Das Buch des Propheten Jeremia

Kapitel 46

Die über die Nationen verhängten Gerichte

1. Ägypten

Der generelle Charakter der Gerichte über die Nationen

„Das Wort des HERRN, das an Jeremia, den Propheten, erging über die Nationen.“ (Jer 46,1)

Wir haben gesehen, dass das durch Jeremia angekündigte Gericht sich auf alle Nationen bezog, die in Beziehung mit Israel waren. Dieses Gericht wird in den Kapiteln 47 bis 51 genau beschrieben.

Gott beginnt das Gericht mit seinem Volk und stellt es als das Zentrum seiner Regierung auf der Erde beiseite. Er wird die höchste Autorität den Nationen (nicht den israelitischen) in der Person Nebukadnezars, dem König Babels, anvertrauen. Die über die Nationen verhängten Gerichte beschränken sich auf die Ereignisse, die das Ziel haben, die Herrschaft dieses Königs über sie aufzurichten. Babel selbst wird danach gerichtet. Gleichzeitig findet man darin einige Hinweise, die mit der Regierung Gottes übereinstimmen, sobald er in den letzten Tagen offenbart werden wird. Daher werden einige Nationen, deren Gebiet nicht Teil des Gebietes Israels ist, am Ende wiederhergestellt (Ägypten, Moab, Ammon, Elam), während die, deren Gebiet Israel angehört, es nicht sein werden (Philister, Hatsor, Damas). Der Fall Edoms ist besonders; obwohl sein Gebiet außerhalb Israels liegt, wird er eine vollständige Zerstörung wegen seiner heimtückischen Hartnäckigkeit gegen Israel, erleiden.

Der Fall des Pharaos und seiner Armee im Land des Nordens

„Über Ägypten. Über die Heeresmacht des Pharaos Neko, des Königs von Ägypten, die in Karchemis war, am Strom Euphrat, die Nebukadrezar, der König von Babel, im vierten Jahr Jojakims, des Sohnes Josias, des Königs von Juda, schlug. Rüstet Tartsche und Schild und rückt heran zum Kampf! Spannt die Pferde an und besteigt die Reitpferde! Und stellt euch auf in Helmen, putzt die Lanzen, zieht die Panzer an! Warum sehe ich sie bestürzt zurückweichen? Und ihre Helden sind zerschmettert, und sie ergreifen die Flucht und sehen sich nicht um – Schrecken ringsum!, spricht der HERR. Der Schnelle soll nicht fliehen und der Held nicht entkommen; im Norden, zur Seite des Stromes Euphrat, sind sie gestrauchelt und gefallen. Wer ist es, der heraufsteigt wie der Nil, wie Ströme wogen seine Gewässer? Ägypten steigt herauf wie der Nil, und wie Ströme wogen seine Gewässer; und es spricht: Ich will hinaufsteigen, will das Land bedecken, will Städte zerstören und ihre Bewohner. Steigt hinauf, ihr Pferde, und rast, ihr Wagen; und die Helden mögen ausziehen, Kusch und Put, die den Schild fassen, und die Luditer, die den Bogen fassen und spannen! Aber dieser Tag ist für den Herrn, den HERRN der Heerscharen, ein Tag der Rache, um sich zu rächen an seinen Widersachern; und fressen wird das Schwert und sich sättigen und sich laben an ihrem Blut. Denn der Herr, der HERR der Heerscharen, hat ein Schlachtopfer im Land des Nordens, am Strom Euphrat. Geh hinauf nach Gilead und hole Balsam, du Jungfrau, Tochter Ägyptens! Vergeblich häufst du die Heilmittel; da ist kein Pflaster für dich. Die Nationen haben deine Schande gehört, und die Erde ist voll von deinem Klagegeschrei; denn ein Held ist über den anderen gestrauchelt, sie sind beide zusammen gefallen.“ (Jer 46,2–12)

Der Pharao Neko, der König Ägyptens, hatte Josias, den König von Juda, getötet. Daraufhin hatte er einen Sohn Josias, Joahas, gefangen nach Ägypten geführt, den das Volk als König bestimmt hatte und hatte ihn durch seinen Bruder Jojakim ersetzt.

