Der Brief an die Hebräer

Kapitel 11

Der Brief an die Hebräer

Diese Erwägungen führen den Schreiber des Briefes zur Darstellung dessen, was der Glaube ist und vermag, und was auf Erden das Teil der Gläubigen ist. Ein Leben im Glauben war für diese bekehrten Hebräer etwas ganz neues. Sie konnten nicht begreifen, dass sie sich in größern Schwierigkeiten befanden als früher und Erniedrigungen und Demütigungen erdulden mussten, die sie nie gekannt hatten. Es schien, als ob alles gegen sie wäre. Sie hatten Frieden, Glück und Wohlfahrt erwartet, wurden aber geschmäht, verachtet und verworfen. Paulus zeigt ihnen, dass der Glaube hienieden nie etwas anderes zu erwarten und nie etwas anderes erfahren hat. Die Heiligen der alten Haushaltung, die im Glauben gewandelt sind und herrliche Glaubenstaten vollbracht haben, waren Fremdlinge hienieden, fanden hier keinen Ort der Ruhe, sondern wurden geschmäht, verfolgt, mißhandelt und getötet. Aber sie blieben beim Glauben; sie harrten aus; sie ließen sich weder zurückschrecken noch entmutigen; und, obwohl sie die Erfüllung der Verheißung nicht sahen, hielten sie sich an den Unsichtbaren, als sähen sie Ihn. Ihr Blick war auf die herrliche Zukunft gerichtet, auf den kommenden Sieg über alle Feinde des Herrn.

Dieses herrliche Kapitel soll uns also zeigen, was der Glaube ist und vermag, und was der Gläubige hier unten findet. Eine Wolke von Zeugen wird uns vorgestellt, vom Anfang der Schöpfung an bis auf die Tage Jesu Christi. Sie alle haben im Glauben ausgeharrt, ohne die Verheißung zu erlangen. Unter den schwierigsten Umständen und in den schwersten Leiden standen sie fest und gewannen den Sieg. Sie werden uns als Vorbilder hingestellt, damit wir Mut fassen, um ebenso wie sie, bis zum Ende auszuharren.

Beachten wir wohl, dass uns keine vollständige Liste der Gläubigen des Alten Bundes gegeben wird, sondern die Folge derjenigen Glaubenshelden oder Glaubensmänner, die ihren Glauben auf besondere Weise bewiesen haben. Ist man sich dessen bewusst, so wundert man sich nicht, hier Namen zu vermissen, die man sonst unbedingt erwarten müsste, weil sie zu den Gläubigen der alten Haushaltung gehören.

Wer dieses Kapitel mit Aufmerksamkeit gelesen und überdacht hat, wird beachtet haben, dass der Heilige Geist in der Reihenfolge der Personen und Ereignisse einen bestimmten Plan verfolgt, durch welchen uns verschiedene Wahrheiten und Charakterzüge des Glaubens dargestellt werden.

Nach der Beschreibung vom Wesen des Glaubens in Vers 1 und vom Zustand der Heiligen des Alten Bundes in Vers 2 finden wir in den Versen 3–7 eine Darstellung der großen Hauptwahrheiten des Christentums. Dann zeigen die Verse 8–16, wie der Glaube uns hienieden Fremdlinge sein lässt, und die Verse 17–22, wie dieser Glaube ein vollkommenes Vertrauen ist auf die Erfüllung der Verheißungen, selbst in irdischen Dingen. Und endlich von Vers 23 bis zum Schluss finden wir die Kraft des Glaubens beschrieben, durch welche Schwierigkeiten, die sich auf dem Weg der Männer Gottes befinden, überwunden werden. Stehen wir bei jedem dieser Abschnitte ein wenig still.

Das Kapitel beginnt mit einer Beschreibung vom Wesen des Glaubens. „Der Glaube aber ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht.“ Wir hoffen, die Herrlichkeit zu erlangen und den Sieg des Herrn über alle Seine Feinde zu schauen; der Glaube ist die Gewissheit davon, denn durch den Glauben wissen wir, dass die Herrlichkeit unser Teil sein und der Sieg kommen wird. Niemand von uns hat Gott oder Jesus gesehen; wir haben im Glauben die Überzeugung, dass sie sind. Der Glaube ist daher das Zuverlässigste, das es für uns gibt.

