Betrachtung über den Propheten Hosea

Kapitel 9

Ohne Freude für sich selbst leben (Kap. 9,1–4)

In ihrer Unwissenheit und in ihrem Aberglauben konnten die Nationen sich mit den falschen Freuden der Welt betäuben. So konnte es jedoch nicht mit Israel gehen, das seinen Gott verlassen hatte: Seine Freude war ihm genommen worden (Kap. 9,1). Auch heute kann ein weltlich lebender Christ, der die Gemeinschaft mit Gott nicht genießt, nicht glücklich sein. Weder das Erinnern an ehemalige Segnungen noch die rissigen Brunnen der Welt können das Herz erfrischen – so ist tatsächlich jede Freude verloren.

Israel baute für sich selbst Korn (Frucht der Tenne) und Wein oder Most (Frucht der Kelter) an. Seine Nahrungsmittel würden ihm weggenommen werden, um durch die unreine Nahrung Assyriens – des Landes ihrer Gefangenschaft – ersetzt zu werden. Indem es sich anmaßte, Gott zu dienen, diente Israel sich selbst. Es opferte dem HERRN Schlachtopfer, um sie selbst zu verzehren: „denn für ihren Hunger wird ihre Speise sein“ (Kap. 9,4). Solche Opfer konnten nicht ins „Haus des HERRN“ kommen. Religiöse, zur Befriedigung des Fleisches (Kol 2,23) ausgeübte Taten von Menschen können Gott nie wohlgefällig sein. Leben wir für uns selbst oder für Christus?

Die Tage der Heimsuchung für Juda (Kap. 9,5–9)

Der Prophet kommt ohne Überleitung auf Juda zurück: Welches Andenken würden sie an ihre verlorenen Segnungen behalten, wenn sie sich erst in ägyptischer Gefangenschaft befänden? Um der Verschleppung nach Chaldäa zu entfliehen, zog ein Überrest aus Juda trotz der Warnung Gottes tatsächlich dorthin 1 (Jer 42,19; 43,7). Wenn ihre kostbarsten Güter zur Beute ihrer Feinde geworden wären, würde Juda Tod und Unheil begegnen (vorgebildet in den Nesseln und Dornen).

Dies würde der Tag der Heimsuchung und Bestrafung, der Tag des Gerichts sein – fern von jeder Hinwendung Gottes zu seinem Volk in Gnade, wie zur Zeit Ruths (Ruth 1,6). Später würde weder das Volk Gottes noch die Stadt Jerusalem erkennen, dass sie „der Aufgang aus der Höhe“ besucht hat, um sie zu segnen (Lk 1,78; 7,16; 19,44), und das Gericht würde über die Nation hereinbrechen, welche seinen Messias verworfen hat.

Wegen der Größe der Ungerechtigkeit des Volkes ist der Prophet wie vom Wahnsinn ergriffen. Das Böse war vergleichbar mit dem Vergehen von Gibea zur Zeit der Richter, dessen Ergebnis das fast vollständige Verschwinden des Stammes Benjamin war (Ri 21,3).

Israel einst und jetzt (Kap. 9,10–17)

Gott ruft in Erinnerung, was Israel zu Beginn für ihn in der Wüste gewesen war, indem er das gewohnte Bild des Weinbergs und des Feigenbaums benutzt. Israel wird mit Trauben in der Wüste verglichen, die dem Freude bereiten, der sie findet, und ist wie die Frühfrucht des Feigenbaums, dessen Süßigkeit sprichwörtlich war. Das Volk war also einst  eine Erstlingsfrucht für Gott (Jer 2,3); und Bileam musste gezwungenermaßen über es aussprechen: „Wie schön sind deine Zelte, Jakob, deine Wohnungen, Israel!“ (4. Mo 24,5). Doch leider folgte unmittelbar darauf der schwere Fehltritt Baal-Peors. Israel erlag dem Götzendienst und der Hurerei, angestiftet durch die Arglist des bösen Propheten (4. Mo 25,1.2; Off 2,14).

Ephraim (dessen Name „doppelte Fruchtbarkeit“ bedeutet) glich einst einer blühenden Stadt (Tyrus), die in fruchtbarem Land gepflanzt war (Kap. 9,13). Es würde einer unfruchtbaren Frau gleichen, die all ihre Identität, Ehre und Nachkommenschaft verlieren würde. Wenn Christen ihre himmlische Berufung vergessen, verlieren sie ihre moralische Würde vor der Welt.

Der Prophet ist gezwungen, nach göttlichem Gericht zu rufen (Kap. 9,14), welches bestätigt, dass Israel mit Unfruchtbarkeit geschlagen werden würde. In Gilgal war das Volk aus der Knechtschaft Ägyptens befreit worden, um für Gott geheiligt und abgesondert zu sein. Nun breitete sich die Bosheit Israels ohne Scham und Zurückhaltung durch die Missachtung der Heiligkeit Gottes völlig aus. Gott konnte eine solche Beleidigung nicht dulden und würde sie aus seinem Haus vertreiben. Er muss seine Zuneigungen wenigstens für eine Zeit zurückhalten, bis er es „willig lieben“ kann (Kap. 14,4).

Ein doppeltes Gericht wird verhängt:

  1. Das mit einem unfruchtbaren Feigenbaum verglichene Israel nach dem Fleisch würde nie mehr Frucht tragen. Indem der Herr sein einziges Wunder vollbrachte, das mit Gericht in Verbindung stand, bestätigte er die Prophezeiung Hoseas (Mk 11,14.20).
  2. Das Volk würde zerstreut werden: „sie sollen Flüchtlinge sein unter den Nationen“. Diese bereits durch Mose angekündigte Zerstreuung (5. Mo 28,25.64) ist auch heute noch Realität. Sind wir nicht bewegt über den traurigen gegenwärtigen Zustand des auserwählten Volkes Gottes? Beten wir dafür, dass viele sich zu Christus als Herrn wenden, um das Leben zu besitzen.

Fußnoten

  • 1 Diese Ereignisse fanden etwa 150 Jahre nach der Prophezeiung Hoseas statt, aber für Gott zählt die Zeit nicht.
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