Betrachtung über den Propheten Hosea

Kapitel 14

4.  Die Buße und Wiederherstellung Israels

Hier finden wir den glücklichen Ausgang aller Wege Gottes mit seinem Volk. Der Strom voller Anklagen ist versiegt, die Stimme der Gerichte schweigt und die Wogen der Verdammung haben sich beruhigt. Gott richtet nun Worte der Gnade und Zärtlichkeit an sein Volk. Der Aufruf zur Buße hatte endlich ein Echo in seinem Herzen gefunden.

•   In den Mund des Volkes gelegte Worte der Buße (Kap. 14,2–4)

„Kehre um, Israel, bis zu dem Herrn“. Gott wünscht eine aufrichtige Umkehr zu ihm: Er ist  dem ersten Anzeichen wahrer Buße gegenüber aufmerksam. Auf das Bekenntnis der Sünden hin antwortet Gott mit seiner Vergebung. Der verlorene Sünder, der im Glauben zu Gott kommt, empfängt die Vergebung seiner Sünden und ewiges Leben. Dieselbe göttliche Gnade ist auch für Christen tätig, um sie von ihren Fehltritten wieder aufzurichten (1. Joh 1,9).

Das Volk würde von nun an erkennen, „was gut ist“ und was Gott annehmen kann. Bereits die Demut des Herzens und ein zerbrochener Geist (Mich 6,8; Ps 51,19) haben vor Gott den Wert eines Opfers. Von diesem Moment an sind ihm die dargebrachten Opfer angenehm.

Israel sucht nicht länger den Schutz einer Gott feindlichen Welt; es stützt sich nicht länger auf die Kraft der menschlichen Natur, um der Trübsal zu entfliehen oder ihr Widerstand zu leisten. Das jeder irdischen Stütze entledigte, leidende und verwaiste Volk (Lo-Ammi) findet seine Zuflucht bei dem, der mit Waisen Mitleid hat und solche stützt, die keine Hilfe in der Welt haben. Es handelt sich um „ein elendes und geringes Volk (…), und sie werden zum Namen des HERRN Zuflucht nehmen“ (Zeph 3,12).

•   Die Antwort Gottes (Kap. 14,5–8)

Gott antwortet unverzüglich auf das bußfertige Bekenntnis seines Volkes. Das notwendige Gericht war ausgeführt worden und Gott erinnert sein Volk nun daran, was er ihm zu Beginn der Wüstenwanderung gesagt hatte: „ich bin der HERR, der dich heilt“ (2. Mo 15,26). Die Liebe Gottes zu Israel war stets unwandelbar, wurde aber durch die Untreue des Volkes zurückgehalten. Nun konnte sie sich frei entfalten.

Gott selbst ist die Quelle des Glücks für sein Volk (V. 6–8). Sieben Segnungen werden  ihm verheißen. Drei Bäume kennzeichnen Israel: die Zeder, der Olivenbaum und der Weinstock 1.

  1. Der Tau des Himmels. Christus bringt seinem Volk himmlische Erfrischung. Bereits Mose hatte Joseph „vom Köstlichsten des Himmels, vom Tau“ (5. Mo 33,13) versprochen.
  2. Das Blühen der Lilie, welche ihre Wurzeln schlägt. Israel wird wie die Lilie erblühen -  ein Sinnbild der Anmut und Schönheit 2. Israel im Bild der Lilie wird nicht nur der Schmuck der Erde im tausendjährigen Reich sein, sondern seine Wurzeln gewährleisten – wie auch der Libanon – eine vollkommene Stabilität.
  3. Die Pracht und der Geruch des Olivenbaums. Es ist das Bild des Überrestes des Volkes Israel, der nach Auserwählung der Gnade in den Baum der göttlichen Verheißungen eingepfropft wird (Rö 11,24.25). Dieser Überrest wird die Gesamtheit des gesegneten Volkes unter dem Zepter des Messias bilden. Dann wird Gott „wie an einem lieblichen Geruch“ (Hes 20,41) Gefallen an ihm haben. Die Düfte der Salben der irdischen Braut werden für den Messias angenehm sein (Hld 4,10.11). Aber ab sofort sind auch die vor Gott in dem Geliebten angenehm gemachten Christen der Wohlgeruch Christi für die Welt.
  4. Der Schatten des Olivenbaums. Der Olivenbaum als Bild des Friedens und Segens für die Erde (1. Mo 8,11; Ps 52,10) bietet Schutz und Erholung in seinem Schatten, wie auch der Apfelbaum, ein Bild von Christus (Hld 2,3).
  5. Die Getreideernte. Die Jisreel gegebenen Verheißungen (Kap. 2,24) sind nun erfüllt. Was Gott gesät hatte (Bedeutung von Jisreel), bringt eine Ernte hervor, die das Volk sättigt.
  6. Die Blüte des Weinstocks. Als ein Bild Israels (Jes 5,1.7) hatte der Weinstock trotz aller Bemühungen des HERRN für lange Zeit nur wilde Trauben hervorgebracht. Nun handelt es sich um einen Weinberg feurigen Weines 3 (Jes 27,2). In der Erneuerung erblüht er dank seiner lebendigen Beziehung zu Christus, dem wahren Weinstock. Der Herr belehrt uns über die moralische Bedeutung dieses Bildes für uns Christen in Verbindung mit dem göttlichen Leben und seinen Früchten für Gott (Joh 15,1).
  7. Der Wein des Libanon. Der Weinberg erblüht, um Frucht zu bringen, ein Sinnbild der Freude. Von nun an würde Israel nicht mehr Frucht für sich selbst bringen (Kap. 10,1), sondern für Gott und zur Freude des Messias (Mt 26,29).