Durch den Glauben „haben die Alten Zeugnis erlangt“. Das wird am Anfang und am Schluss unseres Kapitels gesagt (siehe Vers 39) und zudem bei einigen, wie bei Abel, noch besonders erwähnt. Alle Alten haben durch den Glauben das Zeugnis erhalten, dass sie Gott gefielen. Der Glaube ist die Gabe Gottes und die göttliche Grundlage für das Leben unserer Seele. Diesen Glauben hatten sie alle, ebensogut wie wir ihn haben. In dieser Hinsicht besteht kein Unterschied. Ohne Glauben kann niemand Gott gefallen; durch den Glauben erhalten wir das Zeugnis, dass wir Gott nahen, Ihm vertrauen und mit Ihm Gemeinschaft haben können.

Hierauf folgen die großen Grundwahrheiten des Christentums – die Schöpfung der Welt, die Versöhnung, die Himmelfahrt und das Gericht über die Gottlosen.

„Durch Glauben verstehen wir, dass die Welten durch Gottes Wort bereitet worden sind, so dass das, was man sieht, nicht aus Erscheinendem geworden ist“ (Vers 3).

Wir werden hier zurückgeführt zu dem, was wir in 1. Mose 1,1 lesen: „Im Anfang schuf Gott die Himmel und die Erde.“ Was geschehen ist zwischen dieser Schöpfung des Weltalls und der Entstehung des Chaos, von dem in Vers 2 die Rede ist, wird uns in der Schrift nicht offenbart, wohl aber, was Gott hernach getan hat, um die Erde in den Zustand zu bringen, in dem sie sich jetzt befindet. In der sogenannten Sechstageschöpfung wird die Erde nur in Verbindung mit dem Menschen erwähnt, während im ersten Vers gesagt wird, dass Gott aus nichts das ganze Weltall ins Dasein gerufen hat. Der Glaube versteht das. Wir glauben nicht nur, dass es so ist, sondern wir verstehen, dass es nicht anders sein kann. Glauben wir an Gott, den Allmächtigen, dann gibt es nichts Vernünftigeres als zu glauben, dass Er alles hervorgebracht hat. Wir begreifen natürlich nicht, wie das geschehen ist und wie das möglich war, denn dazu müssten wir Gott selber sein, aber wir verstehen durch den Glauben, dass es nicht anders möglich ist. Für den Glauben ist das Rätsel der Schöpfung gelöst. Was die größten Gelehrten nicht begreifen können, was sie zu den verschiedensten Theorien veranlasst, die einander widersprechen und von denen die eine törichter und unmöglicher ist als die andere, das ist für das kleinste Kind, das an den allmächtigen Gott glaubt, vollkommen verständlich. Gott zu erkennen als den Schöpfer, der das ganze Weltall, alles was besteht, die Erde und den Himmel mit allen Himmelskörpern aus nichts hervorgebracht hat, befriedigt uns voll und ganz, während all die Systeme der alten und modernen Philosophen uns im Dunkeln lassen.

Nach der Schöpfung kommt die Versöhnung. Vom Fall des Menschen wird hier nicht gesprochen, denn das war das Gegenteil einer Tat des Glaubens; es war der Ungehorsam des Unglaubens. Durch diesen Fall war die Sünde in die Welt gekommen und der Mensch hatte sich von Gott gelöst; wie konnte da der Mensch vor Ihm bestehen? Die Antwort auf diese Frage erhalten wir in dem, was uns von Abel berichtet wird.

„Durch Glauben brachte Abel ein vorzüglicheres Opfer dar als Kain, durch welches er Zeugnis erlangte, dass er gerecht war, indem Gott Zeugnis gab zu seinen Gaben; und durch diesen, obgleich er gestorben ist, redet er noch“ (Vers 4).

Unterwiesen durch die Worte und Taten des Herrn, der sogleich nach dem Fall einen Erlöser verheißen und für Adam und Eva Röcke von Fellen gemacht hatte, durch die allein ihre Nacktheit bedeckt werden konnte, hatte Abel im Glauben erkannt, dass er ohne blutiges Opfer vor Gott nicht bestehen und angenehm sein konnte. Während Kain meinte, dass er als Sünder sich Gott nahen und Ihm ein wohlgefälliges Opfer bringen könne, bekannte Abel, dass er den Tod und das Gericht verdient habe und es nur eine Möglichkeit gebe, sich Gott zu nahen, nämlich, dass Gott sein Opfer, an seiner Stelle geschlachtet, annehme. Er stellte sein Schlachtopfer zwischen sich und Gott. Er anerkannte dadurch Gottes Gerechtigkeit und bewies sein Vertrauen auf Gottes Gnade. Gott nahm Abels Opfer an. Dadurch erhielt Abel das Zeugnis, dass er gerechtfertigt war.

