Botschafter des Heils in Christo 1862

Die persönliche Gegenwart des Heiligen Geistes auf der Erde - Teil 1/4

1 Das Werk Christi war vollbracht, der verheißene Sachwalter, der Heilige Geist, am Tag der Pfingsten hernieder gesandt, und in Jerusalem sah man sehr bald die erste reiche Frucht jenes Werkes und die erste gesegnete Wirkung dieser erfüllten Verheißung. An einem Tag wurden an drei taufend Seelen gläubig. Und von dieser großen Schar hören wir das schöne Zeugnis: „Sie verharrten aber in der Lehre der Apostel, und in der Gemeinschaft, und in dem Brechen des Brotes, und in den Gebeten ... Die Gläubigen alle aber waren zusammen und hatten alles gemein. Und sie verkauften die Güter und die Habe, und verteilten sie an alle, wie jeder Bedürfnis hatte. Und indem sie einmütig im Tempel verharrten, und zu Haus Brot brachen, nahmen sie Speise mit Frohlocken und Einfalt des Herzens, und lobten Gott und hatten Gunst bei dem ganzen Volk“ (Apg 2,42–47). – Eine solche Versammlung hatte diese Erde noch nie gesehen. Es war die Erstlingsfrucht einer unumschränkten Gnade – einer Gnade, die alle himmlischen Heerscharen mit Bewunderung und Anbetung erfüllte; es warm die Erstlinge aus der Mitte eines Volkes, das seinen Heiland auf eine schreckliche Weise verworfen und gekreuzigt hatte. Auf diese schändliche Tat antwortete Gott mit einer vollkommenen Gnade. „Der Herr tat täglich zu der Versammlung hinzu, die gerettet werden sollten“ (V 47). Und nichts fehlte dieser so gesegneten Versammlung zu ihrer völligen Glückseligkeit, als die persönliche Gegenwart ihres verworfenen und nun in den Himmel aufgenommenen Herrn, dessen Rückkehr verheißen war. Der Herr aber erwartete vorher die Buße seines armen und verblendeten Volkes, und ach! Israel tat keine Buße. Es verhärtete sein Herz immer mehr und mehr und verwarf endlich auch das Zeugnis des Heiligen Geistes. Stephanus, ein Mann voll Glaubens und Heiligen Geistes, voll Gnade und Kraft, wurde gesteinigt, (Apg 6–7) und die Versammlung verfolgt und vertrieben. Israel hatte das Maß seiner Sünden vollgemacht.

Diese schreckliche Sünde Israels aber brachte für die Versammlung neue Gedanken der Gnade aus dem Herzen Gottes hervor. Die Welt zwar wurde für sie eine Wüste; sie war ein Fremdling darin; denn sie war verworfen, wie auch ihr Heiland selbst. Allein derselbe Himmel, der sich für Ihn geöffnet hatte, stand auch für sie offen. Stephanus, der erste Blutzeuge aus dieser verworfenen Versammlung, sähe den Himmel geöffnet und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen (Apg 7,56). Er sähe Jesus, als den verherrlichten Menschen, im Himmel zur Rechten Gottes. Er sähe Ihn bereitstehen, sein irdisches Volk zu richten. Vorher aber sammelte Er sich ein himmlisches Volk, und offenbarte demselben neue und himmlische Segnungen. Israel, als Volk, wurde für eine Zeit bei Seite gesetzt, aber den Nationen wurde die Tür geöffnet. Das Evangelium des Reichs in Bezug auf diese Erde verstummte vorläufig, aber das Evangelium der Gnade und der himmlischen Herrlichkeit ertönte umso lauter und mächtiger. Der Blick der auf der Erde verworfenen Versammlung wurde zum Himmel gerichtet, wo von jetzt an allein ihr köstliches Teil war. Die gesegnetsten Beziehungen zu Gott dem Vater und zu Christus Jesus wurden ihr eröffnet. Eins mit Christus war sie, in Ihm gesegnet mit geistlichen Gütern in himmlischen Örtern. Verordnet zur Kindschaft war sie die Erbin Gottes und Miterbin Christi – seine Braut – sein Leib (Eph 1,3–23). Ihre innige Beziehung zu Ihm hatte zuerst Saulus in einer schrecklichen und doch für ihn so gesegneten Stunde aus seinem eigenen Mund gehört. „Saul! Saul! was verfolgst du mich?“ Jesus selbst war es, den er verfolgte – ein Teil von Ihm – sein Leib. Ein armer, verachteter und verworfener Leib auf Erden hatte sein verherrlichtes Haupt im Himmel. Ein unauflösliches Band, gegründet auf eine vollkommene Liebe, hatte sie auf ewig mit Ihm verbunden. Gesegnete Wahrheit! Alle Gläubigen aus den Juden und den Nationen bildeten von da an einen Körper; jede Scheidewand war abgebrochen; sie waren durch einen Geist zu einem Leib getauft. „Ein Leib, und ein Geist, wie ihr auch in einer Hoffnung eurer Berufung berufen seid: Ein Herr ein Glaube, Eine Taufe, Ein Gott und Vater aller, der über alle, und durch alle, und in uns allen ist“ (Eph 4,4–6). Es gab auf der ganzen Erde nur eine Versammlung – durch die Örtlichkeit allein getrennt – und diese Versammlung war der Leib Christi. Das von Ewigkeit her in Gott verborgene Geheimnis war jetzt enthüllt (Eph 3,3–6). Es war in anderen Geschlechtern den Söhnen der Menschen nicht kundgemacht worden. Wenn auch nach der Offenbarung desselben, im Alten Testament liebliche Vorbilder gesehen werden, so waren diese doch vorher ganz unbekannt. Die Versammlung erst enthüllte den unausforschlichen Reichtum des Christus, und durch die Versammlung wurde den Fürstentümern und Gewalten in den himmlischen Örtern die mannigfaltige Weisheit Gottes kundgemacht (V 8.10).

