Von Babel nach Jerusalem
Eine Studienhilfe zum Buch Esra

Teil A: Rückkehr eines Überrestes unter Jeschua und Serubbabel (Kapitel 1-6)

Die im ersten Teil des Buches erwähnten Ereignisse finden etwa in den Jahren 538–516 v. Chr. statt. Sie beschreiben die Rückkehr von 42.360 Exiljuden aus Babylon nach Jerusalem, um dort zunächst den Altar an seiner Stelle zu errichten und dann das Haus Gottes (den Tempel) zu bauen. Diese Rückkehr findet unter der Leitung von Serubbabel, dem Landpfleger, und Jeschua, dem Hohenpriester, statt. Diese beiden Führer repräsentieren den politischen (königlichen) bzw. geistlichen (priesterlichen) Charakter des Überrestes und weisen zugleich auf Christus hin, der König und Priester in einer Person ist. Im Zentrum dieser ersten Rückkehr stehen der Bau des Altars und des Tempels. Wir lernen in diesem Teil etwas über den Baubeginn, über den Widerstand, die Resignation und schließlich über das Ende des begonnenen Werkes. Die Kapitel sind äußerst lehrreich für jeden, der die Gedanken Gottes über seine Versammlung ernst nimmt und sie in einer schwierigen Zeit verwirklichen möchte.

Esra 1: Erweckung eines Überrestes durch den Rückkehrerlass von König Kores

Das erste Kapitel ist eine Einführung in das Buch Esra. Es zeigt uns erstens den Erlass des Königs Kores von Persien, der die Juden in Babel dazu aufforderte, das Haus Gottes in Jerusalem zu bauen. In dem Erlass lernen wir wichtige Einzelheiten über dieses Haus. Zweitens lernen wir, dass einige der Juden dieser Aufforderung Folge leisteten und von Kores unterstützt wurden, indem er ihnen die Geräte des Hauses Gottes gab.

Verse 1–4: Der Erlass des Königs Kores

Kores, König von Persien

Das Buch beginnt mit denselben Worten, mit denen das zweite Buch Chronika endet. Beide Bücher gehören eng zusammen. Das Buch Esra setzt die Geschichte Judas fort, indem es uns den kleinen Überrest zeigt, der aus der Gefangenschaft zurückkehrte.

Kores (sein Name bedeutet „die Sonne“) war König von Persien (ca. 559–529 v. Chr.). Die Zeit wurde – anders als in der Zeit der Könige in Juda und Israel – nach den Königen der Nationen gerechnet. Das macht deutlich, dass die Juden kein politisch eigenständiges Volk mehr waren und keinen König hatten, sondern in den „Zeiten der Nationen“ lebten (Lk 21,24). Ihr Wohl und Wehe hing ab von dem Wohlwollen fremder Könige, die ihnen entweder gut oder böse gesonnen waren.

In der säkularen Geschichtsschreibung ist Kores als Kyros II. (oder der Große, der Ältere) bekannt, der 539 v. Chr. das babylonische Weltreich eroberte. Er war der Gründer des altpersischen Weltreiches und seit 559 v. Chr. der König Persiens. Er stürzte Astyages, den letzten Herrscher der medischen Kyaxares-Konföderation, und eroberte Medien, er entthronte den König von Lydien (Krösus) und verleibte mehrere kleinasiatische Staaten in sein Reich ein. Er fiel im Kampf gegen die Saken. Einer seiner Söhne war Kambyses (ca. 530–522 v. Chr).

Das erste Jahr von Kores ist nicht sein erstes Regierungsjahr als König über Persien, sondern das erste Jahr seiner Regierung über Babel, nachdem die Meder und Perser das babylonische Reich erobert und damit das erste große Weltreich in der „Zeit der Nationen“ abgelöst hatten (Lk 21,24). Der in Vers 1 genannte Erlass wurde im Jahr 538 v. Chr. gegeben.

König Kores wird außer im Buch Esra im zweiten Buch Chronika, im Buch Daniel und im Propheten Jesaja erwähnt. Er war – obwohl ein heidnischer König – ohne Frage ein besonderes Werkzeug in der Hand Gottes und ein Beweis dafür, dass Gott die Herzen von Königen wie Wasserbäche lenkt (Spr 21,1). Besonders die Hinweise im Propheten Jesaja zeigen uns, dass Kores auf die Person des Herrn Jesus hinweist und in einem gewissen Sinn ein Bild von Ihm ist, der sein irdisches Volk einmal in den Segen des tausendjährigen Reiches bringen wird.1 Kores trägt im Alten Testament folgende Titel:

  • Mein Hirte (Jes 44,28): Dieser Titel zeigt die Fürsorge des Herrn Jesus für sein irdisches Volk, insbesondere für den kommenden Überrest. Der zweite Teil von Hesekiel 34 (ab Vers 11) beschreibt in eindrucksvollen Worten, welch ein Hirte der Messias für sein Volk sein wird.
  • Der all mein Wohlgefallen ausführt und vollführt (Jes 44,28; 48,14): Das hat der Herr Jesus getan, als Er vor ca. 2.000 Jahren auf dieser Erde lebte, und Er wird es wiederum tun, wenn Er den Überrest durch die Drangsal in das Land bringen wird. Er wird den ganzen Ratschluss im Blick auf das irdische Volk Gottes vollständig zur Freude Gottes erfüllen. Aller Zusagen Gottes erfüllen sich in Ihm.
  • Der Gesalbte (Jes 45,1): Der hebräische Ausdruck dafür ist „Messias“, der griechische Ausdruck ist „Christus“. Im Alten Testament wurden Könige, Priester und Propheten gesalbt. Alle drei Ämter waren voneinander getrennt und sind nur in Christus vereint, der einmal für sein irdisches Volk König, Priester und Prophet sein wird.
  • Der, den ich bei seiner rechten Hand ergriffen habe (Jes 45,1): Die rechte Hand spricht von Macht und Kraft und Autorität, die wir vor allem in Christus finden. Er ist der Knecht Gottes, den Er stützt (Jes 42,1).
  • Der Mann meines Ratschlusses (indirekter Hinweis auf Kores) (Jes 46,11): Gott hat einen ewigen Ratschluss („vor Grundlegung der Welt“) im Blick auf Christus und seine Versammlung. Er hat jedoch ebenfalls einen zeitlichen Ratschluss („von Grundlegung der Welt“), der sich auf Israel und die Nationen bezieht. In beiden Fällen ist Christus der Mittelpunkt des Ratschlusses Gottes und derjenige, der ihn erfüllen wird.
  • Den der Herr liebt (Jes 48,14): Wenn es einen besonderen Gegenstand der Liebe Gottes gibt, dann ist es Christus, der „geliebte Sohn“ und „Sohn seiner Liebe“. Es ist ein Liebe „vor Grundlegung der Welt“ (Joh 17,24), die wir nur bewundernd anschauen können.
  1. N. Darby schreibt: „Von dem Herrn für diesen Zweck mit Namen berufen, begünstigte Kores Israel und erwies dem Herrn Ehre. Das war ein Mann, der durch die Gunst des allmächtigen Gottes ausgezeichnet und gesegnet war, ein Mann, dessen Verhalten gewisslich der Führung Gottes unterlag, dessen persönlicher Charakter sich nicht einmischte, weil es die Zeiten der Nationen waren, denn Gott hatte es in das Herz eines Mannes aus den Nationen eingegeben, dass er sein Volk begünstigen sollte.“

Es ist bemerkenswert, dass Gott selbst in Jesaja 44,28 den Namen von Kores viele Jahrzehnte, bevor er geboren wurde, bereits nennt (vgl. Josias Name in 1. Könige 13,2). Gott weiß alles im Voraus, selbst die Namen heidnischer Könige.

Gottes Zusagen erfüllen sich

Wenn Gott etwas zusagt, können wir ganz sicher sein, dass Er es erfüllt. Deshalb wird in Vers 1 ausdrücklich auf das Wort des Herrn verwiesen, das sich nun erfüllen sollte. Das war damals so, und das ist heute nicht anders. Gottes Zusagen erfüllen sich in dem Herrn Jesus (2. Kor 1,20) – und zwar sowohl in Gnade und Barmherzigkeit als auch im Gericht. Er hatte das Gericht über Israel vorausgesagt, und Er hatte die Rückkehr aus der Gefangenschaft vorausgesagt. Und nicht nur das – Er hatte ebenfalls die Zeit angegeben, wann das geschehen sollte: „Und dieses ganze Land wird zur Einöde, zur Wüste werden; und diese Nationen werden dem König von Babel dienen siebzig Jahre“ (Jer 25,10). „Denn so spricht der Herr: Sobald siebzig Jahre für Babel voll sind, werde ich mich euer annehmen und mein gutes Wort an euch erfüllen, euch an diesen Ort zurückzubringen (Jer 29,11). So konnte Daniel beim Lesen des Propheten Jeremia gut verstehen, wann diese Zeit im Exil vorbei sein sollte (vgl. Jer 24,6.7).

Jesaja hatte ebenfalls – ca. 200 Jahre vorher – davon gesprochen: „Der von Kores spricht: Mein Hirte und der all mein Wohlgefallen ausführt, und zwar, indem er von Jerusalem sagen wird: Es werde aufgebaut!, und vom Tempel: Er werde gegründet!“ (Jes 44,28). Genau das wird jetzt erfüllt. Es mag manchmal länger dauern, bis sich Gottes Zusagen erfüllen, jedenfalls können wir sicher sein, dass sie sich erfüllen werden.2 Das gilt für die Geschichte dieser Erde ebenso wie für unser persönliches Leben. Deshalb können wir Gott voll und ganz vertrauen.

So spricht Kores

Kores ist ein Instrument in der Hand Gottes. Er erweckt den Geist von Menschen, damit sie seinen Willen tun. In Jesaja 41,2 stellt Er die Frage: „Wer hat … erweckt?“ Gott ist souverän und allmächtig. Hier ist es ein heidnischer König, dem Er einen Auftrag gibt. Dennoch handelt Kores nicht, ohne es selbst zu wollen. Göttliche Souveränität und menschliches Handeln gehen immer Hand in Hand. Das war bei dem Überrest, der sich auf den Weg nach Jerusalem machte, nicht anders. Gott erweckte ihren Geist, dennoch mussten die Juden sich selbst aufmachen, um nach Jerusalem hinaufzugehen. Im Propheten Haggai lesen wir ebenfalls, dass Gott den Geist der Führer des Volkes und des ganzen Überrestes erweckte und dass sie kamen, um am Haus Gottes zu bauen (Hag 1,14).3

Die Worte Kores beinhalten drei Punkte:

  1. Den Auftrag, den er von Gott bekommen hatte im Blick auf den Tempel in Jerusalem.
  2. Die Erlaubnis, die er den Juden gab, nach Jerusalem zurückzukehren, um dort den Tempel zu bauen.
  3. Die Aufforderung an die Zurückbleibenden, die Rückkehrer mit freiwilligen Gaben zu unterstützen.

Es ist gut möglich, dass Kores den Propheten Jesaja kannte und deshalb wusste, was dort über ihn vorausgesagt war. Kores war der mächtigste Mann seiner Zeit. Dennoch war er sich bewusst, dass er ein Werkzeug in der Hand Gottes war. Er spricht in Vers 2 erstens über Gott und zweitens über sich. Er nennt Gott den „Gott des Himmels“. Dieser Titel ist charakteristisch für die Bücher, die während und nach dem Exil geschrieben worden sind, besonders für Esra, Nehemia und Daniel (vgl. Esra 1,2; 5,12; 6,9.10; Neh 1,4.5; 2,4.20; Dan 2,18.19.37.44). An anderen Stellen lesen wir von dem Gott „des Himmels und der Erde“ (vgl. 1. Mo 14,22; 24,3; Esra 5,11; Apg 17,24; Mt 11,25). Für die Juden war Gott dadurch, dass seine Herrlichkeit den Tempel verlassen hatte, nun der „Gott des Himmels“ geworden, der vom Himmel aus regiert und die unmittelbare Regierung auf der Erde den Königen der Erde übergeben hat. Damit hat eine Zeit begonnen, die der Herr Jesus „Zeiten der Nationen“ nennt (Lk 21,24). Diese Zeiten dauern an, bis der Herr Jesus die Regierung im tausendjährigen Reich antritt. Gott hat sich – wenn man es so ausdrücken will – von der Erde zurückgezogen und die Regierung den Nationen gegeben. Der Grund dafür war der Götzendienst seines irdischen Volkes (2. Chr 36,14–16).

Kores war sich der Tatsache bewusst, dass der Gott des Himmels ihm alle Königreiche der Erde gegeben hatte. Das Buch Daniel bestätigt mehrmals, dass Gott das Königtum verleiht, wem Er will (Dan 4,14.22.29). Die meisten politischen Führer der Welt werden keinen Augenblick darüber nachdenken, obwohl es faktisch immer wahr bleibt. Es ist bis heute keine Regierung, außer von Gott (Röm 13,1). Die Regierung wird immer von Gott eingesetzt. Das macht uns im Blick auf ihr Handeln ruhig, selbst wenn wir feststellen müssen, dass sich die meisten Regierungen völlig von Gott entfernt haben und ganz anders agieren, als Kores es tat. Gott ist und bleibt der „Gott des Himmels“. Er greift nicht direkt in die Geschehnisse auf dieser Erde ein, sondern Er tut es indirekt. Er verliert dabei niemals die Kontrolle.

Trotz der Tatsache, dass Kores in seinen Titeln auf den Herrn Jesus hinweist und dieses Zeugnis über den Gott des Himmels ablegt und anerkennt, dass Er Gott ist (Vers 3), wissen wir nicht, ob er selbst je seine Knie wirklich vor Gott gebeugt hat. Er anerkannte Gott als absoluten und souveränen Herrscher. Ob seine Kenntnis Gottes jedoch eine persönliche Sache war, können wir nicht sicher sagen (vgl. das Bekenntnis von Nebukadnezar in Daniel 4,37). Kores nennt Gott an keiner Stelle „mein Gott“, sondern spricht von Ihm immer in der dritten Person. Aus Inschriften, die man gefunden hat, geht jedenfalls hervor, dass er seine eigenen Siege einer Gottheit mit Namen Marduk zuschrieb.

Das Haus Gottes, das in Jerusalem ist

Der Erlass von Kores betrifft das Haus Gottes, den Tempel, und nicht den Bau der Stadt. Der Ausdruck „das Haus Gottes, das in Jerusalem ist“ kennzeichnet das ganze Buch Esra (vgl. Esra 1,2.3.4.5; 2,68; 3,8; 4,24; 5,2.14.15.16.17; 6,3.5.12; 7,16.17). Es wird hier als absolute Tatsache vorgestellt, obwohl zum Zeitpunkt der Worte Kores kein Haus Gottes in Jerusalem stand. Gott legt größten Wert auf die Tatsache, dass es sein Haus ist, das in Jerusalem steht. Damals war es ein materielles Haus, das aus Holz und Steinen und anderen Materialien gebaut wurde. Heute haben wir es nicht mit einem materiellen Haus zu tun, sondern mit einem geistlichen Haus. Epheser 2,21.22 spricht von der Versammlung als von einem „Bau“, einem „heiligen Tempel“ und einer „Behausung Gottes im Geist“. Petrus nennt die Versammlung ausdrücklich ein „geistliches Haus“ (1. Pet 2,5). Wir lernen Folgendes:

  1. Es ist das Haus Gottes: Obwohl es im Lauf der Geschichte mehrere Tempel in Jerusalem gegeben hat, die alle zerstört worden sind, spricht Gott dennoch nie von verschiedenen Häusern, sondern immer von „dem Haus“ oder „dem Tempel“ (Einzahl). Für uns bedeutet das, dass es im Ratschluss Gottes nur eine Versammlung gibt und nicht mehrere. Die Zersplitterung der Gläubigen in viele Gruppen und Benennungen (Denominationen) ist niemals nach Gottes Gedanken.
  1. Es ist das Haus Das erinnert an die Tatsache, dass Gott bei seinem Volk wohnen will. Es war immer die Absicht Gottes, bei seinem erlösten Volk zu wohnen (2. Mo 15,13.17). In der Versammlung realisiert sich dieser Plan. Sie ist eine „Behausung Gottes“ (Eph 5,22). Wo Gott wohnt, offenbart Er sich, und zwar in Herrlichkeit und Heiligkeit. Im Haus Gottes muss deshalb alles seiner Herrlichkeit und Heiligkeit entsprechen (3. Mo 10,3; Ps 26,8; 93,5). Gott wird sich nicht mit Dingen verbinden, die dem entgegen sind.
  1. Es ist das Haus Gottes: Gott verbindet seinen Namen mit seinem Haus. Der Tempel wird weder der „Tempel der Juden“ genannt, noch wird er mit irgendeiner anderen Person verbunden als mit Gott. Für uns gilt, dass die Versammlung nicht die Versammlung von Menschen oder von Brüdern ist, sondern – unter dem Gesichtspunkt des Ratschlusses Gottes – immer die „Versammlung des lebendigen Gottes“ (1. Tim 3,15). Er hat sie sich erworben durch das Blut seines Sohnes (Apg 20,28). Sie hat in den Augen Gottes einen hohen Wert. Außerdem nennt Christus die Versammlung ausdrücklich „meine Versammlung“ (Mt 16,18). Wir haben unter diesem Blickwinkel kein Recht, von „unserer Versammlung“, von „Brüderversammlungen“ oder ähnlichem zu reden. Alle Autorität in der Versammlung gehört unserem Gott und geht von Ihm aus. Wenn sie zu einer Versammlung – Gemeinde oder Kirche – von Menschen wird (d.h. wenn Menschen eigenmächtig Autorität ausüben und gegen Gottes Gedanken handeln), kann es nicht mehr die „Versammlung Gottes“ sein.
  1. Das Haus Gottes steht in Jerusalem: In Babel (Synonym von Verwirrung und Vermischung, vgl. 1. Mo 11,9; Off 17,5) konnte der Tempel Gottes nicht gebaut werden, sondern nur da, wo Gott – der Eigentümer seines Hauses – es festgelegt hatte. In Babel konnte es wohl offene Fenster in Richtung Jerusalem geben (Dan 6,11), aber keinen Gottesdienst im Tempel. Das fünfte Buch Mose spricht wiederholt von dem Ort, den der Herr sich erwählen wollte, um seinen Namen dort wohnen zu lassen (zum ersten Mal in 5. Mo 12,5). Dieser Ort war Jerusalem. So wie Gottes Haus heute kein materielles, sondern ein geistliches Haus ist, ist der Ort des Zusammenkommens für uns heute kein geographischer Ort, sondern ein geistlicher Ort. Wir finden ihn da, „wo zwei oder drei versammelt sind“ in seinem Namen (oder: zu seinem Namen hin) und wo der Herr seine Gegenwart versprochen hat (Mt 18,20). Die vielen von Menschen gemachten christlichen Benennungen stehen im Widerspruch zu diesem geistlichen Ort. Nur in der Trennung von allem, was nicht mit seinem Namen (und mit seiner Autorität) verbunden ist, können wir diesen Ort heute finden und aufsuchen. Dazu müssen wir vorher Babel verlassen.

Das Haus des Herrn bauen

Damals sollte ein materielles Haus gebaut werden. Heute geht es um ein geistliches Haus – die Versammlung Gottes. Das Neue Testament zeigt uns dabei zwei Seiten, die gleichzeitig wahr sind: Erstens baut Christus sein Haus (Mt 16,18), und zweitens bauen wir daran (1. Kor 3,1–15).4 Um diese zweite Seite geht es im Buch Esra.

Unser Bauen am Haus Gottes hat wiederum zwei Seiten: Zum einen bringen wir Baumaterial heran, damit es eingebaut werden kann. Das ist der evangelistische Dienst. Wir laden Menschen ein, den Heiland-Gott anzunehmen. Zum anderen kümmern wir uns darum, dass wir die Grundsätze Gottes für sein Haus – die seiner Heiligkeit und Herrlichkeit entsprechen – einhalten (vgl. 1. Tim 3,15) und uns so versammeln, wie es den Gedanken unseres Gottes entspricht.

Für das menschliche Auge war das Haus Gottes (der Tempel) damals nicht existent. Es lag in Schutt und Asche. Jetzt sollte es wieder gebaut werden. Dazu folgende praktische Anmerkungen zu den Versen 2 bis 4:

  1. Kores ermutigt die Juden, das Haus Gottes zu bauen. Die Juden benötigen die Genehmigung des heidnischen Königs, um nach Jerusalem ziehen zu können. Dennoch gibt Kores keinen Befehl, sondern er ermutigt. Das Haus Gottes heute zu bauen ist eine freiwillige Sache. Niemand zwingt uns zu dieser Arbeit. Es ist jedoch gut, wenn wir von anderen dazu ermutigt werden und selbst andere dazu ermutigen.
  1. Das Haus Gottes konnte nur in Jerusalem gebaut werden. Es war unmöglich, es in Babel zu errichten. Das ging nur an dem Ort, den Gott dazu erwählt hatte, und das war Jerusalem. In Babel konnten die Juden nicht einmal Lieder zur Ehre Gottes singen (Ps 137). Wir lernen für uns, dass zunächst eine Trennung von der religiösen Welt (Babel) erfolgen muss, bevor wir die Grundsätze des Hauses Gottes verwirklichen und Gott wirkliche Anbetung bringen können.5
  1. Das Haus Gottes sollte für Gott (d. h. zu seiner Freude und Ehre) gebaut werden. Das Bauen am Haus Gottes dient nicht irgendeinem Selbstzweck. Es dient sicher nicht dazu, Menschen in den Mittelpunkt zu stellen und zu verherrlichen. Durch den Propheten Haggai lässt Gott seinem Volk sagen, dass Er an dieser Arbeit Wohlgefallen hat und verherrlicht wird (Hag 1,8).
  1. Das Haus Gottes konnte nur von solchen gebaut werden, die zum Volk Gottes gehörten. Das ist ein wichtiger Grundsatz, der bis heute gilt. Nur solche, die Leben aus Gott haben, können an diesem Haus bauen. Es ist wahr, dass Gott ein Heiland-Gott ist, der alle Menschen einlädt, in sein Haus zu kommen (1. Tim 2,4). Doch aktiv daran bauen können nur solche, die diesen Heiland-Gott persönlich kennen. Eine Zusammenarbeit mit Ungläubigen ist völlig ausgeschlossen.
  1. Es war mit Mühe verbunden, das Haus Gottes zu bauen, denn die Bauenden mussten zuerst Babel verlassen und nach Jerusalem hinaufziehen, um sich dort der Mühe zu unterziehen, die Trümmer zu beseitigen und einen Neubau zu wagen. Für uns kann das Bauen am Haus Gottes bedeuten, dass wir unsere bisherige „Komfortzone“ verlassen müssen, dass wir lieb gewonnene Dinge aufgeben, um uns auf das zu konzentrieren, was wichtig ist. Die Frage der Prioritäten in Verbindung mit dem Haus Gottes wird vor allem von dem Propheten Haggai gestellt, der im Verlauf des Buches Esra noch erwähnt wird.
  1. Kores erinnert an die tatkräftige Hilfe Gottes und wünscht dem Volk den Beistand ihres Gottes. Auch das ist immer wahr. Wir mögen uns sehr viel Mühe geben und viel Energie in das Bauen des Hauses Gottes stecken. Ohne die Hilfe unseres Herrn wird es nicht gelingen. Wir sind ganz und gar von Ihm abhängig. Salomo schreibt: „Wenn der Herr das Haus nicht baut, vergeblich arbeiten daran die Bauleute“ (Ps 127,1).
  1. Der Bau sollte von solchen unterstützt werden, die nicht mit nach Jerusalem ziehen konnten. Es gab solche, die in Babel bleiben wollten (das war leider die Mehrzahl). Es gab solche, die nicht mitziehen konnten (wir denken dabei z. B. an einen alten Mann wie Daniel). Heute gibt es ebenfalls solche, die nicht (mehr) aktiv bauen können, weil die Umstände des Lebens dies unmöglich machen. Dennoch ist ihre Unterstützung gefragt, ganz besonders durch das Gebet, aber auch z. B. dadurch, dass benötigte Hilfsmittel zur Verfügung gestellt werden. Wichtig ist, dass alles aus einem freiwilligen Herzen kommt.

