Betrachtung über den Propheten Hosea

Kapitel 2,3-25

Die Verheißung zukünftiger Segnungen: Kap. 2,3–25

Das verworfene Volk wird von einem Überrest aus seiner Mitte verklagt

„Sprecht zu euren Brüdern: „Mein Volk“, und zu euren Schwestern: „Begnadigte“.

Rechtet mit eurer Mutter, rechtet – denn sie ist nicht meine Frau, und ich bin nicht ihr Mann –, damit sie ihre Hurerei von ihrem Angesicht wegtue und ihren Ehebruch zwischen ihren Brüsten weg, damit ich sie nicht nackt ausziehe und sie hinstelle wie an dem Tag, als sie geboren wurde, und ich sie der Wüste gleich mache und sie setze wie ein dürres Land und sie sterben lasse vor Durst. – Und über ihre Kinder werde ich mich nicht erbarmen, weil sie Hurenkinder sind. Denn ihre Mutter hat gehurt, ihre Gebärerin hat Schande getrieben; denn sie sprach: Ich will meinen Liebhabern nachgehen, die mir mein Brot und mein Wasser geben, meine Wolle und meinen Flachs, mein Öl und mein Getränk.

Darum siehe, ich will deinen Weg mit Dornen verzäunen, und ich will ihr eine Mauer errichten, dass sie ihre Pfade nicht finden soll. Und sie wird ihren Liebhabern nachlaufen und sie nicht erreichen, und sie wird sie suchen und nicht finden; und sie wird sagen: Ich will hingehen und zu meinem ersten Mann zurückkehren, denn damals ging es mir besser als jetzt. Und sie erkannte nicht, dass ich ihr das Korn und den Most und das Öl gab und ihr Silber und Gold mehrte, das sie für den Baal verwendet haben. Darum werde ich mein Korn zurücknehmen zu seiner Zeit und meinen Most zu seiner bestimmten Zeit und werde ihr meine Wolle und meinen Flachs entreißen, die ihre Blöße bedecken sollten. Und nun werde ich ihre Schande aufdecken vor den Augen ihrer Liebhaber, und niemand wird sie aus meiner Hand erretten. Und ich werde all ihrer Freude, ihren Festen, ihren Neumonden und ihren Sabbaten und allen ihren Festzeiten ein Ende machen. Und ich werde ihren Weinstock und ihren Feigenbaum verwüsten, von denen sie sprach: Diese sind mein Lohn, den mir meine Liebhaber gegeben haben. Und ich werde sie zu einem Wald machen, und die Tiere des Feldes werden sie abfressen. Und ich werde an ihr die Tage der Baalim heimsuchen, an denen sie ihnen räucherte und sich mit ihren Ohrringen und ihrem Halsgeschmeide schmückte und ihren Liebhabern nachging; mich aber hat sie vergessen, spricht der HERR“ (2,3-15).

Mitten aus der schuldigen, sich unter dem doppelten Urteil des Gerichts 1 befindlichen Nation, gefällt es Gott in seiner Souveränität, einen Überrest für sein Herz anzuerkennen und ihm Barmherzigkeit zu erweisen (V.3). „Hat Gott etwa sein Volk verlassen?“ Keineswegs, denn es besteht ein „Überrest nach der Auswahl der Gnade“ (Röm 11,1.5).

Diese bei Gott anerkannten Treuen sind sich seiner Gunst bewusst und werden dazu aufgefordert, ihre Mutter, Israel, zu verklagen (Kap. 2,4). Diese hatte in ihrer Ergebenheit gegenüber dem Götzendienst ihre Beziehung mit Gott völlig vergessen: Ihr Zustand war der geistlicher Hurerei. Gott richtet sich hier durch den Mund treu gebliebener Kinder inmitten des Volkes an die gesamte Nation. Als geistliche Söhne des Propheten entstammten sie sozusagen aus Gott und konnten im Geist der Prophetie reden.

Würde der Aufruf zur Buße unbeachtet gelassen werden (und das wurde er in der Tat), so würde das Gericht über die Nation (Kap. 2,5) und über ihre Kinder kommen, welche den gleichen Charakter der Untreue trugen wie sie (Kap. 2,6).