In dieser Versammlung wirkte, ordnete und waltete ein Geist – der Heilige Geist in eigener Person. Und wie schön und herrlich stand sie in ihrer ersten Blüte da! Ihre Liebe und Hingebung ihre Gemeinschaft und Einheit bezeugten laut, wes Geistes sie war. Ein herrlich und reich geschmückter Tempel von lebendigen Steinen erhob sich in einer öden und dürren Wüste. Alles daran war schön und wohlgeordnet und verkündigte die Weisheit dessen, der ihn bewohnte. Aber ach! der Feind Gottes, der bis dahin auf der Erde alle Werke seiner Liebe und Macht durch Betrug der Sünde verdorben hatte, fand auch in die Versammlung seinen Weg. Werfen wir unseren Blick auf ihren gegenwärtigen Zustand, so müssen wir vor Scham und Schande unsere Augen niederschlagen. Vergebens suchen wir jene Versammlung voll Energie des Glaubens, voll Liebe und Treue – vergebens jene Gemeinschaft und Einheit. Beraubt, entzweit, verweltlicht und verworren liegt alles da; nur schwache und elende Trümmer jenes schönen und herrlichen Gebäudes sind übriggeblieben. Und im Blick auf diesen traurigen Zustand wird ein liebendes und vom Geist Gottes erfülltes Herz, wie einst Israel an den Flüssen Babylons, sich niedersetzen und weinen.

Woher aber kam diese große und traurige Veränderung? Wodurch gelang es dem Feind, eine solch schreckliche Verwirrung hervorzubringen? Einfach dadurch, dass er die der Versammlung am gesegnetsten und wirksamsten Wahrheiten in den Herzen schwächte oder gar verdunkelte. Und dieses gelang ihm vor allem darin, dass er sie des lebendigen Bewusstseins und der Anerkennung der persönlichen Gegenwart des Heiligen Geistes beraubte – der Gegenwart dessen, der ihr als Leiter und Sachwalter gegeben, und dessen alleiniger Dienst es ist, in ihrer Mitte alles zu wirken, zu leiten und zu ordnen, in den Herzen der Einzelnen das Leben und die Gesinnung Christi immer mehr zu verwirklichen und deren Heiligung zu vollenden. An die Stelle des Geistes aber wurde das Fleisch gesetzt – der Mensch fing an, nach seiner eigenen Weisheit und Einsicht zu handeln – und ach! sehr bald war alles in Verwirrung und Unordnung.

