Betrachtung über den Propheten Hosea
Kapitel 8
Warnruf, Trauer und Zerstörung
Die verschiedenen Bilder für das untreue Volk Israel
Der Prophet hatte bis hierher mehrere Bilder gebraucht, um den moralischen Zustand des Volkes zu veranschaulichen: Eine ehebrecherische Frau, ein Betrunkener, eine widerspenstige Kuh, eine Bande Straßenräuber, ein nicht gewendeter Kuchen, eine einfältige Taube und ein trügerischer Bogen.
Nun werden zwei weitere Bilder hinzugefügt: Ein Gefäß, an dem man kein Gefallen hat (Kap. 8,8) und ein Wildesel (Kap. 8,9). Diese Bilder dienen alle dazu, die verschiedenen Gesichtspunkte der Sünde des Volkes darzustellen, welches Gott vergessen hatte, um seine Zuflucht bei der Welt zu suchen, und welches für sich selbst lebte und sich so im Götzendienst verlor. Die weiter unten stehende Tabelle fasst diese Bilder zusammen, indem es deren moralische Bedeutung für uns unterstreicht. Mögen wir die Kraft dieser Ausdrücke auf uns einwirken lassen und Gott bitten, uns vor diesen verschiedenen Gefahren zu bewahren oder uns daraus zu befreien, sofern wir uns schon in die eine oder andere von ihnen haben verstricken lassen.
Verwerfung der Autorität Gottes im politischen und religiösen Bereich
„Die Posaune an deinen Mund! Wie ein Adler stürzt er auf das Haus des HERRN, weil sie meinen Bund übertreten und gegen mein Gesetz gefrevelt haben. Sie werden zu mir schreien: Mein Gott, wir kennen dich, wir, Israel! – Israel hat das Gute verworfen: Der Feind verfolge es! Sie haben Könige gemacht, aber nicht von mir aus; sie haben Fürsten eingesetzt, und ich wusste es nicht. Von ihrem Silber und von ihrem Gold haben sie sich Götzenbilder gemacht, damit es vernichtet werde. Er hat dein Kalb verworfen, Samaria; mein Zorn ist gegen sie entbrannt. Bis wann sind sie zur Reinheit unfähig? Denn auch dies ist von Israel; ein Künstler hat es gemacht, und es ist kein Gott, denn das Kalb Samarias wird zu Stücken werden. Denn Wind säen sie, und Sturm ernten sie; Halme hat es nicht, das Ausgesprosste bringt kein Mehl; wenn es auch Mehl brächte, so würden Fremde es verschlingen.
Israel ist verschlungen; nun sind sie unter den Nationen wie ein Gefäß geworden, an dem man kein Gefallen hat“ (8,1-8).
Im Verlauf seines ganzen Buches hatte sich Hosea gegen die Sünde Israels mit allen Mitteln aufgelehnt (Flehen, Warnungen). Er versucht das Volk daran zu hindern, in die Grube der Zerstörung zu fallen. Hier (in Kap. 8,1) benutzt der Prophet dieselben Ausdrücke wie der Herr, als er das Gericht in der Vollendung des Zeitalters ankündigt (Mt 24,28.31): Der Posaunenschall und der Adler, der auf seine Beute hinabstürzt. Das Gericht ist ausgerufen über das „Haus des HERRN“, welches die zehn Stämme, also Ephraim, darstellt. Das Volk wird hier also in seinem Charakter des Hauses Gottes auf der Erde gesehen, zumindest äußerlich. Heute ist die Christenheit dieses große Haus, in der Gott zuerst sein Gericht ausüben wird (1. Pet 4,17).
Wäre Israel treu gewesen, so wäre Gott sein einziger König gewesen. Stattdessen hatte das Volk sich selbst Könige und Fürsten gemacht – jedoch nicht vom HERRN aus, was soweit ging, dass es sich sogar vor ihm verbarg (Kap. 8,4). Diese Verwerfung der Autorität Gottes war Untreue in besonders schwerem Ausmaß. Zur Zeit Hoseas entstammten die Könige nicht mehr dem königlichen Geschlecht und waren daher nicht nach göttlicher Ordnung eingesetzt. Außerdem verließ Israel Gott durch die Einrichtung eines heidnischen Kultes. Jerobeam I. hatte ein goldenes Kalb in Bethel und ein weiteres in Dan aufgerichtet, um durch den Götzendienst die politische Einheit des Reiches der zehn Stämme zu besiegeln (1. Kön 12,28.29).
