbarungen der Macht und Gnade in dem gesegneten Leben Jesu hätte Er dennoch am Schluss seines Dienstes unter den Menschen allein bleiben müssen, wenn nichts mehr als dieses dagewesen wäre. So gesegnet jener Dienst, so groß jene Wunder, so himmlisch seine Lehre, so heilig sein Leben auch war, so hätte doch nicht einer der Söhne Adams errettet werden können, wenn Er nicht gestorben wäre, der Gerechte für die Ungerechten. Welch einen Platz gibt dies der Erlösung! Ebenso war es in Ägypten. Wir haben das zärtliche Mitgefühl Gottes gesehen, seine süßesten Verheißungen gehört, die Offenbarung seiner schrecklichen Macht gegen den Feind angeschaut; wir haben dies alles von Kapitel 3–11 gesehen; aber keine einzige Seele wurde aus der Knechtschaft befreit, bis das Blut des Lammes gesprengt war. Wie so genau ist die Belehrung Gottes in diesen Vorbildern!

Wir kommen jetzt zu dem höchst lehrreichen 12. Kapitel jenes Buches. Der Leser möge seine ganze Aufmerksamkeit darauf verwenden, Und der Herr möge geben, dass alle Christen die völlige Erlösung, die darin vorgebildet ist, in Wahrheit erkennen!

Es müssen in der Tat die Augen derer blind sein, die nicht sehen können, dass dieses Kapitel die Erlösung durch das Blut Christi vorbildlich vor uns hinstellt, wieder Apostel sagt: „Denn auch unser Passah, Christus, ist für uns geschlachtet“ (1. Kor 5,7). Gerade sowie „das Lamm ohne Fehl, und eines Jahres alt, nach einer Verwahrung bis auf den vierzehnten Tag desselben Monats“, durch die ganze Versammlung geschlachtet wurde, so hat auch unser Jesus, als das Lamm, ohne Flecken, sich selbst Gott geopfert. Ja, in derselben Nacht, wo das Passah geschlachtet ward, gab auch Er sich selbst für uns dahin. Er sagte: „Mit Sehnsucht habe ich mich gesehnt, dieses Passah mit euch zu essen, ehe dass ich leide“ (Lk 22,15). War je eine Liebe gleich dieser? – Und jenes Blut wurde gesprengt an die Türpfosten des Hauses. Und der Herr sagte zu den Kindern Israel: „Das Blut soll euch zum Zeichen sein an den Häusern, darin ihr seid, dass, wenn ich das Blut sehe, ich vor euch übergehe“ (2. Mo 12,13). Und Gott erfüllte sein Wort. Keine einzige Seele kam in jener Nacht um, welche seinen Worten in Bezug auf jenes Blut glaubte. Gott sagte: „Wenn ich das Blut sehe, so will ich vor euch übergehen.“ Und beachte wohl, mein christlicher Leser, was Gott sieht in dem Blut Christi; denn es handelt sich nicht darum, was du siehst. Wir haben noch sehr beschränkte Ansichten von dem Wert des versöhnenden Todes Jesu. Was aber sieht Gott? Der Platz der höchsten Herrlichkeit, zu welchem Gott den einmal sich selbst zum Schlachtopfer dahingegebenen Jesus erhoben hat, ist die Antwort auf das, was Gott sieht in dem Wert des Kreuzes Christi. Die lautere, unvermischte Gnade, die für immer auf die Millionen der Erlösten herniederströmt, verkündigt uns, was Gott ficht in dem Blut Christi.