So groß nun aber auch der Verfall sein mag – die Wahrheit Gottes verfällt nicht; und darum bleibt auch diese Wahrheit der persönlichen Gegenwart des Heiligen Geistes unwandelbar fest. Der Herr selbst hat bei der Verheißung dieses Sachwalters zu den Seinen gesagt: „Er wird bei euch bleiben in Ewigkeit.“ Und glückselig sind diejenigen, die seinem Wort trauen und mit dankbarem Herzen die empfangene Gabe zu würdigen wissen! Aus diesem Grund schon ist es sicher der Mühe wert, sich mit jener Wahrheit recht vertraut zu machen, zu wissen, was Gott in Bezug auf dieselbe Wahrheit von uns erwartet, und umso mehr, da die Folgen ihrer Anerkennung oder Vernachlässigung so unermesslich groß sind. Zugleich lasst uns auch hierin das gesegnete Wort des Herrn beherzigen: „Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten; und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen.“

Um aber einen besseren Überblick über den vor uns liegenden Gegenstand zu bekommen, wollen wir ihn unter fünf Gesichtspunkte bringen, bei deren Betrachtung uns der Herr durch seinen Geist leiten wolle.

1. Der Heilige Geist im Alten Testament.

2. Der Heilige Geist während des Wandels Jesu auf Erden.

3. Die seinen Jüngern vom Herrn verheißene Sendung des Heiligen Geistes.

4. Die Ausgießung des Heiligen Geistes und deren Wirkung.

5. Die Lehre in Betreff der Person und der Wirksamkeit des Heiligen Geistes in den Briefen der Apostel. 1. Der Heilige Geist im Alten Testament

Der Gedanke an die verschiedenen Verheißungen des Heiligen Geistes, an die wunderbare Ausgießung desselben an jenem denkwürdigen Pfingsttage in Apostelgeschichte 2, und an das Wort des Johannes: „Der Heilige Geist war noch nicht, weil Jesus noch nicht verherrlicht worden war“ (Joh 7,39), muss jedem gläubigen Leser der Schrift, der es mit der Wahrheit treu und redlich meint, eine Behauptung wie diese, dass der Heilige Geist immer auf Erden gewesen sei, sehr bedenklich erscheinen lassen. Warum denn jene Verheißung seiner Sendung, wenn Er schon längst da war? Warum seine Ausgießt an jenem Pfingsttag, wenn Er schon vorher auf der Erde war? Und wie konnte Johannes sagen: „Der Heilige Geist war noch nicht“, wenn Er doch war? Gewiss, jene Behauptung entbehrt jeglichen Grundes. Wenn aber gesagt wird, dass der Heilige Geist vom Beginn der Schöpfung an auf der Erde wirksam gewesen sei, so ist das die völlige Wahrheit; aber bis zu seiner Ausgießung wohnte Er nicht auf derselben; Er war nicht als eine bestimmte Person der Gottheit, unterschieden von dem Vater und dem Sohn, offenbart. Und es ist sehr wichtig und zum Verständnis der Schrift durchaus erforderlich, diese seine Offenbarung von seiner Wirksamkeit auf der Erde bestimmt zu unterscheiden; denn anders kommt man in Gefahr, das helle Licht und die großen Vorrechte des Neuen Testaments durch die Schatten des Alten zu verdunkeln.

Getreu dem Wort im 5. Buch Moses 6,4: „Der Herr unser Gott ist ein einiger Herr“, hat sich Gott in dem ganzen Alten Testament bis zur Ankunft Christi stets als der Einige offenbart. Wenn wir auch durch die Belehrung des Neuen Testaments auf das bestimmteste wissen, dass Gott von Ewigkeit her in drei Personen – in Vater, Sohn und Heiliger Geist – unterschieden war, so hat Er sich doch bis zur Ankunft Christi in keiner dieser Personen besonders und auf eine bestimmte Weise offenbart. Wir finden im Alten Testament die Verheißung und die Wirksamkeit des Sohnes Gottes, aber nicht seine persönliche Offenbarung auf dieser Erde, – Er ist als eine vom Vater und dem Heiligen Geist unterschiedliche Person weder bestimmt offenbart, noch gekannt. Ebenso finden wir im Wen Testament die Verheißung und Wirksamkeit des Heiligen Geistes, aber nicht seine persönliche Offenbarung auf dieser Erde, – auch Er war als eine vom Vater und dem Sohn unterschiedliche Person weder bestimmt offenbart, noch gekannt. Beide, sowohl der Sohn Gottes als auch der Heilige Geist, waren fortwährend wirksam, und es wird auch wohl niemand daran zweifeln, dass es bei Gott möglich ist, sich wirksam zu erweisen, ohne sich auf eine bestimmte Weise zu offenbaren.