Durch sein Opfer redet Abel noch, obgleich er gestorben ist; denn er zeigt uns den Weg des Glaubens und den einzigen Grund, auf dem ein Sünder vor Gott erscheinen kann. Abels Opfer redet von dem Lamm Gottes, das für unsere Sünden geschlachtet wurde. Wenn wir mit dem Opfer Jesu vor Gott kommen, dann werden wir gerechtfertigt und empfangen durch den Glauben das Zeugnis, dass wir gerecht sind. Gott hat zum Opfer Jesu Zeugnis gegeben; Er hat es angenommen; denn Der, welcher am Kreuz, mit unsern Sünden beladen, gestorben ist, den hat Er auferweckt und zu Seiner Rechten erhöht und verherrlicht. Mit diesem von Gott angenommenen Opfer können wir vor Gott erscheinen. Gerechtfertigt und als Gerechte befinden wir uns in Seiner Gemeinschaft und können, da der Tod und die Sünde zunichte gemacht sind, wenn Gott es für gut findet, sofort in den Himmel eingehen. Es braucht der vollbrachten Versöhnung nichts mehr hinzugefügt zu werden. Von einem Reifwerden für den Himmel, von einem Erzogenwerden für die Herrlichkeit ist keine Rede; denn alles ist in Ordnung, alles ist vollbracht; auf Grund des von Gott angenommenen Opfers Jesu stehen wir ohne Flecken oder Runzel vor des Herrn Angesicht. Darum folgt hier auf die Versöhnung die Himmelfahrt. Wiewohl für die meisten Gläubigen nach ihrer Erlösung eine Wanderung durch die Wüste folgt, ist diese Wanderung durch die Wüste doch nicht nötig, um sie für den Himmel geschickt zu machen. Sie können im selben Augenblick, da sie Jesus und Sein Opfer angenommen haben, in den Himmel eingehen. Der Schächer ging direkt vom Kreuz ins himmlische Paradies. Die, welche gerade vor der Wiederkunft des Herrn bekehrt werden, gehen ohne Wanderung durch die Wüste in das Vaterhaus.

„Durch Glauben ward Henoch entrückt, damit er den Tod nicht sehen sollte, und er wurde nicht gefunden, weil Gott ihn entrückt hatte, denn vor der Entrückung hat er das Zeugnis gehabt, dass er Gott wohlgefallen habe“ (Vers 5).

Henoch ist ein Vorbild der Gemeinde (Ekklesia). Er wandelte mit Gott. Er hatte sich abgesondert von der bösen Welt, die ihn umgab. Er hatte das Zeugnis, dass er Gott wohlgefiel. Er wurde in den Himmel aufgenommen kraft des Sieges über den Tod; und durch den Geist Gottes gibt er Zeugnis vom Gericht, das die Welt treffen wird (Judas 14, 15); aber, ohne durch dieses Gericht zu gehen, wird er vor dieser Zeit hinweggenommen. So wird auch die Gemeinde bei Jesu Wiederkunft sofort, vor der Stunde der Versuchung, die über das ganze Erdreich kommen wird, erlöst werden. Sie wird ohne zu sterben, dem Herrn in der Luft entgegengeführt werden, wohin Er herabsteigen wird, um sie abzuholen und sie in ihre himmlische Wohnung zu bringen (Off 3,10; 1. Thes 4,13–18; 1. Kor 15,51–54).

Dann wird es sich herausstellen, dass der Tod zunichte gemacht ist. Jetzt schon ist das Sterben für den Gläubigen kein Sterben im gewohnten Sinn des Wortes mehr, denn unser Heiland hat für uns den Tod als Lohn der Sünde erlitten. Sterben ist für uns Gewinn, weil wir, ausheimisch von dem Leib einheimisch bei dem Herrn sind. Dennoch ist Sterben eine Folge der Sünde, und so lange die Gläubigen noch sterben, ist es nicht ans Licht gebracht, dass der Tod zunichte gemacht ist. Aber wenn Jesus kommt, dann werden die entschlafenen Heiligen auferweckt und dann wird die Gemeinde, die auf Erden lebt, nicht sterben, sondern in einem Nu verwandelt werden, und alsdann wird das Wort sich erfüllen, das geschrieben steht: „Der Tod ist verschlungen in den Sieg.“

Merkwürdig und kostbar ist, was uns von Henoch gesagt wird. Vor seiner Entrückung hatte er das Zeugnis, dass er Gott wohlgefiel. Wer mit Gott wandelt, hat das Zeugnis, dass er Gott gefällt; er genießt die Süßigkeit der Gemeinschaft Gottes und hat das Zeugnis des Geistes. Er genießt den Zufluß der Gnade und der Gedanken Gottes im Bewusstsein Seiner Gegenwart und im Bewusstsein, nach Seinem Wort zu wandeln. Ein Kind, das mit einem zärtlich liebenden Vater wandelt, genießt in der Unterhaltung mit seinem Vater das Bewusstsein seiner Gunst. Möchten wir stets die Herrlichkeit und Süße eines solchen Wandels in Seiner Gemeinschaft schmecken.