Verse 5–11: Die Rückkehrer werden unterstützt

Ein gutes Beispiel steckt an

Vers 5 zeigt gibt noch einmal das Ziel an, nämlich hinaufzuziehen, um das Haus Gottes in Jerusalem zu bauen. Darüber hinaus lernen wir, dass es solche gab, die führten, und solche, die sich von ihrem guten Beispiel inspirieren ließen und doch zugleich vom Geist Gottes erweckt wurden.

  1. Für jedes Werk Gottes braucht es geistliche Führer, die mit gutem Beispiel vorangehen. Das ist hier nicht anders. Der Text spricht zunächst von den Vätern, den Priestern und den Leviten und dann von jedem, „dessen Geist Gott erweckte“. Im Neuen Testament werden gerade die Ältesten aufgefordert, „Vorbilder der Herde zu sein“ (1. Pet 5,3). Die Braut sagt in Hohelied 1,4: „Zieh mich: Wir werden dir nachlaufen.“ Wenn die Führer sich ziehen lassen, ist die Wahrscheinlichkeit groß, dass andere mitkommen. Das Prinzip des guten Beispiels gilt ebenfalls in unseren Familien. Die Eltern tragen hier eine besondere Verantwortung.
  1. Diejenigen, die mitkamen, waren Menschen aus den Stämmen Juda und Benjamin. Hinzu kamen die Leviten, die jedoch nicht unter die zwölf Stämme Israels gerechnet wurden, weil sie „weder Teil noch Erbe“ mit den übrigen Stämmen hatten, weil Gott selbst ihr Erbteil war (5. Mo 10,8.9). Die beiden Stämme Juda und Benjamin werden in der Regel als „Juda“ oder „Juden“ bezeichnet. Die übrigen zehn Stämme blieben in der assyrischen Gefangenschaft. Diese beiden Stämme waren es später, die den Herrn Jesus ans Kreuz gebracht haben. Sie sind es auch, die später durch die Drangsal Jakobs gehen werden. Die Spuren der zehn Stämme haben sich bis heute völlig verloren. Sie werden jedoch vor der Gründung des tausendjährigen Reiches gesammelt werden (z. B. Hes 20,33–44; Jer 31,1–14).

Das Werk Gottes und unsere Verantwortung

Es ist ohne Frage so, dass die Juden nur deshalb aus Babel zurückzogen, weil Gott ihren Geist erweckt hatte. Jede Erweckung – persönlich und kollektiv – beginnt mit dem Wirken Gottes an uns Menschen. Es ist reine Gnade, wenn Gott ein solches Werk der Erweckung und Erneuerung an unserm Geist tut, und wir sollten Ihm dafür dankbar sein. Ohne dieses Werk Gottes wäre kein Einziger aus Babel zurückgekehrt. Wir lesen nichts von Arbeitsgruppen, von großen Besprechungen und langen Konferenzen. Diese Menschen hatten einfach das Verlangen, das Haus Gottes zu bauen, weil Gott an ihnen wirkte. Es gibt bis heute – im persönlichen und gemeinschaftlichen Leben – keine Wiederbelebung und keine Erweckung, wenn Gott dieses Werk nicht tut. Und wir können sicher sein: Er möchte es gerne tun.

Doch es gibt eine zweite Seite. Wir lesen dann von Menschen, die bereit waren, sich aufzumachen. Das ist die Seite unserer Verantwortung. Es ist und bleibt immer unsere Verantwortung, uns dem Wirken Gottes zu öffnen und zu handeln. Beide Seiten – die des gnädigen Wirken Gottes und die unserer Verantwortung – gehen immer Hand in Hand. Man muss sie unterscheiden, man darf sie jedoch nicht voneinander trennen. Die Bibel gibt uns dazu eine ganze Reihe von Beispielen. Leider waren es im Buch Esra nur relativ wenige, die sich dem Wirken Gottes öffneten (sie erfüllten das, was wir in Psalm 137,5.6 lesen). Die meisten Juden zogen es vor, in Babel zu bleiben. Über die Gründe schweigt die Bibel. Wir können uns jedoch gut vorstellen, dass sie sich im Lauf der Jahrzehnte in Babel heimisch fühlten, Geschäfte begonnen und soziale Kontakte geknüpft hatten, die sie nicht aufgeben wollten. Für uns bleibt die Frage, was in unserem Leben wirklich wichtig ist und welche Prioritäten wir setzen.

Es wird heute manchmal die Frage gestellt, ob wir in unserer Zeit – die eine Zeit des Endes ist – überhaupt noch mit einer Erweckung rechnen können. Die Antwort auf diese Frage lautet: nein und ja. Wenn wir das gesamte christliche Bekenntnis betrachten, ist wohl kaum mit einer weltweiten Erweckungsbewegung zu rechnen. Die prophetischen Aussagen des Neuen Testamentes über die Entwicklung der Christenheit (vgl. z. B. die sieben Sendschreiben) machen klar, dass es kirchengeschichtlich nur weiter bergab gehen wird. Wenn wir jedoch unser persönliches Leben anschauen und das einer örtlichen Versammlung, dann sollte es durchaus ein ernsthaftes Gebetsanliegen sein, dass Gott Belebung und Erweckung schenkt. Es wäre fatal, wenn wir uns der Möglichkeit einer solchen Wiederbelebung entziehen würden.

Ein Weg hinauf

Der Weg nach Jerusalem ist immer ein Weg hinauf. Der Weg von Jerusalem weg dagegen ist immer ein Weg hinab (vgl. Lk 10,30). Jerusalem liegt auf einem Berg, und egal von welcher Seite man kommt, man zieht immer hinauf. Der Weg hinauf ist meistens ein Weg, der mit Mühe verbunden ist, während der Weg hinab in der Regel schneller geht. Die Bibel spricht wiederholt von Wegen, die „hinauf“ oder „hinab“ führen. Wege „hinauf“ sind häufig gute Wege, während Wege „hinab“ fast immer schlechte Wege sind. In einem Sinn verläuft der Weg eines Christen nie auf einer gleichen Höhe, sondern führt entweder hinauf oder hinab. Entweder wachsen wir geistlich oder wir degenerieren. „Der Pfad der Gerechten ist wie das glänzende Morgenlicht, das stets heller leuchtet bis zur Tageshöhe“ (Spr 4,18). Der Überrest war jedenfalls bereit, sich der Mühe zu unterziehen, nach Jerusalem hinaufzuziehen, um dort das Haus Gottes zu bauen. Wir wollen für uns lernen, dass das Interesse und Engagement für das Haus Gottes nicht zum Nulltarif zu haben sind. Wir müssen dafür Zeit und Energie einsetzen. Den gleichen Weg „hinauf“ finden wir im zweiten Teil des Buches bei Esra bei denen, die mit ihm nach Jerusalem kamen (Kap 7,7.9.28).

Unterstützung

Die in den Versen 4 und 5 erwähnte Unterstützung wird gewährt, und sie geschah freiwillig. Es ist bemerkenswert, dass der König den Deportierten nicht nur die Freiheit gibt, sondern sie sogar beschenkt. Wir erkennen darin einen Charakterzug Gottes, der uns nicht nur befreit hat, sondern uns den ganzen „Reichtum seiner Gnade“ in Christus gezeigt hat (Eph 1,7).

Es ist nicht ganz eindeutig, wer mit der Bezeichnung „alle, die um sie her wohnten“ (eigentlich: „alle um sie her“), gemeint ist. Wenn damit ebenfalls die babylonischen Nachbarn gemeint sind, dann lernen wir, dass die Juden offenbar eine gute Beziehung zu ihren Nachbarn hatten. Es wäre ein Beweis dafür, dass sie das Wort durch Jeremia beachtet hätten, für den „Frieden der Stadt“ zu beten (Jer 29,7). Gott hat jedenfalls auch das bewirkt und ermutigte die Rückkehrer dadurch.

Die Geräte des Hauses Gottes

Die Verse 7 bis11 erwähnen die Geräte des Hauses Gottes, die sie mitnahmen, weil der König ihnen gut gesonnen war. Es waren die Geräte, die Nebukadnezar weggenommen und in das Haus seines Gottes gebracht hatte. Es waren die Geräte, die Belsazar später missbraucht hatte. Was sie an Geräten mitnahmen, war eine ansehnliche Menge, nämlich:

  • 30 goldene Becken (Schalen)
  • 1000 silberne Becken (Schalen)
  • 29 Messer
  • 30 goldene Becher
  • 410 silberne Becher von 2. Gattung
  • 1000 andere Geräte

Insgesamt waren es 5.400 goldene und silberne Geräte.

Ob es alles war, was Nebukadnezar weggenommen hatte, wissen wir nicht. Entscheidend ist ohnehin vielmehr die Tatsache, dass es die alten Geräte waren, die über viele Jahrzehnte nicht zum Gottesdienst genutzt worden waren und in Babel auch nicht dazu benutzt werden konnten.

Wir können daraus zwei Lektionen lernen:

  1. Im Neuen Testament sind „Gefäße“ manchmal Menschen (vgl. Röm 9,22.23; Off 2,27), in 2. Timotheus 2,20 besonders solche, die Gott gerne zum Dienst in seinem Haus benutzen möchte. Wir erkennen zum einen, dass bei Gott jeder Einzelne zählt, der ein nützliches Gefäß für den Hausherrn sein möchte. Wir erkennen zum anderen, dass es unterschiedliche „Geräte“ gibt, d. h. die Diener und ihre Aufgaben im Haus Gottes sind unterschiedlich. Dabei fällt besonders auf, dass neben den goldenen und silbernen Geräten sogar 29 Messer genannt werden – eine Tatsache, die wir vermutlich kaum erwähnt hätten und die für Gott doch wichtig ist. Jedes Gefäß ist für Gott wichtig, selbst wenn es „nur“ ein Messer ist.
  2. Es wird hier betont, dass es gerade die Geräte waren, die damals schon im Haus Gottes benutzt worden waren. Es waren keine neuen Geräte. Für uns lernen wir daraus die wichtige Lektion, dass die Grundsätze im Haus Gottes weder alt noch neu, sondern vielmehr zeitlos sind. Anders ausgedrückt: Die Grundsätze, die am Anfang der Versammlung Gottes gültig waren, sind immer noch gültig. Wir müssen sie nicht den Zeitverhältnissen anpassen. Salomo fordert uns auf: „Verrücke nicht die alte Grenze, die deine Väter gemacht haben“ (Spr 22,28). Das gilt für unser persönliches Leben ebenso wie für das Versammlungsleben. Wir haben nötig, das zu tun, wozu Gott uns im Propheten Jeremia auffordert: „Tretet auf die Wege und seht und fragt nach den Pfaden der Vorzeit, welches der Weg des Guten sei, und wandelt darauf“ (Jer 6,16). Zur Zeit Jeremias lehnte das Volk das kategorisch ab, und sie mussten die Folgen tragen. Wir tun für uns gut daran, dieser Aufforderung zu folgen, die nichts damit zu tun hat, dass wir krampfhaft an alten Traditionen hängen.

Sesbazar

Der in Vers 8 und 11 erwähnte Sesbazar (vgl. Esra 5,14.16) ist niemand anderes als der in Kapitel 2,2 und an anderen Stellen genannte Serubbabel, der politische Führer des Volkes. Dass er zwei Namen trägt, ist nicht weiter ungewöhnlich. Sesbazar (wahrscheinlich ein persischer oder chaldäischer Name) bedeutet „Fremder in Babylon“ und Serubbabel „gepflanzt in Babel“ oder „in Babel erzeugt“. Gerade das kennzeichnete die Juden im Exil. Serubbabel ist als Führer des Überrestes ein Hinweis auf Christus (vgl. Hag 2,23; Sach 4,9), der sein Volk in der Zukunft herausführen und befreien wird.

Esra 2: Rückkehr aus Babel

Im zweiten Kapitel werden im ersten Teil diejenigen ausführlich aufgelistet, die zurückkehrten. Verschiedene Gruppen werden genannt. Im zweiten Teil finden wir zunächst solche, deren Herkunft unklar war und die deshalb nicht am Dienst beteiligt wurden. Am Ende finden wir einige zusammenfassende Aussagen.

Verse 1–58: Aufzählung der Zurückkehrenden

Hinauf nach Jerusalem

Das Kapitel beginnt mit dem erneuten Hinweis, dass die Juden aus Babel nach Jerusalem und Juda zurückkehrten. Wir haben gesehen, dass Babel ein Hinweis auf die religiöse Welt und die Verwirrung in der Welt ist, während Jerusalem (Gründung des Friedens) und Juda (Gegenstand des Preises) typologisch auf den Platz des Zusammenkommens hinweisen, wo der Herr Jesus in der Mitte derjenigen ist, die zu seinem Namen hin versammelt sind. Hier ist es eine Rückkehr, d. h. dieser Ort ist vorher verlassen worden (als Gericht Gottes) und wird nun wieder aufgesucht (als Gnade Gottes). Die Tatsache, dass es „hinauf“ ging, erinnert ein wenig an die Stufenlieder (Ps 120–134). Jede Erweckung und jede Rückkehr zu den Grundsätzen Gottes trägt die lieblichen Züge eines Aufgangs und Aufbruchs in sich, über den Gott sich freut.

Namen und Zahlen

Es ist eine besondere Liste (vgl. Neh 7) der Rückkehrer, die den langen Fußmarsch von ca. 1.500 km antraten, um von Babel nach Jerusalem zu gelangen.6 Das Volk Gottes bestand nicht nur aus einzelnen Personen, sondern aus Familien unterschiedlicher Größe. Das ist heute nicht anders. Gott hat ein besonderes Auge auf jeden Einzelnen, doch Er sieht ebenfalls unsere Familien. Das wird in der Nacht des Auszugs des Volkes Israel aus Ägypten besonders deutlich. Das Passahlamm wurde nicht auf Einzelpersonen gerechnet, sondern jeweils auf ein Haus, d. h. auf eine Familie (2. Mo 12,3).

Wir könnten uns die Frage stellen, warum eine solche lange Liste von Namen und Zahlen überhaupt in der Bibel steht. Dazu folgende Anregungen:

  1. Die erwähnten Zahlen: Wenn Gott zählt, ist das immer gut. Er hat damit eine Absicht. Jeder, den Er zählt, ist Ihm wichtig. Wenn wir Menschen hingegen zählen, ist es oft ein Ausdruck von Stolz und Hochmut und damit gefährlich. So war es z. B. bei David (vgl. 2. Sam 24; 1. Chr 21). Gott musste ihn dafür bestrafen.
  2. Die erwähnten Namen: Gott registriert die Namen derer, die sich für sein Haus interessieren. Wir können die Liste der Namen mit der Namensliste in Römer 16 vergleichen. Tatsache ist, dass Gott Kenntnis nimmt von jeder Aktivität, die zu seiner Ehre erfolgt. A. Remmers schreibt: „Die wichtigste Lektion aus diesem Abschnitt ist: Gott nimmt genaue Kenntnis von jedem Treuen. Es muss unsere Herzen berühren, zu sehen, mit welcher Sorgfalt alle Rückkehrer aufgeschrieben wurden. Auch die Umstände, in denen sie sich befanden, das heißt ihre Besitztümer wie ihr Vieh, blieben nicht unberücksichtigt. Gott entgeht nichts von dem, was uns betrifft. Er hat ja sogar die Haare auf unserem Kopf gezählt (Mt 10,30). E. Dennett formuliert es so: „Vor allem wird hier deutlich, wie wertvoll die Reaktion für Gott war, die seine Gnade in den Herzen von vielen Tausenden unter seinem Volk hervorgebracht hatte, wie schwach sie auch in seine Gedanken bezüglich seines Hauses eingetreten sein mochten. Aus diesem Grund veranlasste Er, dass diese Liste erhalten blieb, als Beweis, dass Er die geringsten Früchte der Wirksamkeit seines Geistes mit Freuden wahrnimmt.“ In Hebräer 6,10 erinnert der Schreiber seine Briefempfänger daran, dass Gott nicht ungerecht ist, „euer Werk zu vergessen“. Der Herr registriert jeden Namen.
  3. Die erwähnten Gruppen: Je nach Zählweise kann man sieben oder acht verschiedene Gruppen unterscheiden, die genannt werden (zählt man die elf Führer des Volkes in Vers 2 mit, kommt man auf insgesamt acht Gruppen). Wir erkennen, dass das Volk Gottes zwar eine Einheit ist, dass sich diese Einheit jedoch nie in Uniformität zeigt. Es gibt im Volk Gottes immer eine große Vielfalt. Das ist im Neuen Testament nicht anders. Die Einheit der Kinder Gottes zeigt sich in einer großen Vielfalt von Menschen, von Charakteren und von Aufgaben.
  1. Die Führer des Volkes: Die elf genannten Führer, von denen die meisten unbekannt sind, hatten eine Leitungs- und Vorbildfunktion unter den Rückkehrern. Nehemia erwähnt in seinem Bericht noch einen weiteren Namen, so dass es insgesamt zwölf Führer waren (Neh 7,7). Die Gruppe findet ihr neutestamentliches Gegenstück in den Ältesten und Aufsehern in den örtlichen Versammlungen, von denen wir in den Briefen an verschiedenen Stellen lesen und auf die wir später zurückkommen werden.
  2. Die Priester: Die Priester waren für den Tempeldienst verantwortlich. Ohne Priester hätte es wenig Sinn gemacht, den Tempel überhaupt zu bauen. Diese Gruppe ist hier – vor allem im Vergleich zu den Leviten – relativ stark vertreten, und das ist gut so. Heute gibt es keine besondere Gruppe von „Priestern“ mehr. Das Neue Testament belehrt uns vielmehr darüber, dass alle Gläubigen – Brüder wie Schwestern – Priester Gottes sind (1. Pet 2,5; Off 1,6). Es ist unser Vorrecht, als Priester vor Gott im Heiligtum zu erscheinen, um dort geistliche Schlachtopfer zu bringen (d. h. das mit Gott zu teilen, was uns das Opfer seines Sohnes bedeutet). Was wir hier lernen ist, dass es keine wirkliche Erweckung im Volk Gottes ohne die Anbetung Gottes gibt. Deshalb werden die Priester ziemlich am Anfang genannt.
  3. Die Leviten: In der Wüste hatten die Leviten die besondere Aufgabe, sich um das Heiligtum zu kümmern und die Stiftshütte durch die Wüste zu tragen (4. Mo 1,50). Diese Aufgabe entfiel, nachdem Salomo den Tempel gebaut hatte. Deshalb hatte David in weiser Voraussicht die Aufgaben der Leviten neu organisiert (4. Mo 3 und 4; 1. Chr 25 und 26)7. So kamen z. B. die Sänger und die Torhüter aus den Leviten. Das Gegenstück zu den Leviten finden wir für uns in den verschiedenen Gnadengaben und Aufgaben, die der verherrlichte Herr seiner Versammlung bzw. den Gläubigen gegeben hat, seien es Sachaufgaben (Röm 12,4–8; 1. Kor 12) oder Personengaben (Eph 4,11–16). Diese Aufgaben sind verschieden, und dafür wollen wir dem Herrn dankbar sein. Keiner kann ohne den anderen auskommen. Jeder braucht den anderen. Deshalb gibt es keine Ursache für Neid, Hochmut oder Frust. Kein Diener Gottes vereinigt alle Aufgaben und Fähigkeiten in sich. Das Ziel des Levitendienstes heute können wir mit Kolosser 1,28 zusammenfassen: „… jeden Menschen in Christus vollkommen darzustellen“. Die Leviten waren zuerst Aaron gegeben, der ein Bild des Herrn Jesus ist, dem wir dienen.
    Es fällt auf, dass die Anzahl der Leviten verhältnismäßig gering war. Es waren nur 74 Leviten, die mitzogen, d. h. es kamen nicht einmal zwei Leviten auf 1.000 Rückkehrer. Wir werden später in Kapitel 8 sehen, dass dort zuerst überhaupt keine Leviten bereit waren, mit Esra nach Jerusalem zu ziehen. Für Esra war das ein besonderer Anlass zum Gebet. Es ist überaus traurig, wenn solche, die eine Gnadengabe zu einem Dienst für andere haben, sich dieser Aufgabe entziehen. Wir sollten nicht vergessen, dass Gott mit jeder Gnadengabe eine Aufgabe verbindet. Wir haben kein Recht, unser „Talent“ zu vergraben (Mt 25,18). H. Rossier schreibt dazu: „Kennzeichnet dieser Zug (die geringe Zahl der Leviten, AdÜ) nicht die gegenwärtige Zeit, gerade so wie die damalige? Diejenigen, die von dem Herrn Gaben empfangen haben für das Werk des Evangeliums, zur Belehrung und zum Weiden der Herde Christi, fürchten sich, mit der ihnen gegebenen Kraft voranzugehen und ihren Dienst so zu tun, wie der Herr es ihnen übertragen hat. Anstatt ihre Verantwortlichkeit zu fühlen, laden sie sie auf andere ab und ziehen vor, ihnen den Platz zu überlassen, anstatt selbst der Aufgabe ihres Dienstes nachzukommen.“
  1. Die Sänger: Die Sänger stimmen das Lob Gottes an. In Babel war es unmöglich, das Lob Gottes zu singen (Ps 137,1–4). Die erste Voraussetzung, um das Lob Gottes anstimmen zu können, ist die Erlösung (2. Mo 15,1). Die zweite Voraussetzung ist die Trennung von jeder religiösen Vermischung. Natürlich wurden in Babel Lieder gesungen, doch mit Recht fragten die deportierten Juden: „Wie sollten wir ein Lied des Herrn singen auf fremder Erde?“ (Ps 137,4). Die „Lieder Zions“ (Ps 137,3) werden in Zion gesungen und nicht in Babel. In Hebräer 13,15 finden wir die Aufforderung, Gott stets ein Opfer des Lobes zu bringen. Unmittelbar vorher spricht der Schreiber jedoch davon, dass wir hinausgehen müssen, „außerhalb des Lagers“ (Heb 13,13).
  1. Die Söhne der Torhüter: Die Torhüter spielen im Buch Esra und besonders im Buch Nehemia eine wichtige Rolle und werden einige Male erwähnt. Wir finden sie zum ersten Mal in 1. Chronika 9. Es geht bei den Torhütern in Esra 2 nicht um solche, die über den Eingang in die Stadt wachen (die Tore waren überhaupt noch nicht repariert), sondern um solche, die das Haus Gottes bewachen. „Denn die vier Vorsteher der Torhüter, sie, die Leviten, waren in Amtspflicht; und sie waren über die Zellen und über die Schätze des Hauses Gottes“ (1. Chr 9,26). Es ist bis heute eine wichtige Aufgabe, dass solche da sind, die darauf achten, wer und was Zugang in das Haus Gottes findet. Gottes Haus ist heilig, und deshalb ist diese Aufgabe sehr bedeutsam.
  1. Die Nethinim: Der Name Nethinim bedeutet „gegeben, hingegeben, zugeneigt“. Sie werden außer in den Büchern Esra und Nehemia nur noch in 1. Chronika 9,2 erwähnt. Es ist nicht ganz klar, welchen Ursprung sie hatten, offensichtlich wurden sie jedoch als Tempeldiener eingesetzt, um den Leviten bei ihren Aufgaben zu helfen (Esra 8,20). Der jüdischen Tradition zufolge waren sie Nachfahren der Gibeoniter (Jos 9). Bereits Josua hatte sie zu Hilfsdiensten eingesetzt (Jos 9, 21.27). Wenn es so ist, dann hatte Gott den Fluch, der auf ihnen war, für ihre Nachkommen in Segen verwandelt, indem sie hier im Dienst für die Leviten stehen. In der Auflistung der Gnadengaben in 1. Korinther 12,28 spricht Paulus u. a. von der Gnadengabe der Hilfeleistungen. Es gibt im Volk Gottes viele Dienste, die solche Hilfeleistungen erforderlich machen. Paulus warnt uns ausdrücklich davor, solche Aufgaben gering zu schätzen (1. Kor 12,21–25). Sie sind notwendig, und wir wollen dankbar sein, wenn sie im Volk Gottes getan werden.
  1. Die Söhne der Knechte Salomos: Sie scheinen eine ähnliche Funktion wie die Nethinim gehabt zu haben, waren jedoch anderer Abstammung. Sie könnten Nachfahren der Kanaaniter gewesen sein, die Salomo dienten (1. Kön 9,20.21). Es ist denkbar, dass sie ebenfalls als Tempeldiener gearbeitet haben. Dass beide Gruppen (Nethinim und Söhne der Knechte Salomos) erwähnt werden, zeigt zum einen, dass die innere Verbindung mit dem Volk Gottes und den Dingen des Herrn mit Segen verbunden ist. Zum anderen wird noch einmal deutlich, wie wichtig die vermeintlich einfacheren Dienste im Haus Gottes sind. Entscheidend ist nicht die Art der Aufgabe, die Gott uns gegeben hat, sondern die Treue, mit der wir sie erfüllen (Mt 25,21.23).8

Männer des Volkes Israel

Es fällt auf, dass die Juden, die aus Babel zurückkehrten, in Vers 2 nicht „Männer von Juda“, sondern „Männer des Volkes Israel“ genannt werden. Dieser besondere Umstand begegnet uns hier zum ersten Mal im Buch Esra und kommt im weiteren Verlauf häufiger vor. Darin liegt eine wichtige Belehrung: Gott hat immer das ganze Volk im Auge. Die wenigen aus Juda und Benjamin waren ganz sicher nicht Israel, sondern nur ein verschwindend kleiner Teil davon. Dennoch waren sie in den Augen Gottes die Repräsentanten seines Volkes. Auch heute gibt es nur ein Volk Gottes. Es gibt nur eine Versammlung. Wenn Gläubige sich heute zum Namen des Herrn Jesus hin versammeln (Mt 18,20), d. h. „als Versammlung“ (eigentlich: „im Charakter von Versammlung“) zusammenkommen (1. Kor 11,18), sind sie wohl nur in den wenigsten Fällen die ganze Versammlung (d. h. alle Gläubigen) an einem Ort. Sie sind objektiv betrachtet nicht die Versammlung, sehr wohl aber repräsentieren sie die Versammlung. Aus Sicht Gottes können wir in einem solchen Fall also durchaus von der „Versammlung“ sprechen, so wie damals von „Israel“ die Rede war. Wenn Gläubige heute am Tisch des Herrn versammelt sind und das eine Brot vor sich haben, dann denken wir daran, dass alle Gläubigen zusammen diesen einen Leib bilden. Wir haben alle Kinder Gottes im Auge (1. Kor 10,16). An dieser zentralen Wahrheit müssen wir unbedingt festhalten. Es gibt nicht viele „Leiber“ auf der Erde, sondern nur einen Leib Christi, zu dem alle Gläubigen gehören. Sichtbar wird das, wenn wir am Tisch des Herrn versammelt sind.