In Bezug auf die Verheißung des Sohnes Gottes wurde Adam und Eva verkündigt, dass der Samen des Weibes der Schlange den Kopf zertreten sollte, und dem Abraham, Isaak und Jakob verheißen, dass in ihrem Samen alle Geschlechter auf Erden gesegnet werden sollten. Jakob verkündigte diesen Samen als den aus Judas Stamm entsprossenen Löwen, Moses als den Propheten, den der Herr aus Israel erwecken würde, David als den Messias, den Gesalbten des Herrn, und Jesajas als den Wunder–Rat, Gott Held, Ewig–Vater. Der Hohepriester in Israel war ein Vorbild dessen, der jetzt zur Rechten Gottes sitzt, und die Opfer des Alten Bundes waren Schatten und Vorbilder des einen Opfers, das auf Golgatha dargebracht wurde. Viele andere Bilder und Ausdrücke des Alten Testaments lassen uns auf das Dasein einer zweiten Person in der Gottheit ganz bestimmt schließen, aber die wirkliche Offenbarung derselben, als solche, finden wir nirgends. Selbst ihr Dasein, ihr Charakter und die Verheißung ihrer Erscheinung – dies alles trat erst nach und nach aus dem Dunkel hervor, und zeigte sich immer deutlicher und deutlicher, bis es sich endlich in der Offenbarung des Fleisch gewordenen Wortes völlig erfüllte und auch geschaut wurde.

Was nun die Wirksamkeit des Sohnes Gottes betrifft, so war Er der Schöpfer aller Dinge. „Denn durch Ihn sind alle Dinge, die in den Himmeln und die auf der Erde sind, die sichtbaren und die unsichtbaren ... alle Dinge sind durch Ihn und für Ihn geschaffen“ (Kol 1,16–17). „Du Herr, hast im Anfang die Erde gegründet und die Himmel sind Werke deiner Hände“ (Heb 1,10). – „Alles wurde durch das Wort, und ohne dasselbe wurde auch nicht eins, was geworden ist“ (Joh 1,3). – Ohne allen Zweifel war es der Sohn, der im Paradies mit Adam redete, der zu verschiedenen Malen dem Abraham, Isaak und Jakob, dem Moses und so vielen anderen erschien; ohne allen Zweifel war Er es, der Israel ans Ägypten führte, der ihm einen Weg durch das Meer bahnte, der in einer Wolken– und Feuer Säule in der Wüste vor ihm Herzog, der es speise und tränkte, (1. Kor 10,4) der auf Sinai einen Bund mit ihm aufrichtete, der es in das Land der Verheißung einführte und ihm Richter, Könige, Propheten und Lehrer erweckte. Aus Sacharja 12 ersehen wir deutlich, dass der Jehova Israels kein anderer war, als der, den sie zerstochen haben – als der auf Golgatha gekreuzigte Christus. Überall begegnen wir den unverkennbaren Spuren seiner Wirksamkeit; denn alle Offenbarung Gottes ist durch den Sohn; (vgl. Joh 1,18; 14,9; Mt 11,27) die persönliche Offenbarung seiner selbst aber – sie es in seinem Charakter als Sohn Gottes oder auch als Messias – finden wir nirgends, ausgenommen als Verheißung.

Ebenso vergeblich werden wir in den Schriften des Alten Testaments. die wirkliche Offenbarung der Person des Heiligen Geistes suchen; wohl aber finden wir in verschiedenen Verheißungen seine Ausgießung angekündigt. Die vornehmsten Stellen darüber sind in Hesekiel 39 und in Joel 3, auf deren letztere der Apostel Petrus am Pfingsttag, in seiner Ansprache an die jüdische Nation, als sich erfüllend, hinweist (Apg 2,16–21). Außer den beiden angeführten Stellen gibt es noch einige andere, in Jesajas 32,15; 44,3; Hesekiel 11,19; 36,26–27. Alle diese Stellen bezeugen unzweideutig, dass die Offenbarung oder Ausgießung des Heiligen Geistes eine noch zu erwartende und nicht eine schon erfüllte Tatsache war.