Nach der Schöpfung die Versöhnung, nach der Versöhnung die Himmelfahrt der Gemeinde, und nach dieser Himmelfahrt das Gericht über die Welt, während welchem die Heiligen, die dann leben, bewahrt werden. Das wird uns durch Noah und die Sündflut dargestellt. „Durch Glauben bereitete Noah, als er einen göttlichen Ausspruch über das, was noch nicht zu sehen war, empfangen hatte, von Furcht bewegt, eine Arche zur Rettung seines Hauses durch welche er die Welt verurteilte und Erbe der Gerechtigkeit wurde, die nach dem Glauben ist“ (Vers 7).

Noah befand sich inmitten des Gerichtes, das über die Welt kam. Er kündigte andern das Gericht an, nicht als einer, der außerhalb stand, sondern als einer, der selber hindurchgehen musste. Er wurde selbst und vor sich selber gewarnt; und von Furcht bewegt, baute er eine Arche zur Rettung seines Hauses, wodurch er die Welt verurteilte. Henoch musste keine Arche bauen, um durch die Sündflut hindurch zu können; er kam nicht hinein, denn Gott nahm ihn von dieser Zeit zu sich. Während Henoch in den Himmel ging, wurde Noah für die neue Welt aufgespart. Die Gemeinde wird von der Welt hinweggenommen, bevor die Stunde der Rache kommt; der jüdische Überrest geht durch die Gerichte hindurch und wird das Königreich des Christus ererben. Die gläubigen Juden der letzten Tage gehen durch die Gerichte, aus denen wir, als nicht zur Welt gehörend, erlöst werden; sie werden Erben der Gerechtigkeit sein, die nach dem Glauben ist, und Gottes Zeugen davon in einer neuen Welt, wo die Gerechtigkeit ausgeübt werden wird durch Ihn, der kommen wird und der alle Seine Feinde zum Schemel Seiner Füße legen wird.

Wir haben bemerkt, dass die Wanderung durch die Wüste der Welt keinen Platz einnimmt in der Reihe der Grundwahrheiten des Christentums, wie uns diese in den ersten sieben Versen unseres Kapitels vorgeführt werden. Dennoch ist die Reise durch die Wüste von großer Wichtigkeit. Wiewohl sie nicht nötig ist, um uns für den Himmel tauglich zu machen, die wir durch das Werk des Christus für die Gegenwart Gottes tüchtig gemacht sind, so ist diese Wanderung durch die Wüste doch von großem Belang. Darum folgt ihre Beschreibung jetzt in den Versen 8–16. Die Gläubigen sind hier auf Erden Fremdlinge und Beisassen und haben ihren Blick auf ein besseres Vaterland – das himmlische – gerichtet. Im Leben der Erzväter Abraham, Isaak und Jakob wird uns das dargestellt.

Es ist wichtig zu beachten, wie zuerst der allgemeine Charakter des Lebens dieser Glaubenshelden angegeben wird (Verse 8–16), während nachher, von Vers 17–22, jede ihrer besondern Taten des Glaubens erwähnt wird. Was das erste betrifft, so standen sie gleich, hinsichtlich des zweiten hatte jeder seine besondere Tugend.

Durch den Glauben gehorchte Abraham der Berufung Gottes und verließ sein Land und seine Verwandtschaft, um an den Ort zu gehen, den er als Erbteil empfangen sollte, ohne zu wissen, wohin er kommen würde. Und dort hingekommen, hielt er sich als Fremdling im Land der Verheißung auf, wie in einem fremden Land und wohnte in Zelten, nicht in Häusern oder Städten – mit Isaak und Jakob, die Miterben derselben Verheißung waren (Verse 8–9). Sie hätten Zeit genug gehabt, um in ihr altes Vaterland zurückzukehren, aber sie taten es nicht, denn sie erwarteten die Stadt, deren Baumeister und Schöpfer Gott ist, und sie waren begierig nach einem bessern, d. h. nach dem himmlischen Vaterland. So blieben sie ihr Leben lang Fremdlinge und Beisassen in dem Land, das Gott ihnen verheißen hatte; und wiewohl sie gestorben sind, ohne die Verheißung empfangen zu haben, hielten sie dennoch an der Verheißung fest, ließen sich durch nichts entmutigen und durften die herrliche Erfahrung machen, dass der Herr ihr Gott ist. Sie vertrauten auf die Erfüllung Seiner Verheißung, die sie im Glauben von ferne schauten (Verse 10–16).