So sind Kraft, Freude und Schönheit (1. Chr 16,27; Ps 96,6) das Teil des auserwählten und um das Heiligtum Gottes versammelten Volkes, zum Segen der ganzen Erde im tausendjährigen Reich. Was für ein gewaltiger Unterschied nach allen Prüfungen und Leiden, die Israel in den vergangenen zweitausend Jahren erdulden musste!

•   Letzter Dialog (Kap. 14,9)

Die Liste der zukünftigen Segnungen endet mit einem rührenden Dialog zwischen dem Messias und seinem wiederhergestellten Volk.

-   Ephraim: „Was habe ich fortan mit den Götzen zu schaffen?“

Israel hatte Gott völlig wiedergefunden; die Götzen und falschen Götter haben nun keinen Wert mehr für sein Herz. Sie werden natürlicherweise verworfen und völlig aufgegeben. Wenn Christus unser Herz erfüllt, werden die Eitelkeiten dieser Erde keinen Platz in unserem Leben haben.

-   Gott: „Ich habe ihn erhört und auf ihn geblickt.“

Wenn wir uns zu Gott wenden, antwortet er uns und erleuchtet uns mit seinem Angesicht (4. Mo 6,25; Ps 4,7; 34,5).

-   Ephraim: „Ich bin wie die grünende Zypresse.“

Unter dem Blick Gottes ist Ephraim sich nun seiner Gunst bewusst. Als immergrüner Baum bedeckte die Zypresse neben der Zeder einst die Berge des Libanon. Gemeinsam dienten sie dazu, den Tempel Salomos zu schmücken (1. Kön 5,22.24; 6,15). Die grüne Zypresse hebt hier die Stabilität und den Segen des Volkes im zukünftigen tausendjährigen Reich des Messias hervor (Jes 55,13).

-   Gott: „Aus mir wird deine Frucht gefunden.“

Der Dialog endet mit einem Wort Gottes, der in allem und besonders in dieser langen Geschichte seiner Beziehungen mit seinem Volk das letzte Wort haben wird. In seinem Herzen ist die Quelle des Segens. Seine Erlösten antworten mit Dankbarkeit: „Alle meine Quellen sind in dir!“ (Ps 87,8).

•   Das Ausmaß des prophetischen Wortes (Kap. 14,10)

Zusammen mit Jesaja gibt uns der Prophet Hosea den vollständigsten Überblick der Wege Gottes mit der Menschheit und besonders mit Israel. Der abschließende Vers  unterstreicht deren Bedeutung und Charakter: „Die Wege des HERRN sind gerade.“ Gott wird von nichts und niemandem aufgehalten. Der Wagen seiner Regierung bewegt sich unter der Macht seines Geistes immer geradeaus. Die Auswirkungen betreffen die Erde, aber der Sitz seiner Regierung bleibt im Himmel, „oberhalb der Ausdehnung“ (Hes 1,12.20.26).

Man muss geistlich weise und verständig sein (d.h. durch Gott selbst angeleitet), um die Wege Gottes zu verstehen. Die Gerechten können darauf wandeln; von Gott erhalten und geleitet ordnen sie sich seinen Regierungswegen auf der Erde unter. Die Abtrünnigen dagegen rebellieren gegen die Autorität Gottes und fallen in denselben Umständen.

Fußnoten

  • 1 Die den Libanon bedeckenden Zedern stellen Israel dar, dass von den Nationen seines Landes beraubt (Jes 37,24) und später in Macht wieder eingesetzt wird. Die Zeder ist ebenso ein Bild von Christus (Hes 17,23). Das Bild des Feigenbaums wird hier nicht verwendet, da die als unter dem Gesetz verantwortlich betrachtete Nation Gegenstand des göttlichen Gerichts ist. Dieses Gericht wird durch den Herrn selbst durch das Verfluchen des unfruchtbaren Feigenbaums symbolisch ausgeführt (Mt 21,19). Die Segnungen des Volkes können entsprechend den Grundsätzen des neuen Bundes nur aus der göttlichen Gnade hervorströmen,
  • 2 Die Überschrift „nach Schoschannim“ in drei Psalmen (Ps 45; 69 und 80) meint die Lilien, ein Sinnbild der Gläubigen. Das Hohelied benutzt auch das Bild der Lilie, um den Wert der Geliebten auszudrücken (Hld 2,1.2.16).
  • 3 Anm. des Übersetzers: Die frz. Darby-Übersetzung übersetzt diesen Begriff mit „reinem Wein“.
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