Die Parallele zum Gericht über die untreue Christenheit und ihre Kinder ist sehr ernst: Die Hure wird öde und nackt gemacht werden (Off 17,16) und Gott wird die Kinder Isebels mit Tod töten (Off 2,23).

Das Betragen der Nation Israels, die als untreue Frau gegenüber Gott gesehen wird, welcher sich mit ihr vermählt hatte, war die Folge einer vorsätzlich gewählten Unabhängigkeit (Kap. 2,7). Dies ist genau das Gegenteil von dem, was Gott von einer verheirateten Frau gegenüber ihrem Ehemann erwartet (Eph 5,24). Anstatt die Liebe Gottes anzuerkennen, die sie mit allen irdischen Segnungen (Brot, Wasser, Wolle, Flachs, Öl und Getränk) überhäuft hatte, schrieb das untreue Volk diese Gaben seinen falschen Göttern (ihren „Liebhabern“) zu.  Erst wenn die göttliche Quelle versiegt wäre (Kap. 2,11), würde die Nation Israel gezwungen sein, den wahren Ursprung der Segnungen anzuerkennen. Aber es kam noch schlimmer: Gott hatte sein Volk mit Reichtum (Silber und Gold) gesegnet; dieser wurde dem Baal geopfert, einem falschen Gott und grausamen Herrn.

Das der irdischen Gütern entledigte Israel wird nun vor den Augen der anderen Nationen gedemütigt (Kap. 2,12) und zur Beute seiner Feinde, welche in den „Tieren des Feldes“ (Kap. 2,14) vorgebildet werden. Sogar die Vorrechte des Gottesdienstes (die Feste und Festzeiten) werden ihm genommen (Kap. 2,13). Die Reaktion des untreuen Volkes ist typisch für eine unaufrichtige Umkehr zu Gott: „Ich will hingehen und zu meinem ersten Mann zurückkehren“ (Kap. 2,9). Das Verfolgen der Trugbilder dieser Welt bringt nur Entmutigung hervor und wiegt die Menschen durch eine an äußere Formen gebundene Religion in falscher Sicherheit.

Schließlich hielt Gott sein Volk auf seinem Weg der Unabhängigkeit auf und richtete dessen Götzendienst. Israel hatte den HERRN vergessen, während es den Baalim diente (Kap. 2,15).

Die Buße

„Darum siehe, ich werde sie locken und sie in die Wüste führen und zu ihrem Herzen reden; und ich werde ihr von dort aus ihre Weinberge geben und das Tal Achor zu einer Tür der Hoffnung. Und sie wird dort singen wie in den Tagen ihrer Jugend und wie an dem Tag, als sie aus dem Land Ägypten heraufzog. Und es wird geschehen an jenem Tag, spricht der HERR, da wirst du mich nennen: Mein Mann; und du wirst mich nicht mehr nennen: Mein Baal. Und ich werde die Namen der Baalim aus ihrem Mund wegtun, und sie werden nicht mehr mit ihrem Namen erwähnt werden“ (2,16-19).

Um die Nation zu sich zurückzuführen, würde Gott sie in die Wüste führen und zu ihrem Herzen reden. In diesem „unbesäten Land“ wurde einst der Brautstand zwischen Israel und dem HERRN gefeiert (Jer 2,1-3). Beim Auszug aus Ägypten kannte das Volk die Frische der ersten Liebe seinem Erlöser gegenüber. Jedoch hatte Israel Gott schnell für die Götzen aufgegeben (Amos 5,25.26; Apg 7,42.43). Es hatte die Herrschaft der Baalim  (Herren) über sich anerkannt: „HERR, unser Gott, über uns haben Herren geherrscht außer dir“ (Jes 26,13).