Verse 59–63: Unklare Verhältnisse

Unter den Rückkehrern waren solche, die ihr Vaterhaus und ihre Herkunft nicht angeben konnten. Dies betraf vor allem einige der Priester. Für einen Juden war der „Stammbaum“ wichtig, wie wir aus den verschiedenen Stammbäumen erkennen können, die wir im Alten Testament finden. Für einen Priester war das unerlässlich, wenn er seinen Dienst tun sollte. In der Zeit vor der Gefangenschaft war das Geschlechtsregister kein Thema, denn ein Priester folgte dem anderen, so dass eine Prüfung nicht erforderlich war. Die Herkunft musste nicht geprüft werden, weil der Sohn die Stelle des Vaters einnahm und den priesterlichen Dienst ausübte. Doch jetzt war das durch die lange Unterbrechung des aktiven Priesterdienstes anders. Bei einigen waren die entsprechenden Dokumente offensichtlich in Babel verloren gegangen. Die Konsequenz war klar: Sie wurden vom Priesterdienst ausgeschlossen, bis die Sache geklärt sein würde. Dazu war ein Priester erforderlich, der für die Urim (Lichter) und die Tummin (Gerechtigkeiten, Vollkommenheiten) aufstehen konnte9, den es allerdings nicht gab. Diese Tatsache zeugt davon, wie schwach der Überrest war, was sie allerdings nicht davon abhielt, zuverlässig und treu zu handeln. Schwachheit und Treue schließen einander nicht aus. Für uns ist dieser Priester letztlich niemand anderes als der Herr Jesus selbst, der jede Verwirrung auflösen kann und einmal auflösen wird. Nur bei Ihm gibt es wirkliches Licht und Vollkommenheit.

Bis heute ist es wichtig, dass solche, die im Haus Gottes als heilige Priester dienen (und das betrifft grundsätzlich alle Gläubigen), ihren „Stammbaum“ vorweisen können, d. h. es ist ein eindeutiges Zeugnis erforderlich, dass sie neues Leben besitzen und zum Volk Gottes gehören. Ein Eigenzeugnis genügt nicht.10 Der zweite Timotheusbrief zeigt uns das Christentum als ein großes Haus mit einem sehr gemischten „Publikum“ und entsprechend gemischten Grundsätzen. 2. Timotheus 2,20 spricht von Gefäßen aus Gold und Silber (echte Gläubige) und solchen aus Holz und Erde (Bekenner, die kein Leben aus Gott haben). Wir lesen ebenfalls von Gefäßen zur Ehre und solchen zur Unehre. Leider genügt es nicht, wenn jemand getauft ist und sich damit Christ nennt. Wir leben heute in einer solchen Zeit der Unordnung, die es erforderlich macht, ebenso sorgfältig zu sein, wie es die Rückkehrer aus der Gefangenschaft waren.11

In den ersten Tagen des christlichen Zeugnisses war es nicht erforderlich, nach einem „Geschlechtsregister“ zu fragen. Niemand von den Ungläubigen wagte es, sich unter falschem Deckmantel den Christen anzuschließen. Alles war echt und es gab keine Frage, ob jemand wirklich Leben aus Gott hatte oder nicht (Apg 5,13). Der Einfluss des Geistes Gottes war so stark, dass ein Eindringen falscher Elemente verhindert wurde. In einer Zeit von Degeneration und Niedergang ist das anders. Nachdem einmal fremde Elemente (Namenschristen) in das christliche Zeugnis eingedrungen sind, stellt sich die Frage sehr wohl, wer ein echter Christ ist und wer nicht (wer also sein „geistliches Geschlechtsregister“ nachweisen kann und wer nicht). Dies gilt ganz besonders für die Frage, mit wem wir am Tisch des Herrn seinen Tod verkündigen. Wer dem Herrn treu sein möchte, ist jedenfalls gehalten, genau zu prüfen und darüber zu wachen, dass es keine Vermischung gibt von dem, was echt und was unecht ist. Wenn wir verwirklichen wollen, was Versammlung Gottes ist, können wir das nicht mit solchen tun, die zwar ein christliches Bekenntnis, aber für uns erkennbar kein Leben aus Gott haben.

Maßstab dieser Prüfung ist, ob jemand von der Ungerechtigkeit absteht. Dabei ist es tröstlich zu wissen, dass letztlich der Herr diejenigen kennt, die Ihm gehören (2. Tim 2,19). Er ist der Priester mit Urim und Tummim. H. Rossier leitet daraus folgende Anwendung ab: „Wir werden es bei manchen, die ein christliches Bekenntnis haben, erst am Richterstuhl des Christus sehen. Dieses Beispiel gibt uns auch den Weg an, den die Versammlung heute in zweifelhaften Fällen einschlagen muss. Warten wir, um den Herrn befragen zu können, ehe wir solche, die nicht vor aller Augen ihren göttlichen Ursprung beweisen können, zum Tisch des Herrn zulassen. Ein Überrest nach Gottes Gedanken wird nie solche zum Brotbrechen zulassen, die nur ein Bekenntnis des Christentums ablegen, sondern die, welche aus Gott geboren sind und deshalb das Recht haben, seine Kinder zu heißen.“

W. Kelly schreibt: „Doch worauf ich eure Aufmerksamkeit richten möchte, ist die Haltung des Überrestes; dass sie nämlich den Grundsatz hatten, trotz dieser Zeiten von Schwachheit und Demütigung nicht etwa nachlässig in diesen Dingen zu sein, sondern größte Sorgfalt an den Tag zu legen. Es war eine Zeit, wo das Volk Gottes achtsam und wachsam für seinen Namen war, als hätten die Dinge in der vollen Kraft und Schönheit der göttlichen Dinge bestanden. Das betrachte ich als besonders wertvoll für uns in der jetzigen Zeit. In der gegenwärtigen Verwirrung der Christenheit sind wir berufen, größte Sorgfalt anzuwenden im Blick auf solche, die den Namen des Herrn tragen – solche, die den Platz besonderer Nähe zu Gott einnehmen; was natürlich bei jedem gefunden werden sollte, der als Glied des Leibes Christi angesehen wird: nämlich wahre Anbeter zu sein, die sich in seinem Namen versammeln. Und deshalb sind wir auch berechtigt, den Nachweis ihrer Abstammung zu verlangen. Der Grund dafür liegt auf der Hand. Es ist heute nichts Ungewöhnliches, dass viele den Platz eines Christen einnehmen wollen, ohne wirklich ein Christ zu sein ... Während wir ein solches Bekenntnis als eine Tatsache ansehen, sollten wir doch darauf drängen, dass entsprechende überzeugende Beweise erbracht werden.“

Verse 64–70: In Jerusalem angekommen

Die ganze Versammlung

Gott zählt die ganze Versammlung, die in Jerusalem ankommt. Es sind 42.360 Personen. Hinzu kommen die Knechte, die Mägde, die Sänger sowie die Pferde, Maultiere, Kamele und Esel. Gott entgeht nichts. Im Vergleich zu der Anzahl der Juden, die in Babel lebten, war es nur eine relativ kleine Gruppe. Alle übrigen zogen es vor, in Babel zu bleiben. Über sie lesen wir im Buch Esther. Hier werden sie überhaupt nicht erwähnt. Gott sieht auf den Überrest und nennt diese insgesamt 49.897 Menschen „die ganze Versammlung“. Dieser Ausdruck beschreibt nicht einfach eine bestimmte Anzahl von Menschen, sondern ist ein Synonym für die Gesamtheit des Volkes Gottes (vgl. 2. Mo 12,6; 3. Mo 16,17). Es waren – wie heute – nur einige aus dem Volk, doch für Gott war dieser Überrest der Repräsentant für ganz Israel. Das ist die Sichtweise Gottes bis heute, und das soll die Sichtweise des Glaubens sein. Ein Überrest ist notwendigerweise deutlich kleiner als das Ganze, trägt aber immer die Merkmale des Originals und repräsentiert das Ganze. Gott schätzt eine solche Minderheit, die die Charakterzüge des Volkes Gottes trägt, so sehr, dass Er sie so ansieht, als wäre sie das Ganze.

Dennoch lässt uns die relativ kleine Zahl noch an etwas anderes denken. L. M. Grant kommentiert: „Babel bedeutet Verwirrung, so dass Juda hier im Bild als Gefangene in der Verwirrung gesehen wird, so wie es sich in der Geschichte der bekennenden Kirche (gemeint ist die bekennende Christenheit, AdÜ) wiederholt hat. Nur durch die Kraft und Gnade Gottes kann ein gewisses Maß an Wiederherstellung vollbracht werden. Für Israel wird es bis zu seinem Kommen in Macht und Herrlichkeit keine vollständige Wiederbelebung geben. Ebenso wird es bis zum Kommen des Herrn für uns keine vollständige Wiederherstellung des Zustandes der Kirche geben. Dennoch können wir damit rechnen, dass es in einem gewissen Umfang Wiederbelebung gibt, die immer durch das Wirken des Geistes Gottes hervorgebracht wird.“

Zum Haus Gottes kommen

Es fällt auf, dass es nicht einfach heißt, dass sie in Jerusalem ankommen, sondern der Text sagt ausdrücklich in Vers 68, dass sie zum Haus des Herrn in Jerusalem kommen. Für das leibliche Auge existierte dieses Haus nicht. Es war ca. 50 Jahre vorher zerstört worden. Es gab höchstens einige Trümmer, die sie suchen konnten. Dennoch spricht der Heilige Geist von dem „Haus des Herrn“. Es bestand in den Augen Gottes unverändert. Obwohl es verschiedene Tempel gegeben hat – und noch geben wird –, ist es in den Augen Gottes immer „das Haus des Herrn“. Der Prophet Haggai ermuntert deshalb den Überrest später mit den Worten: „Die letzte Herrlichkeit dieses Hauses wird größer sein als die erste“ (Hag 2,9). Er spricht nicht von der Herrlichkeit des ersten und des letzten Hauses, sondern von der ersten und der letzten Herrlichkeit des Hauses. Dieser Unterschied fällt auf.

Das ist heute nicht anders. In einer Zeit, wo die Christenheit einem großen Haus gleicht, ist das Haus Gottes für das leibliche Auge kaum zu erkennen. Wir sehen maximal die Trümmer dessen, was zu Pfingsten in Apostelgeschichte 2 so herrlich entstanden war.12 Dennoch sieht das Auge des Glaubens auch heute noch die „Versammlung des lebendigen Gottes“, die „Pfeiler und Grundfeste der Wahrheit“ ist (1. Tim 3,15). Und trotz des Niedergangs und Verfalls ist es immer noch möglich, den geistlichen Ort aufzusuchen, wo die zwei oder drei zu seinem Namen versammelt sind (Mt 18,20), selbst wenn es in großer Schwachheit ist.

Im Jerusalem angekommen, werden die freiwilligen Gaben gegeben, die erforderlich waren, um das Haus zu bauen. Es ist nicht die Rede von dem „Zehnten“, zu dem jeder Israelit verpflichtet war, sondern es ist von den freiwilligen Gaben die Rede. Damit das Haus Gottes gebaut werden kann, sind nicht nur die geistlichen Gnadengaben gefragt, sondern es geht ebenfalls um die materielle Unterstützung des Werkes. So wie die Juden damals „nach ihrem Vermögen“ gaben, dürfen wir es ebenso tun (1. Kor 16,2). Die Häupter gehen in dieser Sache erneut mit gutem Beispiel voran. Was sie gaben, war nicht von geringem Wert. Es handelte sich immerhin um ca. 14.500 kg Gold und 2.800 kg Silber. Dennoch war es bei weitem nicht mit dem zu vergleichen, was Salomo beim ersten Tempelbau zur Verfügung stellte. Wir denken daran, was der Herr von Maria sagte: „Sie hat getan, was sie vermochte“ (Mk 14,8). Er nahm wahr, was diese wenigen Rückkehrer bereit waren zu geben, und schätzte es.

Vers 68 betont, dass es die Absicht war, das Haus „an seiner Stätte“ zu errichten (vgl. Kap 5,15 und 6,7). Gott ist das nicht unwichtig. Wir werden noch einmal daran erinnert, dass die Grundsätze Gottes weder alt noch neu, sondern einfach zeitlos und unveränderlich sind. Für uns gilt es, daran festzuhalten.

In ihren Städten wohnen

Offensichtlich waren den Juden Jerusalem und der Tempel zu Beginn ihrer Rückkehr wichtiger als die eigenen Wohnungen. Später änderten sich diese Prioritäten, und gerade das führte zum Baustopp. Der Prophet Haggai spricht darüber ausführlich in seiner ersten Botschaft an das Volk (Hag 1). Hier jedoch hat das Haus Gottes Priorität. Es ging ihnen um die Wohnung Gottes und wie man Ihm dort dienen kann (Ps 42,2.3; 63,1.2; Ps 84,2–5; Ps 137). Genau diesen Wunsch möchte Gott in uns wecken.

Gleichwohl mussten die Rückkehrer irgendwo wohnen und damit zur Ruhe kommen. In Babel war das nicht möglich. Zur Ruhe kommen wir nur in unserem geistlichen Erbteil. Zwischen den Versen 68 und 70 muss eine gewisse Zeit vergangen sein. Nicht nur die Priester und Leviten, die Sänger, Torhüter und Nethinim wohnten in ihren Städten, sondern es heißt ausdrücklich in Vers 70, dass „ganz Israel“ in seinen Städten wohnte.13 Wieder fällt der Blick des Glaubens auf „ganz Israel“ und nicht nur auf einige wenige Juden. Es ist die Sichtweise Gottes (vgl. Esra 6,17; 8,35; Neh 7,72; 12,47; 13,26; Dan 9,11; Röm 11,26).

Esra 3: Bau des Altars und Beginn des Tempelbaus

Das dritte Kapitel ist ohne Frage ein besonderer Höhepunkt und ein Herzstück im Buch Esra. Als erstes bauen die Rückkehrer den Altar an seiner Stätte auf und opfern Brandopfer. Dann wird unter der Aufsicht der Leviten die Grundlage zum Tempel gelegt und feierlich eingeweiht. Viele aus dem Volk freuen sich, einige jedoch trauern.

Verse 1–6: Der Altar wird an seiner Stätte gebaut

Das ganze Volk versammelt sich

Vers 1 betont, dass das ganze Volk Israel wie ein Mann nach Jerusalem kam, um sich dort zu versammeln (vgl. Kap 3,9; 6,20; Neh 8,1). Das betont noch einmal die Einheit dieses Volkes, diesmal jedoch vor allem unter dem Gesichtspunkt, dass sie in einem gewissen Sinn sichtbar wird. In Babel war das unmöglich. Die Einheit des Volkes kann nur praktiziert werden, wenn man sich von der Welt (inklusive der religiösen Welt) abgesondert hat. Sie wird nicht durch gegenseitige Übereinkünfte, menschliche Vereinbarungen oder gar faule Kompromisse erreicht, sondern nur durch die konsequente Unterordnung aller unter das Wort Gottes. Nur dann kann der Heilige Geist zu dieser Darstellung der Einheit (Eph 4,3) und der praktischen Einmütigkeit (Eph 4,13) leiten.

Nur an dem Ort des Zusammenkommens zum Namen des Herrn ist es heute nach Gottes Gedanken möglich, die Darstellung der Einheit der Gläubigen zu zeigen. Jedes Festhalten an einer Denomination (christlichen Benennung) grenzt aus. Ökumenisches Bemühen ist ebenfalls eine Sackgasse. Für uns gilt, dass wir nicht nur an der Wahrheit des einen Leibes – in der Theorie – festhalten sollen, sondern dass diese Einheit tatsächlich sichtbar wird, indem wir uns als Versammlung versammeln. Paulus sagt: „Da ist ein Leib“ (Eph 4,4), und: „Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden“ (1. Kor 12,13). Diese Wahrheit müssen wir unbedingt festhalten und praktizieren. Wir sollen die Einheit des Geistes bewahren im Band des Friedens (Eph 4,3).

Die Einheit des Volkes Gottes kann heute nur dann sichtbar werden, wenn das Volk Gottes sich tatsächlich versammelt. Das geschieht heute in der örtlichen Versammlung, denn es ist unmöglich, dass alle Glieder des Leibes (alle Gläubigen) an einem einzigen geographischen Ort zusammenkommen. Deshalb ist jede einzelne örtliche Versammlung – die auf der Grundlage der Einheit des Leibes Christi zusammenkommt – eine Darstellung (im Sinn von Repräsentanz) dieser einen Versammlung, die es auf dieser Erde gibt.14 Wir kommen heute „als Versammlung“ (1. Kor 11,18) zusammen. Das bedeutet eigentlich, dass wir „im Charakter von (der gesamten weltweiten) Versammlung“ zusammenkommen. Besonders wenn wir am Tisch des Herrn versammelt sind, bezeugen wir diese Einheit, wenn wir das Brot brechen (1. Kor 10,17). Gott ist es wichtig, dass wir uns so auf dem Grundsatz der Einheit („wie ein Mann“ und „in Jerusalem“) zu seinem Namen hin versammeln.

Dazu zwei Kommentare anderer Ausleger:

  1. C. Gaebelein: „Es gibt nur einen Leib, und alle Gläubigen sind durch denselben Geist in diesen Leib hineingebracht. Diese Einheit wurde zu Beginn der Versammlung auf der Erde geoffenbart (Apg 2,41–47; 4,23.32). Während ihre äußerliche Darstellung vergangen ist, besteht die Einheit des Geistes nach wie vor im Band des Friedens. Sektierertum ist eine Leugnung dieser Einheit. Wenn dem Geist Gottes Raum gegeben wird, seine Macht ungehindert unter Gottes Volk zu offenbaren, dann wird die Folge davon stets sein, dass Er die Glieder zusammenbringt. Der Geist Gottes trennt nicht, Er vereint.“
  2. Rossier: „Sie offenbarten praktisch die Einheit des Volkes, die durch den Altar sichtbar dargestellt wurde. Ihr ganzes Verhalten war ein Zeugnis für diese Einheit: Das Volk versammelte sich wie ein Mann nach Jerusalem… Gerade so ist es heute mit dem Tisch des Herrn. Er ist, wie der Altar des Überrestes, die Offenbarung der Einheit des Volkes Gottes, die sich in dem einen Brot ausdrückt, an dem alle teilhaben (1. Kor 10,17). Die geringe Zahl der Juden machte wenig aus; so macht es heute wenig aus, ob wir nur zwei oder drei sind. Ob Israel aus der Gefangenschaft wieder heraufgezogen war oder ob es noch an den Flüssen Babels weilte oder in den Städten Persiens und Mediens zerstreut wohnte – die Einheit des ganzen Volkes wurde durch den im Vorhof aufgerichteten Altar ausgedrückt. Es war für die ins Land Zurückgekehrten nicht die Frage, ob andere ihrem Beispiel folgen würden; als Grundlage ihres Handelns diente ihnen der durch Mose verkündigte Wille Gottes. Das Wort vereinigte sie; ihr Zusammenkommen war eine Tat des Gehorsams.“

Der siebte Monat

Vers 1 erwähnt den Beginn des siebten Monats. Dieser Monat wurde im Kalender der Kinder Israel durch das Fest des Posaunenhalls eingeleitet, das mit dem Neumond verbunden war (3. Mo 23,24; 4. Mo 10,10; Ps 81,4). Obwohl es nicht ausdrücklich gesagt wird, dass die Rückkehrer dieses Fest tatsächlich feierten (nur das Laubhüttenfest wird namentlich genannt), ist diese Zeitangabe bedeutungsvoll. Dieser Tag passt nämlich sehr gut zu der Situation des Überrestes, dem Gott Gnade gab. Am Tag des Posaunenhalls wurde das Volk gesammelt, und genau das geschah hier. Das Volk Israel hatte alle Segnungen durch eigene Untreue verloren. Das Licht der Herrlichkeit Gottes, das sie reflektieren sollten – so wie der Mond sein Licht durch die Sonne erhält –, war verloren gegangen. Doch nun wird doch wieder etwas davon sichtbar. Es ist nicht der volle Mond, sondern lediglich der Neumond – ein kleiner Teil der zukünftigen Offenbarung der Herrlichkeit des Volkes Gottes im kommenden Reich. In der Tat war dies ein passender Tag, um sich in Jerusalem zu versammeln.

Was für Israel gilt, macht uns ebenfalls Mut. Die zwei oder drei, die sich heute zum Namen des Herrn versammeln, geben nur ein sehr schwaches Bild ab von dem, was Christus in seiner Versammlung sieht. Einmal wird Er sich die Versammlung verherrlicht darstellen, ohne Flecken und ohne Runzeln. Dann wird sie in ihrer ganzen Schönheit zur Freude des Christus sein – nämlich heilig und untadelig (Eph 5,27). Wir wissen gut, dass das heute in der Praxis bei weitem nicht der Fall ist. Es sollte dennoch unser Ziel sein, dies zumindest in einem schwachen Maß heute schon zu realisieren – zu seiner Freude.