Welch einen Beweis von Liebe liefert uns das Blut des Lammes! Der Tod Christi offenbart die Gerechtigkeit Gottes in ihrem ganzen Glänze, sowie seinen Zorn gegen die Sünde in seiner ganzen Schrecklichkeit; aber Zugleich welch einen Beweis der Liebe gegen arme Sünder! Geliebter Leser, es gewährt mir oft großen Trost, also von Gott zu denken. Er hat seine Gerechtigkeit behauptet bis aufs äußerste, und dennoch seine Liebe zu uns gezeigt in ihrer ganzen Fülle. Warum waren die Türpfosten der Kinder Israel mit Blut besprengt? Gott liebte sie. Warum erlöste Er alle Männer, Weiber und Kinder, die in jenen mit Blut besprengten Häusern wohnten? Er liebte sie. Was liest du, wenn du hinaufblickst zu jenen mit Blut besprengten Pfosten? „Gott ist die Liebe.“ Das Blut sagt: Ich bin das Zeichen von Gottes Liebe zu dir, aber ich bezeuge auch, dass „ohne Blutvergießung keine Vergebung ist.“ Betrachte das Kreuz, was liefest du dort? Gesegnete Lektion, die durch alle Zeitalter hindurch nicht völlig erlernt werden kann! O, warum starb dieser Heilige eines solchen Todes? Warum wurden jene Hände und Füße durchbohrt? Warum war kein Platz da, um jenes kostbare Haupt niederzulegen? Jene, welche Ihn liebten, flohen; und jene, welche Ihn hassten, knirschten die Zähne über Ihn. Warum jene dreistündige Finsternis? Warum jener bittere Schrei: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ In jenen Stunden der Finsternis, in jenem Verlassensein von Gott bezahlte Jesus den vollen Preis der Erlösung; und sein Haupt neigend, rief Er: „Es ist vollbracht!“ Und also starb das Lamm Gottes. Ja, auf jenem Kreuz lesen wir: „Gott ist die Liebe.“ Aber wir lesen auch: „Ohne Blutvergießung ist keine Vergebung.“ Lasst uns dieses wohl beherzigen. Wenn unsere Sünden Ihm nicht konnten erlassen werden, als Er sie an seinem eigenen Leib auf dem Kreuz trug, dann können sie auch sicher uns nicht erlassen werden auf irgendeinem anderen Grund, als durch sein kostbares Blut. Welch ein Zeichen der Liebe gegen den Sünder ist daher das Kreuz Christi! Ja, ein sicheres Zeichen, auf dem meine Seele auf ewig ruhen kann.

Vor jener Nacht des Passahs, in welcher der Erstgeborene Ägyptens getötet wurde, war keiner von den Hebräern aus Ägypten befreit; doch nachher wurde nicht ein Einziger in der Sklaverei zurückgelassen. Feierliche Wahrheit! Der Tod musste da sein; der Tod traf Israels Lamm an ihrer statt; aber der Tod traf den Erstgeborenen Ägyptens. Ebenso haben Tod und Gericht meinen Stellvertreter, Gottes Lamm getroffen; anders würde Tod und Zorn mein Teil sein auf ewig. Das Blut war gesprengt an die Türpfosten, und der Herr führte sie aus Ägypten heraus. Ebenso „hat Christus einmal für Sünden gelitten, der Gerechte für die Ungerechten, auf dass er uns zu Gott führe.“