Die Wirksamkeit des Heiligen Geistes wird ebenfalls im ganzen Alten Testament deutlich wahrgenommen. Ehe noch der Erde ihre jetzige Gestalt gegeben war, schwebte der Geist Gottes über den Wassern (1. Mo 1,2). Und durch Ihn empfingen die Richter und Könige Weisheit und Macht; (vgl. 5. Mo 34,9; Ri 3,10; 6,34; 11,29; 14,6; 1. Chr 13,18 usw.) durch Ihn dichteten die heiligen Sänger Psalmen und Lobgesänge, und durch Ihn redeten die Propheten von zukünftigen Dingen; „denn die Weissagung – sagt der Apostel – ward ehemals nicht durch den Willen des Menschen hervorgebracht, sondern getrieben vom Heiligen Geist, redeten die heiligen Männer Gottes“ (2. Pet 1,21). Er wirkte oft auf eine ganz wunderbare und kräftige Weise; aber Er wohnte nicht in den Gläubigen. Selbst seine Wirksamkeit war oft vorübergehend, und teilte sich sogar Unbekehrten mit (vgl. 4. Mo 11,25; Kap 23–24; 1. Sam 10,10; 16,14).

Vom Beginn der Schöpfung an bis zu jenem Pfingsttag in Apostelgeschichte 2 war also der Heilige Geist auf dieser Erde wirksam; aber nicht als eine vom Vater und dem Sohn Gottes unterschiedliche Person bestimmt offenbart und gekannt. Dies will sagen, dass Er für die, in welchen und durch welche Er wirkte, nicht eine besondere Person in der Gottheit war; es war immer der einige Gott, der da wirkte – der Geist Gottes, der Geist des Herrn – die in Gott wirkende und von Ihm ausgehende Kraft Gottes, und nicht der persönliche Heilige Geist. Von einer wirklichen Ausgießung des Heiligen Geistes oder einer Sendung desselben auf diese Erde, finden wir – außer in Verheißungen – im ganzen Alten Testament kein Wort; selbst kein Wort von seinem Wohnen im Himmel. Wir finden nur, dass der Geist Gottes wirkte, und wissen durch die Unterweisungen des Neuen Testaments, dass dieser Geist Gottes die dritte Person in der Gottheit, der Heilige Geist, war.

Diese Offenbarung oder Ausgießung des Heiligen Geistes konnte nicht eher geschehen, bis der Sohn Gottes verherrlicht war, (Joh 7,39; 16,7–8) bis Er sein Werk auf Erden vollbracht und zur Rechten Gottes seinen Platz eingenommen hatte. Das Blut der Versöhnung musste erst vor dem Gnadenthron sein, ehe der Heilige Geist auf eine schuldbeladene Erde wohnend herniederkommen konnte; die Herzen der Heiligen mussten zuvor durch den Glauben an dieses kostbare Blut gereinigt sein, ehe Er darin, als in seinem Tempel, Wohnung nehmen konnte; denn nur durch dieses Blut ist sein „Bleiben in Ewigkeit“ gesichert. – Über Israel, als Volk, konnte und wird Er erst dann ausgegossen werden, wenn sie durch Buße und Glauben zu ihrem verworfenen und gekreuzigten Jehova zurückgekehrt sind. – In Bezug auf die Welt kam Er, wie der Herr selbst sagt, „um sie von der Sünde und von der Gerechtigkeit und von dem Gericht zu überführen. Von der Sünde – weil sie nicht an mich glauben; von der Gerechtigkeit – weil ich zu meinem Vater gehe, und ihr mich nicht seht; von dem Gericht – weil der Fürst dieser Welt gerichtet ist“ (Joh 16,8–10). Dies alles aber bezeugt uns ganz klar, dass vorher das kostbare Blut Christi vergossen, dass Er selbst von der Erde verworfen und im Himmel verherrlicht sein musste, ehe der Heilige Geist seinen bleibenden Wohnplatz auf dieser Erde nehmen konnte.