Das ist auch jetzt die Stellung der Gläubigen in dieser Welt. Sie sind nicht von der Welt; sie haben hier keine bleibende Stadt; sie ziehen hier nur durch; als Fremdlinge wandeln sie auf der Erde; ihr Vaterland ist nicht hier unten, sondern dort oben; ihr Auge ist auf den Himmel gerichtet, wo der Herr ihnen eine Stätte bereitet hat. Da sie Erben Gottes und Miterben des Christus sind, warten sie auf die Herrschaft, die ihnen bald über diese Erde gegeben wird, und befinden sich, so lange der Teufel die Erde beherrscht, als Beisassen hier unten, die sich nicht mit der Führung der Welt befassen.

Durch das, was uns hier mitgeteilt wird, erfahren wir zugleich, dass die Heiligen des Alten Bundes durch ihre Gemeinschaft mit Gott viele Dinge kennen und verstehen lernten, die ihnen nicht direkt offenbart waren. Im Alten Testament ist keine Rede von der Auferstehung der Toten, von einer Stadt, die Grundlagen hat, von einem himmlischen Vaterland; aber durch ihre Gemeinschaft mit Gott wurden sie in diese wichtigen Wahrheiten eingeführt und erhoben sich dadurch über die Haushaltung, in der sie sich befanden. Es ist das im höchsten Grad merkwürdig. Was wir beim Lesen des Alten Testamentes nicht vermuten können, wird uns hier durch den Heiligen Geist mitgeteilt, der uns zugleich eine Beurteilung von vielen Glaubenstaten zeigt, an die wir beim Lesen der Geschichte nicht denken würden. Sara z. B., die bei der Ankündigung von Isaaks Geburt aus Unglauben lachte, hätten wir sicher nicht in die Reihe der Glaubenshelden aufgenommen; und doch wird sie hier als solche aufgeführt.

Nach dieser treffenden Darstellung des Platzes, den die Gläubigen hier unten einnehmen, wird uns das vollkommene Vertrauen dieser Glaubensmänner auf die Verheißung Gottes als Vorbild gezeigt. Merkwürdig ist, dass Abraham, Isaak und Jakob hier nochmals genannt werden. In den Versen 8–16 werden sie nur als Fremdlinge und Beisassen auf Erden vorgestellt, die in Zelten wohnten und ihr Auge auf das himmlische Vaterland gerichtet hatten; doch nachher, in den Versen 17–22, werden uns ihre besonderen Glaubenstaten berichtet.

„Durch Glauben hat Abraham, als er versucht wurde (von Gott geprüft), den Isaak geopfert und der, welcher die Verheißungen empfangen hatte, brachte den Eingebornen dar, über welchen gesagt worden war: „In Isaak soll dein Name genannt werden; indem er urteilte, dass Gott auch aus den Toten zu erwecken vermöge, von woher er ihn auch im Gleichnis empfing'“ (Verse 17–19).

Zweimal hat Abraham den Beweis geliefert, dass er an die Macht Gottes glaubte, die Toten lebendig zu machen; das erste Mal, als Gott ihm verhieß, er werde von Sara einen Sohn bekommen. Er schaute nicht, sagt Paulus in Römer 4, auf seinen eigenen, schon erstorbenen Leib, noch auf das Absterben des Mutterschoßes der Sara. Und das zweite Mal, als der Herr ihm befahl, Isaak zu opfern. Das war eine schwerere Glaubensprüfung als die erste. An Isaak hing die Erfüllung von Gottes Verheißung. Wenn Isaak geschlachtet wurde, konnte die Verheißung nicht erfüllt werden. Was sollte Abraham tun? Isaak opfern? Aber dann konnten in ihm nicht alle Geschlechter der Erde gesegnet werden. Sich weigern? Aber dann hörte er auf, der Freund Gottes zu sein. Was dann? Gehorchen, aber dann glauben, dass Isaak aus den Toten auferweckt würde. Gott wohlgefällige Überlegung! Wunderbarer Glaube! Der Herr wurde dadurch hoch verherrlicht und Abraham wird der Vater der Gläubigen genannt.

In gleicher Weise hat Christus auf Seine messianischen Rechte verzichtet und ist in den Tod gegangen, indem Er sich dem Willen Gottes übergab und Ihm vertraute. In der Auferstehung hat Er alles zurückerhalten. Dasselbe sollten die hebräischen Christen tun hinsichtlich des Messias und der Israel gegebenen Verheißungen. Beachten wir wohl, dass, wenn man Gott vertraut und um Seinetwillen auf alles verzichtet, man immer gewinnt und mehr kennen lernt von den Wegen Seiner Allmacht; als wenn man nach Gottes Willen auf etwas verzichtet, das bereits gegeben ist. Abraham verzichtete auf die Verheißung nach dem Fleisch; er schaute nach der Stadt, die Grundlagen hat, und begehrte ein himmlisches Vaterland; er verzichtete auf Isaak, in dem die Verheißung gegeben war und erkannte die Wahrheit, nämlich die Hoffnung auf die Auferstehung; denn Gott ist der Unwandelbare.