Um nun noch völliger in das Werk der Erlösung einzutreten, lasst uns das 14. Kapitel betrachten. Welch ein Bild von Satans letzter Anstrengung! Vor ihnen war das Meer, hinter ihnen die ganze Macht Pharaos, und rechts und links die Wüste. Das Volk war in großer Furcht. „Und Moses sprach zum Volk: Fürchtet euch nicht, steht fest, und seht das Heil des Herrn, das Er heute an euch tun wird. Denn diese Ägypter, die ihr heute seht, werdet ihr nimmermehr sehen ewiglich“ (V 13). Und welch eine Befreiung wirkte der Herr in jenen Tagen! Das Meer wurde geteilt, so dass die Kinder Israel trockenen Fußes hindurch gingen ans jenseitige Ufer. Aber jenes Meer, das sie errettete, ersäufte jeden Feind, der sie verfolgte. Nicht ein Hebräer kam um, und nicht ein Ägypter wurde verschont. „Und die Wasser kehrten wieder, und bedeckten Wagen und Reiter und alle Macht Pharaos, die ihnen nachgefolgt waren ins Meer, dass nicht einer aus ihnen überblieb“ (V 28). Auf diese Weise errettete der Herr Israel. Und welch eine Errettung! Hätte sie völliger sein können? Alles Ziegelbrennen – alle grausame Dienstbarkeit – alle Schläge und Unterdrückungen in Ägypten hatten ein Ende. Welch ein Anblick musste es für die Kinder Israel sein, „als sie die Ägypter tot am Ufer des Meeres liegen sahen!“ Und wenn nun das bloße Bild unserer Erlösung so vollkommen war, wie vollkommen muss dann die Wirklichkeit sein? Es ist ganz schrecklich für die arme, zitternde Seele, wenn sie anfängt, den Wert der Erlösung zu verstehen, und wenn, gleich dem Israel vor Alters, die schäumenden Wogen des Todes sich hoch vor ihrer Seele auftürmen und Satan und das schwarze Sündenverzeichnis in heißer Verfolgung hinter ihr her sind. Doch was war es für den Anführer unserer Errettung, als am Ende seines Lebens im Fleisch der Fürst dieser Welt gegen Ihn andrang und die finsteren Wogen des Zornes Gottes über Ihn kamen, und kein Entrinnen war! Ach! für Ihn war kein Hindurchgehen auf dem Trocknen. Die ganze Macht Satans – die äußerste Feindschaft und Wut des Menschen lieh sich los gegen Ihn. Was waren die Heere Ägyptens im Vergleich zu jener schrecklichen Stunde, als alle unsere Sünden auf Ihn gelegt waren! Schlag auf Schlag des göttlichen Zorns gegen die Sünde fiel auf Ihn; alle Wogen Gottes gingen über Ihn. Aber warum wälzten sich diese Wasser des Todes auf seine Seele? Er trug dies alles freiwillig, damit wir durch Tod und Gericht trocknen Fußes hindurchgehen möchten. Ja, Er kam zu diesem Ägypten der grausamen Dienstbarkeit, „damit Er durch seinen Tod alle Diese befreite, welche durch Furcht des Todes während des ganzen Lebens der Knechtschaft verfallen waren“ (Heb 12,15). Und wie vollkommen ist diese Befreiung! Unser hoch gelobter Befreier ist jetzt nicht mehr unter den finsteren Wogen des göttlichen Zorns, sondern ist auferstanden aus den Toten. Alle unsere Sünden sind für immer getilgt, und sowie das rote Meer Pharao und sein ganzes Heer zu nichts machte, so machte Jesus „den zunichte, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel.“ Auf diese Weise stehen wir und sehen in Wahrheit das Heil Gottes in dem Tod Christi.

Welch eine ganz und gar neue Stellung war dies für Israel, von Ägypten getrennt und zu Gott gebracht, obgleich in der Wüste! Wie viel sie auch noch zu lernen hatten, so konnten sie doch jetzt das Lied Moses singen (Kap 15). Und welch ein Lied der vollkommenen Befreiung! Lies es einmal mit Aufmerksamkeit, und lass mich dann fragen: Ist das auch die Sprache deines Herzens? Kannst du dich ebenso erfreuen in der vollkommenen Errettung Gottes? Verstehst du die Belehrung dieser gesegneten, vom Geist Gottes mitgeteilten Geschichte? Hat nicht der Tod Jesu, des Lammes Gottes, die Stellung eines jeden Kindes der Gnade, auch des schwächsten, völlig verändert? Ist nicht die ganze Macht der Sünde und Satans, als sie gegen deinen heiligen Stellvertreter gebracht wurde, überwunden und zunichtegemacht worden? Sicher, als die Kinder Israel auf das rote Meer zurückblickten und die tobten Leiber ihrer Feinde sahen, da hofften sie nicht, errettet zu werden, sondern waren von ihrer vollbrachten Errettung völlig überzeugt. Und kann ich zurückblicken in das leere Grab Jesu, und hoffen, errettet zu werden? Sicher, es ist ein vollendetes Werk. Die Kinder Israel sangen: „Der Herr ist hoch erhöht; Ross und Reiter hat Er gestürzt ins Meer. Der Herr ist meine Stärke und Lobgesang, und ward mein Heil.“ Ja, jeder Satz atmet Gewissheit und Freude. Und sollte nicht die Sprache des Christen ebenso zuversichtlich sein? „Danksagend dem Vater, der uns fähig gemacht hat zu dem Anteil des Erbes der Heiligen in dem Licht, der uns errettet hat aus der Gewalt der Finsternis, und versetzt hat in das Reich des Sohnes seiner Liebe, in welchem wir die Erlösung haben, die Vergebung der Vergehungen“ (Kol 1,12–14).