Als nun der Herr erschienen und die Vollendung seines Werkes nahe war, da tröstet Er seine Jünger zu verschiedenen Malen mit dieser köstlichen Verheißung des Geistes und verkündigt deren Erfüllung als nahe bevorstehend. Und sicher, die Herzen der Jünger, die während der Abwesenheit ihres geliebten Herrn in einer gefahrvollen Welt zurückgelassen wurden, konnten durch keinen süßeren Trost beruhigt werden. Ein anderer Sachwalter sollte ihnen gesandt werden, um sie hienieden zu vertreten, zu leiten, zu unterweisen, zu trösten und zu ermahnen; und Er sollte bei ihnen bleiben „in Ewigkeit.“ Waren sie auch für eine Zeit der persönlichen Gegenwart ihres teuren Herrn beraubt, so lebten sie doch im Geist fortwährend mit Ihm in Gemeinschaft und empfingen stets neue Segnungen aus seiner unermesslichen Fülle; denn Er selbst hatte gesagt: „Von dem meinen wird Er empfangen und euch verkündigen.“ Gesegnetes Vorrecht! Die Gläubigen des Neuen Testaments konnten es nicht genießen. Sie konnten sich weder des völligen Bewusstseins einer ewigen und vollkommenen Versöhnung und Erlösung, einer steten und bleibenden Innewohnung und Versiegelung des Heiligen Geistes, noch einer ungetrübten und vollkommenen Stellung in der unmittelbaren Gegenwart Gottes erfreuen; denn das Blut der Versöhnung war noch nicht vor dem Gnadenthron, der Vorhang noch nicht zerrissen und der Heilige Geist noch nicht ausgegossen. Die Heiligen des Alten Testaments glaubten dem Wort, trösteten sich im Glauben der Verheißungen und dieser Glaube wurde ihnen zur Gerechtigkeit gerechnet; aber sie standen weder in besonderer Beziehung zu dem Vater, noch zu dem Sohn, noch zu dem Heiligen Geist, weil der Einige Gott sich noch in keiner dieser unterschiedlichen Personen auf eine bestimmte Weise offenbart hatte; und es ist klar, dass sie nicht über das hinausgehen konnten, was offenbart war. Selbst das völligste Licht Über die Verheißungen, als solche, und der festeste Glaube daran, konnte ihnen die Erfüllung derselben oder die Offenbarung selbst nicht ersetzen, und darum waren sie auch nicht im Stand, die Früchte zu genießen, die mit der wirklichen Offenbarung in Verbindung standen und davon abhängig waren. Sie erfreuten sich der Verheißung und empfingen durch den Glauben ein Zeugnis; „aber“ – sagt der Apostel – sie trugen die Verheißung nicht davon, da Gott für uns etwas Besseres vorgesehen hat, auf dass sie nicht ohne uns vollkommen gemacht würden“ (Heb 1 1,39–40).

Noch ein Wort möchte ich hier hinzufügen. David, der Mann nach dem Herzen Gottes, betete: „Erneuere in meinem Innern einen festen Geist! Verwirf mich nicht von deinem Antlitz und den Geist deiner Heiligkeit nimm nicht von mir!“ (Ps 51, 10–11) Würde uns dieses Gebet nicht befremden müssen, wenn dem David die persönliche und bleibende Innewohnung des Geistes offenbart und bekannt gewesen wäre? Jetzt aber, da dies nicht der Fall war, und er an die traurigen Erfahrungen Sauls und an seinen tiefen Fall gedachte, konnte er nur mit dieser Bitte vor Gott hintreten. Ebenso sehen wir in Hesekiel 39 und anderen Stellen, dass der Herr oft vor Israel, wenn es Ihn mit seinen Sünden erzürnt hatte, sein Antlitz verbarg; und dies konnte geschehen, weil der Heilige Geist noch nicht über dasselbe ausgegossen war. Bei der Verheißung dieser Ausgießung aber sagt der Herr: „Und ich werde mein Antlitz nicht mehr vor ihnen verbergen; denn ich habe meinen Geist über das Haus Israel ausgegossen, spricht der Herr, Herr“ (V 29). – O glückselig alle, die für immer mit diesem Geist, der ein Geist der Gnade und der Herrlichkeit ist, getauft sind! Sie erfreuen sich in einer ewigen Freiheit der vollkommenen und ununterbrochenen Gunst und Gnade Gottes (Fortsetzung folgt).

Fußnoten

  • 1 Die große Wichtigkeit dieses Gegenstandes veranlasst mich, den gläubigen Leser im Voraus dringend zu bitten, die vorliegende Betrachtung, die so der Herr will, mehrere Nummern dieses Blattes durchlaufen wird, mit Aufmerksamkeit zu lesen, und auch im Wort Gottes selbst darüber weiter zu forschen. Die wahre Würdigung dieser Tatsache der Persönlichen Gegenwart des Heiligen Geistes auf Erden hat sowohl für die Versammlung als auch für den einzelnen Gläubigen die gesegnetsten Folgen, und darum ist es gewiss der Mühe wert, ihr alle Beachtung zu schenken.
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