Der Altar und die Opfer

Die Führer des Volkes gehen wieder mit gutem Beispiel voran, und die erste Aktivität besteht darin, den Altar an seiner Stätte aufzurichten. Das Ziel war es, dem Gott Israels Brandopfer zu opfern – und zwar nach den Vorschriften des Gesetzes. Es war den Rückkehrern wichtig, dass alles nach den Gedanken Gottes geschah. Gehorsam dem Wort Gottes gegenüber ist immer die Basis für ein Verhalten, an dem Gott Freude hat. Es ist die Voraussetzung für jede Erweckung. Dieses Wort verändert sich – im Gegensatz zu den Umständen, in denen wir leben – nicht. Gott belohnt jede Treue gegenüber seinem Wort. Es geht nicht um unsere eigenen Gedanken, es geht nicht um Tradition oder darum, etwas bewusst anders zu machen, sondern um das, was Gott in seinem Wort sagt.

An erster Stelle wird in Vers 2 Jeschua (der Hohepriester) genannt, danach folgen die Priester, und erst dann werden Serubbabel (der Gouverneur/Landpfleger) und seine Brüder genannt. Es fällt auf, dass beide Führer hier mit ihren Vätern verbunden werden (Josua, der Sohn Jozadaks, und Serubbabel, der Sohn Schealtiels). Wir kennen diese Bezeichnung besonders aus dem Propheten Haggai, wo sie öfter vorkommt. Jozadak bedeutet: „Der Herr (Jahwe) ist gerecht.“ Schealtiel bedeutet: „Ich habe Gott gebeten.“ Die beiden sind einerseits ein Hinweis auf den Herrn Jesus, der Priester und König zugleich ist (vgl. Sach 6,9–15). Im Alten Bund waren beide Ämter deutlich voneinander getrennt, in dem Herrn Jesus erfüllen sich beide.15 Andererseits demonstrieren sie, dass die Verantwortlichen – trotz unterschiedlicher Aufgaben und Charaktere – mit gutem Beispiel einmütig vorangehen sollten.

Das zentrale Anliegen der Rückkehrer war die Anbetung Gottes. Sie wollten Gott Brandopfer darbringen, und dazu benötigten sie einen Altar. Es handelt sich um den ehernen (mit Kupfer überzogenen) Altar (2. Mo 27), der im Vorhof stand und auf dem Gott die Opfer gebracht wurden. 70 lange Jahre waren keine Opfer mehr gebracht worden. Welche Freude muss es für Gott gewesen sein, nun wieder den lieblichen Geruch wahrzunehmen und an das Opfer seines Sohnes erinnert zu werden, das damals als Erfüllung aller Opfer noch zukünftig war. Der Opferdienst Gottes hatte den ersten Platz im Herzen dieses Überrestes, und darin lag das ganze Geheimnis des Segens für sie.

Jede wirklich von Gott geschenkte Erweckung wird diesen Gedanken der Anbetung Gottes haben. In der Erweckung vor knapp 200 Jahren war das nicht anders. Das erste, was die Gläubigen damals taten, war Gott anzubeten und das Brot zu brechen – und zwar getrennt von den religiösen Systemen, die sie verlassen hatten. Hierzu noch einmal zwei Aussagen anderer Ausleger:

  1. C. Gaebelein: „Wenn der Geist Gottes eine echte Wiederherstellung und Erweckung schenkt, dann macht Er stets den Herrn Jesus Christus und sein gesegnetes beendetes Werk zur wichtigsten Sache. Er versammelt sein Volk in wirklicher Anbetung um die Person des Herrn.“
  2. Dennett: „Das erste Anliegen der Gläubigen jener Tage war das gleiche wie das des Überrestes: Die Wiederherstellung des Altars (indem wir diesen Ausdruck als Symbol des Gottesdienstes verwenden) und die Ordnung in der Versammlung, in allen ihren Zusammenkünften, entsprechend dem geschriebenen Wort. Gebräuche, Überlieferungen, Vorschriften, Riten und Zeremonien wurden nach der in der Bibel aufgezeichneten apostolischen Praxis geprüft, und alles, was diesem Test nicht standhielt, wurde aufgegeben. Es war auch nur ein Überrest, der auf diese Weise aus der Knechtschaft herausgeführt wurde, aber sie hatten Licht und Leben in ihren Wohnungen und in ihren Zusammenkünften, denn sie suchten – wie ein Mann – dem Herrn Jesus Christus seinen rechtmäßigen Platz der Vorherrschaft als Sohn über sein eigenes Haus zu geben.“
  • Der Altar hat in der Bibel eine mehrfache Bedeutung:
  1. Er spricht von der Gemeinschaft, die der Opfernde mit Gott hat (1. Kor 10,18). Der Altar ist die Begegnungsstätte Gottes mit den Menschen. Unsere Gemeinschaft mit Gott und untereinander gründet sich auf das Opfer des Herrn Jesus. Ohne dieses Opfer ist keine Beziehung zu Gott und keine Gemeinschaft mit Gott möglich.
  2. Er spricht von dem Tisch des Herrn, an dem wir die Einheit aller Gläubigen bezeugen. Bereits im Alten Testament wird der Altar „Tisch des Herrn“ genannt (Mal 1,7.12).16
  3. Er spricht von Anbetung, die Gott sehr wichtig ist, denn es heißt ausdrücklich, dass der Vater Anbeter sucht (Joh 4,23). Wer Gott anbetet, tut das mit einem geistlichen Schlachtopfer, d. h. indem er vor Gott über das Werk des Herrn Jesus nachdenkt.
  • Das Brandopfer wird in diesen Versen besonders betont und insgesamt siebenmal erwähnt (sieben ist die Zahl der Vollkommenheit). Das fällt besonders auf, zumal die anderen Schlachtopfer (Friedensopfer, Sündopfer, Schuldopfer) hier gar nicht genannt werden, obwohl sie ganz sicher gebracht wurden. Gott lenkt unsere Aufmerksamkeit gerade auf dieses Opfer, das in Gottes Augen einen besonderen Wert hat. Es ist das erste Opfer in der Beschreibung der Opfer im dritten Buch Mose (3. Mo 1). Es war ein Opfer, das ganz dem Herrn gehörte und doch zugleich für unsere Annahme bei Gott von zentraler Bedeutung ist. Es spricht von der völligen und dauerhaften Annahme des Sünders vor Gott, und das, weil der Herr Jesus sich auf Golgatha hingegeben hat. Das Morgen- und Abendbrandopfer (2. Mo 29) wird ebenfalls erwähnt. Es erinnert daran, dass die Sühnung für immer vollbracht ist und Gott für alle Zeit mit Wohlgefallen auf das Opfer seines Sohnes sieht, in dem wir „begnadigt (oder angenehm gemacht) worden“ sind (Eph 1,6). Wenn Gott auf uns schaut, sieht Er uns so, wie Er seinen Sohn sieht.

Wenn wir heute ein geistliches Brandopfer bringen, dann ist das kein tierisches Opfer mehr, sondern unsere Opfer sind geistliche Schlachtopfer und Opfer des Lobes (1. Pet 2,5; Heb 13,15). Wir bringen sie, wenn wir mit dem Werk unseres Herrn am Kreuz beschäftigt sind und Gott dafür preisen. Ein Opfer für Gott ist es auch, wenn wir Ihm das, was wir sind und haben, zur Verfügung stellen (Röm 12,1; Heb 13,16). Solche Opfer sind Gott wohlgefällig, und Er freut sich darüber. Sie werden freiwillig gebracht, denn Gott zwingt niemand, Ihn anzubeten. Ein geistliches Schlachtopfer zu bringen, entspricht vor allem der Anbetung, die der Vater sucht – und zwar in Geist und Wahrheit. So wie damals alles nach der Vorschrift Moses geschah, ist es uns nicht überlassen, wie wir Gott anbeten. Der Herr Jesus sagt: „Gott ist ein Geist, und die ihn anbeten, müssen in Geist und Wahrheit anbeten“ (Joh 4,24).17

  • Das Laubhüttenfest ist das einzige Fest, das namentlich erwähnt wird, obwohl es weitere Feste gab, die in etwa zur gleichen Zeit gefeiert wurden (das Fest des Posaunenhalls und der Versöhnungstag; vgl. 3. Mo 23,24.28). Das Laubhüttenfest weist prophetisch auf die noch kommende Zeit des tausendjährigen Reiches hin. Das ist die Zeit, in der Gottes Wege mit seinem irdischen Volk vollendet werden.18 Deshalb ist das Laubhüttenfest das letzte Fest im Kalender der Israeliten. Erneut wird betont, dass sie es feierten, „wie es vorgeschrieben ist“. Das Gesetz hatte für sie einen hohen Stellenwert.

E. Dennett kommentiert: „In den Augen der Menschen, die auf die verwüstete Stadt schauten, mochte es wie Spott sein, dass diese armen, von Babel zurückgekehrten Gefangenen ein Freudenfest feierten. Doch der Glaube ist eine Verwirklichung dessen, was man hofft, eine Überzeugung von Dingen, die man nicht sieht, und bringt so die Zukunft in die Gegenwart herein. Noch mehr, wenn die Seele einmal in der ganzen Wohlannehmlichkeit Christi – vorgebildet im Brandopfer – vor Gott steht, so hat sie schon die Gewissheit der Erfüllung jeder zugesagten Segnung, da sie in Ihm verankert ist.“

In Jerusalem

Das Ganze geschah in Jerusalem und nicht in Babel. Wir haben uns bereits daran erinnert, dass Jerusalem der Ort war, den Gott erwählt hatte, um seinen Namen dort wohnen zu lassen (vgl. z. B. 5. Mo 12,5; 1. Kön 11,36; Ps 78,68; 87,2). Für uns ist das Matthäus 18,20, wo zwei oder drei zum Namen des Herrn Jesus hin versammelt sind. Die Voraussetzungen, um seine Gegenwart zu verwirklichen, sind unter anderem:

  • Die Person des Herrn als alleinigen Mittelpunkt anerkennen. Es geht um seinen Namen und nicht um einen menschlichen Namen.
  • Das Wort Gottes als Autorität anerkennen und die Grundsätze des Wortes in die Praxis übertragen.
  • Trennung von der religiösen Welt, d. h. keine Vermischung, und das Anerkennen der Tatsache, dass alle Gläubigen in Christus einen Leib und damit eine Einheit bilden. Sektiererisches Gedankengut ist dabei ausgeschlossen.

Jerusalem war zur Zeit der Rückkehr aus Babel damals durchaus nicht attraktiv, sondern eine Ruinenstadt. Es war deutlich angenehmer und bequemer, in Babel zu leben. Heute mag es ebenfalls aus menschlicher Sicht wenig attraktiv erscheinen, sich getrennt von allen religiösen Einrichtungen der Menschen (Denominationen) einfach und schlicht zum Namen des Herrn Jesus hin zu versammeln. Der natürliche Mensch liebt weder das Einfache, noch liebt er das, was schwach und unvollkommen ist. Gerade deshalb spricht der Herr Jesus in Matthäus 18,20 von der kleinsten möglichen Mehrzahl von Menschen, die sich versammeln können – nämlich zwei oder drei. Entscheidend ist, dass wir die Zustimmung unseres Herrn haben und uns da versammeln, wo Er in der Mitte sein will.

Der Altar an seiner Stätte

Wie später das Haus Gottes, so wurde der Altar ebenfalls „an seiner Stätte“ gebaut. David verbindet beides miteinander und sagt: „Dies hier soll das Haus Gottes des Herrn sein, und dies der Altar zum Brandopfer für Israel“ (1. Chr 22,1). Es war den Rückkehrern wichtig, den Ort zu finden, wo früher der Altar gestanden hatte – und das zu einem Zeitpunkt, wo es in Jerusalem an dieser Stelle nur Schutt gab. Der Platz des Altars war vorhanden, er musste allerdings gesucht werden. Für uns geht es um die Frage, wo heute der Tisch des Herrn ist. Es ist nicht unser Aufgabe, das festzulegen, sondern danach zu fragen, wo der Herr diesen Tisch hat. Dabei geht es nicht um ein „Möbelstück“ für Brot und Kelch, sondern um den geistlichen Grundsatz, nach dem wir zusammenkommen, um das Brot zu brechen. So wie es damals nur einen Ort für den Altar gab, gibt es heute nur einen Grundsatz, um am Tisch des Herrn zusammenzukommen. Gott hätte es nicht akzeptiert, dass in Jerusalem zwei oder drei oder noch mehr Altäre gestanden hätten. Es gab nur einen Altar, und der stand „an seiner Stätte“.19

Es ist im Alten Testament wiederholt versucht worden, einen Altar zu bauen, der nicht „an seiner Stätte“ stand:

  • Es gab den großen Altar (Jos 22,10), der Eindruck machte, den die Kinder Ruben und Gad und der halbe Stamm Manasse gebaut hatten. Sie wählten einen eigenen Ort, den Gott nicht erwählt hatte.
  • Viele Jahrzehnte später gab es einen Altar in Bethel, der ebenfalls im Eigenwillen aufgerichtet worden war und nicht den Gedanken Gottes entsprach. Gott kündigte durch einen Propheten das Gericht an (1. Kön 13,2).
  • Es gab sogar einen Altar von König Ahas, den er in Damaskus gesehen und als Kopie in Jerusalem aufrichten ließ (2. Kön 16,10ff.). Der König scheute sich nicht, den Altar Gottes von seiner Stätte wegzurücken und dieses Imitat gerade dort zu platzieren, wo der Altar Gottes stand. Diese Kopie stand zwar an der richtigen Stelle, war jedoch ein Gräuel in den Augen Gottes.

Furcht vor den Völkern der Länder

Die weitere Begründung für den Bau des Altars verdient Beachtung. Es heißt ausdrücklich, dass sie den Altar bauten, weil Furcht „auf ihnen war vor den Völkern der Länder“. Einerseits wollten sie Gott opfern, andererseits sahen sie in dem Altar einen Schutz. Die Sorge der Rückkehrer können wir gut verstehen, und die weiteren Kapitel zeigen, dass sie berechtigt war. Deshalb hätte man eigentlich erwarten können, dass sie zum Schutz zuerst die Stadtmauer bauten, doch das tun sie nicht. Sie beginnen mit dem Altar. Das Volk sucht Schutz beim Altar, unter den Flügeln des Herrn. Sie verstanden etwas davon, dass der Altar ein Symbol dafür war, dass das Volk von Gott angenommen wurde, denn am Altar trafen Gott und das Volk zusammen. Wenn für uns irgendetwas Schutz bedeutet, dann ist es das vollbrachte Werk vom Kreuz, von dem wir wissen, dass Gott es angenommen hat. Die Juden damals vertrauten nicht auf Menschen, sondern allein auf ihren Gott. Vielleicht dachten sie an die Worte Davids in Psalm 27,5.6: „Denn er wird mich bergen in seiner Hütte am Tag des Unglücks, er wird mich verbergen im Verborgenen seines Zeltes; auf einen Felsen wird er mich erhöhen. Und nun wird mein Haupt erhöht sein über meine Feinde rings um mich her; und Opfer des Jubelschalls will ich opfern in seinem Zelt, ich will singen und Psalmen singen dem Herrn.“ J. N. Darby schreibt zutreffend: „Von Feinden umringt, wird die Stadt, die keine Mauer hat, durch den im Glauben des Volkes Gottes aufgerichteten Altar ihres Gottes geschützt; und nun ist sie in größerer Sicherheit als damals, wo sie ihre Könige und ihre Mauern hatte.“

Verse 7–13: Die Grundlage zum Tempelbau wird gelegt

Bauvorbereitungen

Bevor der eigentliche Bau beginnen konnte, waren vorbereitende Maßnahmen erforderlich. Diese nahmen mindestens sechs Monate in Anspruch (Vers 8). Die notwendigen Baumaterialien mussten beschafft werden. Die Rückkehrer waren dabei auf die Hilfe anderer angewiesen und nahmen sie in Anspruch. In äußeren Dingen sind wir ebenfalls oft auf Hilfe externer Personen (also Ungläubiger) angewiesen, z. B. benötigen wir Genehmigungen von Behörden, Handwerker, Versicherungen etc. Es spricht nichts dagegen, solche Hilfe in Anspruch zu nehmen, solange es nicht um den eigentlichen Vorgang des Bauens geht (vgl. Kap 4,1–3). Alles soll jedoch korrekt und anständig laufen, einschließlich der Bezahlung von Steuern, Beiträgen, Löhnen etc.20

Die Vollmacht Kores‘

Es mag überraschen, dass in Vers 7 noch einmal auf die Vollmacht des persischen Königs Kores hingewiesen wird. Wir lernen daraus, dass der Bau des Tempels untrennbar mit der Tatsache verbunden war, dass der Überrest unter der Macht fremder Völker stand. Sie waren kein freies Volk und konnten nicht frei entscheiden, was sie tun und was sie lassen wollten. Durch eigene Schuld waren sie den Nationen unterworfen und mussten dies eingestehen. Diese Situation sollte andauern, bis der Messias kommen würde. Genau das war es, was die Makkabäer später im zweiten Jahrhundert vor Christus nicht verstanden hatten, und die Juden zur Zeit des Herrn Jesus wollten es ebenfalls nicht wahrhaben (vgl. Joh 8,33).

Für uns gilt es, das Bewusstsein unserer eigenen Schwachheit und das Bewusstsein des Niedergangs nicht zu verdrängen. Die Tage der ersten Christen kommen nicht wieder. Wir können unseren schwachen Zustand nicht verleugnen. Dennoch können wir – in tiefer Demut vor unserem Herrn und mit seiner Hilfe – versuchen, treu am Haus Gottes zu arbeiten und die Grundsätze der Versammlung in unserem Leben zu verwirklichen.

Zum Haus Gottes kommen

Vers 8 macht uns Mut. Obwohl das Haus noch nicht gebaut worden war, formuliert Gotte es so, als wären sie bereits zum Haus Gottes gekommen. Wir haben schon gesehen, dass das Haus Gottes in seinen Augen immer existiert, selbst wenn es aus unserer Sicht in einem völlig desolaten Zustand sein mag. Das geistliche Auge (der Glaube) sah es schon dort, wo das leibliche Auge nichts als Schutt sah.

Bauaufsicht

Die geistlichen Führer gehen mit gutem Beispiel voran. In Vers 8 wird Serubbabel zuerst genannt (vgl. die andere Reihenfolge in Vers 2). Beim Bau des Hauses steht der politische Führer (der Gouverneur und Landpfleger) an erster Stelle. Beide stellen sich nicht über die anderen, die „ihre Brüder“ sind. Sie sind gute Vorbilder der Herde, so wie der Herr es heute von denen erwartet, die anderen vorstehen und „unter ihnen“ (und nicht „über ihnen“) arbeiten (1. Pet 5,2.3; 1. Thes 5,12). Sie stehen „wie ein Mann“. Das zeigt uns einmal mehr, dass Führung im Volk Gottes einmütig erfolgen sollte. Wenn die Führer (Älteste und Aufseher) sich nicht einig sind, wie soll es dann Einigkeit im Volk Gottes geben? Gerade im Blick auf die Grundätze des Zusammenkommens ist es wichtig, dass Einmütigkeit besteht. Wie sehr würde dem Werk des Herrn und der Arbeit am Haus Gottes eine solche Einmütigkeit der Diener und Gaben nutzen. Meinungsverschiedenheiten, Streit und Spaltungen verhindern nur das Wirken des Heiligen Geistes, der uns auf das ausrichten möchte, was wirklich wichtig ist, nämlich die „Vollendung der Heiligen“, „das Werk des Dienstes“ und die „Auferbauung des Leibes des Christus“, „… bis wir alle hingelangen zu der Einheit des Glaubens und der Erkenntnis des Sohnes Gottes, zu dem erwachsenen Mann, zu dem Maß des vollen Wuchses der Fülle des Christus“ (Eph 4,12.13).

Hier werden die Leviten ab einem Alter von 20 Jahren zur Aufsicht eingesetzt. In 4. Mose 4,3 wird ein Alter von 30 Jahren genannt. Die Tatsache, dass diese Altersgrenze hier herabgesetzt wird, ist wahrscheinlich auf eine Anweisung Davids zurückzuführen (vgl. 1. Chr 23,27). Darüber hinaus waren es hier nur sehr wenige Leviten. Dennoch wird darauf geachtet, dass eine gewisse Erfahrung vorhanden ist. Timotheus sollte darauf achten, dass ein Aufseher kein „Neuling“ war, damit er nicht ins Gericht des Teufels falle (1. Tim 3,6). Ein Aufseher sollte erprobt sein, dann konnte er dienen, wenn er untadelig war (1. Tim 3,10). Ohne die Altersangabe 1:1 auf unsere Zeit übertragen zu wollen, sollten wir jedoch umgekehrt bedenken, dass Führungsaufgaben im Volk nicht nur von „alten Brüdern“ wahrgenommen werden sollten. Jüngere Brüder mit einer gewissen Bewährung und Erfahrung sollten unbedingt an diese Arbeit herangeführt und rechtzeitig integriert werden.

Das Neue Testament zeigt uns an verschiedenen Stellen, dass Aufsicht im Haus Gottes unabdingbar ist. Die höchste Autorität hat der Herr. Dennoch delegiert Er diese Verantwortung. Das Neue Testament spricht von „Führern“ (Apg 15,22; Heb 13,7.17.24), von „Aufsehern“ und von „Ältesten“ (Apg 20,28; Phil 1,1; 1. Tim 3,1.2; 5,17.19; Tit 1,7; 1. Pet 5,1).21 Dabei fällt auf, dass es in keinem einzigen Fall in einer örtlichen Versammlung nur einen Aufseher oder Ältesten gab. Sie werden immer in der Mehrzahl genannt. Es ist nicht nach den Gedanken Gottes, wenn eine örtliche Versammlung von einem einzigen Bruder „geführt“ wird. Es sollten mindestens zwei sein.22 In ihrem Lied singen Barak und Debora: „Weil Führer führten in Israel, weil freiwillig sich stellte das Volk, preist den Herrn! Mein Herz gehört den Führern Israels, denen, die sich freiwillig stellten im Volk. Preist den Herrn!“ (Ri 5,2.9). Wir wollen dem Herrn dankbar sein, wenn Er uns heute noch Führer gibt, die uns den guten Weg zeigen und mit gutem Beispiel vorangehen. Dabei ist klar, dass es das Amt von Aufsehern und Ältesten heute nicht mehr gibt (und wir niemand in ein solches Amt hineinwählen können), wohl aber die Aufgabe der Aufseher und Ältesten.

Der Baubeginn

So erforderlich die Aufsicht ist, so nötig ist es, dass alle mitarbeiten. Es wird ausdrücklich betont, dass alle, die aus der Gefangenschaft nach Jerusalem gekommen waren, mitbauten (Vers 8). Das gilt bis heute (1. Kor 3,9–17). Es geht darum, dass wir das Haus Gottes bauen. Jeder ist gefragt. Jeder ist wichtig. Der Bau wird hier unter dem Blickwinkel der menschlichen Verantwortung gesehen. Wenn es um den Ratschluss Gottes geht, ist es Christus, der baut (Mt 16,18). Die entscheidende Frage für uns lautet, wie wir bauen, d. h. mit welchen Baumaterialien. Am Richterstuhl des Christus wird es offenbar werden.

Das Lob Gottes

Nachdem die Grundlage gelegt ist, gibt es eine Feier, die einerseits von Freude und andererseits von Trauer geprägt ist, wobei die Freude überwiegt (Verse 10–13). Damals traten die Priester in ihrer feierlichen Kleidung auf. Die Söhne Asaphs nahmen ihre Musikinstrumente, und gemeinsam wurde Gott Lob und Dank gebracht. Solche Hinweise sind typisch für das Alte Testament. Gott wurde auf eine äußere, zeremonielle Weise angebetet. In der Haushaltung der Gnade ist das anders. Wir leben heute nicht in der Zeit der „sichtbaren Dinge“ (Heb 8,5; 10,1). Wir benötigen keine „Schatten“ (Kol 2,17; Heb 8,5), sondern wir haben die Wirklichkeit. Wir beten Gott in Geist und Wahrheit an (Joh 4,24). Unsere Opfer sind geistliche Schlachtopfer. Wir singen und spielen Gott in unseren Herzen (Eph 5,19; Kol 3,16). Eine äußere und zeremonielle Anbetung passt nicht in unsere Zeit. Sie spricht vielmehr das Natürliche und Emotionale im Menschen an und verhindert leicht die wirkliche Anbetung, weil sie uns von dem ablenkt, was wesentlich ist.