Der beschränkte Raum dieses Blattes erlaubt mir nur, die gesegneten Wahrheiten in diesen göttlichen Vorbildern kurz anzudeuten.

Das rote Meer hatte also Israel von Ägypten getrennt; Israel war tot für Ägypten, und die Ägypter tot für Israel. Und bist du nicht, mein gläubiger Leser, auf dieselbe Weise durch dem Tod Christi gestorben der Welt, und die Welt für dich? Kein Einziger von dem Heer Pharaos war übriggeblieben, um einen Stein zu werfen auf das erlöste Volk Gottes. Bist du überzeugt, dass der Wert des Blutes Christi so unermesslich ist, dass dir nicht eine einzige Sünde mehr zur Last gelegt werden kann? Es ist nicht der Tod, der dich, gleich einem tiefen, eingeengten Strom, vom Himmel trennt; sondern jener tiefe, eingeengte, finstere Strom des Todes, in welchem Jesus deinen Platz nahm und für dich hindurchging, trennt dich für immer von der Welt, der Sünde und Satan. Ja; Tod und Gericht, Sünde und Satan, Welt und alles ist dahinten; und wie Israel am Ufer des Meeres auf Kanaans Seite das Loblied sang, so können wir es singen auf der himmlischen Seite des Kreuzes.

Ist dies nicht ein wahrhaft glücklicher und gesegneter Platz? Doch du magst sagen: Ich glaube dies alles; aber ich bin nicht mehr so glücklich, wie ich im Anfang meiner Bekehrung war. Es ist sehr möglich und mag vornämlich darin seinen Grund haben, anfänglich, als Gott deiner Seele Frieden zusprach, dein Herz Christus erfüllt war, und du jetzt mehr mit dir selbst beschäftigt bist. Wenn dies der Fall ist, so bist du aufs Neue in einem gesetzlichen Zustand oder unter das Gesetz selbst zurückgesunken. Nichts ist wirksamer, den Genuss des Friedens zu untergraben. Du magst das Gesetz nicht betrachten als ein Mittel zur Errettung, aber als eine Regel oder Richtschnur des Lebens. Betrachtest du das Ziegelbrennen in Ägypten als Regel des Lebens, so wird es bald wieder zur traurigen Dienstbarkeit werden. Ich habe nie gefunden, dass jemand, der das Gesetz zur Regel des Lebens machte, den Frieden mit Gott wirklich genoss. Doch gerade sowie die Erlösung aus Ägypten die Hebräer gänzlich und in jeder Beziehung von der Dienstbarkeit des Ziegelbrennens befreite, so befreite auch der Tod Christi den gläubigen Juden gänzlich, und in jeder Beziehung von der Dienstbarkeit des Gesetzes. Ich sage: den Juden; denn obgleich in den Schriften der Menschen oft gelehrt wird, dass die ganze Welt unter dem Gesetz sei, so ist dies doch nur eine große Verwirrung und mit der Schrift und der Wirklichkeit im völligen Widerspruch. Sicher war das Gesetz nicht gegeben von Adam bis Moses; und als es gegeben wurde, da wurde es nur den Kindern Israel gegeben; und dies geschah vier hundert und dreißig Jahre nach der dem Abraham gegebenen Verheißung, die bestätigt ist seinem Samen, welcher ist Christus (Gal 3). Doch die Juden waren unter dem Gesetz; und es ist zu dem besonderen Zweck gegeben worden, damit die Sünde überströmend sei. Ein gegebenes Gebot, wie bei Adam im Garten Eben, war notwendig, um den Menschen von der Sünde zu überzeugen, und sein Bedürfnis nach Erlösung, welche Gott zuvor versehen hatte, zu erwecken. Die Übertretung kam durch das Gesetz, nicht aber die Gerechtigkeit.