Mit dem HERRN allein in der Wüste würde Israel nun seine Sünde bekennen. Gott würde sein Volk in der Gemeinschaft und der Freude mit ihm wiederherstellen, was durch den Weinberg symbolisiert wird. Einst durch das Gericht zerstört (Kap. 2,14) würde dieser Weinberg als Segen an Israel zurückgegeben werden. Die Hoffnungstür, die den Zugang zu den göttlichen Segnungen öffnet, ist gewiss das Tal Achor (Tal der Trübsal), wo die Sünde Achans zu Beginn der Eroberung des Landes gerichtet wurde (Jos 7,19-26). Der Ort, an dem Gott einst die Sünde des Volkes nach dem Prinzip der Verantwortlichkeit strafte, wurde dem Prinzip der Gnade gemäß das Eingangstor zum Segen. Dieser Wechsel ist für uns von besonderem Interesse. Ein Überrest des Volkes findet die Zuneigung seiner Jugend wieder, die Israel bei seinem Auszug aus Ägypten gekannt hatte. Im selben Zug ändern sich die Beziehungen des HERRN zu seinem Volk. Ohne aufzuhören, ihr Herr zu sein (Mal 1,6), offenbart Gott sich Israel gegenüber als „ihr Mann“. Die Sklaverei des Götzendienstes ist nun abgeschafft und für immer vergessen.

Der tausendjährige Segen

„Und ich werde an jenem Tag einen Bund für sie schließen mit den Tieren des Feldes und mit den Vögeln des Himmels und mit den kriechenden Tieren der Erde; und ich werde Bogen und Schwert und den Krieg aus dem Land zerbrechen und werde sie in Sicherheit wohnen lassen. Und ich will dich mir verloben in Ewigkeit, und ich will dich mir verloben in Gerechtigkeit und in Gericht und in Güte und in Barmherzigkeit, und ich will dich mir verloben in Treue; und du wirst den HERRN erkennen. Und es wird geschehen an jenem Tag, da werde ich erhören, spricht der HERR: Ich werde den Himmel erhören, und dieser wird die Erde erhören; und die Erde wird das Korn und den Most und das Öl erhören; und sie, sie werden Jisreel erhören. Und ich will sie mir säen im Land und will mich über Lo-Ruchama erbarmen. Und ich will zu Lo-Ammi sagen: „Du bist mein Volk“; und es wird sagen: „Mein Gott““ (2,20-25).

Nach dem notwendigen Werk der Buße und Umkehr zu Gott eröffnet sich dem wieder aufgerichteten Volk Israel nun der Bereich des tausendjährigen Segens. Gott hält das Wirken der Mittel zu seinem Gericht (Tiere des Feldes, Raubvögel und giftige Schlangen) zurück und zerbricht die Kriegsgeräte (Bogen und Schwert). Sein Volk lässt sich „an jenem Tag“ (Kap. 2,20.23), dem Tag des Segens, endlich in Frieden nieder.

Die Beziehungen zwischen dem HERRN und Israel werden einem neuen Verlöbnis verglichen, einem Verlöbnis „in Ewigkeit“ (Kap. 2,21). Es handelt sich um die durch das Blut Christi am Kreuz besiegelten Vorrechte des „neuen Bundes“ (Jer 31,31.32; Mt 26,28). Gerechtigkeit und Gericht, die Fundamente des Thrones Gottes, sind nun vereint, um das Volk zu segnen (Ps 89,15; 94,15). Güte und Wahrheit, die sich am Kreuz Christi begegnet sind (Ps 85,11), vereinen sich, um ein glückliches Volk zu segnen, welches den HERRN kennt. Die Harmonie zwischen Himmel und Erde ist vollkommen und die Schöpfung ist von der Knechtschaft des Verderbens befreit (Röm 8,21). Israel als Saat Gottes wird durch Gott selbst in dem den Vätern (insbesondere Abraham) verheißenen Land gesät (dies ist die Bedeutung von Jisreel).

Gott kann „Lo-Ruchama“ gegenüber nun Barmherzigkeit erweisen und zu „Lo-Ammi“ sagen: „Du bist mein Volk“ (Kap. 2,25). Die von den Aposteln Paulus und Petrus angeführten Zitate dieser Passage in Römer 9,25 und 1. Petrus 2,10 machen deutlich, dass sie sich auf Israel bezieht, während die Verheißung, mit der das zweite Kapitel beginnt,  den zukünftigen Segen der Nationen ankündigte.

Mit dem Apostel Paulus können wir ausrufen: „O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes!“ (Röm 11,33).

Fußnoten

  • 1 1.“Lo-Ruchama“: Das Volk ist nicht länger Gegenstand der Erbarmungen Gottes; 2. „Lo-Ammi“: Das Volk ist nicht länger das Volk Gottes.
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