Dankbarkeit und der Ausdruck von Dankbarkeit gehören zusammen. Es ist eine Sache, dankbar zu sein, und es ist eine andere Sache, diese Dankbarkeit in Worte zu fassen und vor Gott auszusprechen. Die Rückkehrer kannten ohne Frage die Psalmen und wussten, wie dort mehrfach von der Güte Gottes die Rede ist. Mit Psalm 136 und anderen fassten sie ihre Dankbarkeit in die Worte: „Denn er ist gut, denn seine Güte währt ewig über Israel“ (Vers 11; vgl. 1. Chr 16,34; 2. Chr 7,3; 20,21; Ps 106,1; 107,1; 118,1; 136). Dabei fällt auf, dass die Rückkehrer etwas hinzufügen, was an keiner anderen Stelle steht. Sie sagen nämlich: „Seine Güte währt ewig über Israel“ (Vers 11). Gerade hier an einem Punkt großer Schwachheit umfasst der Glaube erneut „ganz Israel“. Es ist gut möglich, dass sie dabei an die Worte Jeremias dachten, die wir uns ebenfalls gerne zu eigen machen: „Es sind die Gütigkeiten des Herrn, dass wir nicht aufgerieben sind; denn seine Erbarmungen sind nicht zu Ende; sie sind alle Morgen neu, deine Treue ist groß“ (Klgl 3,22.23). Am Ende der Haushaltung der Gnade (und der Versammlung Gottes auf der Erde) fühlen wir die große Schwachheit und die kleine Kraft, die wir nur noch haben (Sach 4,10; Off 3,8). Dennoch vertrauen wir der Güte unseres Herrn und sind dankbar, dass wir nicht aufgerieben sind. Er wird sich bis zum Ende einen Überrest bewahren.

Jede Erweckung gründet sich auf die Güte und Barmherzigkeit Gottes. Ohne Gottes gnädiges Eingreifen gibt es kein Aufleben. Das Bewusstsein seiner Güte ist Grund genug, sich zu freuen und dankbar zu sein. Durch das Lob Gottes zeigte der Überrest, dass er das ganze Werk der Erweckung als ein Werk Gottes sah. Zudem geschah alles nach den Anweisungen Davids und nicht nach dem Willen der Rückkehrer. Obwohl die Zeit Davids eine völlig andere war, nahmen sie seine Worte ernst. Wir lernen, dass ein Fragen nach Gottes Gedanken zeitunabhängig ist.

Das Fundament des Tempels

Vers 10 spricht davon, dass der Grund des Tempels gelegt wurde. Für das Volk, und vor allem für Gott, war das ein bedeutendes Ereignis. Er erinnert in Sacharja 4,9.10 daran: „Die Hände Serubbabels haben dieses Haus gegründet, und seine Hände werden es vollenden; und du wirst erkennen, dass der Herr der Heerscharen mich zu euch gesandt hat. Denn wer verachtet den Tag kleiner Dinge? Und mit Freuden werden jene Sieben das Senkblei in der Hand Serubbabels sehen: Die Augen des Herrn, sie durchlaufen die ganze Erde.“ Jesaja 28,16 spricht von dem „Stein in Zion“, ein Hinweis auf den kommenden Messias und sein Reich. Die Grundsteinlegung war die Garantie dafür, dass Christus einmal als der Spross kommen wird. An einem Tag wird die Ungerechtigkeit des ganzen Landes weggenommen werden. So zeigt uns Sacharja, wie die Gedanken Gottes weit über diesen Tag damals hinausgingen. Für den Überrest war es ein „Tag kleiner Dinge“. Für Gott war es der Anfang seines Handelns in Gnade, dessen volles Ergebnis im tausendjährigen Reich gesehen wird. Doch bevor das geschehen kann, musste Christus geboren werden, musste sterben, auferstehen und im Himmel gekrönt werden.

Wir kennen Christus als das Fundament seines geistlichen Hauses heute, das ist die Versammlung. In diesem Sinn müssen wir keinen Grund legen, denn er ist gelegt (1. Kor 3,11). Dennoch gilt, dass wir nur dann wirklich an diesem Haus Gottes bauen können, wenn wir es auf dem Fundament tun, das gelegt ist – Christus selbst. In diesem Sinn legen wir die Grundlage, wenn wir zu den Grundsätzen des Wortes Gottes über seine Versammlung zurückkehren. Eine andere Grundlage wird niemals dazu beitragen, dass dieses Haus so gebaut wird, wie Gott es möchte.

Trauer und Freude

Die Wahrnehmung und die Empfindungen der teilnehmenden Rückkehrer sind sehr verschieden. Es waren solche anwesend, die den Tempel Salomos – der etwa 50 Jahre vorher zerstört worden war – noch gesehen und in guter Erinnerung hatten. Sie weinten, wenn sie das Bauwerk, das jetzt im Begriff war zu entstehen, mit dem Tempel Salomos verglichen. Wenige Jahre später würde Gott durch Haggai fragen lassen: „Wer ist unter euch übrig geblieben, der dieses Haus in seiner früheren Herrlichkeit gesehen hat? Und wie seht ihr es jetzt? Ist es nicht wie nichts in euren Augen?“ (Hag 2,3). Diese Tatsache war nicht zu leugnen. Es würde ein bescheidenes Bauwerk werden, das jetzt gebaut wurde. Die Trauernden müssen relativ wenige gewesen sein, und sie müssen schon recht alt gewesen sein. Dennoch ist ihr Weinen nicht zu überhören. Andere hingegen – und das wird die Mehrzahl gewesen sein – hatten den Tempel Salomos nie gesehen. Sie jubelten vor Freude, weil jetzt die Grundlage gelegt worden war, diesen Tempel wieder zu bauen.

Die Frage, wer von den beiden Gruppen recht hatte, stellt sich nicht, denn beide Empfindungen waren angemessen. So ist es bis heute. Wenn wir den Zustand der Versammlung Gottes heute mit dem vergleichen, was am Anfang war (in der Zeit der Apostelgeschichte), dann können wir nur traurig sein und müssen uns schämen. Wenn wir sehen, was der Herr in der Zeit des Endes immer noch wirkt, dann stimmt uns das überaus dankbar. Es wäre undankbar, wenn wir den „Tag kleiner Dinge“ verachten würden (Sach 4,10).

Damals überwog die Freude, denn von Weitem hörte man nur das Jauchzen. Nur Gott kann beides unterscheiden und sieht die Empfindungen der Herzen. Er sieht die Trauer derer, die die Schwachheit und Lauheit heute sehen. Er sieht die Freude derer, die das sehen, was Gott in der Schwachheit wirkt. J. N. Darby fasst es so zusammen:

„Es war Freude vor seinem Angesicht, und diese Freude war für Gott wohlgefällig. Tränen bekannten die Wahrheit und zeugten von einem gerechten Bewusstsein dessen, was Gott seinem Volk gewesen war, und von dem Segen, an dem sie sich einst unter seiner Hand erfreut hatten. Tränen erkannten das, was das Volk Gottes für Gott gewesen war, und diese Tränen waren Ihm ebenfalls wohlgefällig. Man konnte das Weinen nicht von dem Schall des freudigen Jauchzens unterscheiden. Das war ein wahrheitsgemäßes Ergebnis, natürlich und traurig, und doch passend in der Gegenwart Gottes. Denn Er freut sich in der Freude seines Volkes, und Er versteht ihre Tränen. Es war tatsächlich ein passenderAusdruck des Zustandes der Dinge.“

Esra 4: Widerstand durch Feinde und Unterbrechung des Tempelbaus

Dieses Kapitel spricht über den Widerstand der Feinde. Wir lernen, dass der Feind immer aktiv wird, wenn Gott ein Werk beginnt. Das darf uns nicht wundern. Zu Beginn der Geschichte der Versammlung Gottes auf der Erde war das nicht anders. Die ersten vier Kapitel der Apostelgeschichte beschreiben den wunderbaren Zustand der Gläubigen, die ein Herz und eine Seele waren und alles gemeinsam hatten (Apg 4,32). In Kapitel 5 und 6 folgen dann die ersten Risse. Wenn Gott eine Tür öffnet, ist der Teufel nicht untätig (vgl. 1. Kor 16,9). Er tritt entweder als ein Engel des Lichts oder als brüllender Löwe auf (2. Kor 11,14; 1. Pet 5,8). Er kommt mit Angriffen von außen oder von innen.

Verse 1–5: Widerstand der Feinde

Kinder der Wegführung

Der Angriff richtet sich gegen Juda und Benjamin, die hier erstmals „Kinder der Wegführung“ genannt werden. Diese Formulierung zeigt einerseits, wie schwach und gering sie durch ihre eigene Schuld waren. Andererseits beweist der Ausdruck, dass Gott ein Werk in und durch sie begonnen hat, so dass diese Formulierung ebenfalls Mut macht. Wir finden sie nur im Buch Esra, und zwar siebenmal (Kap 4,1; 6,16.19.20; 8,35; 10.7.16). Ein Vergleich der Stellen zeigt, dass der Ausdruck immer mit dem Handeln zur Ehre Gottes verbunden ist. Obwohl es Judas Untreue war, dass sie weggeführt worden waren, und obwohl die Erinnerung daran nicht verblassen sollte, freute Gott sich über das, was nun durch sie getan wurde.

Im Kontrast dazu wird Gott nicht der Gott Judas und Benjamins genannt, sondern der Gott Israels. Dessen Tempel sollte gebaut werden, d. h. das Bauwerk sollte zu seiner Ehre und Herrlichkeit sein. So wie es nur einen Gott gibt, gibt es nur ein Volk Israel. Diese göttliche Sichtweise auf sein Volk sollten wir nicht vergessen. Es gibt bis heute nur ein Haus Gottes, und der Bau seines Hauses soll Ihn verherrlichen (vgl. Hag 1,8).

Die Feinde Judas und Benjamins

Die Rückkehrer waren nicht ohne Feinde. Diese Feinde werden nun aktiv. Sie konnten nicht ertragen, dass der Überrest zurückgekehrt war und sich nun daran machte, das Haus Gottes zu bauen. Der Christ heute hat ebenfalls seine Feinde. Der erste Feind ist der Teufel, der gegen uns ist. Der zweite Feind ist das Fleisch, das in uns ist. Der dritte Feind ist die Welt, die um uns herum ist. Diese drei Feinde kooperieren miteinander. Hier steht zunächst die Welt im Vordergrund, denn der Angriff kam von außen. Es versteht sich von selbst, dass der Teufel hinter den Aggressoren stand. Solange wir uns geistlich in Babel aufhalten und kein besonderes Interesse an der Sache Gottes zeigen, wird der Teufel uns mehr oder weniger in Ruhe lassen. Ein schläfriger Christ, der in der Welt zu Hause ist, ist ihm kein Ärgernis. Doch sobald wir beginnen, uns für die Sache Gottes – und besonders für sein Haus und den Altar, d. h. für die Wahrheit der Versammlung Gottes und die Anbetung Gottes – zu interessieren, müssen wir mit Widerstand rechnen. Deshalb gilt die Feindschaft hier nicht pauschal „Israel“, sondern es geht um „Juda und Benjamin“, konkret um diejenigen, die nach Jerusalem zurückgekommen waren.

Die hier genannten Feinde sind die Samariter (in Vers 10 und Vers 17 ist von Samaria die Rede). Der Ursprung der Samariter ist in 2. Könige 17,24–41 aufgezeichnet. Es handelte sich um Menschen aus unterschiedlichen Völkern und Nationen, die unter verschiedenen assyrischen Königen – angefangen bei Salmameser (727–722 v. Chr.) bis hin zu Osnappar (669–631 v. Chr.) – in Palästina angesiedelt wurden. Wir würden sie heute als Kolonisten bezeichnen. Diese Siedlungspolitik war Teil der Strategie dieser Regenten, um möglichst weniger Widerstand im Assyrischen Reich zu haben. König Esar-Haddon (Vers 2) wird in 2. Könige 19,37 als Sohn Sanheribs genannt, der nach der Ermordung seines Vaters König von Assyrien wurde.

Wir finden die Samariter an einigen Stellen im Neuen Testament wieder. Ihre Religion war eine typische Mischreligion. In 2. Könige 17,32.33 lesen wir: „Und sie fürchteten den Herrn, und sie machten sich aus ihrer Gesamtheit Priester der Höhen, die für sie in den Höhenhäusern opferten. Sie fürchteten den Herrn, und sie dienten ihren Göttern nach der Weise der Nationen, aus denen man sie weggeführt hatte.“ In Johannes 4 finden wir das im Gespräch des Herrn mit der Frau aus Samaria bestätigt.

In ihrer geistlichen Bedeutung für uns symbolisieren die Samariter Menschen, die sich innerhalb der Christenheit (d. h. im Land Kanaan) befinden, jedoch ohne wirklich zum Volk Gottes (zum Leib Christi) zu gehören. Mit ihrem gemischten Gottesdienst gleichen sie den Menschen, die eine Form der Gottseligkeit haben, deren Kraft jedoch verleugnen (2. Tim 3,5). Sie dienen Gott und den Götzen zugleich und entpuppen sich hier eindeutig als Feinde des Überrestes. Diese Vermengung ist kennzeichnend für große Teile der bekennenden Christenheit.

Die Taktik des Feindes

Die Verse 2 bis 5 machen deutlich, dass der Feind einige Pfeile in seinem Köcher hat, die er nacheinander abschießt. Das Ziel ist dabei immer gleich: Der Tempelbau soll mit allen Mitteln verhindert werden. Die Wahrheit von der Versammlung Gottes und die Anbetung Gottes wird dem Feind immer ein besonderer Dorn im Auge sein. Folgende Strategien werden erkennbar:

  1. List und Schmeichelei: Zuerst sieht es sehr harmlos aus. Die Samariter kündigen eine Zusammenarbeit und Kooperation an. Sie wenden sich an die Führer (zuerst den politischen Führer Serubbabel und dann den Hohenpriester). Dabei unterbreiten sie nicht ein Angebot, sondern sie kündigen ihre Mitarbeit an. Diese Ankündigung, verbunden mit Unaufrichtigkeit und Lüge, ist von einer gewissen Dreistigkeit gekennzeichnet und wird von den Führern des Volkes klar zurückgewiesen. Sie erkennen die Gefahr und lehnen die Zusammenarbeit ab. Sie empfinden es mit Recht als ungehörig und gehen in ihrer Ablehnung mit gutem Beispiel voran. Vermischung mit der religiösen Welt – der Namenschristenheit – ist für Gottes Volk immer eine große Gefahr. Gut und Böse, Wahrheit und Irrtum, Gehorsam und Eigenwille, Licht und Finsternis passen nicht zusammen. Deshalb ist eine gemeinsame Arbeit mit solchen Menschen unmöglich. Die Warnung und Ermutigung von 2. Korinther 6,14–18 ist eindeutig. Es kann keine Gemeinschaft geben. Eine Zusammenarbeit auf geistlichem Gebiet zwischen treuen Gläubigen und ungläubigen Mitarbeitern entspricht nicht der Absicht Gottes.23
    Dieser erste Angriff wurde also zurückgewiesen. Dem Überrest war klar, dass Gott eine solche Vermischung nicht haben wollte. Es hätte sicher gute Argumente dafür gegeben, doch sie entsprachen nicht den Gedanken Gottes. In der Kirchengeschichte gibt es ein Beispiel dafür, wie führende Männer Gottes diesen Angriff des Feindes leider nicht erkannten und abwehrten. In der Zeit der Reformation – die ohne Frage ein Werk Gottes war – beriefen sich sowohl Luther als auch Calvin auf die damaligen politischen Mächte. Luther gelang es, eine Reihe von Kirchenfürsten und weltlichen Fürsten für seine Sache zu gewinnen. Die Folge davon war am Ende keine gute. W. Kelly schreibt: „Niemals gab es in Israel ein tieferes Bewusstsein des besonderen Platzes des Volkes Israel als in der Zeit, wo sie demütig und schwach waren. Auch wir dürfen den Platz der Kirche nicht aufgeben, nur weil wir ein Überrest sind.“
  1. Entmutigung durch den Feind: Worin diese Entmutigung genau bestand, wissen wir nicht. Jedenfalls versuchten sie, die Hände des Volkes schlaff zu machen. Es ist klar, dass schlaffe Hände keine kraftvolle Arbeit tun können. Der Feind wird genau das mit uns versuchen. Sein Ziel ist es, unsere Arbeit für den Herrn und am Haus Gottes als nutzlos, wertlos oder gar schädlich hinzustellen.
  1. Abschreckung: Der Feind versucht, Ängste zu schüren, um so den Bau zu verhindern. Es liegt auf der Hand, dass derjenige, der keinen Mut hat, seine Arbeit nur schlecht tun kann. Es ist – z. B. aus unserem Berufsleben – hinreichend bekannt, dass Angst ein schlechter Motivator ist.
  1. Falsche Ratgeber: Die Details sind uns unbekannt, doch es ist offensichtlich, dass falsche Ratgeber ein probates Mittel sein können, um eine Arbeit zu stören. Salomo schreibt zwar zu Recht: „Denn mit weiser Überlegung wirst du glücklich Krieg führen, und bei der Ratgeber Menge ist Rettung (Spr 24,6).“ Das setzt allerdings voraus, dass die Ratgeber guten Rat geben. Wir sollten vor falschen Ratgebern immer auf der Hut sein, vor allem dann, wenn sie verdeckt arbeiten (vgl. 1. Joh 4,1).

Diese Angriffe – und besonders der letzte – erstreckten sich über einen längeren Zeitraum, nämlich von der Zeit Kores bis zu Regierung von Darius I. Das waren ca. 15 Jahre (von 536 v. Chr bis 521 v. Chr).24

F. B. Hole kommentiert diesen Abschnitt wie folgt: „Wenn die Heiligen ihre Trennung von der Welt aufrechterhalten, werden wir die Feindschaft der Welt erfahren. Das ist heute so wahr, wie es immer wahr gewesen ist. Wenn wir Kompromisse eingehen, werden wir diese Feindschaft weitgehend vermeiden, jedoch unsere geistliche Kraft verlieren. Wenn wir die Trennung aufrechterhalten, werden wir leiden, denn die Schrift sagt selbst, dass alle, die gottselig leben wollen in Christus Jesus, verfolgt werden (2. Tim 3,12). Es mag sein, dass diese Verfolgung nicht den Charakter von äußerer Gewaltanwendung annimmt, wie es z. B. bei dem Apostel Paulus war, sondern sie kann sich durchaus in einer indirekten und listigen Weise zeigen.“

Verse 6–16: Die Anklageschrift an die Könige Ahasveros und Artasasta

Offene Anklage

Nachdem die ersten vier Versuche gescheitert waren, folgte eine weitere Strategie, nämlich die der offenen Anklage, verbunden mit Verleumdung. Satan tritt nun offen als brüllender Löwe auf (1. Pet 5,8). Tatsachen werden verfälscht, und die Wahrheit wird durch Lüge ersetzt. Wir werden an den ersten Angriff des Teufels im Garten Eden erinnert, wo Satan ebenfalls eine Lüge benutzte.

Die genannten Könige Ahasveros und Artasasta waren die Nachfolger von Kores und zugleich die Vorgänger von Darius I. (522–485 v. Chr.) Wir kennen sie in der säkularen Geschichte unter den Namen Kambyses II. (529–523 v. Chr.) und Smerdis (523–522 v. Chr.). Ahasveros, Artasasta und Darius I. sind die drei Könige, die Daniel 11,2 erwähnt. Der vierte ist Ahasveros (Xerxes I.), der 480 v. Chr. von den Griechen vernichtend geschlagen wurde.25 Kores und Darius waren den Juden gegenüber freundlich gesinnt. Ahasveros reagierte auf den Anklagebrief überhaupt nicht, während die Feinde bei Artasasta Gehör fanden.

Ein Brief gegen Jerusalem

Die mit Namen erwähnten Initiatoren des Briefes sind uns nicht weiter bekannt. Es werden damals bekannte Männer gewesen sein. Gott hat ihre Namen jedenfalls zur Kenntnis genommen. Rechum bedeutet „königlicher Rat“, d. h. es handelte sich wahrscheinlich um einen persischen Beamten. Schimschai bedeutet „Schreiber“. Der Text war in der Amtssprache des persischen Reiches verfasst. Die Auflistung der verschiedenen Namen in Vers 9 zeigt, wie viele unterschiedliche Personen und Interessengruppen sich an der Anklage beteiligten, um den Bau des Tempels zu verhindern. Die Feinde Gottes und seines Volkes werden sich immer vereinen, wenn es um Widerstand gegen sein Werk geht. Im Leben des Herrn Jesus war das nicht anders. Pilatus und Herodes – die sich lange feindlich gegenüberstanden – wurden in ihrem Widerstand gegen Christus sogar Freunde (Lk 23,12). Ganz am Ende – kurz bevor das tausendjährige Reich beginnt – wird es dem Teufel noch einmal gelingen, eine große Schar unterschiedlicher Herrscher gegen Christus aufzubringen (Off 19,19). Letztlich richtet sich jeder Widerstand Satans immer gegen Ihn.

Die Anklage richtet zwar mittelbar gegen diejenigen, die das Haus Gottes bauten, die eigentliche Zielrichtung ist jedoch eine andere. Es ist ein Brief „gegen Jerusalem“ (Vers 8). Die Stadt wird eine „aufrührerische und böse Stadt“ genannt (Vers 12; vgl. Vers 15). Es geht dem Feind gerade um diese Stadt, die Gott sich erwählt hatte, um seinen Namen dort wohnen zu lassen. Wir erinnern uns, dass Jerusalem für uns heute mit dem geistlichen Ort verbunden ist, wo der Herr in der Mitte derer ist, die sich zu seinem Namen hin versammeln (Mt 18,20). Es geht um die Versammlung Gottes bzw. darum, wie Versammlung Gottes sichtbar wird. Dem Teufel ist das ein Dorn im Auge.

Die Anklageschrift ist eine explosive Mischung aus Wahrheit, Unwahrheit und Verleumdung. In Vers 12 sprechen die Feinde davon, dass die Juden „zu uns nach Jerusalem“ gekommen sind. Das erweckt einen falschen Eindruck.26 Außerdem waren sie nicht gekommen, um die Stadt zu bauen und die Mauern zu vollenden, sondern sie wollten den Tempel bauen (vgl. Kap 1,3). Diese Verfälschung von Tatsachen ist bis heute eine beliebte Taktik des Teufels, gerade dann, wenn es um das Wort Gottes geht. Es muss uns allerdings nicht wundern, denn Satan ist der „Verkläger unserer Brüder“ und ein „Lügner und ihr Vater“ (Off 12,10; Joh 8,44).

Der Hinweis auf die „aufrührerische und böse Stadt“ ist ebenfalls eine üble Mischung von Wahrheit und Lüge. Es war ja nicht ganz unwahr, dass die letzten Könige von Jerusalem sich gerade so verhalten hatten. Wir denken besonders an die Könige Jojakim und Zedekia. Letzterer hatte sich trotz eines Eidschwurs gegen den König von Babel empört. So etwas vergessen die Feinde nicht. Das sollten wir gut bedenken. Es ist ohne Frage so, dass Gott uns bei einem Bekenntnis unser Fehlverhalten vergibt, der Feind jedoch vergisst nichts, und wenn die Gelegenheit passt, benutzt er es gegen uns, um uns zu schaden. Deshalb werden wir aufgefordert, dem Feind keinen Anlass zur Schmähung zu geben (1. Tim 5,14).