Die Juden waren also wirklich unter dem Gesetz, und war es nicht ein großer Gegenstand des Todes Christi, sie vom Gesetz zu erlösen? wie geschrieben steht, indem der Apostel von den Juden spricht und sagt: „Christus hat uns losgekauft von dem Fluch des Gesetzes usw“ (Gal 3,13). Und wiederum: „Als aber die Fülle der Zeit gekommen war, sandte Gott seinen Sohn, geboren von einem Weib, geboren unter Gesetz, auf dass Er die, welche unter Gesetz waren, loskaufte“ (Gal 4,4–5). Der Loskauf vom Gesetz war also ebenso wirklich, wie der Loskauf von der Sünde und dem Fluch. Dieselbe Wahrheit wird in Römer 7 auf das Bestimmteste behauptet. Da ist der Gläubige durch den Leib Christi ebenso dem Gesetz gestorben (V 4), wie er in Kapitel 6 der Sünde gestorben ist (V 2). Aber was heißt es, dem Gesetz gestorben, oder vom Gesetz losgekauft zu sein? Was hieß es, unter dem Gesetz zu sein? Wenn das verstanden wird, dann ist es leicht zu verstehen, vom Gesetz losgekauft zu sein. Die Beleuchtung des Ziegelbrennens wird uns die Sache klar darstellen. Der hebräische Sklave war verantwortlich, zu tun, was er nicht zu tun vermochte. Der Mensch unter dem Gesetz ist gerade in derselben Stellung: Er ist verantwortlich, zu tun, was er nicht zu tun vermag. Es ist wichtig, zu bemerken, dass Israel sich selbst in jene Stellung setzte (2. Mo 19). Und jeder Mensch, sei er Jude oder Christ, wenn er sich unter das Gesetz stellt, so ist er verantwortlich, das zu tun, von dem er findet, dass er es nicht zu tun vermag. „Das Gebot ist heilig, gerecht und gut;“ aber der Mensch findet sich selbst verloren, fleischlich, unter die Sünde verkauft. Wenn er das Gute tun will, so findet er, dass das Böse bei ihm ist. Und sicher muss er in dieser Stellung höchst elend sein. Er tut das, was er hasst; und was er tun will, vermag er nicht zu tun. Vielleicht sagst du: „So ist es gerade mit mir.“ Ja; es ist in der Tat so; und so ist es mit jedem, der unter dem Gesetz ist. Du wärst freilich, wie Israel vor den Zeiten Moses, nie unter dem Gesetz; doch magst du dich, wie die heidnischen Galater, wieder unter dem Joch der Knechtschaft halten lassen. Und da dies bei so vielen Gläubigen der Fall ist, so ist es kein Wunder, dass sie so elend und niedergedrückt ihr Leben hinbringen. Alle ihre Tage sind nur traurige Knechtschaft. Sie fühlen, dass sie das ganze Gesetz erfüllen sollten; da sie aber in jedem Punkt fehlen, so werden sie oft bis zur Verzweiflung getrieben.

