Betrachtung über Johannes (Synopsis)

Kapitel 2

Betrachtung über Johannes (Synopsis)

Die beiden Zeugnisse, die in dieser Welt für Christum abgelegt werden sollten, und die beide die Sammlung um Ihn als Mittelpunkt bezweckten, waren abgelegt worden, nämlich das Zeugnis des Johannes und dasjenige des Herrn, der in Galiläa mit dem Überrest Seinen Platz einnahm – die beiden Tage der Wege Gottes mit Israel hienieden 1. Den dritten Tag finden wir in Kapitel 2. In Galiläa findet eine Hochzeit statt. Jesus ist dort, und das Wasser der Reinigung wird in den Wein der Freude für das Hochzeitsfest verwandelt. Danach reinigt Jesus in Jerusalem den Tempel Gottes mit Autorität, indem Er Gericht übt über alle, die denselben entwerten. Das sind dem Grundsatze nach die beiden Dinge, die die Stellung des Herrn im Tausendjährigen Reiche kennzeichnen. Allerdings fanden diese Ereignisse geschichtlich statt; allein hier und in dieser Weise eingeführt, haben sie augenscheinlich eine weiter reichende Bedeutung. Überdies, warum ist von einem dritten Tage die Rede? Der dritte Tag nach was? Zwei Tage des Zeugnisses – desjenigen von Johannes und desjenigen von Jesu – waren bereits verflossen, und jetzt werden die Segnung und das Gericht erfüllt. Der Überrest hatte seinen Platz in Galiläa. Diese Gegend war nach Jes 9 der Ort der Segnung, so wie Jerusalem derjenige des Gerichts. Am Feste kannte Jesus Seine Mutter nicht. Das Verhältnis, in dem Er zu ihr stand, charakterisierte das Band Seines natürlichen Verhältnisses zu Israel, das Seine Mutter war, wenn wir Ihn als unter dem Gesetz geboren betrachten. Er trennt Sich von ihr, um die Segnung zu erfüllen. Es geschieht dies daher für den Augenblick nur als Zeugnis in Galiläa. Erst bei Seiner Wiederkunft wird der gute Wein für Israel sein, d. h. wahre Segnung und Freude am Ende. Nichtsdestoweniger bleibt der Herr noch bei Seiner Mutter, die Er hinsichtlich Seines Werkes nicht anerkannte. Dasselbe war in Betreff Seiner Verbindung mit Israel der Fall.

Hernach stellt Er Sich, indem Er die Juden richtet und in gerichtlicher Weise den Tempel reinigt, als der Sohn Gottes dar. Der Tempel ist das Haus Seines Vaters. Der Beweis, den Er hierfür erbringt, ist Seine Auferstehung nach Seiner Verwerfung und Kreuzigung durch die Juden. Überdies war Er nicht nur der Sohn. Gott war gegenwärtig in Ihm und nicht im Tempel. Jenes durch Herodes erbaute Haus war leer; der Leib Jesu war jetzt der wahre Tempel. Durch Seine Auferstehung versiegelt, hatten die Schriften und das Wort Jesu eine göttliche Autorität für die Jünger, indem sie, der Absicht des Geistes Gottes gemäß, von Ihm redeten. Mit V. 22 schließt diese Unterabteilung des Evangeliums.

Die durch den Herrn verrichteten Wunder überzeugten viele nach ihrem natürlichen Verständnis. Ohne Zweifel meinten sie es aufrichtig; allein es enthüllte sich jetzt eine andere Wahrheit. der Mensch in seinem natürlichen Zustande war wirklich unfähig 2, die Dinge Gottes aufzunehmen. Nicht dass das Zeugnis ungenügend gewesen wäre, ihn zu überführen, oder dass er nie überführt worden wäre – im Gegenteil waren zu jener Zeit viele überführt; aber Jesus vertraute Sich ihnen nicht an, denn Er wusste, was in dem Menschen war. Wiewohl überführt, waren doch weder der Wille noch die Natur des Menschen verändert. Sobald der Augenblick der Probe kam, zeigte er sich, wie er war, als entfremdet von Gott ja, selbst als ein Feind Gottes. – Ein trauriges, aber nur zu wahres Zeugnis! Das Leben und der Tod Jesu sind der Beweis davon. Jesus wusste es, als Er Sein Werk begann; indes ist Seine Liebe nicht dadurch erkaltet, denn die Kraft dieser Liebe lag in ihr selbst.

Fußnoten

  • 1 Beachten wir hier, dass Jesus den Platz jenes Mittelpunktes, um den die Seelen gesammelt werden sollten, einnimmt - ein höchst wichtiger Grundsatz. Kein anderer konnte diesen Platz innehaben; es war ein göttlicher Platz. Die Welt war ganz und gar verkehrt, ohne Gott; und ein neues Sammeln aus ihrer Mitte heraus musste stattfinden. Zweitens deutet der Herr den Pfad an, auf dem der Mensch zu wandeln hatte: „Folge mir!“ Adam im Paradiese bedurfte keines Pfades. Christus gibt einen göttlich geordneten Pfad in einer Welt, die keinen richtigen Pfad darzubieten vermochte; denn ihr ganzer Zustand war die Frucht der Sünde. Drittens offenbart Christus in Seiner Person den Menschen als das glorreiche Haupt über alles, dem die höchsten Geschöpfe dienen.
  • 2 Beachten wir, dass hier der Zustand des Menschen völlig geoffenbart wird. Indem der Mensch voraussetzt, äußerlich nach dem Gesetz gerecht zu sein und, gemäß einer aufrichtigen, natürlichen Überzeugung an Jesum zu glauben, bekleidet er sich damit um vor sich selbst zu verbergen, was er wer wirklich ist. Er kennt sich durchaus nicht; was er ist, bleibt unberührt; und er ist ein Sünder. Doch dies führt uns zu einer anderen Bemerkung. Seit dem Paradiese gibt es zwei große Grundsätze: Verantwortlichkeit und Leben. Nie kann der Mensch dieselben voneinander trennen, bis er erkennt, dass er verloren ist und dass nichts Gutes in ihm wohnt. Dann ist er glücklich zu wissen, dass es eine Quelle des Lebens und der Vergebung gibt, die außer ihm liegt. Und dies ist es, was uns hier gezeigt wird. Ein neues Leben muss vorhanden sein; Jesus unterweist nicht eine Natur, die nichts als Sünde ist. Jene beiden Grundsätze ziehen sich in einer bemerkenswerten Weise durch die ganze Schrift. Im Paradiese zunächst finden wir, wie schon erwähnt, die Verantwortlichkeit und das Leben in Macht. Der Mensch nahm von einem Baume, indem er in seiner Verantwortlichkeit fehlte, und verwirkte so das Leben. Das Gesetz reichte dann, als Gutes und Böses gekannt waren, das Mittel der Verantwortlichkeit dar und verhieß das Leben auf Grund der Erfüllung dessen, was es forderte, indem so der Verantwortlichkeit Genüge geschah. Christus kommt, entspricht dem Bedürfnis des Menschen, der in seiner Verantwortlichkeit gefehlt hat, und ist und gibt das ewige Leben. So und nur so kann die Frage beantwortet und können die beiden Grundsätze miteinander versöhnt werden. Außerdem sind zwei Dinge in Christo dargestellt, um Gott zu offenbaren. Er kennt den Menschen und alle Menschen. Welch eine Kenntnis in dieser Welt! Ein Prophet kennt das, was ihm geoffenbart ist; er hat in diesem Falle eine göttliche Kenntnis. Aber Jesus kennt alle Menschen in einer absoluten, unumschränkten Weise. Er ist Gott. Hat Er aber einmal das Leben in Gnade eingeführt, so redet Er von etwas anderem: Er redet was Er weiß, und zeugt von dem, was Er gesehen hat. Er kennt Gott, Seinen Vater, im Himmel. Er ist der Sohn des Menschen, der im Himmel ist. Er kennt den Menschen in göttlicher Weise, aber auch Gott und alle Seine Herrlichkeit kennt Er ebenso. Welch ein herrliches, Gemälde, oder vielmehr welch eine herrliche Offenbarung von dem, was Jesus für uns ist! Denn es ist hier als Mensch, dass Er uns dieses sagt; und Er wird auch, damit wir Zugang dazu haben und uns dessen erfreuen können, das Opfer für die Sünde, gemäß der ewigen Liebe Gottes, Seines Vaters.
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