Vers 13 enthält weitere unbewiesene Behauptungen, die den König natürlich beunruhigen mussten. Vers 14 zeigt ein devotes und schmeichelndes Auftreten (vgl. Spr 19,6). Sie versichern dem König Loyalität und täuschen großes Interesse am Wohlergehen des Königs vor. Der Feind weiß sehr wohl, wie er seine Argumente wählt. Wir sollten ihn nie unterschätzen. Der König Artasasta war unbedingt daran interessiert, jegliche Rebellion in seinem Reich im Keim zu ersticken. Deshalb werden hier keine religiösen Gründe genannt, sondern es wird politisch argumentiert. An einer religiösen Argumentation war dieser Herrscher – im Gegensatz zu Darius im nächsten Kapitel – nicht interessiert. Deshalb ist die Rede von der aufrührerischen und bösen Stadt.

Der Brief endet mit der Aufforderung, in den Annalen nachzuprüfen, warum Jerusalem zerstört worden war (Vers 15). Eine Aufforderung, nach dem Erlass von Kores zu suchen, fehlt hingegen. Schließlich wird dem König noch einmal deutlich gemacht, dass es für ihn nur nachteilig sein konnte, wenn er die Juden weiter gewähren lassen würde (Vers 16). A. C. Gaebelein schreibt über diesen Brief: „Der Brief ist ein sehr schlau ausgedachtes Dokument, voller Ungenauigkeiten und Verdrehungen, eingegeben von dem, der ein Lügner ist und der Vater der Lüge.“

Verse 17–24: Die Antwort des Königs und der vorläufige Baustopp

Die Anklage verfehlte ihre Wirkung nicht. Der König forschte nach und fand die Anklage berechtigt. Er kann allerdings nicht sehr gründlich geforscht haben, denn das Dekret seines Vorgänger Kores fand er nicht. Er stellte nur fest, dass es Aufruhr und Empörung in der Stadt gegeben hatte und dass mächtige Könige dort regiert hatten (gemeint ist vermutlich besonders Salomo, vgl. 2. Chr 9,26). Eine weitere Untersuchung der Sachlage gab es nicht. Der König verfügte den Baustopp, der notfalls mit Gewalt durchgesetzt werden sollte. Die Juden hatten scheinbar keine Wahl, und so hörten die Aktivitäten auf.

Für den Moment schien es so, als ob die Wiedersachen einen Sieg errungen hätten. Doch Gott steht über allem, und am Ende wurde aus dem Sieg eine schmähliche Niederlage, denn der weitere Verlauf zeigt, dass der Tempel gebaut und vollendet wurde. Letztlich kann der Teufel das Werk Gottes nicht zum dauerhaften Erliegen bringen. F. B. Hole schreibt: „Wenn Gott eingreift, ändern sich die Dinge ins Gegenteil. Und am Ende wird Gott eingreifen. Für uns ist das ein Trost und eine Ermutigung.“

E. Dennett fasst das Kapitel wie folgt zusammen: „Im Ganzen ist es ein trauriges Kapitel – ein Bericht von der Tätigkeit Satans. Der einzige Lichtblick darin ist die Treue der Führer Israels, in der sie sich weigern, mit der Welt ein Bündnis einzugehen. Gott erscheint nicht in diesem Kapitel, und, mit menschlichen Augen betrachtet, macht es den Anschein, als ob der Feind einen völligen Sieg errungen hätte. Aber wenn sich Gott auch nicht dazwischen stellt, so ist Er gegenüber den Geschehnissen doch keineswegs ein uninteressierter Zuschauer. Wie auch immer der Zustand seines Volkes sein mag – Er bleibt treu. Obwohl Er sein Volk jetzt gründlich prüfte, wartete Er nur den geeigneten Augenblick ab, um eine Macht zu erwecken, der der Feind nicht widerstehen konnte. Sie würde seine Knechte aus ihrem Schlaf aufwecken und sie in der Verfolgung des Zieles antreiben, für das sie aus Babylon zurückgeführt worden waren.“

Der Tempelbau ruhte für eine Zeit von etwa zwei bis drei Jahren. Etwa im Jahr 536 v. Chr. hatten sie mit dem Bau begonnen und hörten ca. 523/522 v. Chr. in der kurzen Regierungszeit von König Artasasta (Smerdis) auf. Die Arbeiten begannen erneut im zweiten Jahr des Königs Darius (Esra 4,24), der auf Artasasta folgte.27 Die Feinde hatten also viele Jahre lang keinen Erfolg, doch am Ende war ihr Ziel erreicht.28 Der König warnte sogar davor, keinen Fehler zu begehen, denn er wollte keinen Schaden erleiden. Das zeigt, dass die Argumentation der Briefschreiber aufgegangen war.

Hinter den Kulissen

Das Buch Esra zeigt uns den äußeren Ablauf der Dinge. Wenn wir nur diesen Bericht hätten, müssten wir zu der Schlussfolgerung kommen, dass die Drohung der Feinde die Ursache für den Baustopp war. Wir könnten uns dann fragen, warum Gott das zuließ. In Kapitel 5 und 6 haben wir nämlich eine ähnliche Sachlage. Wieder wird ein Brief geschrieben mit der Absicht, die wieder aufgenomme Arbeit erneut zu stoppen. Beim Vergleich fällt jedoch auf, dass der Brief erstens einen anderen Charakter hat (weniger drohend) und dass er zweitens völlig anders beantwortet wird.

Zur Beantwortung dieser Frage müssen wir bedenken, dass es noch etwas anderes gibt, das sich hinter den Kulissen des Buches Esra abspielt, jedoch für eine ausgewogene Beurteilung der Sachlage unbedingt berücksichtigt werden muss. Gott ließ den Brief der Feinde und die Reaktion des Königs zu, weil die zurückgekehrten Juden inzwischen innerlich in keinem guten Zustand waren. Die wahren Gründe für den Erlass des Königs finden wir im Propheten Haggai. Dort zeigt Gott, wie es um den inneren Zustand der Rückkehrer bestellt war: Sie hatten gut angefangen, doch dann das Interesse an dem Bau des Hauses Gottes verloren. Ihre Prioritäten hatten sich verschoben. Ihre eigenen Häuser waren ihn viel wichtiger geworden als das Haus Gottes (Hag 1,2–11). Gott klagt die Juden unter anderem an, dass sein Haus wüst lag, während ihr ganzes Interesse ihren eigenen Häusern galt. Der Beginn des Tempelbaus und seine Unterbrechung kann mit dem Beginn des Glaubensweges Abrahams verglichen werden, der gegen Gottes Gedanken in Haran für eine Zeit unterbrochen wurde.

Es ist leicht möglich, Hindernisse von außen als Ursache vorzugeben, das Werk des Herrn „lässig zu treiben“ (Jer 48,10) oder ganz einzustellen. Sich um die eigenen Häuser zu kümmern ist weder verboten, noch ist es eine Sünde. Es ist jedoch eine Frage der Prioritäten. In einem anderen Zusammenhang fordert der Herr seine Jünger auf, zuerst nach dem Reich Gottes zu trachten (Mt 6,33). Im Zusammenhang des Buches Esra können wir das auf das Haus Gottes übertragen. Gott möchte, dass seine Interessen – das Evangelium sowie der Opferdienst im Haus Gottes – an erster Stelle stehen. Viele Christen sorgen sich intensiv um ihre berufliche Karriere, ein gutes Auskommen, die Zukunft ihrer Kinder und ihr Ansehen in der Gesellschaft und haben wenig Sinn für Aufgaben in der Versammlung und im Evangelium. Bei allen Argumenten für das eigene Haus (die eigene Familie) fordert Gott uns auf, sein Haus nicht zu vernachlässigen. Jede geistliche Erweckung wird schnell zu einem Ende kommen, wenn wir diesen Punkt nicht berücksichtigen.

Esra 5: Prophetendienst, Neuanfang und erneuter Widerstand

Kapitel 5 setzt die Berichterstattung von Kapitel 4 nach einer Unterbrechung von ca. zwei Jahren fort. In dieser Zeit gibt es keine weiteren Angriffe der Feinde. Das bestätigt, dass der Feind nur dann aktiv wird, wenn wir selbst aktiv sind. Wenn das Volk Gottes schläft und geistlich Toten gleicht (vgl. Eph 5,14), gibt es keine Angriffe. Wenn das Werk Gottes ruht und die Gläubigen ihren eigenen Interessen nachgehen, verliert der Widersacher sein Interesse an uns. Er hat sein Ziel erreicht.

Doch nun gibt es ein Aufleben. Die Arbeit wird erneut aufgenommen, und schon regt sich erneute Opposition. Allerdings sehen wir deutlich, wie Gott hinter den Kulissen tätig ist und die Dinge so führt, dass der Angriff dieses Mal ins Leere läuft. Kapitel 5 beschreibt zunächst das Auftreten von zwei Propheten, die Gott sandte, und enthält dann in wesentlichen Teilen den Brief der Feinde an den König. Schon ein flüchtiger Vergleich mit Kapitel 4 zeigt, dass dieser zwar die gleiche Zielrichtung hat, jedoch völlig anders geschrieben ist. Gott hat das so geführt.

Verse 1–2: Der Dienst der Propheten und sein Ergebnis

Haggai und Sacharja

Vers 1 führt die beiden Propheten Haggai und Sacharja ein, die scheinbar plötzlich auf der Bildfläche erscheinen. Es wird gesagt, dass sie weissagten. Gott greift nicht in Macht ein – was Er durchaus bei anderen Gelegenheiten getan hatte –, sondern durch ein Prophetenwort. „Diese unmittelbaren Mitteilungen von Gott waren unendlich kostbar, wie sein Wort es immer ist; und obwohl sie die Lage des Volkes in Bezug auf die Nationen nicht änderten, so waren sie doch ein ergreifender Beweis dafür, dass Gott sich für sein Volk interessierte und dass, wie auch immer ihre Bedrängnisse waren, der Gott Israels über allem stand, was Macht hatte, sie zu bedrängen“ (J. N. Darby).

Den Inhalt ihrer Weissagung finden wir im Buch Esra nicht. Dazu müssen wir ihre beiden Bücher lesen. Wichtig ist, dass sie erstens weissagten, und dass sie es zweitens im Namen des Gottes Israels taten, der über ihnen war. Ein Prophet ist nicht – wie man landläufig hört – jemand, der ausschließlich die Zukunft voraussagt. Ein Prophet ist vielmehr jemand, der mit einer Botschaft Gottes zu seinem Volk kommt, um das Volk aus seiner Lethargie aufzuwecken und zu motivieren. Propheten treten im Alten Testament fast immer dann auf, wenn sich das Volk Gottes in einer Phase des Niedergangs und der Depression befindet. Wir denken an Männer Gottes wie Elia, Elisa, Jesaja, Jeremia, Daniel und auch Haggai und Sacharja. Selbst wenn es heute in der Versammlung Gottes keine Propheten mehr in dem Sinn gibt, wie sie damals auftraten, so kennen wir sehr wohl den Dienst des Propheten, der nichts anderes als der Dienst der Weissagung ist. Paulus schreibt darüber ausführlich in 1. Korinther 14. Dieser Dienst ist ebenfalls dazu angetan, uns aufzurütteln und aufzuwecken, wenn wir geistlich schläfrig geworden sind. J. N. Darby schreibt dazu folgenden sehr trefflichen Satz: „Gestern war Unwissenheit die vorherrschende Sünde, und deswegen waren Lehrer nötig. Heute haben wir es oft mit der Stumpfheit des Gewissens zu tun – dafür ist eines Propheten Stimme notwendig.“29

Haggai und Sacharja hatten eine Botschaft Gottes für das Volk. Und sie waren sich der Tatsache bewusst, dass sie im Namen Gottes redeten, der über ihnen war. Elia und Elisa sprachen mehrfach von dem Herrn, vor dessen Angesicht sie standen (1. Kön 17,1; 18,15; 2. Kön 3,14; 5,16). Das ist notwendig, damit ein Prophet Worte Gottes reden kann. Haggai weissagte in den Jahren 521/520 v. Chr. Sein Dienst umfasste nur ca. fünf Monate. Sacharja trat um 520 v. Chr. auf. Sein Dienst umfasste einen Zeitraum von mindestens zwei bis drei Jahren (wahrscheinlich mehr). Beide weissagten somit in der Zeit, die in Esra 4,24 genannt wird. Sie haben Gemeinsamkeiten und unterscheiden sich dennoch deutlich.

  • Haggai: Bei ihm geht es vor allem um den Tempelbau. Er zeigt die wahren Gründe für den Baustopp und die Folgen davon. Er prangert die Trägheit und Nachlässigkeit des Volkes und den Eifer für die eigenen Häuser an und fordert sie auf, ihre Herzen auf ihre Wege zu richten. Zugleich ermutigt er das Volk, den Bau wieder aufzunehmen und sich auf das Wesentliche zu konzentrieren. Es ist für uns höchst lehrreich, den Propheten Haggai zu lesen und seine Botschaft im Licht des Buches Esra in unsere Zeit zu übertragen.30
  • Sacharja: Man hat Sacharja den Propheten der Herrlichkeit genannt. Er richtet den Blick vor allem in die Zukunft und spricht von der kommenden Herrlichkeit, von dem Kommen des Königs, von der Aufrichtung seines Thrones, dem Sieg über die Feinde. Dieser Ausblick auf die künftige Herrlichkeit muss eine große Motivation für diese kleine Gruppe der Rückkehrer gewesen sein.

Das Volk Gottes benötigte den Dienst beider Propheten. Beide Propheten weisen auf Hilfsquellen hin, die dem Überrest zur Verfügung standen. Haggai spricht von der Gegenwart Gottes, dem Wort Gottes und von seinem Geist (Hag 2,4.5). Sacharja stellt die kleine Kraft der Rückkehrer der großen Kraft Gottes gegenüber (Sach 4,6.10). Gottes Gegenwart, sein Wort und sein Geist sind zu aller Zeit die Kraftquelle der Glaubenden, denen bewusst ist, dass sie in ihrer eigenen Kraft nichts ausrichten können.

Das Ergebnis des prophetischen Dienstes

Stephanus wirft den Obersten des Volkes in seiner herausfordernden Rede vor: „Welchen der Propheten haben eure Väter nicht verfolgt?“ (Apg 7,52). Er will damit sagen, dass das Volk Israel nur selten auf die Stimme der Propheten gehört hat. Doch es gibt Ausnahmen. Eine solche haben wir hier. In Haggai 1,12 lesen wir: „Und Serubbabel, der Sohn Schealtiels, und Josua, der Sohn Jozadaks, der Hohepriester, und der ganze Überrest des Volkes hörten auf die Stimme des Herrn, ihres Gottes, und auf die Worte des Propheten Haggai, so wie der Herr, ihr Gott, ihn gesandt hatte; und das Volk fürchtete sich vor dem Herrn.“ Das bestätigt die Aussage in Vers 2 unseres Kapitels.

Zwei Dinge fallen dabei auf:

  1. Esra erwähnt nur die beiden Führer und die Propheten, während Haggai hinzufügt, dass der ganze Überrest des Volkes hörte. Esra betont besonders die Verantwortung der Führer des Volkes. Das zeigt uns, wie groß unsere Verantwortung ist, wenn Gott uns Führungsaufgaben anvertraut – sei es in der örtlichen Versammlung, sei es in der Familie.
  2. Esra erwähnt die tatkräftige Mithilfe der Propheten. Das werden mindestens Haggai und Sacharja gewesen sein (vielleicht gab es noch andere). Die Propheten redeten also nicht nur, sondern sie unterstützten tatkräftig. Es gibt kein besseres Vorbild als das der Taten (vgl. 1. Kor 4,16; 11,1; Phil 3,17).31

Man könnte beim Lesen von Vers 2 tatsächlich den Eindruck bekommen, dass zunächst nur die beiden Führer und die beiden Propheten anfingen zu bauen. H. Rossier kommentiert das wie folgt: „Die Führer erwarten nicht eine allgemeine Zustimmung, noch suchen sie ein gemeinschaftliches Handeln hervorzurufen, wenn der Bau des Hauses in Frage steht. Das wird immer so sein. Das einzige Mittel, um die Tätigkeit des Glaubens bei anderen wachzurufen, ist, diese Tätigkeit selbst zu entfalten, und zwar mit einem Herzen, das erfüllt ist von dem Gefühl dessen, was wir dem Herrn und unserer Verantwortlichkeit Ihm gegenüber schuldig sind. Haggai und Sacharja, Serubbabel und Jeschua vertraten in jenem Augenblick den wahren Geist Christi. Es waren, kurz gesagt, das Königtum, das Priestertum und der Geist der Prophezeiung am Werke zum Segen für alle. Diese beiden Männer, und mit ihnen die Propheten Gottes, begannen zu bauen. Bald schlossen sich ihnen andere an.“

Folgendes stimmt uns nachdenklich und macht uns zugleich Mut: Obwohl das Dekret des Königs Kores in Kapitel 4 formell nicht aufgehoben war (und nicht aufgehoben werden konnte, weil ein Gesetz der Meder und Perser nicht abgeändert werden durfte; Dan 6,16), hörten die Arbeiten auf. Obwohl der König Artasasta – in Unkenntnis der Anweisung Kores – den Bau verboten hatte, nahmen die Juden den Bau dennoch wieder auf. Das ist das Resultat des prophetischen Dienstes und zeigt den Glauben und das Vertrauen des Überrestes. „Der Glaube verbindet die Seele mit Gott selbst, mit seinem Willen und mit seiner Kraft, und sie kann daher jede andere Frage getrost Ihm überlassen. So gehorchten diese Kinder der Gefangenschaft der Stimme ihres Gottes und setzten ihr Werk im Bewusstsein fort, dass Er die Herzen aller Menschen in seiner Hand hält und dass Er – wie es im Verlauf der Ereignisse auch geschah – selbst den Widerstand der Feinde benutzen kann, um das Werk an seinem Haus zu fördern“ (E. Dennett).

Verse 3–17: Erneuter Widerstand der Feinde und Anklage vor König Darius

Erneuter Widerstand

Kaum wird wieder gebaut, regt sich erneuter Widerstand. Die mit Namen genannten Personen kommen mit der Frage zu den Bauenden, wer ihnen den Befehl zum Bauen gegeben habe. Die Frage war durchaus berechtigt, denn die Juden handelten ja offenkundig gegen den Befehl des Königs. Die Menschen der Welt können die Ansprüche Gottes an sein Volk nie wirklich verstehen, und wenn sie sich gegen ein Gesetz oder die gängige Meinung in der Gesellschaft (Mainstream) handelt, kommt es ihnen wie eine Dummheit vor, sich dagegen zu stellen, nur um Gott zu gefallen. Hier gilt, was Petrus und die Apostel sagten: „Man muss Gott mehr gehorchen als Menschen“ (Apg 5,29).

Die Frage selbst wird nicht direkt beantwortet. Die Bauenden teilen vielmehr mit, wer die Namen der Männer waren, die den Bau ausführten.32 Das zeigt, dass sie nichts zu verbergen hatten und bereit waren, Auskunft zu geben (vgl. Verse 11–16). Die Ansprache für uns liegt auf der Hand: Petrus fordert uns auf, zur Rechenschaft bereit zu sein, wenn wir gefragt werden (1. Pet 3,15.16). Unser Verhalten sollte stets so sein, dass wir das mit gutem Gewissen tun können.

Doch Gott steht klar hinter der Szene, und der Widerstand ist deutlich geringer. Die Widersacher hätten – mit der Aussage des Königs Artasasta im Rücken – eigentlich entschiedener auftreten können. Gott verhinderte das. Hiob sagt einmal – wenngleich in einem anderen Zusammenhang – von Gott: „Wer will ihm wehren?“ (Hiob 9,12). Nebukadnezar stellt nach seinem tiefen Fall eine ähnliche Frage: „Und alle Bewohner der Erde werden wie nichts geachtet, und nach seinem Willen tut er mit dem Heer des Himmels und mit den Bewohnern der Erde; und da ist niemand, der seiner Hand wehren und zu ihm sagen könnte: Was tust du?“ (Dan 4,32)

Vers 5 bestätigt, dass das Auge ihres Gottes über den Ältesten von Juda war, dass man ihnen nicht wehrte, die Arbeiten fortzusetzen (2. Chr 16,9; 5. Mo 11,12; Ps 33,18). Gott hatte die ganze Sache in seiner Hand. Das war es, was Gott ihnen zweimal durch Haggai zugesagt hatte. Gott würde mit ihnen sein (Hag 1,13; 2,4). Wir werden an die Worte Asarjas an Asa erinnert: „Der Herr ist mit euch, wenn ihr mit ihm seid. Und wenn ihr ihn sucht, wird er sich von euch finden lassen“ (2. Chr 15,2). Dennoch ist hier nicht die Rede von der „guten Hand Gottes“, über die Esra später mehrfach spricht, sondern von dem „Auge Gottes“. Gott sieht uns, und Er sieht alles, was uns bewegt – auch die Feindschaft von Menschen. Die Tatsache, dass Gott sein Auge auf uns richtet, erfüllt uns einerseits mit Ehrfurcht und andererseits mit großer Freude. Gott gibt seinem Volk das Bewusstsein, dass Er da ist und sie beschützt. Mit Paulus können wir sagen: „Wenn Gott für uns ist, wer gegen uns?“ (Röm 8,31).

Ein zweiter Brief

Die Intention des Briefes liegt auf der Hand. Der Bau des Tempels sollte verhindert werden. Daran hatte sich nichts geändert. Und dennoch ist der Brief völlig anders verfasst als der erste Brief wenige Jahre vorher. In Kapitel 4 ließ Gott die scharfe Anklage zu. In Kapitel 5 verhinderte Er sie. Den Grund dafür haben wir gesehen. Es handelt sich eigentlich mehr um einen Situationsbericht und eine Frage an den König. Die Briefschreiber sprechen sogar mit einer gewissen Ehrfurcht von dem „großen Gott“ und dem „Haus des großen Gottes“33 (Vers 8). Sie geben die Antwort der Ältesten ab Vers 11 scheinbar unverfälscht weiter und erwähnen sogar den Erlass des Königs Kores (Vers 13) und fordern den König auf, diesen Erlass zu suchen – sicher in der Hoffnung, dass man ihn nicht finden würde. Seltsamerweise erwähnen sie das Dekret von König Artasasta nicht.

Die in dem Brief erwähnten Argumente stehen eigentlich gegen das Ziel der Briefschreiber. Dennoch schreiben sie es so. Der Grund liegt auf der Hand. Salomo schreibt: „Wenn die Wege eines Mannes dem Herrn wohlgefallen, so lässt er sogar seine Feinde mit ihm in Frieden sein“ (Spr 16,7). Obwohl das hier nicht direkt „Frieden“ ist, so fehlt doch die Aggression des ersten Briefes völlig. Die Widersacher waren in der Hand Gottes, des Erhalters Israels, der nicht schläft und schlummert (Ps 121,3.4). Die Feinde konnten nicht ahnen, dass ihr Handeln zum Sieg des Überrestes führen und mit der Fertigstellung des Hauses Gottes enden würde. „Aus dem Fresser kam Fraß, und aus dem Starken kam Süßigkeit“ (Ri 14,14). Alles, was die Feinde taten, um die Arbeiten zu behindern, diente schließlich zur Förderung und zum Guten der Bauenden. Das ist in der Geschichte Israels ebenso wenig eine Ausnahme wie in der Geschichte der Kirche.

Der Brief endet mit dem Vorschlag, der König möge im Schatzhaus des Königs in Babel nachforschen, ob Kores tatsächlich einen solchen Erlass gegeben hatte. Wenn ja, dann war klar, dass dieser Erlass immer noch in Kraft war und nicht aufgehoben werden konnte (Dan 6,16).

Die Antwort der Juden

Die Antwort der Juden (Verse 11–16) ist bemerkenswert.