Unter diesem doppelten Gesichtspunkt betrachtet (politisch und religiös) hatte das Volk also „Wind gesät“ (Kap. 8,7). Als gerechte Vergeltung musste es nun den „Sturm ernten“ und Gott erklärt: „Mein Zorn ist gegen sie entbrannt.“
Der Assyrer würde wie ein Adler auf Israel herabstürzen und dessen Götzen würden zerstört werden, besonders die Kälber Samarias. Die Ernte in Israel würde also vielmehr ein Gericht der Zerstörung sein als ein Ertrag, und keine Frucht würde für Gott daraus hervorgehen. Der Halm wäre ohne Ertrag, und selbst wenn Mehl daraus hervorginge, so würden Fremde es verschlingen. Israel selbst war verschlungen; es war ein leeres Gefäß geworden, welches dem keine Freude bringt, der es besitzt (Kap. 8,7.8). Welch ein Unterschied zu dem Sohn Gottes, an dem der Vater all sein Wohlgefallen fand, weil er stets das ihm Wohlgefällige tat (Mt 3,17; 17,5; Joh 8,29)! Dennoch bleibt Gott in seiner Gnade nicht an diesem Punkt mit seinem Volk stehen, sondern er wirkt, um es Frucht bringen zu lassen (Kap. 14,8).
Zuflucht suchen in der Welt
„Denn sie sind nach Assyrien hinaufgezogen. Der Wildesel bleibt für sich allein, aber Ephraim hat Liebhaber angeworben. Ob sie auch unter den Nationen anwerben: nun will ich sie sammeln; und sie werden anfangen, sich zu vermindern wegen der Last des Königs der Fürsten“ (8,9-10).
Ephraim hatte Gott aufgegeben, um seine Zuflucht bei den Nationen – insbesondere in Assyrien – zu suchen. Menachem hatte einen Bund mit Pul, dem König von Assyrien unterzeichnet (2. Kön 15,19). Israel wird mit einem freiheitsliebenden Wildesel verglichen, den niemand zähmen kann. Wenn der Christ in seinem praktischen Leben nicht das leichte Joch seines Retters auf sich nimmt und seine Zuflucht in der Welt sucht, so verliert er seine christliche Freiheit und gibt sich der Sklaverei der Menschen preis, fern von jedem göttlichen Segen.
Israel hatte die „Wasser von Siloah verachtet, die still fließen“. Gott würde also „die Wasser des Stromes, die mächtigen und großen, den König von Assyrien und all seine Herrlichkeit“ über sie heraufkommen lassen (Jes 8,5.7). Um sein Volk zu strafen, würde Gott sich sogar der Nationen bedienen, mit denen Israel einen Bund eingegangen war. So hat Salmaneser, der König von Assyrien, Israel unter der Regierung Hoseas unterdrückt und es schließlich in sein Land verschleppt (2. Kön 17,3.6). Über die Assyrer hinaus könnte der „König der Fürsten“ auch ein Hinweis auf Nebukadnezar sein, welcher eine so wichtige Rolle in den Beziehungen Gottes mit Juda spielen sollte.
Götzendienst
„Denn Ephraim hat die Altäre zur Versündigung vermehrt, und die Altäre sind ihm zur Versündigung geworden. Ich schreibe ihm zehntausend Satzungen meines Gesetzes vor – wie Fremdes werden sie erachtet. Als Schlachtopfer meiner Opfergaben opfern sie Fleisch und essen es; der HERR hat kein Wohlgefallen daran. Nun wird er sich an ihre Ungerechtigkeit erinnern und ihre Sünden heimsuchen: Sie werden nach Ägypten zurückkehren. Und Israel hat den vergessen, der es gemacht hat, und hat Paläste gebaut, und Juda hat die festen Städte vermehrt; aber ich werde ein Feuer in seine Städte senden, das seine Schlösser verzehren wird“ (8,11-14).