Als Nebukadnezar Juda angegriffen hat, haben sich Jojakim und sein Volk nach Ägypten wenden wollen, um aus seiner Hand zu entkommen. Das Heer des Pharaos erschien gut im Stande zu sein, Babel zu regieren. Es war mit starken, gut ausgerüsteten Männern auf Pferdewagen bis zum Euphrat vorgerückt. Der Eifer des Pharaos war grenzenlos, seine Macht so eindrucksvoll wie der Nil bei Hochwasser. Aber Gott hatte entschieden, Ägypten dem König von Babel auszuliefern und seine starken Männer sind vor dem Heer Nebukadnezars gefallen.

Die Invasion und die Verzweiflung im Land Ägypten

„Das Wort, das der HERR zu Jeremia, dem Propheten, redete bezüglich der Ankunft Nebukadrezars, des Königs von Babel, um das Land Ägypten zu schlagen: Verkündigt es in Ägypten, und lasst es hören in Migdol, und lasst es hören in Noph und in Tachpanches! Sprecht: Stelle dich und rüste dich! Denn das Schwert frisst alles rings um dich her. Warum sind deine Starken niedergeworfen? Keiner hielt stand, denn der HERR hat sie niedergestoßen. Er ließ viele straucheln; ja, einer fiel über den anderen, und sie sprachen: Auf, und lasst uns zurückkehren zu unserem Volk und zu unserem Geburtsland vor dem gewalttätigen Schwert! Man rief dort: Der Pharao, der König von Ägypten, ist verloren; er hat die bestimmte Zeit vorübergehen lassen! So wahr ich lebe, spricht der König, HERR der Heerscharen ist sein Name: Wie der Tabor unter den Bergen und wie der Karmel am Meer wird er kommen! Mache dir Auswanderungsgeräte, du Bewohnerin, Tochter Ägyptens; denn Noph wird zur Wüste und verbrannt werden, ohne Bewohner. Eine sehr schöne junge Kuh ist Ägypten; eine Bremse von Norden kommt, sie kommt. Auch seine Söldner in seiner Mitte sind wie gemästete Kälber; ja, auch sie wandten sich um, sind geflohen allesamt, haben nicht standgehalten; denn der Tag ihres Verderbens ist über sie gekommen, die Zeit ihrer Heimsuchung. Sein Laut ist wie das Geräusch einer Schlange, die davoneilt; denn sie ziehen mit Heeresmacht daher und kommen über Ägypten mit Beilen wie Holzhauer. Sie haben seinen Wald umgehauen, spricht der HERR, denn sie sind unzählig; denn sie sind zahlreicher als die Heuschrecken, und ohne Zahl sind sie. Die Tochter Ägyptens ist zuschanden geworden, sie ist in die Hand des Volkes von Norden gegeben. Es spricht der HERR der Heerscharen, der Gott Israels: Siehe, ich suche heim den Amon von No und den Pharao und Ägypten und seine Götter und seine Könige, ja, den Pharao und die, die auf ihn vertrauen. Und ich gebe sie in die Hand derer, die nach ihrem Leben trachten, und zwar in die Hand Nebukadrezars, des Königs von Babel, und in die Hand seiner Knechte. Danach aber soll es bewohnt werden wie in den Tagen der Vorzeit, spricht der HERR.“ (Jer 46,13–26)

Der Fall des Heeres des Pharaos wird sich nicht auf eine Niederlage außerhalb seines Landes beschränken. Es wird einen vollständigen Zusammenbruch erfahren, da die Überlebenden seiner Soldaten und die in Vers 9 aufgezählten Söldner, alle vom Nord–Osten Afrikas, sich umgewandt haben, um zurückzukehren. Aber das Heer Nebukadnezars wird sie verfolgen und das Land Ägypten in Verzweiflung bringen, das völlig in die Hand der Chaldäer, dem Volk des Nordens, ausgeliefert werden wird. Also werden Ägypten, seine Götter und seine Könige alle zusammen gerichtet. Man erfasst die Torheit Judas, das geglaubt hatte, dort Zuflucht zu finden, trotz der Aufforderung Gottes.

Trotzdem wird dies nicht eine vollständige und endgültige Zerstörung sein. „Danach aber“, in einer unbestimmten Zeit, wird Ägypten wieder „bewohnt werden wie in den Tagen der Vorzeit“. Mehrere Propheten bestätigen diese Wiederherstellung Ägyptens, nicht nur in den Zeiten, die der Zerstörung Babels gefolgt sind, sondern auch zur Zeit des Endes, die heute noch bevorsteht (Jes 19,24.25), und zwar nach den Konflikten, die Ägypten noch mit Israel und dem König des Nordens austragen wird (Dan 11,40).