  1. Sie ist mutig: Obwohl die Juden Knechte des persischen Königs waren, treten sie doch mit einer gewissen Autorität und im Namen Gottes auf. Sie bezeichnen sich als Knechte des Gottes, der der Gott des Himmels und der Erde ist. Unabhängigkeit von Gott macht mutlos. Abhängigkeit von Gott macht furchtlos. Salomo schreibt: „Menschenfurcht legt einen Fallstrick“ (Spr 29,25). Von dieser Furcht ist hier nichts zu spüren.
  2. Sie beweist gute Geschichtskenntnisse: Sie beziehen sich auf den „großen König von Israel“ (gemeint ist Salomo), der vor vielen Jahrhunderten das Haus gebaut und vollendet hatte. Sie tun das, obwohl sich die Feinde in dem ersten Brief gerade auf Salomo bezogen hatten, um ihre Anklage zu untermauern (Esra 4,20).
  3. Sie zeigt ein rückhaltloses Bekenntnis: Die Juden sprechen von ihrer eigenen Schuld, die dazu führte, dass der Tempel zerstört worden war. Bei Fehlverhalten ist ein rückhaltloses Bekenntnis wichtig und unerlässlich. Wenn wir Fehler begangen haben, sollten wir dazu stehen. Es war zwar Nebukadnezar gewesen, der den Tempel zerstört hatte, und doch lag die Schuld bei ihnen, denn sie hatten Gott gereizt (Vers 12). Obwohl dieses Eingeständnis beschämend war, war es gleichwohl notwendig. Johannes zeigt, dass Gott treu und gerecht und zur Vergebung bereit ist, wenn wir unsere Sünden bekennen (1. Joh 1,9).
  4. Sie bezieht sich auf das Dekret von König Kores: Die Juden schildern wahrheitsgemäß, wie es dazu kam, dass sie unter Serubbabel den Bau des Hauses wieder aufgenommen hatten. Als Beweis führen sie an, dass ihnen die Tempelgefäße, die Nebukadnezar weggenommen hatte, übergeben worden waren. Allerdings erwähnen sie mit keinem Wort das Verbot des Königs Artasasta und den Baustopp. Dieser war eine Sache zwischen ihnen und ihrem Gott. Sie geben allerdings offen zu, dass die Arbeit noch nicht vollendet ist.

Esra 6: Der Tempelbau wird vollendet

Wenn Gott ein Werk beginnt, ist es immer seine Absicht, es zu vollenden. Das war in der materiellen Schöpfung so (1. Mo 2,1), und das ist im geistlichen Bereich nicht anders (Kol 4,17; Phil 1,6). Esra 6 gibt den Bericht darüber, wie der Tempelbau nach der ca. 2-jährigen Unterbrechung schließlich vollendet wird. Gott selbst sorgt dafür, dass die Feindschaft der Gegner beendet wird und der König von Persien das Werk der Juden sogar unterstützt.34 Zunächst erfolgt die Antwort des Königs, der den Weiterbau genehmigt. Danach wird der Tempelbau vollendet und das Gebäude feierlich eingeweiht. Schließlich wird das Passah gefeiert. Das alles ist erneut mit praktischen Lektionen für uns verbunden.

Verse 1–13: Die Prüfung des Königs und seine Antwort

König Darius prüft

König Darius I., der den Juden wohlgesonnen ist, prüft den Sachverhalt. Zunächst wird das Urkundenhaus in Babel durchsucht, wo man das Dekret Kores am ersten hätte vermuten können. Doch vergebens. Schließlich findet man das Dokument in der Sommerresidenz der Könige von Persien, die in der Landschaft Medien liegt (heute Hamadan, also weit weg von Babel). Das macht klar, dass Darius sorgfältiger recherchierte als sein Vorgänger Artasasta. Wir zweifeln nicht daran, dass Gott es so führte, dass der König die Rolle mit der Denkschrift findet. Gott handelt bisweilen in offenkundiger Macht, manchmal jedoch in Vorsehung – so wie hier. Er steht sozusagen hinter der Szene, führt die Dinge jedoch genau so, wie sie sein müssen, damit sein Wille getan wird.

Die Denkschrift

Die Denkschrift enthält die exakte Anweisung von Kores. Sie stimmt mit dem überein, was wir in Kapitel 1,1–4 gefunden haben und fügt einige interessante Details hinzu. Es wurde völlig klar, welche Intention Kores – dessen Herz Gott anrührte – damals hatte: Es ging ihm um das Haus Gottes in Jerusalem. Es sollte eine Stätte sein, „wo man Schlachtopfer opfert“ (Vers 3). Das wird hier als das wesentliche Ziel angegeben. Das ist bis heute für uns wichtig. Das Haus Gottes besteht heute als ein geistliches Haus, in dem wir geistliche Schlachtopfer bringen (1. Pet 2,4.5), d. h. wo wir als heilige Priester mit dem Opfer des Herrn Jesus und seinem Werk am Kreuz beschäftigt sind. Des Weiteren geht es um die Grundlage für den Tempel (Vers 3). Das weist erneut auf den Herrn Jesus hin, der selbst Fundament und Eckstein des geistlichen Hauses ist (Mt 16,18; Eph 2,20; 1. Pet 2,6.7). Es wird dann noch einmal daran erinnert, dass Kores sich als äußerst großzügig erwiesen und den Bau entsprechend unterstützt hatte. Gott hatte es ihm ins Herz gegeben, und er konnte es nur tun, weil es von Gott selbst kam (vgl. Hag 2,8; Ps 50,10). Bis heute gilt das Prinzip, das David in folgende Worte fasst: „Denn wer bin ich, und was ist mein Volk, dass wir vermögen, auf solche Weise freigebig zu sein? Denn von dir kommt alles, und aus deiner Hand haben wir dir gegeben“ (1. Chr 29,14).

Die Antwort Darius‘

Die Antwort Darius‘ ist klar und unmissverständlich. Er gibt zum einen klare Anweisungen über „dieses Haus Gottes“, das an seiner Stätte aufgebaut werden soll. Er spricht über den „Opferdienst“, und er fordert Tatnai und seine Genossen eindeutig auf, sich von Jerusalem zu entfernen. Und nicht nur das. Zugleich macht er deutlich, wie unabänderlich der Beschluss ist. Wer sich ihm widersetzen würde, musste mit schwerem Gericht und dem Tod rechnen. Aus Daniel 6,16 wissen wir, dass nach dem Gesetz der Meder und Perser eine solche Verordnung nicht abgeändert werden konnte. Ungehorsam kam einem Kapitalverbrechen gleich. Diese Drohung entspricht damaligen Gepflogenheiten. Gott lenkt in der Tat sein Herz wie Wasserbäche (Spr 21,1; 16,7).

Die Antwort des Königs zeigt darüber hinaus, dass er – ähnlich wie Kores in Kapitel 1 – einerseits eine ziemlich gute Kenntnis des Alten Testamentes und der Vorschriften über die Opfer gehabt haben muss. Er weiß beispielsweise, dass Gott in Jerusalem „seinen Namen wohnen lassen will“ (vgl. die Ausdrücke in 5. Mo 12,11; 1. Kön 11,36). Gott gibt seine Ehre keinem anderen (Jes 42,8; 48,11). Andererseits ordnet er – in Anlehnung an den ersten Erlass von Kores – Abmessungen an, die völlig anders sind als die Abmessungen, die der Tempel Salomos hatte (vgl. Vers 3 mit 1. Kön 6,2). Auf diese Weise gingen die Gedanken Gottes, die sich mit den angeordneten Dimensionen verbunden hatten, völlig verloren. Ob der Tempel am Ende tatsächlich in diesen Abmessungen gebaut wurde, ist zweifelhaft, denn dann wäre er größer gewesen als der Tempel Salomos.

Ein paar Dinge fallen in der Antwort auf:

  • Darius spricht erneut davon, dass das Haus an „seiner Stätte“ gebaut werden sollte (Vers 7). Die Grundsätze über das Haus Gottes sind unabänderlich. Bis heute gilt, dass der Herr da in der Mitte ist, wo die zwei oder drei sich zu seinem Namen hin versammeln (Mt 18,20). Mit weniger wollen wir nicht zufrieden sein. Mehr ist nicht nötig.
  • Vers 9 erwähnt das Brandopfer und ist ein erneuter Hinweis auf das Sühnungswerk des Herrn Jesus unter dem Aspekt seiner völligen Hingabe an Gott, aufgrund dessen Er uns seine Gnade zukommen lässt. Wir sind begnadigt (angenehm gemacht) in dem Geliebten (Eph 1,6). Es waren Opfer „lieblichen Geruchs“, d. h. der höchste Charakterzug des Opfers Christi zur Ehre Gottes (Eph 5,2). Auf dieser Basis nahen wir Gott und bringen Ihm Lob und Dank zu seiner Ehre (1. Pet 2,5).
  • Die Bitte um Gebet für das Leben des Königs und seine Söhne (Vers 10) entspricht dem damaligen heidnischen Verständnis. Dennoch liegt darin für uns eine Anwendung. In 2. Timotheus 2,1–4 werden wir aufgefordert, für die politischen Obrigkeiten zu beten. Sie haben dieses Gebet sehr nötig. Interessant ist dabei die Verbindung zwischen den Opfern, die Gott gebracht werden, und der Fürbitte für andere. David schreibt in Psalm 141,2: „Lass als Räucherwerk vor dir bestehen mein Gebet, das Erheben meiner Hände als Abendopfer.“ Die Gebete von Daniel, Esra und Nehemia (Dan 9; Esra 9; Neh 9) sind ebenfalls mit dem Abendopfer verbunden.

Die Reaktion der Feinde

Vers 13 zeigt, dass die Feinde, die vorher erbitterten Widerstand geleistet haben, nun klein beigeben. Sie diskutieren nicht und versuchen nicht, den König umzustimmen. Sie wählen auch keine andere Taktik, sondern befolgen das Gebot des Königs. Dahinter erkennen wir deutlich die Hand Gottes, der Widerstand zulässt und Widerstand wegnehmen kann, wenn Er will und die Voraussetzungen dazu gegeben sind. Gott selbst zwingt die Feinde des Überrestes, ihre Opposition zu beenden. Ja, sie müssen das Werk sogar unterstützen. Hatten die Feinde in Kapitel 4,12 noch suggeriert, dass die Juden weder Steuer, noch Zoll, noch Wegegeld zahlen würden, mussten sie nun sogar die Juden aus dem Steueraufkommen des Königs unterstützen. E. Dennett schreibt: „Für den Glauben war dies ein Beweis des Wirkens Gottes hinter der Szene. Er benutzte die Macht des Feindes zur Ausführung seiner eigenen Ziele, indem Er dabei einmal mehr zeigte, wie Er alle Dinge zum Guten derer mitwirken lässt, die Ihn lieben.“ „Wenn die Wege eines Mannes dem Herrn wohlgefallen, so lässt er sogar seine Feinde mit ihm in Frieden sein“ (Spr 16,7).

Wir finden dazu eine Parallele im Anfang der Geschichte der Versammlung auf der Erde. Nach dem gewaltsamen Mord an Stephanus wurden die Gläubigen heftig verfolgt (Apg 8,1). Kurz nach seiner Bekehrung wollten die Juden Paulus umbringen (Apg 9,23). Doch wenig später lesen wir, dass die Versammlung in Judäa Frieden hatte und sich mehrte (Apg 9,31). Die Allmacht Gottes hatte dies bewirkt. Satan mochte das Werkzeug (Paulus) gefangen nehmen, das Werk konnte er nicht behindern. Satan gelang es sogar, die Juden dazu anzustacheln, ihren Messias zu Tode zu bringen. Doch am Ende stellte sich heraus, dass dieser vermeintliche Sieg für ihn die größte Niederlage war. Trotz Widerstand und Feindschaft können wir ruhig sein in dem Bewusstsein, dass es das Haus Gottes ist, an dem wir arbeiten. Wir wissen, dass des Hades Pforten dieses Haus nicht überwältigen werden (Mt 16,18).

Verse 14–18: Das Haus wird vollendet und eingeweiht

Bauen und vollenden

Der Text betont, dass die Ältesten bauten und vollendeten. Beides ist wichtig. Das Vollenden beschreibt einen bestimmten Zeitpunkt, an dem die Arbeit getan ist. Das Bauen hingegen kostet Zeit und Mühe und manchmal Geduld. Häufig freut man sich gerne an dem Ergebnis, scheut jedoch die Mühe, die dem notwendigerweise vorausgeht. Das biblische Prinzip lautet, dass zuerst die Mühe und Arbeit kommt und dann das Ergebnis (z. B. 2. Tim 2,6). Wir wollen uns ermutigen lassen, eine einmal begonnene Aufgabe tatsächlich zu Ende zu führen, damit wir nicht einem Marathonläufer gleichen, der irgendwann aufgibt, bevor er das Ziel erreicht hat (vgl. Kol 4,17).

Erneut wird die Verantwortung der Ältesten betont. Sie werden durch die Weissagung der Propheten Haggai und Sacharja unterstützt. Die eigentliche Kraft zum Bauen war nicht der Befehl des Königs, sondern die Wirksamkeit des Geistes Gottes durch die Propheten. Wir erkennen, dass die Propheten den Dienst ihrer Ermunterung fortsetzen. Ihre Worte haben nicht nur einen Strohfeuereffekt, sondern wirken über einen längeren Zeitraum. Es genügt oft nicht, eine Botschaft nur einmal zu übermitteln. Konstanz und Wiederholung sind wichtige biblische Prinzipien, sei es in der der Versammlung, sei es in der Familie (2. Tim 2,14; 2. Pet 1,13; 3,1).

Die Stärkung durch den Dienst der Propheten und das Bauen gehen hier Hand in Hand und sind doch voneinander unterschieden. Jede Gruppe hat ihre eigene Aufgabe. Das ist in der Versammlung Gottes nicht anders. Die Dienste und Aufgaben sind verschieden, und es ist gut, wenn wir sie unterscheiden. Dennoch ist es wichtig, dass wir einander helfen und uns gegenseitig motivieren. Die Ältesten sind hier die Bauenden und Anführer. Sie fügen Stein auf Stein in den Bau ein. Die Propheten sind hingegen diejenigen, die sie anspornen und unterstützen. Beides ist erforderlich. Der Bauende sollte sich nicht anmaßen, die Aufgabe des Propheten zu übernehmen, und der Prophet sollte in erster Linie darauf achten, seine Aufgabe zu erfüllen. Dennoch ergänzen sich beide. Es gibt heute den Dienst der Propheten, die motivieren und – wenn nötig – korrigieren, und es gibt die Aufgabe derjenigen, die bauen. Keiner macht alles. Es ist deshalb gut, wenn wir bei dem bleiben, was der Herr jedem Einzelnen als Aufgabe gegeben hat. Paulus schreibt: „Da wir aber verschiedene Gnadengaben haben, nach der uns verliehenen Gnade: es sei Weissagung, so lasst uns weissagen nach dem Maß des Glaubens; es sei Dienst, so lasst uns bleiben im Dienst; es sei, der lehrt, in der Lehre; es sei, der ermahnt, in der Ermahnung; der gibt, in Einfalt; der vorsteht, mit Fleiß; der Barmherzigkeit übt, mit Freudigkeit“ (Röm 12,6–8). Neid, Eifersucht und Hochmut sind ebenso wenig am Platz wie Minderwertigkeitskomplexe und falsche Bescheidenheit. Gott möchte jeden an seinem Platz benutzen.

Neben der Weissagung der Propheten werden zwei weitere positive Elemente genannt, nämlich der Befehl Gottes und der Befehl der Könige Kores, Darius und Artasasta. Und über allem steht Gott, der immer seine Instrumente hat, die Er benutzt.35

Der Termin der Fertigstellung des Tempelbaus ist Gott wichtig (vgl. Hag 1,15). Der Zeitpunkt liegt ungefähr vier Jahre nach dem Wiederbeginn der Arbeiten (Kap 4,24) und ca. 70 Jahre nach der Zerstörung des Tempels von Salomo. Es waren nur verhältnismäßig wenige Menschen, die damals von diesem Ereignis Kenntnis hatten. Im persischen Reich wird dieser Bau nicht mehr als eine Randnotiz wert gewesen sein. Doch das ist nicht entscheidend. Wichtig ist, dass Gott davon Kenntnis nahm. Ihm ist es wichtig, wenn es auf der Erde Menschen gibt, die sich für sein Haus, d. h. für die Wahrheit der Versammlung, interessieren.

Die Einweihung des Hauses

In Vers 16 ist wieder von den Kindern Israel, d. h. von der Gesamtheit des Volkes, die Rede. Es fällt kein Wort über die Spaltung des Königreiches – so real sie war. Es fällt kein Wort über die Juden, die sich immer noch in Babel aufhielten – so real das ebenfalls war. Der Gedanke an die Einheit des Volkes durchzieht das ganze Buch und spricht uns ebenfalls an. Allerdings werden sie zugleich erneut „Kinder der Wegführung“ genannt. Sie sind sich bewusst, dass sie einerseits unter dem göttlichen Strafgericht und dennoch zugleich unter seiner Gnade stehen. Sie alle – die Priester, die Leviten und das übrige Volk – sind sich darin einig, wenn es darum geht, das Haus Gottes einzuweihen.

Freude

Obwohl die Einweihung des Hauses nicht mit der zur Zeit Salomos zu vergleichen war, spricht Vers 16 von Freude. Es fällt auf, dass gerade dieses Element bei der Einweihung des Tempels Salomo nicht erwähnt wird, wohl aber in der Geschichte Hiskias (2. Chr 30,26). Wir können diese Freude gut verstehen. Diese Juden hatten mit Tränen gesät, und nun konnten sie mit Freude ernten (Ps 126,5). In Vers 22 ist noch zweimal von der Freude die Rede (vgl. Kap 3,12). Es ist keine menschliche Freude, sondern der Herr gibt ihnen diese Freude ins Herz. Anders als in Kapitel 3 ist hier allerdings nicht mehr von Tränen die Rede. Wir lernen, dass es selbst in Zeiten geistlicher Schwachheit Freude geben kann. Es ist die Freude des Herrn und die „Freude am Herrn“. Er ist der Mittelpunkt dieser Freude (Neh 8,10).

Die Freude der Feiernden drückt sich in konkreten Gaben aus. Es werden Tieropfer gebracht. Obwohl es vergleichsweise weniger sind als in der Zeit Salomos (vgl. 1. Kön 8,63), so zählt Gott sie gleichwohl und findet seine Freude daran. Selbst wenn wir viel weniger zu bringen haben als in vergangener Zeit, findet Gott dennoch Wohlgefallen daran.

Der Überrest vergisst nicht, dass er ein Teil des ganzen Volkes ist (Vers 17). Deshalb opfern sie zwölf Ziegenböcke als Sündopfer „für ganz Israel“. Hier ist nicht die Rede von einem Brandopfer, sondern von einem Sündopfer. Wir finden das im Buch Esra nur noch einmal, nämlich in Kapitel 8,35. Dort sind es ebenfalls zwölf Böcke zum Sündopfer für ganz Israel. Das Sündopfer war mit Demütigung und Schuldbekenntnis verbunden. Der Überrest identifiziert sich so mit der Schuld des ganzen Volkes, ohne sich über andere zu stellen. Sie erkennen an, dass sie alle zusammen schuldig geworden waren. Die Sünde Benjamins und Judas war nicht geringer gewesen als die Sünde der zehn Stämme. Sie erforderte dieselbe Sühnung. Genau das ist es, was Gott bei uns sehen möchte. Echte Demütigung trägt genau dieses Merkmal.

Ein Vergleich zwischen den Zeilen

Der Text in Esra erwähnt den Tempel Salomos nicht. Dennoch drängt sich ein Vergleich auf. Denn weder der Tempel selbst, noch die Einweihung des Haues, waren mit der Salomos zu vergleichen. Alles war bescheidener und einfacher. Was fehlte? Vor allem dies:

  1. Die Schechina (die Wolke der Herrlichkeit), die damals den Tempel Salomos so erfüllte, dass die Priester ihren Dienst nicht mehr tun konnten (1. Kön 8,11). Sie kehrte nicht zurück.36
  2. Das Feuer vom Himmel, das die Opfer verzehrte (3. Mo 9,24; 2. Chr 7,1), um die Annahme der zur Einweihung des Hauses gebrachten Opfer zu bestätigen.
  3. Die Lade des Bundes, das sichtbare Zeichen der Gegenwart Gottes in der Mitte seines Volkes.

Ein Vergleich der Opfertiere spricht ebenfalls für sich. Die Anzahl kann bei Weitem nicht verglichen werden mit dem, was zur Zeit Salomos geopfert wurde. Bei Salomo wurden 142.000 Tiere geopfert (1. Kön 8,63), während es hier gerade einmal 712 Tiere waren. Dennoch geht es nicht um einen nackten Vergleich von Zahlen. Wir denken daran, dass das Opfer der Witwe im Wert von zwei Cent vor Gott angenehmer war als alle anderen Gaben, die in den Schatzkasten eingelegt wurden (Lk 21,1–4). Gott sieht in die Herzen und nicht auf das Äußere.

Es war ohne Frage eine Erweckung, die mit großer Freude verbunden war. Dennoch müssen wir zur Kenntnis nehmen, dass bei keiner Erweckung der Anfangszustand wieder erreicht wird. Das ist in der Geschichte Israels so, und das ist in der Geschichte der Versammlung Gottes auf der Erde so. Der Zustand der Anfangszeit, den uns die Apostelgeschichte so herrlich beschreibt, kommt nicht wieder zurück. Das war die Zeit, in der „Gott außerdem mitzeugte, sowohl durch Zeichen als durch Wunder und mancherlei Wunderwerke und Austeilungen des Heiligen Geistes nach seinem Willen“ (Heb 2,4). Das werden wir in unserer Zeit nicht erleben. Dennoch: Gott wirkt mächtig, und wir wollen den Tag kleiner Dinge nicht verachten (Sach 4,10), sondern dankbar sein für jede Erweckung, die Gott schenkt – sei es persönlich oder kollektiv.

E. Dennett gibt zu diesen Versen folgenden Kommentar: „Der Glaube hat es jedoch mit unsichtbaren Dingen zu tun, und darum konnte er diesem schwachen Überrest die Tatsache in Erinnerung rufen, dass der Herr für sie nicht weniger mächtig und nicht weniger barmherzig war als für Salomo. Das Haus mochte weniger herrlich und sie selbst nur arme Untertanen eines heidnischen Herrschers sein; doch wenn Gott für sie war, was ja der Fall war, dann waren auch die Glaubensmittel so unbeschränkt wie eh und je. Diese Wahrheit kann sich nicht tief genug in unsere Herzen einprägen, dass Christus selbst in schwierigen Tagen für sein Volk derselbe bleibt wie in Zeiten des Wohlergehens. Wenn wir in der Kraft dieser Erkenntnis leben, dann erhebt uns das wie nichts anderes über unsere Umstände und gibt uns Mut, vorwärts zu gehen, unabhängig davon, welche Gefahren auf dem Weg lauern.“ Wir erinnern uns, wie der Prophet Haggai das Volk zum Bauen motivierte und ihnen im Auftrag Gottes sagte: „Baut das Haus, so werde ich Wohlgefallen daran haben und verherrlicht werden“ (Hag 1,8). Eine höhere Auszeichnung kann es kaum geben.

Die Juden damals sahen sich als ein Teil des Volkes Gottes an. Sie waren dankbar für das Wirken Gottes und blieben dabei doch bescheiden. Genau das sollte unsere innere Haltung sein. Wir sind ein Teil des Volkes Gottes (anders ausgedrückt: ein Glied am Leib Christi und ein lebendiger Stein im Haus Gottes). Wir überheben uns nicht über andere, die diese Wahrheit nicht kennen und auch nicht bezeugen. Gerade dann, wenn wir zum Brotbrechen zusammenkommen, tun wir das auf der Grundlage der Einheit des Leibes, die wir dort bezeugen. Das können wir – wie bereits an anderer Stelle bemerkt – nicht in Babel tun, sondern nur in der Trennung von allem, was im Widerspruch zum Wort Gottes steht. „Die Einheit des Volkes Gottes kann nur an dem von Gott selbst festgelegten Ort dargestellt werden, und das beinhaltet gleichzeitig die Trennung von allen anderen Orten, wo diese Einheit nicht verwirklicht wird. Das gilt auch und gerade in der heutigen Zeit des geistlichen Verfalls in der Christenheit“ (A. Remmers). Wie damals ist es wichtig, dass alles nach den Grundsätzen des Wortes Gottes erfolgt und nicht nach unseren eigenen Vorstellungen (Vers 18).