Die große Sünde Ephraims war der Götzendienst. Ephraim hatte die Altäre vermehrt und opferte auf ihnen den falschen Göttern, das heißt den Dämonen, und verwarf damit den wahren Gott. Die Auseinandersetzung Gottes mit seinem Volk bezüglich des Götzendienstes findet ihren Höhepunkt in dem göttlichen Ausspruch: „Ich schreibe ihm zehntausend Satzungen meines Gesetzes vor – wie Fremdes werden sie erachtet“ (Kap. 8,12). Die Unterwürfigkeit des Herzens unter Gottes Wort ist die Bedingung jeder Segnung und geht jedem Dienst voraus.
Trotzdem beabsichtigte das götzendienerische Ephraim, den Gottesdienst fortzusetzen (Kap. 8,13). Aber „das Opfer der Gottlosen ist dem HERRN ein Gräuel“ (Spr 15,8). Gott würde Ephraim „nach Ägypten“ zurückkehren lassen (Kap. 8,13; 9,3.6). Der Prophet kündigt damit jedoch das historische Ereignis der Verschleppung Israels nach Assyrien und nicht buchstäblich nach Ägypten an (Kap. 11,5). Diese ägyptische Gefangenschaft ist also symbolisch zu verstehen. Israel hatte seine Zuflucht bei den Nationen gesucht (Ägypten ist darin inbegriffen) und musste so erneut die Knechtschaft kennenlernen, aus der Gott es einst befreit hatte. Jedoch würde dieses moralische Gericht durch das Joch Assyriens ausgeübt werden.
Was Juda angeht, so war es äußerlich treuer als Israel, aber sein Herz hatte sich auch von Gott entfernt (Kap. 6,11; 8,14; 12,1). Schon zur Zeit der Erweckung unter Hiskia und des Angriffs Sanheribs richtete Juda seinen Blick nicht mehr auf Gott, der diese Prüfung zugelassen hatte (Jes 22,11). Später, zur Zeit Josias, vergleicht Gott den Zustand „der treulosen Juda“ mit „der abtrünnigen Israel“ (Jer 3,6.11). Das Gericht Gottes würde sowohl Israel als auch Juda erreichen, jedoch zu unterschiedlichen Zeitpunkten.
Bilder der verschiedenen Sünden des Volkes
Nummer | Symbol | Moralische Bedeutung | Heilmittel |
1 | Hurenweib: Hos 1,2 | Untreue gegenüber Gott | „Bleibt in meiner Liebe“ (Joh 15,9) |
2 | Trunkenheit: Hos 4,18; 7,5 | Verlust der Geistlichkeit | „Werdet mit dem Geist erfüllt“ (Eph 5,19) |
3 | Widerspenstige Kuh: Hos 4,16 | Aufsässigkeit gegenüber Gott | Das Kreuz Christi (Gal 2,20) |
4 | Straßenräuber, Streifschar: Hos 6,9; 7,1 | kollektive Gewalt | Sinnen über das Wort (Ps 1) |
5 | Sauerteig: Hos 7,4 | Aufgeben der Absonderung | Das Böse aus unserem Leben wegtun (Gal 5,9) |
6 | Nicht umgewendeter Kuchen: Hos 7,8 | Heuchelei (der Kuchen hat zwei Seiten) | Sich über seine Schlechtigkeit bewusst werden (Jak 4,9) |
7 | Einfältige Taube: Hos 7,11 | Unbeständigkeit (Wanken zwischen zwei Seiten) | Vertrauen auf Gott |
8 | Trügerischer Bogen: Hos 7,16 | Das Ziel verfehlen | Christus, unser Ziel (Phil 3,14) |
9 | Gefäß, an dem man kein Gefallen hat: Hos 8,8 | Verdorbenheit, Nutzlosigkeit | Sich reinigen und absondern (2. Tim 2,21) |
10 | Wildesel: Hos 8,9 | Störrigkeit, Eigenwille | Das Joch Christi aufnehmen (Mt 11,29) |