„Durch Glauben segnete Isaak, in Bezug auf zukünftige Dinge, den Jakob und den Esau“ (Vers 20). Der Glaube befähigte Isaak, den Anspruch des Volkes Gottes nach der Erwählung von den natürlichen Rechten der Erstgeburt zu unterscheiden. Der Jüngste wird von ihm gesegnet; über den Erstgeborenen wird das Gericht ausgesprochen. Das war nach Gottes Wort und nach Gottes Gedanken; und Isaak erkannte dies durch den Glauben.

„Durch Glauben segnete Jakob sterbend einen jeden der Söhne Josephs und betete an über der Spitze seines Stabes“ (Vers 21). Aus dem langen, bewegten Leben Jakobs, so reich an allerlei Begebenheiten, ist keine einzige Glaubenstat zu melden, mit Ausnahme dessen, was er auf seinem Sterbebett tat. Nachdem er sich durch seine eigenen Wege allerlei Widerwärtigkeiten aufgeladen hatte, und einmal sogar im Begriff war, seinen Platz als Fremdling hienieden zu verlassen, als er sich mit den Leuten von Sichem verbinden wollte, nahm er am Ende seines Lebens, auf seinem Sterbebett, durch den Glauben seine wahre Stellung als Fremdling ein. Indem er sich auf seinen Pilgerstab stützte, mit dem er durch den Jordan gezogen war, segnete er die beiden Söhne Josephs, des durch seine Brüder verworfenen Sohnes, und gab ihm also eine doppelte Erbschaft.

Joseph, der in Ägypten zu höchster Macht, gelangt war, und sich Ehre, Ansehen und Vermögen erworben hatte, erkannte durch den Glauben, dass die Israeliten einmal das Land ihrer Dienstbarkeit verlassen würden, um als freies Volk in das ihnen von Gott verheißene Kanaan einzuziehen, und er gab Befehl, dass man bei diesem Auszug seinen Sarkophag mitnehmen sollte (Vers 22).

Von Vers 23 an folgen die Taten des Glaubens, die im Überwinden von Schwierigkeiten bestehen, wie sie der Mann des Glaubens auf seinem Weg durch diese böse Welt findet. Höchst wichtige Einzelheiten werden erwähnt und wichtige Lehren gegeben.

Der Glaube von Moses Eltern kümmerte sich nicht um den grausamen Befehl des Pharao; sie fürchteten das Gebot des Königs nicht; sondern, „weil sie sahen, dass das Kindlein schön war“ und es deshalb für den Erlöser Israels hielten, verbargen sie es drei Monate lang. Der Glaube disputiert nicht, sondern handelt nach Gottes Verheißung und überlässt die Folgen der Hand des Herrn (Vers 23).

Doch die Umstände, die der Herr benutzte, um Moses am Leben zu erhalten, waren gleichzeitig das Mittel, um ihn in die bevorzugteste Stellung zu bringen, die er in Ägypten einnehmen konnte. Alles, was damals einem Menschen Ehre und Ansehen, Reichtum und Macht bringen konnte, wurde Moses zuteil; doch durch den Glauben erkannte er seine Pflicht und seine Berufung. Er weigerte sich, ein Sohn der Tochter Pharaos genannt zu werden; er verließ den Hof und die Schätze Ägyptens, um sich zu dem armen, verachteten und unterdrückten Volk des Herrn zu halten, dem die Verheißungen Gottes gegeben waren. Mit dem Volk Gottes schlecht behandelt zu werden, war ihm lieber als die zeitliche Ergötzung der Sünde. Paulus sagt, Moses habe die Schmach des Christus für größeren Reichtum gehalten, als die Schätze Ägyptens. Denn unser teurer Heiland war auch reich und ist arm geworden, hat sich aller Schmach und allem Hohn der Welt preisgegeben, hat sich zu dem armen, verachteten Überrest der Juden gesellt und sich, als wäre Er einer von ihnen, durch Johannes taufen lassen. Darum nennt Paulus das, was Moses tat, ein Erwählen der Schmach des Christus vor den Schätzen Ägyptens, obwohl Moses nicht an die Schmach des Christus dachte und auch nicht daran denken konnte.

Es ist wichtig, hier zu beachten, dass der Glaube sich durch Beweggründe leiten lässt, die von Gott selber im Herzen des Menschen gewirkt werden und es leiten, ohne dass ihm die von Gott vorgesehenen Wege bekannt sind. Nie ist das Eingreifen von Gottes Vorsehung so deutlich und so merkwürdig gewesen wie in der Geschichte von Moses. Er wurde auf wunderbare Weise an den Hof Pharaos gebracht und dort vierzig Jahre lang in aller Weisheit der Ägypter unterwiesen. Aber durch den Glauben verließ er den Hof Pharaos und gab seine Vorrechte auf, um sich zum Volk des Herrn zu halten. Hieraus lernen wir, dass Gottes Vorsehung die Umstände leitet, aber dass der Glaube unser Benehmen und unser Herz führt.

Moses war dazu imstande, weil er auf die Belohnung schaute. Die Belohnung, die Gott verheißen hat, ist nicht der Beweggrund für unsere Handlungen, aber sie unterstützt und ermutigt das Herz. Sie entzieht uns dem Einfluss der Welt, dem Einfluss der Dinge, die uns umgeben, sowohl der angenehmen als auch der unangenehmen oder gar erschreckenden und richtet unsern Blick auf die künftige Herrlichkeit. Das Geheimnis der Standhaftigkeit, Bestimmtheit und sittlichen Größe liegt im Hinsteuern auf ein unsichtbares Ziel.

Der Glaube ohne zu sehen, verwirklicht auch das Eingreifen Gottes. Moses „hielt standhaft aus, als sähe er den Unsichtbaren“; und dadurch wurde er erlöst von aller Furcht vor den Feinden Gottes und Seines Volkes. „Durch den Glauben verließ Moses Ägypten und fürchtete die Wut des Königs nicht“ (Vers 27). Die Geschichte erzählt uns, mit welcher Würde und Unerschrockenheit Moses dem Zorn Pharaos trotzte und ihm die Gerichte des Herrn ankündigte.

Größer wird die Schwierigkeit für das Herz, wenn Gott nicht eingreift, wenn nämlich das Bewusstsein der Sünde und der Gedanke an das Gericht, das wir verdient haben, uns vor Gott, unserm Richter zittern lässt. Der Glaube aber anerkennt durch das Bestreichen der Türpfosten mit Blut, dass der Israelit gleich wie der Ägypter Gegenstand des Gerichtes Gottes ist; und indem er der Kraft des Blutes vertraut, nimmt er Gottes Zeugnis an und kann mit Ruhe das Gericht Gottes erwarten. In der Nacht, als das Gericht des Herrn über ganz Ägyptenland kam, konnte Moses durch den Glauben das Fest ihrer Erlösung, das Passah feiern (Vers 28).

Hierauf folgt eine andere Reihe von Glaubenstaten. Durch den Glauben gingen die Israeliten durch das Rote Meer; durch den Glauben fielen die Mauern Jerichos; durch den Glauben wurde die Hure Rahab verschont. Merkwürdige Verbindung! Gewiss nicht ohne Absicht durch den Heiligen Geist so gesetzt. Der Durchzug durch das Rote Meer ist ein Vorbild unserer vollkommenen Erlösung von der Macht des Feindes durch den Tod und die Auferstehung des Christus. Die Wasser des Gerichts, in welchen die Ägypter umkamen, waren für die Israeliten der Weg zur Rettung. Durch den Tod gingen sie zum Leben. Dies war das Vorbild für das, was in Christus erfüllt ist. Das Kreuz bedeutet Tod und Gericht, die zwei schrecklichen Folgen der Sünde, das ewige Los des Sünders. Aber für uns ist das Kreuz die Erlösung, weil Christus Gericht und Tod für uns am Kreuz erduldet hat, so dass wir davon befreit sind. Christus ist gestorben und auferstanden, und wir durchgehen im Glauben das, was unsere ewige Verurteilung gewesen wäre, nun aber unsere ewige Erlösung geworden ist. Wir gehen durch das Meer ohne zu ertrinken. Der Tod und das Gericht sind unsere Sicherheit; und durch die Auferstehung von Jesus, Christus aus den Toten kommen wir in einen neuen Zustand.

Die Israeliten mussten nicht nur von der Macht Pharaos befreit werden, sie mussten auch das ihnen verheißene Land Kanaan in Besitz nehmen; dazu mussten die Feinde aus dem Land vertrieben werden. Durch den Glauben fielen die Mauern Jerichos, nachdem sie sieben Tage umzogen waren und der Glaube sich dadurch in seiner Kraft und Beharrlichkeit offenbart hatte. Nun lag das ganze Land offen vor ihnen. Nach unserer Erlösung von Tod und Gericht nehmen wir durch den Glauben unsern Platz in den himmlischen Örtern ein und erobern die himmlischen Segnungen vom Feind unserer Seelen, dem großen Verkläger der Brüder (Off 12,10).

Durch den Glauben kam Rahab, die Hure, nicht mit den Ungläubigen um, weil sie die Kundschafter in Frieden aufgenommen hatte. Sie gesellte sich durch ihren Glauben zum Volk des Herrn und wurde als Fremdling in das Volk aufgenommen und sogar zu dem Geschlecht zugelassen, aus dem, dem Fleisch nach, der Messias gekommen ist. So werden die Heiden an den Segnungen Israels teilhaben; und so sind schon jetzt die Gläubigen aus den Nationen mit den Gläubigen aus Israel ein Leib, Mitgenossen derselben Verheißungen und Hausgenossen Gottes.

Von Vers 32–38 erinnert der Heilige Geist allgemein an die Glaubenstaten der Heiligen des Alten Bundes in verschiedenen Zeiten und unter allerlei Umständen, durch welche die Kraft des Glaubens und seine Ausdauer unter den schrecklichsten Leiden und den schwersten Verfolgungen sich bewährt haben. Wahrscheinlich sind in den Versen 37 und 38 die Gläubigen gemeint, die zur Zeit der Makkabäer unter den furchtbaren Verfolgungen des syrischen Königs Antiochus Epiphanes seufzten. Die Welt war es nicht wert, solche treue Zeugen Gottes in ihrer Mitte zu haben.

Höchst wichtig sind die zwei letzten Verse des Kapitels. „Und diese alle, die durch den Glauben ein Zeugnis erlangten, haben die Verheißung nicht empfangen, da Gott für uns etwas Besseres vorgesehen hat, damit sie nicht ohne uns vollkommen gemacht würden“ (Verse 39–40). Wie am Anfang, so wird auch am Ende dieses Kapitels von allen Heiligen des Alten Bundes gesagt, dass sie Gott wohlgefällig waren. Dennoch haben sie die Verheißung nicht empfangen. Sie sind dahingegangen, bevor die Verheißung erfüllt worden ist. Warum haben sie die Erfüllung der Verheißung nicht empfangen? Nun, weil wir erst in die volle und herrliche Offenbarung der neuen Haushaltung, der der Ekklesia, kommen mussten; und Gott für uns etwas Besseres vorgesehen hatte, damit sie nicht ohne uns vollkommen gemacht würden.

Wir werden in diesem Brief in der Wahrheit unterwiesen, dass die himmlischen Dinge die Dinge geworden sind, in denen wir leben durch die Vereinigung des Christus mit der Versammlung (Gemeinde) und durch unser Eintreten mit Freimütigkeit in das himmlische Heiligtum durch Sein Blut. Für uns ist keine Rede von einer Verheißung, durch die wir von ferne den Ort schauen, in den wir noch nicht hineingehen dürfen; denn wir können mit Freimütigkeit in Gottes Gegenwart treten; wir gehören zum himmlischen Heiligtum, wo Gott wohnt; wir haben dort unser Bürgerrecht. Christus ist als der verherrlichte Mensch im Himmel; Er, unser Haupt, ist unser Vorläufer. Abraham wandelte hier auf Erden, den Blick auf die himmlische Stadt gerichtet; aber er stand zum Himmel nicht in Beziehung durch einen Christus, der in der Herrlichkeit eingegangen war. Wir sind in Christus im Himmel. Der Heilige Geist geht hier freilich nicht weiter auf diesen Gegenstand ein, weil es nicht Seine Absicht ist, uns hier die herrliche Stellung der Ekklesia zu enthüllen (das tut Er im Brief an die Epheser); aber Er zeigt uns doch mit einem einzigen Wort diese herrliche Stellung. Wie gesegnet die Erzväter auch waren, so ist die Stellung des Christen doch eine ganz andere und höhere. Wir haben Vorrechte, die nicht das Teil der Gläubigen des Alten Bundes waren. Wir werden in der Auferstehung zusammen mit ihnen verherrlicht werden, aber wir haben ein Teil, das die Heiligen der Alten Haushaltung nicht hatten. Die Tatsache, dass der Mensch Christus Jesus im Himmel ist, nachdem Er die Erlösung vollbracht hat, und dass der Heilige Geist, durch den wir mit Christus verbunden sind, hier auf Erden ist und in uns wohnt, lässt uns begreifen, dass unsere Vorrechte viel höher und größer sind als die der alttestamentlichen Heiligen. Der Kleinste im Königreich ist größer als der Größte von ihnen, die vor der Ankunft dieses Königreichs lebten.

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