Verse 19–22: Das Passah und das Fest der ungesäuerten Brote

Passahfeier

Anlässlich der Einweihung des Tempels wurden das Passah und das Fest der ungesäuerten Brote gefeiert. Es waren die beiden ersten wiederkehrenden Feste im Festtagskalender des Volkes Gottes (3. Mo 23,4–8), die untrennbar zusammengehören und eine Einheit bilden (vgl. Lk 22,1). Besonders das Passah markierte den Anfang der Wege Gottes mit seinem Volk. Es erinnerte sie an die Rettung aus Ägypten (2. Mo 12). Für uns ist das in Ägypten geschlachtete Passah ein Hinweis auf Christus, der gestorben ist (1. Kor 5,7). Sein Tod ist die Grundlage für unser Heil (Röm 3,25) und auch für die Existenz des Volkes Gottes (Joh 11,52). Zum anderen ist speziell die jährlich wiederkehrende Feier ein Hinweis auf das, was wir beim Brotbrechen tun, wenn wir uns an den Tod unseres Herrn erinnern.37 Eine Erweckung ist unter anderem davon gekennzeichnet, dass man das Mahl des Herrn nimmt – und zwar nach Gottes Gedanken.

Es fällt auf, dass wir in der Bibel siebenmal davon lesen, dass das Passah tatsächlich gefeiert wurde (in 2. Mose 12 in Ägypten; in 4. Mose 9 in der Wüste; in Josua 5,10 im Land; in 2. Chronika 30 während der Erweckung unter Hiskia; in 2. Chronika 35 während der Erweckung unter Josia; in Esra 6 und in Lukas 22,15 bei unserem Herrn). Das Passah ist die Grundlage jeder Beziehung Gottes zu seinem Volk.

Reinigung

Die von Gott geforderte Voraussetzung war erfüllt. Vers 20 zeigt uns, dass die Leviten sich gereinigt hatten. Deshalb konnte das Passah im ersten Monat gefeiert werden. Der Kontrast zu der Zeit des Königs Hiskia fällt auf. Dort hatten die Leviten sich nicht gereinigt, und deshalb konnte das Passah erst im zweiten Monat gefeiert werden (vgl. 2. Chr 30). Hier war es anders. Die persönliche Reinheit ist ein wichtiger Punkt und für uns eine Voraussetzung, um am Brotbrechen teilzunehmen (vgl. 1. Kor 11,28). Gott ist und bleibt ein heiliger Gott, und seinem Haus „geziemt Heiligkeit“ (Ps 93,5). Wir dürfen davon nichts abschwächen, selbst nicht in einer Zeit, die von Rückgang und Schwachheit gekennzeichnet ist. Sie feierten es nicht nur zu ihrer persönlichen Freude, sondern um auf diese Weise „den Herrn, den Gott Israels, zu suchen“ (Vers 21). Das Passah war von Anfang an ein Passah „dem Herrn“. Gott fand seine Freude daran, wenn das Volk sich auf diese Weise an das erinnerte, was Er getan hatte. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

Drei Dinge fallen auf:

  1. Es wird gesagt, dass sich die Priester und Leviten wie „ein Mann“ gereinigt hatten. Das deutet an, dass Reinigung nicht nur eine persönliche, sondern zugleich eine kollektive Komponente hat. In Kapitel 3,1.9 hatten wir diesen Ausdruck in Verbindung mit dem Aufsuchen des einen Ortes gefunden, hier geht es um die Reinheit im Blick auf die Passahfeier.
  2. Es wird gesagt, dass das Passah von den Kindern der Wegführung gefeiert wurde. Das fällt gerade deshalb auf, weil wir sonst im Buch Esra häufig die Formulierung „für ganz Israel“ gefunden haben. Wenn wir an das Abendmahl denken, wird deutlich, dass es Voraussetzungen gibt, um daran teilhaben zu können. In Babel oder an einem anderen Ort konnte das Passah nicht gefeiert werden. Das zeigt, dass es Gläubige geben kann, die leider nicht die Voraussetzungen erfüllen, am Mahl des Herrn teilzunehmen. Vers 21 sagt sehr deutlich, dass nur solche aßen (und essen durften), die aus der Wegführung zurückgekehrt waren, und jeder, der sich von der Unreinheit der Nationen des Landes zu ihnen abgesondert hatte, um den Gott Israels zu suchen. Es ist bemerkenswert, dass es nicht nur die Kinder der Wegführung waren, sondern auch andere, die sich gereinigt hatten. H. Rossier schreibt darüber Folgendes: „Mochten sie, genau genommen, auch kein Teil an dem Zeugnis haben, so kamen sie doch, um sich in wahrer praktischer Heiligkeit ihm anzuschließen. Auch hatten sie teil an der Gedächtnisfeier und am Fest.“ Jeder Gedanke an Sektiererei oder an einen festen „Circle of Fellowship“38 lehnt das Neue Testament entschieden ab, und wir sollten es auch tun.
  3. Dabei sei ausdrücklich darauf hingewiesen, dass wir selbstverständlich alle wahren Kinder Gottes in dem einen Brot sehen – unabhängig davon, ob sie die biblischen Kriterien für eine aktive Teilnahme am Brotbrechen erfüllen oder nicht (1. Kor 10,17).

Das Fest der ungesäuerten Brote

Dem Passah schloss sich das Fest der ungesäuerten Brote an. Beide Feste sind untrennbar miteinander verbunden (vgl. z. B. Lk 22,1). Der Sauerteig (für uns ein Bild von nicht gerichtetem/geduldetem Bösen in unserem Leben) erinnert uns an das, was Paulus den Korinthern schreibt. Er verbindet das Passah unmittelbar mit unserem Leben: „Fegt den alten Sauerteig aus, damit ihr ein neuer Teig seiet, wie ihr ungesäuert seid. Denn auch unser Passah, Christus, ist geschlachtet worden. Darum lasst uns Festfeier halten, nicht mit altem Sauerteig, auch nicht mit Sauerteig der Bosheit und Schlechtigkeit, sondern mit Ungesäuertem der Lauterkeit und Wahrheit“ (1. Kor 5,7.8). Unser Leben als Christ soll eine Festfeier für Gott sein. Das ist dann der Fall, wenn wir getrennt vom Bösen zur Ehre des Herrn leben. Der Sauerteig muss aus unserem Leben – persönlich und kollektiv – entfernt werden. Wir können ihn nicht dulden. Stattdessen sollen wir uns – geistlich gesprochen – vom Ungesäuerten ernähren. Der Christ soll in Lauterkeit (moralischer Reinheit) und Wahrheit (Aufrichtigkeit und Festhalten an der Wahrheit) leben. Ein solches Leben mag die uns umgebende Welt nicht verstehen, dennoch führt es zu wirklicher und echter Freude (Apg 2,42–47. In letzter Konsequenz ist der Herr Jesus – als das Brot von Himmel – derjenige, von dem wir uns nähren, indem wir uns mit seinem vollkommenen Leben beschäftigen, in dem Er Gott geehrt hat. In seinem Leben gab es keine Spur von Sauerteig.

Resümee

Der letzte Vers des ersten Teils des Buches Esra fasst das Ganze knapp und zutreffend zusammen.

  1. Der Herr hatte ihnen Freude gegeben: Die tiefe Ursache ihrer Freude war der Herr. Das ist bei uns nicht anders. Unsere Freude ist „im Herrn“ (Phil 3,1; 4,1) und „am Herrn“ (Neh 8,10). Das erleben wir auch in einer Zeit, die von Schwachheit geprägt ist.
  1. Der Herr hatte ihnen das Herz des Königs von Assyrien zugewandt: Die Erlaubnis des Königs von Persien war ebenfalls ein Ergebnis des Wirkens Gottes. Er sorgte für die entsprechenden Umstände, und bis heute lenkt Er die Herzen der Menschen – selbst der Könige – so, wie Er es will.
  1. Der König stärkte ihre Hände im Werk des Hauses Gottes, des Gottes Israels: Noch einmal wird betont, dass der Tempel das Haus Gottes (seine Wohnung) ist und dass Er der Gott Israels (nicht nur der rückkehrenden Juden) ist. Das bleibt unverändert so. Die Versammlung ist die „Behausung Gottes im Geist“ (Eph 2,22). Unsere Schwachheit verändert die Gedanken Gottes über seine Versammlung nicht. Sein Ratschluss über „Christus und die Versammlung“ ist unveränderlich.

Fußnoten

  • 1 Es mag uns überraschen, dass Gott selbst heidnische Menschen gebraucht, um uns etwas über die Person des Herrn Jesus zu zeigen. Doch es ist geradezu ein Beweis seiner Souveränität, dass Er so handelt. Es sei daran erinnert, dass selbst der Pharao – der im zweiten Buch Mose ein Bild des Teufels ist – in 1. Mose 41 uns sogar an Gott selbst erinnert, der den Herrn Jesus nach vollbrachtem Werk hoch erhoben hat (wobei der Pharao im ersten Buch Mose natürlich historisch eine andere Person war als im zweiten Buch Mose).
  • 2 Die vielen erfüllten Prophetien des Alten Testamentes – die sich zum Teil bereits in der Zeit des Alten Testamentes, ganz besonders jedoch im Leben und Sterben des Herrn Jesus erfüllt haben – geben uns die völlige Sicherheit, dass alle anderen Prophezeiungen ebenfalls sicher erfüllt werden. Das prophetische Wort ist in diesem Sinn „fest“, d. h. sicher (2. Pet 1,19).
  • 3 Hinzu kommen das Bekenntnis Daniels und seine Fürbitte für die Exiljuden. Daniel wird hier zwar nicht ausdrücklich erwähnt, doch beim Lesen des Gebets Daniels (Dan 9) und der Antwort Gottes gewinnt man den Eindruck, dass seine Fürbitte ein wesentlicher Faktor dafür war, dass Gott jetzt den Geist Kores erweckte.
  • 4 Unsere Beziehung zu dem Haus Gottes wird uns im Neuen Testament unter drei Aspekten gezeigt: Erstens bilden wir selbst das Haus Gottes und werden als lebendige Steine dort eingebaut (1. Pet 2,5). Zweitens leben und dienen wir in diesem Haus Gott (1. Tim 3,15). Drittens bauen wir das Haus (1. Kor 3,10). Diese verschiedenen Aspekte kann man nicht voneinander trennen, man muss sie jedoch gut unterscheiden, um ein klares Bild zu behalten.
  • 5 Wir erkennen das sehr deutlich in der Erweckung, die vor fast 200 Jahren stattgefunden hat. Bevor die Gläubigen den Platz des Zusammenkommens nach Gottes Gedanken wirklich einnehmen konnten, trennten sie sich von allem, was damit nicht zu vereinbaren war. Sie verließen die religiösen Systeme, mit denen sie bis dahin verbunden waren. Es lohnt sich, die Geschichte dieser Gläubigen zu lesen. Leider müssen wir feststellen, dass wir – als nachfolgende Generationen – heute in der Gefahr stehen, den Weg zurück in religiöse Systeme der Menschen (nach Babel) zu gehen, die unsere Vorväter unter großen Glaubensübungen verlassen haben. Das Beispiel dieser Gläubigen kann uns ein Ansporn sein, es nicht zu tun.
  • 6 Die geringfügigen Unterschiede zwischen beiden Listen erklären sich dadurch, dass Esras Liste wahrscheinlich vor dem Auszug angefertigt wurde und die von Nehemia nach der Ankunft erstellt wurde (einige Juden sind dann – aus welchen Gründen auch immer – doch nicht mitgekommen).
  • 7 vgl. weiter 1. Chronika 23,26
  • 8 Das nimmt nichts davon weg, dass Paulus am Ende von 1. Korinther 12 in Vers 31 schreibt: „Eifert aber nach den größeren Gnadengaben; und einen noch weit vortrefflicheren Weg zeige ich euch.“ Dieser Eifer ist ein guter Eifer, und der vortrefflichere Weg ist der der Liebe (1. Kor 13).
  • 9 Die Urim und die Tummim werden in Verbindung mit der Priesterkleidung und besonders in Verbindung mit dem Brustschild erwähnt (vgl. 2. Mo 28,30; 3. Mo 8,8; 4. Mo 27,21; 5. Mo 33,8). Die Urim und Tummim dienten dazu, in schwierigen Fragen den Willen des Herrn zu erfragen. Es scheint, dass es nach der Gefangenschaft keinen Priester mehr mit Urim und Tummim gab (vgl. Neh 7,65).
  • 10 Das ist einer der Gründe, warum wir es den Anwesenden in einer Zusammenkunft zum Brotbrechen nicht freistellen können, am Brotbrechen teilzunehmen. Die örtliche Versammlung hat die Verantwortung zu prüfen, ob die Kriterien der Bibel erfüllt sind, und dazu zählt zuallererst, ob jemand Leben aus Gott hat.
  • 11 Man kann die Frage des Geschlechtsregisters auch darauf anwenden, ob jemand Heilsgewissheit hat oder nicht. Ist das nicht der Fall, gibt es keine Freimütigkeit zum Eintritt in das Heiligtum, um dort priesterlich zu dienen, denn dieser Zutritt beruht darauf, die Vollgültigkeit des Opfers des Herrn Jesus für sich selbst anzuerkennen.
  • 12 Das betrifft die Versammlung unter dem Gesichtspunkt der Verantwortung der Menschen. Nach Gottes Ratschluss kann niemand den Tempel Gottes verderben. Die Pforten des Hades überwältigen die Versammlung nicht (Mt 16,18). Aber unter dem Gesichtspunkt der Verantwortung sieht das anders aus (1. Kor 3,17). Es ist immer dasselbe Haus Gottes, jedoch aus zwei ganz unterschiedlichen Blickwinkeln betrachtet.
  • 13 Einige Ausleger sehen hier bereits einen versteckten Hinweis darauf, dass den Rückkehrern die eigenen Häuser sehr bald wichtiger wurden als das Haus Gottes (vgl. Hag 1). Doch die Tatsache, dass Gott sie gerade hier „ganz Israel“ nennt, scheint mir ein Hinweis zu sein, dass sie hier unter der Zustimmung Gottes in ihren Städten wohnten. Außerdem ist die Rede von den Städten und nicht von ihren Wohnungen.
  • 14 Das ist auch der Grund, warum örtliche Versammlungen nicht einfach nur „geistlich miteinander verbunden“ sind, sondern in einem gewissen Sinn ebenfalls eine Einheit bilden (wenngleich die „Einheit des Leibes“ natürlich aus wiedergeborenen Menschen besteht, die Bibel spricht nicht von einer „Einheit von Versammlungen“). Was in einer Versammlung, die zum Namen des Herrn zusammenkommt, unter der Leitung des Heiligen Geistes entschieden wird, wird im Himmel anerkannt (Mt 18,18), und es kann nicht anders sein, als dass es von allen anderen Versammlungen ebenfalls anerkannt wird. Wer das bewusst ignoriert, ignoriert die Tatsache, dass wir ein Leib sind.
  • 15 Einen ersten Hinweis darauf finden wir bereits in Melchisedek, der König und Priester in Salem war (1. Mo 14,18; Heb 7,1).
  • 16 Natürlich war die neutestamentliche Wahrheit vom Tisch des Herrn (1. Kor 10,14-22) im Alten Testament nicht bekannt. Gleichwohl ist die Parallelität der Ausdrucksweise frappierend, so dass wir durchaus sagen können, dass der Altar im Alten Testament an manchen Stellen ein bildhafter Hinweis auf den Tisch des Herrn ist, so wie wir ihn kennen. Beim Lesen von 1. Korinther 10 fällt auf, dass dort mehrfach von der Gemeinschaft gesprochen wird, und zwar einerseits von der Gemeinschaft mit göttlichen Personen und andererseits von der Gemeinschaft untereinander.
  • 17 „In Geist“ anzubeten bedeutet, dass es auf eine geistliche Weise – und durch den Heiligen Geist bewirkt und geleitet – geschieht (Phil 3,3). „In Wahrheit“ anzubeten bedeutet, dass es wahrhaftig und in Übereinstimmung mit der Offenbarung Gottes geschieht, die Er uns gegeben hat. Deshalb können nur Christen den Vater anbeten, denn nur in der Zeit der Gnade hat Er sich in seinem Sohn als Vater offenbart.
  • 18 Die beiden übrigen Feste, die im siebten Monat gefeiert wurden, haben ebenfalls mit der geistlichen Wiederherstellung Israels zu tun. Das Fest des Posaunenhalls (am ersten Tag) spricht von der Sammlung und Rückkehr des Volkes in das von Gott versprochene Land, und der große Versöhnungstag (am zehnten Tag) spricht von der Demütigung und Versöhnung des Volkes mit Gott. Diese beiden Feste gehen dem Laubhüttenfest – dem Hinweis auf das kommende Friedensreich – voraus.
  • 19 Das macht deutlich, dass es heute nicht nach Gottes Gedanken sein kann, wenn sich (an einem Ort oder darüber hinaus) Gläubige nach unterschiedlichen Grundsätzen versammeln. Es kann nicht zwei oder drei oder noch mehr „Tische des Herrn“ geben – es gibt nur einen, d. h. die Grundlage, auf der wir zusammenkommen, kann nur diejenige sein, die Gott in seinem Wort festlegt.
  • 20 Es gibt hier keinen Widerspruch zu dem, was wir im Propheten Haggai lesen, wo Gott das Volk auffordert, selbst auf das Gebirge zu steigen, um Holz zum Bauen zu holen (Hag 1,8). Haggai zeigt die innere Seite, das eigentliche – geistliche – Bauen, während Esra die äußere Seite zeigt.
  • 21 Ein Vergleich zwischen Apostelgeschichte 20,17 und 28 macht klar, dass es sich bei den Aufsehern und Ältesten um ein und dieselbe Gruppe von Brüdern handelt. Der Schwerpunkt bei den Aufsehern liegt auf der Aufgabe, während der Schwerpunkt bei den Ältesten auf ihrer Erfahrung liegt.
  • 22 Eine Ausnahme mag sich dann ergeben, wenn eine örtliche Versammlung sehr klein ist und vielleicht nur ein einziger Bruder da ist.
  • 23 Dabei geht es um Zusammenarbeit auf geistlichem Gebiet. Ansonsten gilt: „… und die die Welt Gebrauchenden als sie nicht als Eigentum Gebrauchende“ (1. Kor 7,31). Es ist nichts dagegen einzuwenden, eine Konferenz oder eine Freizeit in einem weltlichen Hotel oder Freizeitheim abzuhalten. Entscheidend ist, mit wem wir zusammen das (geistliche) Haus Gottes bauen.
  • 24 Kores regierte von 559–529 v. Chr. Darius regierte von 522–485 v. Chr.
  • 25 Ahasveros (Hauptkönig) und Artasasta (großer König) müssen nicht unbedingt die tatsächlichen Namen dieser Könige gewesen sein, sondern es könnten ebenso Titel gewesen sein, die diese Könige sich gaben (ähnlich wie Agag und Abimelech bei den Philistern oder später Augustus bei den Römern). Ahasveros Xeres I ist also nicht mit dem im Buch Esra genannten Ahasveros zu verwechseln.
  • 26 Wir müssen bedenken, dass die Samariter etwa 100 km südlich von Jerusalem – eben in Samaria – angesiedelt waren und nicht direkt in Jerusalem.
  • 27 Es ist mir bewusst, dass in vielen Auslegungen zum Buch Esra der Baustopp mit ca. 14 bis 18 Jahren angegeben wird. Wenn man jedoch die Regierungszeiten der genannten persischen Könige genau vergleicht, kann man nur auf einen Baustopp von ca. 2 bis 3 Jahren kommen.
  • 28 Von ca. 520 v. Chr. – 516 v. Chr. wurde dann weiter gebaut, so dass die gesamte Bauzeit mit ca. 17–18 Jahren zu veranschlagen ist. Das ist realistisch, vor allem, wenn man bedenkt, dass schon Salomo mit seinen umfassenden Ressourcen ca. 7 Jahre Bauzeit benötigte (1. Kön 6,38). An dem späteren Tempel des Herodes wurde insgesamt sogar 46 Jahre gebaut (Joh 2,20).
  • 29 J. N. Darby, zitiert aus: Ermunterung und Ermahnung, Jahrgang 1957
  • 30 Das gilt im Übrigen auch für den zweiten Teil des Buches Esra (ab Kapitel 7). Es wird oft übersehen, dass Haggai in Kapitel 2 ausführlich über verkehrte Verbindungen weissagt – das große Thema in Esra 9 und 10.
  • 31 John Thiessen, der im vergangenen Jahrhundert als Missionar in Sumatra arbeitete, hat einmal gesagt: „Die beste Bibelübersetzung verdanke ich meiner Mutter. Sie übersetzte die Bibel in das Leben.“ (Quelle: Zitatensammlung Glaube, Kirche, Bibel)
  • 32 Andere – ältere Übersetzungen – lesen den Text allerdings so, dass es sich um eine zweite Frage handelt, wer die Namen derer sind, die den Bau ausführen. Wenn es so ist, dann geben die Juden überhaupt keine Antwort, sondern überlassen die Sache Gott.
  • 33 Der Ausdruck ist in der Tat bemerkenswert. Aus der Sicht Gottes bleibt das Haus immer sein Haus (vgl. Mt 16,18; Eph 2,22; 1. Tim 3,15).
  • 34 Paulus erlebte im Gefängnis in Rom etwas Ähnliches. Er schreibt den Philippern: „Ich will aber, dass ihr wisst, Brüder, dass meine Umstände mehr zur Förderung des Evangeliums geraten sind“ (Phil 1,12).
  • 35 Der in Vers 14 erwähnte König Artasasta ist nicht mit dem gleichnamigen König in Kapitel 4 zu verwechseln. Es ist Artaxerxes I. Langhand (464–424 v. Chr.), der später in der Zeit Esras und Nehemias regierte und der neben Kores und Darius den Juden gegenüber im Großen und Ganzen sehr positiv gesinnt war (vgl. Kap 7,1).
  • 36 A. C. Gaebelein schreibt dazu: „Der größte Unterschied zur Tempelweihe Salomos hing mit der Wolke der Herrlichkeit zusammen, dem sichtbaren Zeichen der Gegenwart Jahwes – damals erfüllte sie das Gebäude, nun war sie abwesend. Keine Herrlichkeit kam, um die Tatsache zu offenbaren, dass der Herr inmitten seines Volkes wohnte. In der Zukunft wird wieder ein neuer Tempel in Jerusalem stehen, und diesen Tempel wird wieder die Herrlichkeit des Herrn erfüllen (Hes 43,1-3). Sacharja bezeugt dieses herrliche Ereignis: „Juble und freue dich, Tochter Zion! Denn siehe, ich komme und werde in deiner Mitte wohnen, spricht der Herr. Und an jenem Tag werden viele Nationen sich dem Herrn anschließen, und sie werden mir zum Volk sein; und ich werde in deiner Mitte wohnen, und du wirst erkennen, dass der Herr der Heerscharen mich zu dir gesandt hat“ (Sach 2,14-15). Diese prophetischen Worte waren ganz sicher nicht mit der Einweihung des zweiten Tempels erfüllt, noch haben sie bisher eine Erfüllung gefunden.“
  • 37 Es ist klar, dass das Passah und das Mahl des Herrn zwei völlig verschiedene Dinge sind. Als Christen feiern wir nicht das Passah (das Neue Testament redet nicht einmal von einer Mahlfeier, sondern davon, dass wir das Mahl nehmen), sondern wir verkündigen den Tod des Herrn. Dennoch gibt uns das Passah als wiederkehrendes Fest im Alten Testament deutliche Hinweise auf das Mahl des Herrn. Wir lernen von Parallelen ebenso wie von Kontrasten.
  • 38 Mit „Circle of Fellowship“ ist ein fester Kreis von Versammlungen gemeint, die sich untereinander anerkennen und die grundsätzlich niemand, der nicht zu diesem festen Kreis gehört, am Brotbrechen teilnehmen lassen, ohne dass er seine bisherige „Gemeinde“ oder „Kirche“ verlässt.
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