Er hat die bestimmte Zeit vorübergehen lassen!

„Man rief dort: Der Pharao, der König von Ägypten, ist verloren; er hat die bestimmte Zeit vorübergehen lassen!“ (Jer 46,17)

Die Ankündigung einer zukünftigen Wiederherstellung (V. 26) macht diesen Ausruf umso herzzerreißender.

Gott hat häufig zu dem Pharao während seines Wohlstands gesprochen, aber dieser hat nicht gehört und sein Herz verhärtet, wie sein Vorfahre in den Tagen Moses. Der günstige Moment, um zu Gott umzukehren, ist vergangen. Es bleibt nur das Gericht.

„Der Pharao... ist ein Getöse“, das einen Moment lang erschrecken kann, aber was bleibt davon? Wie viele große Leute in dieser Welt besitzen diesen Charakter! Man spricht eine Zeit lang viel von ihnen, von ihren Heldentaten, dann geraten sie schnell in Vergessenheit, manchmal in Verachtung (Pred 4, 16).

Gott wird später eingreifen, um Ägypten wieder zu erheben, doch was für eine verlorene Zeit und was für erduldete Leiden während dieser Zeit. Dies ist eine ernste Aufforderung für uns. Gott spricht heute zu mir, durch diesen oder jenen Vers in Seinem Wort, ... durch diesen Vers 17. Nehme ich ihn von seiner Seite an? Er hält mich vielleicht durch einen schwierigen Umstand, durch Krankheit, Unfall oder Widrigkeiten auf, wodurch ich erkenne, dass er mir etwas zu sagen hat. Bin ich bereit, innezuhalten, um zuzuhören, oder wende ich mich ab auf meinen eigenen Weg, koste es, was es wolle?

Lassen wir uns nicht von dem Gedanken verführen, dass Gott voll Gnade ist und dass er uns aus der Verirrung führen wird. Wir stehen in der Gefahr, die Zeit der Geduld Gottes verstreichen zu lassen (Jes 7,13).

Der Trost Israels

„Du aber, fürchte dich nicht, mein Knecht Jakob, und erschrick nicht, Israel! Denn siehe, ich will dich retten aus der Ferne und deine Nachkommen aus dem Land ihrer Gefangenschaft; und Jakob wird zurückkehren und ruhig und sicher sein, und niemand wird ihn aufschrecken. Du, mein Knecht Jakob, fürchte dich nicht, spricht der HERR, denn ich bin mit dir. Denn ich werde allen Nationen, wohin ich dich vertrieben habe, den Garaus machen; aber dir werde ich nicht den Garaus machen, sondern dich nach Gebühr züchtigen und dich keineswegs ungestraft lassen.“ (Jer 46,27–28)

Die Juden hatten, indem sie das Wort Gottes verachteten, geglaubt, sich auf Ägypten verlassen zu können, um dem König des Nordens zu entkommen. Augenscheinlich wurde ihre Stütze komplett umgestürzt. Dies war das Ende ihrer Hoffnung, der tragische Ausblick, ihren Feinden völlig ausgeliefert zu sein. Darum begegnet ihnen der HERR mit Worten der Ermunterung: „Fürchte dich nicht... erschrick nicht“. Beachten wir den Titel, den Er ihnen hier gibt: „Mein Knecht Jakob... Israel“. Dies geschah, um sie daran zu erinnern, dass sie die göttlichen Verheißungen völlig vergessen hatten, aber auch, dass die Gedanken Gottes und sein Ratschluss im Blick auf sie dieselben bleiben würden bis zu ihrer vollständigen Erfüllung. Diejenigen, die sie in Gefangenschaft führen, werden völlig zerstört werden, aber Israel wird nach Gebühr gezüchtigt (Jer 10,24), um am Ende wiederhergestellt zu werden. Nur – und der HERR erinnert noch einmal daran – die gerechte Regierung Gottes soll seinen Verlauf nehmen: „Keineswegs hält er für schuldlos den Schuldigen“ (vgl. 2. Mo 34,7).

Dieses Kapitel ermuntert uns, weil es uns zeigt, dass Gott uns liebt, selbst wenn er uns züchtigt.

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