Wenn nun der köstliche Tod Christi jene vom Gesetz erlöste, die unter demselben waren, ist es denn möglich, dass sein Tod uns, die nimmer unter dem Gesetz waren, in jene Stellung versetzt hat? Gewiss nicht. Doch könnte gefragt werden: Wenn nun das Gesetz nicht die Regel des Lebens ist, ist denn gar kein Grundsatz des heiligen Gehorsams da? Gewiss; aber dieser Grundsatz kann nicht dem der gesetzlichen Knechtschaft gleich sein. Das Gesetz sagte dem Menschen, was recht war; aber es gab ihm keine Kraft, das Rechte zu tun; es reizte ihn zwar zum Tun an, aber er tat das, was er als Böse erkannte, und also gereichte es ihm nur zur Verdammnis. Aus diesem Zustand nun sind jene, die in demselben waren, gänzlich errettet. Wie sie einst aus Ägypten gebracht wurden, gänzlich befreit von dessen grausamer Knechtschaft, so waren sie jetzt gänzlich befreit oder losgekauft von der Sünde, von dem Tod und von dem Gesetz. Und nicht allein das; sondern auch wir, die nicht unter dem Gesetz, sondern ganz gesetzlos waren – aber Sünde und Tod ist durchgedrungen zu allen Menschen, ob Übertreter unter dem Gesetz, oder Sünder ohne Gesetz – auch wir sind errettet von dem ganzen alten Zustand des verlorenen und schuldigen Menschen, und zu Gott gebracht auf einem ganz und gar neuen Grund der Verantwortlichkeit des Menschen. Wir sind nicht mehr Sklaven der Sünde, sondern Söhne Gottes, geboren aus Gott und haben eine neue Natur; ja, wir haben den Geist Gottes in uns wohnend; wie geschrieben steht: „Weil ihr aber Söhne seid, so sandte Gott den Geist seines Sohnes aus in unsere Herzen, der da ruft: Abba, Vater!“ (Gal 4,6) Und noch ist da ein anderer Charakter der Erlösung, der seine Fülle über alles andere zeigt: es ist eine ewige Erlösung. „Mit seinem eigenen Blut ist Er ein für alle Mal in das Heiligtum eingegangen, als Er eine ewige Erlösung erfunden hatte“ (Heb 9,12).

Der Israelit konnte möglicherweise nach Ägypten zurückkehren, nicht aber so der Gläubige, der durch das Blut Christi eine ewige Erlösung hat. Wer ist fähig, zu sagen, was es ist, ewig errettet zu sein von der Sünde, vom Tod und von der Verdammnis. Mein altes voriges Ich ist mit Christus gestorben; mein ganzer voriger Zustand ist für immer beseitigt. O lasst uns diese Worte wohl beherzigen: – eine ewige Erlösung! Die Schuld von allen deinen Sünden ist für immer ausgetilgt; der Tod, ja der Tod auf dem Kreuz hat allem für immer ein Ende gemacht. Es ist nicht mehr eine Frage von Hoffnung, sondern Wirklichkeit; wir haben eine ewige Erlösung. Wo dies verstanden wird, da gibt es Ruhe. Sogar in dieser Beziehung ist das Vorbild sehr treffend. Sobald die Erlösung aus Ägypten vollendet war, und nicht eher, machte Gott die Hebräer mit dem Sabbat oder der Ruhe bekannt. Wir hören vom Sabbat in Eden; aber von Adam bis Moses hören wir von keinem Sabbat für den Menschen. Gewiss sagt uns Gott dadurch, dass da keine Ruhe für den Sünder sein kann als nur durch das Blut des Lammes. Die ewige Erlösung gibt ewige Ruhe. Selbst wenn wir in der Herrlichkeit sein werden, wird sie nicht vollkommener sein. Nichts kann zu ihrem Wert etwas hinzufügen oder davon wegnehmen. Und erkennst du, dass dies der Platz der unbegrenzten Segnung ist, in welche Gott dich gebracht hat? Und wenn du es erkennst, rühmst du dich allein des Kreuzes Christi? O, der Herr gebe, dass wir allezeit forschen in seinem köstlichen Worte und von Herzen Ihm glauben!

Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel