Betrachtung über Matthäus (Synopsis)

Kapitel 16

Betrachtung über Matthäus (Synopsis)

Dieses Kapitel geht über die Offenbarung der einfachen Gnade Gottes hinaus. Jesus teilt mit, was nach den Ratschlüssen dieser Gnade da, wo Er anerkannt wurde, geschaffen werden sollte, indem Er zeigt, dass Er die Stolzen verwarf, wie sie Ihn verabscheuten (Sach 11). Infolge der Verkehrtheit ihres Willens blind für die wunderbaren und gesegneten Zeichen seiner Macht, die Er ununterbrochen den Ihn suchenden Armen gewährte, begehren die nach Herz und Willen ungläubigen Pharisäer und Sadducäer, getroffen durch diese Kundgebungen, ein Zeichen vom Himmel. Der Herr wirft ihnen ihren Unglauben vor, indem Er ihnen zeigt, dass sie die Wetterzeichen zu beurteilen wussten; und doch waren die Zeichen der Zeit noch viel auffallender. Sie waren das böse und ehebrecherische Geschlecht, und Er verließ sie, ein bezeichnender Ausdruck von dem, was jetzt in Israel vor sich ging. Er warnt seine vergesslichen Jünger vor den Ränken dieser schlauen Widersacher der Wahrheit und Dessen, den Gott zur Kundmachung der Wahrheit gesandt hatte (V 5–12). Israel ist, als Nation, in den Personen seiner Leiter aufgegeben. Zugleich ruft der Herr in langmütiger Gnade seinen Jüngern die Bedeutung seiner Worte an sie ins Gedächtnis zurück.

Hernach fragt Jesus seine Jünger, was die Menschen im Allgemeinen von Ihm sagten (V. 13 u. f.). Alle ihre Gedanken waren nur Meinungen, nicht Glaube, und verrieten eine Ungewissheit, die der inneren Gleichgültigkeit entspringt sowie dem Nichtvorhandensein jenes bewussten Bedürfnisses der Seele, das nur in der Wahrheit, in dem gefundenen Heiland, Seine Befriedigung finden kann. Dann fragt Er seine Jünger, was sie selbst von Ihm sagten. Petrus, den der Vater gewürdigt hatte, eine Offenbarung über Christus zu empfangen, bekennt seinen Glauben, indem er sagt: „Du bist der Christus, der Sohn des lebendigen Gottes.“ Da ist keine Ungewissheit, keine bloße Meinung, sondern die mächtige Wirkung der Offenbarung, die der Vater selbst über die Person Christi dem Jünger gegeben, den Er zu diesem Vorrecht auserwählt hatte.

Hier tritt auf eine bemerkenswerte Weise der Zustand des Volkes hervor, nicht hinsichtlich des Gesetzes, wie im vorigen Kapitel, sondern hinsichtlich Christi, der dem Volk vorgestellt worden war, und im Gegensatz zu der Offenbarung seiner Herrlichkeit an jene, die Ihm nachfolgten. Wir haben hier also drei Klassen: erstens hochmütige, ungläubige Pharisäer; dann Personen, die sich bewusst waren und anerkannten, dass in Christus göttliche Kraft und Autorität vorhanden waren, die aber trotzdem gleichgültig blieben; und schließlich die Offenbarung Gottes und ein von Gott gegebener Glaube.

Im 15. Kapitel wird die Gnade für eine Frau, das außer sich keine Hoffnung hatte, in Gegensatz gebracht zu dem Ungehorsam und der heuchlerischen Verdrehung des Gesetzes, durch welche die Schriftgelehrten und Pharisäer unter dem Schein von Frömmigkeit ihren Ungehorsam zu verdecken suchten.

Das 16. Kapitel führt, indem es den Unglauben der Pharisäer betreffs der Person Christi verurteilt und diese verkehrten Menschen beiseite setzt, die Offenbarung seiner Person als die Grundlage der Versammlung ein, welche den Platz der Juden als Zeugin Gottes auf der Erde einnehmen sollte, verkündigt dann die Ratschlüsse Gottes in Bezug auf die Gründung dieser Versammlung, und zeigt uns, als Zusatz, die Verwaltung des Reiches, wie es jetzt aufgerichtet werden sollte.

Betrachten wir zunächst die Offenbarung der Person Christi. Petrus bekennt Ihn als den Christus, als die Erfüllung der Verheißungen Gottes und der Weissagungen, die die Verwirklichung jener angekündigt hatten. Er war Der, welcher kommen sollte, der von Gott verheißene Messias.

Überdies war Er der Sohn Gottes. Psalm 2 hatte angekündigt, dass, trotz der Verschwörungen der Obersten des Volkes und der stolzen Feindschaft der Könige der Erde, Gottes König auf dem Berg Zion gesalbt werden sollte; Er war der Sohn, von Gott gezeugt. Die Könige und Richter der Erde waren 1 angewiesen, sich Ihm zu unterwerfen, um nicht von dem Zepter seiner Macht zerschmettert zu werden, wenn Er einmal die Nationen zu seinem Erbteil nehmen wird. So erwartete der wahre Gläubige den Sohn Gottes, der zur bestimmten Zeit auf dieser Erde geboren wurde; und Petrus bekannte Jesum als Sohn Gottes. So auch Nathanael: „Du bist der Sohn Gottes, du bist der König Israels!“ (Joh 1,49) und noch später Martha: „Ja, Herr, ich glaube, dass du der Christus bist, der Sohn Gottes, der in die Welt kommt“ (Joh 11,27).

Petrus, vom Vater besonders unterwiesen, fügt indes seinem Bekenntnis ein einfaches, aber machtvolles Wort hinzu: „Du bist der Sohn des lebendigen Gottes!“ Jesus ist nicht nur Der, der die Verheißungen erfüllt und den Weissagungen entspricht; Er ist der Sohn des lebendigen Gottes, der Sohn Dessen, in welchem Leben und lebengebende Kraft ist. Er ist der Erbe dieser Kraft des Lebens in Gott, die nichts zu besiegen noch zu zerstören vermag. Denn wer konnte die Macht dieses Sohnes überwältigen, der entsprossen ist aus Dem, „der da lebt“?

Satan hat die Gewalt des Todes; er ist es, der den Menschen unter der Herrschaft dieser schrecklichen Folge der Sünde gefangen hält, und zwar nach dem gerechten Gericht Gottes, das dem Tod seine Kraft gibt. Der Ausdruck in Vers 18: „die Pforten des Hades“, der unsichtbaren Welt, bezieht sich auf dieses Reich Satans.

Auf die Macht also, die dieses Bollwerk des Feindes aller Kraft beraubt, ist die Versammlung gebaut. Das Leben Gottes wird nicht zerstört, der Sohn des lebendigen Gottes nicht besiegt werden. Darum wird auch das, was Gott auf diesen Felsen der unwandelbaren Kraft des Lebens in seinem Sohn gründet, nicht durch das Reich des Todes überwältigt werden. Ist auch der Mensch besiegt worden und unter die Gewalt dieses Reiches gefallen, Gott, der lebendige Gott, wird nicht durch sie besiegt werden. Auf diesen Grund baut Christus seine Versammlung; sie ist das Werk Christi, auf Ihn als Sohn des lebendigen Gottes gegründet, und nicht das Werk des ersten Adam, noch auf ihn gegründet; sie ist sein Werk, vollendet nach der Kraft, die diese Wahrheit offenbart. Die Person Jesu, des Sohnes des lebendigen Gottes, ist ihre Kraft, und diese ist bewiesen durch die Auferstehung. Dort ist Er „als Sohn Gottes in Kraft erwiesen“ worden (Röm 1,4). Demzufolge beginnt Jesus dieses Werk nicht während seines Lebens, sondern erst nach seiner Auferstehung. Das Leben war in Ihm; aber erst nachdem der Vater oder vielmehr Er selbst, in seiner göttlichen Kraft, die Pforten des Hades zerbrochen hatte und auferstanden und in den Himmel gefahren war, begann Er durch den Heiligen Geist das zu bauen, was die schon besiegte Gewalt des Todes oder dessen, der sie handhabte, nimmer zerstören kann. Es handelt sich hier um seine Person, und auf seine Person ist alles gegründet. Die Auferstehung ist der Beweis, dass Er der Sohn des lebendigen Gottes ist, und dass die Pforten des Hades nichts gegen Ihn vermögen; ihre Gewalt ist durch die Auferstehung zerstört worden. Hieraus ersehen wir, dass die Versammlung, obwohl auf Erden gebildet, weit mehr ist als ein Haushalt, eine Verwaltung, was von dem Reich nicht gesagt werden kann.

Das Werk des Kreuzes war notwendig; aber in unserer Stelle handelt es sich nicht um das, was das gerechte Gericht Gottes erheischte, noch um die Rechtfertigung einzelner Personen, sondern um das, was die Macht des Feindes vernichtete. Es war Petrus gegeben, die Person Dessen zu erkennen, der nach der Kraft des Lebens Gottes lebte; und er besaß diese Erkenntnis durch eine besondere und unmittelbare Offenbarung vom Himmel, von Seiten des Vaters. Ohne Zweifel hatte Christus zur Genüge bewiesen, wer Er war; aber Beweise hatten dem Herzen des Menschen nichts bewiesen. Die Offenbarung von Seiten des Vaters war der Weg, auf dem man erkennen konnte, wer Er war; und dies ging weit über die Hoffnungen auf einen Messias hinaus.

Hier hatte also der Vater in unmittelbarer Weise die Wahrheit betreffs der Person Christi offenbart, und diese Offenbarung ging über jede Frage hinsichtlich der Beziehungen zu den Juden hinaus. Auf diesen Grund wollte Christus seine Versammlung bauen. Petrus (vom Herrn bereits so genannt, wie wir das auch in Mk 3,16 u. Joh 1,42 sehen) empfängt bei dieser Gelegenheit eine Bestätigung dieses Titels. Der Vater hatte Simon, dem Sohn Jonas, das Geheimnis der Person Jesu offenbart; und Jesus bezeichnet Seinerseits durch den Namen, den Er ihm gibt, die Festigkeit, die Standhaftigkeit, die Dauerhaftigkeit und die praktische Kraft seines durch die Gnade bevorzugten Dieners.

Das Recht, einen Namen zu geben, steht einem Höheren zu, der dem Empfänger des Namens seinen Platz und seinen Namen in der Familie oder in der Stellung, in der er sich befindet, bestimmen kann. Dieses Recht setzt, wo es wirklich vorhanden ist, Unterscheidungsvermögen und Einsicht in das voraus, um was es sich handelt. Adam gibt den Tieren Namen (1. Mo 2,19–20); Nebukadnezar gibt den gefangenen Juden neue Namen (Dan 1,7); der König von Ägypten dem Eljakim, den er auf den Thron gesetzt hatte (2. Kön 23,34). Jesus nimmt daher diesen Platz ein, wenn Er zu Petrus sagt: der Vater hat dir dieses offenbart, und auch Ich gebe dir einen Platz und einen Namen, der mit dieser Gunst des Vaters in Verbindung steht. Auf das dir vom Vater Geoffenbarte will ich meine Versammlung 2 bauen, welche (weil gegründet auf dieses von Gott kommende Leben) durch die Pforten des Reiches des Todes nimmer überwältigt werden wird. Und ich, der ich baue, und zwar auf diese unerschütterliche Grundlage baue, gebe dir den Platz eines Steines (Petrus) in Verbindung mit diesem lebendigen Tempel. Durch die Gabe Gottes gehörst du schon von Natur zu dem Gebäude, als ein lebendiger Stein, der die Kenntnis der Wahrheit besitzt, welche die Grundlage dieses Gebäudes bildet, und die aus jedem Stein einen Teil desselben macht. – Petrus war in hervorragender Weise durch sein Bekenntnis ein solcher Stein; er war es im Voraus schon durch die Wahl Gottes. Der Vater hatte ihm diese Offenbarung in seiner Unumschränktheit gegeben; der Herr, als Der, der das Recht der Verwaltung und der Autorität in dem Reich, das Er errichten wollte, hat, bestimmt ihm seinen Platz. Das ist es, was uns hinsichtlich der hier zum ersten Male erwähnten Versammlung gesagt wird, nachdem die Juden wegen ihres Unglaubens verworfen sind und der Mensch als ein überführter Sünder dasteht.

In Verbindung mit der Versammlung, die der Herr zu bauen im Begriff stand, tritt hier ein anderer Gegenstand vor unsere Blicke (V. 18), nämlich das Reich, das aufgerichtet werden sollte. Es sollte (und zwar nach den Ratschlüssen Gottes) die Form des Reiches der Himmel tragen. Da aber der König auf der Erde verworfen worden war, musste es in ganz besonderer Art aufgerichtet werden. Aber obwohl verworfen, hatte doch der Herr die Schlüssel des Reiches in seiner Hand; die Autorität über dasselbe gehörte Ihm. Er wollte die Schlüssel dem Petrus anvertrauen, damit dieser, wenn Er, Christus, die Erde verlassen hätte, zunächst den Juden und dann den Heiden die Türen des Reiches öffnen möchte. Auch sollte er in diesem Reich von Seiten des Herrn Autorität ausüben, so dass alles, was er auf Erden im Namen Christi, des wahren, obgleich gen Himmel gefahrenen Königs, binden würde, im Himmel gebunden sein sollte; und wenn er auf Erden etwas lösen würde, so sollte es im Himmel seine Bestätigung finden. Mit einem Wort, Petrus hatte die Autorität, in dem Reich Gottes auf der Erde Anordnungen zu treffen, in dem Reich, das jetzt den Charakter des Reiches der Himmel 3 trug, weil sein König im Himmel war, und der Himmel würde den Handlungen des Petrus den Stempel seiner Autorität aufdrücken. Indes bestätigt der Himmel nur seine irdischen Handlungen, nicht etwa ein Binden oder Lösen seinerseits für den Himmel. Die Versammlung, die mit dem Charakter des Sohnes des lebendigen Gottes in Verbindung steht und durch Christus gebaut wird, gehört, obwohl auf Erden gebildet, dem Himmel an; das Reich dagegen, wenngleich vom Himmel aus regiert, gehört zur Erde – hat seinen Platz und seine Verwaltung hienieden.

Vier Dinge sind es also, die in dieser Stelle durch den Herrn angedeutet werden:

  1. Die Offenbarung des Vaters an Simon.
  2. Der Name, den dieser Simon durch Jesum empfing, der im Begriff stand, seine Versammlung auf den Grund zu bauen, der in der Mitteilung des Vaters an Petrus offenbart war.
  3. Die Versammlung, die, noch nicht vollendet, durch Christum selbst gebaut wird, und zwar auf die Grundlage der Person des als Sohn des lebendigen Gottes anerkannten Jesus, und
  4. Die Schlüssel des Reiches, die dem Petrus gegeben werden sollten, d. h. eine Autorität im Reich, um dieses im Namen Christi zu verwalten und nach seinem Willen darin Anordnungen zu treffen, die im Himmel ihre Bestätigung finden sollten. Alles dieses steht persönlich mit Simon in Verbindung, kraft der Auswahl des Vaters, der ihn in seiner Weisheit ausersehen hatte, diese Offenbarung zu empfangen, und kraft der Autorität Christi, der ihm den Namen erteilte, durch welchen er als der, der sich persönlich dieses Vorrechts erfreute, ausgezeichnet wurde.

Nachdem der Herr in solcher Weise die Absichten Gottes hinsichtlich der Zukunft – Absichten, die sich in der Versammlung und in dem Reich erfüllen sollten – kundgemacht hatte, gab es für seine Darstellung als Messias den Juden gegenüber keinen Raum mehr. Nicht als ob Er das Zeugnis, das Er voll Geduld und Gnade gegen sein Volk während seines ganzen Dienstes abgelegt hatte, nunmehr gänzlich aufgegeben hätte; o nein, es dauerte noch fort. Allein seine Jünger sollten verstehen, dass es nicht mehr ihre Sache war, Jesum dem Volk als den Christus zu verkündigen. „Dann gebot Er seinen Jüngern, dass sie niemand sagten, dass Er der Christus sei“ (V. 20). Von dieser Zeit an begann der Herr auch, seine Jünger zu belehren, dass Er leiden, getötet und wieder auferweckt werden müsse (V. 21 u. f.).

Doch so gesegnet und geehrt Petrus durch die ihm von dem Vater zuteil gewordene Offenbarung auch war, hing sein Herz dennoch in menschlicher Weise an der menschlichen Herrlichkeit seines Herrn und, um die Wahrheit zu sagen, an seiner eigenen; er war noch weit davon entfernt, sich zu der Höhe der Gedanken Gottes zu erheben. Ach, er ist nicht der einzige, dem es so geht; denn von den erhabensten Wahrheiten überzeugt zu sein und sich ihrer sogar als Wahrheiten aufrichtig zu erfreuen, ist etwas anderes, als das Herz für die Gefühle und für einen Wandel hienieden gebildet zu haben, die in Übereinstimmung mit jenen Wahrheiten stehen! Es fehlt dann nicht an Aufrichtigkeit im Genuss der Wahrheit; nein, was mangelt, ist: der Welt gestorben zu sein, das Fleisch, das ich, gekreuzigt zu haben. Wir können uns aufrichtig, als von Gott unterwiesen, der Wahrheit erfreuen, und doch nicht das Fleisch gekreuzigt haben noch uns in einem Herzenszustand befinden, der jener Wahrheit in Bezug auf das, was sie hienieden in sich schließt, entspricht. Petrus – eben erst geehrt durch die Offenbarung der Herrlichkeit Jesu, und in einer ganz besonderen Weise zum Träger der Verwaltung des dem Sohn übergebenen Reiches gemacht, indem er in dem Zustand der Dinge, der auf die Verwerfung des Herrn durch die Juden folgen sollte, einen besonderen Platz einnahm – ja, Petrus tut jetzt das Werk des Widersachers im Blick auf die vollkommene Unterwerfung Jesu unter das Leiden und die Schmach, die diese Herrlichkeit einführen und das Reich kennzeichnen sollten. Ach, die Sache war klar; er sann auf das, was der Menschen, und nicht auf das, was Gottes ist. Aber der Herr in seiner Treue weist Petrus in dieser Sache von sich und belehrt seine Jünger, dass das Kreuz der festgestellte, notwendige und einzige Pfad ist (V. 23. 24). Diesen Pfad ging Jesus, und wer Ihm nachfolgen wollte, musste den nämlichen Pfad gehen. Was hätte es überdies einem Menschen genützt, sein Leben zu retten und alles zu verlieren – die Welt zu gewinnen und seine Seele einzubüßen? Denn um dies, und nicht um die äußere Herrlichkeit des Reiches, handelte es sich jetzt 4.

Nachdem wir so dieses Kapitel betrachtet haben als den Ausdruck des Übergangs von dem messianischen System zu der auf die Offenbarung der Person Christi gegründeten Errichtung der Versammlung, möchte ich noch auf die verschiedenen Charakterzüge des Unglaubens aufmerksam machen, die hier sowohl unter den Juden als auch in den Herzen der Jünger zutage treten. Es wird nicht ohne Nutzen sein, die Formen dieses Unglaubens ein wenig näher zu betrachten.

Zunächst nimmt der Unglaube die gröbere Form der Forderung eines Zeichens vom Himmel an (V. 1). Die Pharisäer und die Sadducäer vereinigten sich, um ihre Gefühllosigkeit gegen alles, was der Herr getan hatte, an den Tag zu legen; sie verlangen einen Beweis für ihre natürlichen Sinne, d. h. für ihren Unglauben. Sie wollen Gott nicht glauben, weder indem sie auf seine Worte lauschen noch auf seine Werke schauen. Gott sollte ihren Eigenwillen befriedigen, was weder Glaube noch das Werk Gottes gewesen wäre. Für die viel weniger klar geoffenbarten menschlichen Dinge hatten sie Verständnis, aber nicht für die Dinge Gottes. Es sollte ihnen kein anderes Zeichen gegeben werden, als ein für sie, als Juden auf der Erde, verlorener Heiland. Sie würden sich, ob freiwillig oder gezwungen, dem Gericht des in ihnen sich kundgebenden Unglaubens zu unterwerfen haben. Das Reich sollte von ihnen genommen werden; der Herr verlässt sie. Das in Vers 4 erwähnte Zeichen Jonas' steht mit dem Gegenstand des ganzen Kapitels in Verbindung.

Danach begegnen wir in den Jüngern derselben Unachtsamkeit gegenüber der Macht, die sich in den Werken Jesu offenbarte. Jedoch ist es hier nicht mehr ein Widerspruch des ungläubigen Willens, sondern das mit den gegenwärtigen Dingen beschäftigte Herz entzieht den Menschen dem Einfluss der schon gegebenen Zeichen: es ist Schwachheit, nicht böser Wille. dessen ungeachtet sind die Jünger schuldig, und Jesus nennt sie „Kleingläubige“, jedoch nicht „Heuchler“ oder gar „ein böses und ehebrecherisches Geschlecht“.

Endlich sehen wir den Unglauben in Form einer gleichgültigen Meinung sich kundgeben, die beweist, dass Herz und Gewissen sich nicht für einen Gegenstand interessieren, der sie beherrschen sollte, und der, wenn das Herz seine wahre Wichtigkeit recht ins Auge fasste, ihm keine Ruhe lassen würde, bis es betreffs seiner völlige Gewissheit erlangt hätte. Die Seele hat kein wirklich gefühltes Bedürfnis und infolgedessen kein Unterscheidungsvermögen. Wenn die Seele dieses Bedürfnis fühlt, so gibt es nur eine Sache, die es befriedigen kann; und sie hat keine Ruhe, bis diese Sache gefunden ist. Die Offenbarung Gottes, die jenes Bedürfnis hervorgerufen hat, lässt die Seele nicht ruhen, bis sie mit voller Gewissheit das besitzt, was sie aus ihrem Schlaf aufgeweckt hat. Die, die für dieses Bedürfnis nicht empfänglich sind, können sich mit Wahrscheinlichkeiten beruhigen, entsprechend dem natürlichen Charakter, der Erziehung und den Umständen jedes einzelnen. Da ist genug, um die Neugierde zu erregen; der Geist ist damit beschäftigt und gibt sein Urteil darüber ab. Der Glaube hingegen hat Bedürfnisse und kennt, dem Grundsatz nach, den Gegenstand, der diesen Bedürfnissen entspricht. Die Seele wird geübt, bis sie gefunden hat, was sie bedarf; denn Gott ist da wirksam.

So war es mit Petrus. Der Vater offenbart ihm seinen Sohn. Obwohl schwach, war doch ein lebendiger Glaube in ihm zu finden; und wir erkennen den Zustand seiner Seele, wenn er sagt: „Herr, zu wem sollen wir gehen? du hast Worte ewigen Lebens; und wir haben geglaubt und erkannt, dass du der Heilige Gottes bist“ (Joh 6,68+69). Glücklich der Mensch, dem Gott solche Wahrheiten offenbart und bei dem Er solche Bedürfnisse weckt! Da mag es viel Kampf, viel zu lernen, viel zu töten geben; aber der Ratschluss Gottes und das damit verbundene Leben ist da. Wir haben die Wirkung davon bei Petrus gesehen. Jeder Christ hat seinen eigenen Platz in dem Tempel, in dem Simon Petrus ein so hervorragender Stein war. Aber folgt daraus, dass sich das Herz im Praktischen auf der Höhe der ihm zuteil gewordenen Offenbarung befindet? Nein, es kann trotzdem sein, dass da, wo die Offenbarung unsere irdische Stellung berührt, das Fleisch noch nicht gekreuzigt ist.

Die dem Petrus gewordene Offenbarung schloss tatsächlich die Verwerfung Christi hienieden in sich und führte notwendigerweise zu seiner Erniedrigung und zu seinem Tod. Das war der Punkt, um den es sich handelte. Wenn die Offenbarung des Sohnes Gottes, der Versammlung und des himmlischen Reiches an die Stelle der Kundgebung des Messias auf der Erde gesetzt werden sollte – was konnte das anders bedeuten, als dass Jesus den Heiden überliefert, gekreuzigt werden und hernach auferstehen sollte? Nun aber war Petrus innerlich noch nicht bis zu diesem Punkt gelangt. Im Gegenteil, sein fleischliches Herz benutzte die ihm gewordene Offenbarung sowie die an ihn gerichteten Worte des Herrn zur Selbsterhebung. Deswegen sah er die persönliche Herrlichkeit Jesu, ohne deren praktische Folgen für sein Herz zu erfassen. Er wagt es, den Herrn zu strafen und sucht Ihn von dem Weg des Gehorsams und der Unterwerfung abzulenken. Aber der Herr, treu wie immer, behandelt ihn als einen Widersacher. Ach, wie oft haben wir die eine oder andere Wahrheit genossen, ja aufrichtig genossen, und dennoch in den für uns hienieden daraus entspringenden praktischen Folgen gefehlt! Ein himmlischer, verherrlichter Heiland, der die Versammlung baut, schließt das Kreuz auf der Erde in sich; aber das Fleisch versteht das nicht. Es will wohl seinen Messias bis in den Himmel erheben; aber seinen Anteil an der Erniedrigung nehmen, die notwendigerweise daraus folgt, das entspricht nicht seiner Vorstellung von einem verherrlichten Messias. Das Fleisch muss gekreuzigt sein, um diesen Platz einnehmen zu können. Dazu aber bedarf es der Kraft Christi durch den Heiligen Geist. Ein Christ, der nicht für die Welt tot ist, ist nur ein Stein des Anstoßes für jeden, der Christus nachzufolgen trachtet.

Das also sind die Formen des Unglaubens, die einem wahren Bekenntnis Christi vorausgehen, und die sich leider selbst bei denen finden, die Christus aufrichtig erkannt und bekannt haben. Das Fleisch ist nicht so weit getötet, dass die Seele auf der Höhe dessen wandeln könnte, was sie von Gott gelernt hat; und das geistliche Verständnis wird verdunkelt durch den Gedanken an die Folgen, die dem Fleisch nicht gefallen.

Doch wenn das Kreuz der Eintritt in das Reich ist, so wird die Offenbarung der Herrlichkeit nicht auf sich warten lassen; und da der Messias von den Juden verworfen ist, so wird ein Titel von viel größerer Herrlichkeit und Tragweite offenbart: der Sohn des Menschen sollte in der Herrlichkeit des Vaters (denn Er war der Sohn Gottes) kommen und einem jeden nach seinen Werken vergelten (V. 27). Unter den Umstehenden gab es sogar einige, die den Tod (denn davon sprach der Herr) nicht schmecken würden, bevor sie die Offenbarung der dem Sohn des Menschen gehörenden Herrlichkeit des Reiches gesehen hätten.

Beachten wir, dass der Titel „Sohn Gottes“ hier zur Grundlage von allem gemacht wird. Der Titel „Messias“, insoweit derselbe das in jenen Tagen abgelegte Zeugnis betraf, wird aufgegeben und durch den Titel „Sohn des Menschen“ ersetzt, welch letzteren Jesus zugleich mit dem Titel „Sohn Gottes“ annimmt, und der eine Herrlichkeit besaß, die Ihm nach seinen eigenen Rechten gehörte. Er sollte in der Herrlichkeit seines Vaters als „Sohn Gottes“ und in seinem Reich als „Sohn des Menschen“ kommen.

Es ist interessant, uns hier an die Unterweisung zu erinnern, die uns im Anfang des Buches der Psalmen gegeben wird. Nachdem uns in Psalm 1 der von der Versammlung der Bösen unterschiedene gerechte Mensch vorgestellt ist, finden wir im 2. Psalm den Aufstand der Könige der Erde und der Fürsten gegen den HERRN und gegen seinen Gesalbten, d. h. Seinen Christus. Hierauf wird der Beschluss des HERRN mitgeteilt: „Der im Himmel thront, lacht, Adonai (der Herr) spottet ihrer“, und: „Habe doch ich meinen König gesalbt auf Zion.“ Dies ist nun der Beschluss des HERRN: „Der HERR hat zu mir gesprochen: 'Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt'“ 5. Die Könige der Erde und die Richter werden aufgefordert, den Sohn zu küssen. In den folgenden Psalmen aber verhüllt sich diese ganze Herrlichkeit, und die Drangsale des Überrestes, an denen Christus teilhat, werden vorgestellt. Dann wird Er in Psalm 8 als Sohn des Menschen begrüßt, als der Erbe aller dem Menschen durch die unumschränkten Ratschlüsse Gottes übertragenen Rechte; der Name „HERR“ wird herrlich auf der ganzen Erde. Mit Ausnahme der Stelle: „Der im Himmel thront, lacht, der Herr spottet ihrer“ (Ps 2,4), gehen diese Psalmen nicht über den irdischen Teil dieser Wahrheiten hinaus. Hier in Mt 16 hingegen wird uns der Sohn Gottes in Verbindung hiermit und sein Kommen mit seinen Engeln (um nicht von der Versammlung zu reden) vor Augen gestellt; das will sagen: wir sehen, dass der Sohn des Menschen kommen wird in der Herrlichkeit des Himmels. Es handelt sich bei der hier mitgeteilten Wahrheit nicht darum, dass Er dort wohnt, sondern dass Er bekleidet ist mit der höchsten Herrlichkeit des Himmels, wenn Er kommt, um sein Reich auf Erden aufzurichten. Er kommt „in seinem Reich“. Das Reich wird errichtet auf der Erde, aber Er kommt mit der Herrlichkeit des Himmels, um es in Besitz zu nehmen; und das ist es, was uns, gemäß der Zusage in Vers 28, das folgende Kapitel zeigen wird.

Auf die Zusage, den Tod nicht zu schmecken, ohne zuvor das Reich des Sohnes des Menschen gesehen zu haben, folgt unmittelbar in allen davon redenden Evangelien die Verklärung (vgl. Mk 9,1 u. f.; Lk 9,27 u. f.). Und nicht nur das, sondern Petrus erklärt auch in seinem zweiten Brief (2. Pet 1,16), wenn er von diesem Vorgang redet, dass derselbe eine Offenbarung der Macht und der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus gewesen sei. Er sagt, dass ihnen, den Aposteln, das prophetische Wort durch das Anschauen seiner Majestät befestigt worden sei, so dass sie in der Verkündigung der „Macht und Ankunft des Herrn“ von etwas redeten, was sie kannten, da sie seine Majestät gesehen hatten. Und genau in demselben Sinne spricht hier der Herr darüber, wie wir gesehen haben. Es war ein Muster der Herrlichkeit, in der Er später kommen wird. Dieses Muster wurde gegeben, um den Glauben der Jünger zu befestigen im Hinblick auf seinen soeben angekündigten Tod.

Fußnoten

  • 1 Bei der Betrachtung der Psalmen wird es uns klar geworden sein, dass dies in Verbindung steht mit der Herstellung des jüdischen Überrestes in Segnung in den letzten Tagen.
  • 2 Es ist wichtig, die Kirche, die Christus selbst baut und die noch nicht vollendet ist, von dem zu unterscheiden, was als ein geoffenbartes Ganzes in der Welt durch den Menschen in Verantwortlichkeit gebaut wird. Eph 2,20.21 und 1. Pet 2,4.5 zeigen uns dieses göttliche Bauwerk, wie es wächst und aufgebaut wird. In keiner dieser Stellen wird ein Tun des Menschen erwähnt; es ist ein göttliches Bauwerk. In 1. Kor 3 ist Paulus ein weiser Baumeister; andere mögen mit Holz, Heu und Stroh bauen. Die durch diese letzteren angerichtete Verwirrung hat dem Papsttum und anderen Verderbnissen, die sich in dem, was man Kirche nennt, vorfinden, zur Grundlage gedient. Die Kirche Christi, die wahre Kirche, ist ein göttliches Werk, welches Christus vollendet und welches bleibt.
  • 3 Beachten wir hier, wie ich schon anderswo gesagt habe, dass es keine Schlüssel der Kirche oder für die Kirche oder Versammlung gibt. Petrus hatte die Schlüssel der Verwaltung im Reich; aber die Idee von Schlüsseln in Verbindung mit der Kirche oder von einer Schlüsselgewalt in der Kirche ist eitel Täuschung. Solche Schlüssel gibt es überhaupt nicht. Die Kirche wird gebaut, aber mit Schlüsseln baut man nicht, und es ist Christus, nicht Petrus, der sie baut. Ferner waren die in solcher Weise bestätigten Handlungen Verwaltungsmaßregeln hienieden; wohl gab der Himmel ihnen seine Bestätigung, aber sie bezogen sich nicht auf den Himmel, sondern auf die irdische Verwaltung des Reiches. Ferner muss beachtet werden, dass das hier Übertragene individuell und persönlich ist; Simon, dem Sohn Jonas, wird ein Name und eine Autorität verliehen. – Einige weitere Bemerkungen mögen uns behilflich sein, die Tragweite dieser Kapitel völliger zu verstehen. In dem Gleichnis vom Sämann (Mt 13) wird nicht die Person des Herrn in den Vordergrund gestellt, sondern die Tatsache, dass es sich um Säen, nicht um Ernten handelt. In dem ersten Gleichnis vom Reich ist Er der Sohn des Menschen, und das Feld ist die Welt. Er befindet sich ganz außerhalb des Judentums. In dem 14. Kapitel haben wir den Zustand der Dinge von der Verwerfung Johannes' bis zu der Zeit, wo der Herr bei seiner Rückkehr da anerkannt werden wird, wo Er einst verworfen wurde. In Mt 15 handelt es sich um sittliche Streitfragen zwischen dem Herrn und den Schriftgelehrten und Pharisäern: zugleich sehen wir, dass Gott in Gnade über allem Bösen steht. Doch ich will nicht länger hierbei verweilen. In Kap. 16 wird uns die Person des Sohnes Gottes, des lebendigen Gottes, vorgestellt und danach die Versammlung und Christus als Baumeister derselben; in Mt 17 das Reich, das in Verbindung mit dem Sohn des Menschen in Herrlichkeit kommt. Die Schlüssel (obwohl der Himmel ihren Gebrauch von Seiten Simons bestätigt) sind, wie wir gesehen haben, die Schlüssel des Reiches der Himmel (nicht der Kirche), und dieses Reich sollte, wie das Gleichnis vom Unkraut zeigt, unheilbar verderbt und zugrunde gerichtet werden. Ich wiederhole noch einmal, dass es Christus ist, der die Versammlung baut, nicht Petrus (vgl. 1. Pet 2,4.5).
  • 4 In dem 1. Briefe des Petrus finden wir beständig dieselben Gedanken (die Worte: „lebendige Hoffnung, lebendige Steine“) angewandt auf Christus und nachher auf die Christen. Und wiederum lesen wir in Übereinstimmung mit dem vorliegenden Gegenstand, der Errettung durch das Leben in Christo, dem Sohn des lebendigen Gottes: „indem ihr das Ende eures Glaubens, die Errettung der Seelen, davontragt“ (1. Pet 1,9). Es ist gut, die Verse alle zu lesen, mit denen der Apostel seine Unterweisungen einleitet.
  • 5 Christus wird hier betrachtet als der Sohn, der in der Zeit auf Erden geboren worden ist, nicht aber als der Sohn, der von Ewigkeit her in dem Schoß des Vaters ist. Petrus war, wie wir gesehen haben, in seinem Bekenntnis weitergegangen; denn ohne die vollständige Offenbarung dieser letzten Wahrheit empfangen zu haben, sieht er Christus als den Sohn nach der Macht des göttlichen Lebens in seiner Person, auf welche demgemäß die Versammlung gebaut werden konnte. Indes müssen wir uns hier auf das beschränken, was sich auf das Reich bezieht.
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