Die Rede und der Märtyrertod des Stephanus
Eine Bibelarbeit zu Apostelgeschichte 7

Teil 4: Der Beginn und die Fortsetzung des Götzendienstes (Verse 41–43)

Teil 4: Der Beginn und die Fortsetzung des Götzendienstes (Verse 41–43)

Und sie machten ein Kalb in jenen Tagen und brachten dem Götzenbild ein Schlachtopfer dar und erfreuten sich an den Werken ihrer Hände. Gott aber wandte sich ab und gab sie hin, dem Heer des Himmels zu dienen, wie geschrieben steht im Buch der Propheten: Habt ihr mir etwa vierzig Jahre in der Wüste Opfertiere und Schlachtopfer dargebracht, Haus Israel? Ja, ihr habt die Hütte des Moloch getragen und das Gestirn eures Gottes Raiphan, die Bilder, die ihr gemacht hattet, um sie anzubeten; und ich werde euch verpflanzen über Babylon hinaus.

Götzendienst

Stephanus spricht nun über den Götzendienst des Volkes Israel, der mit dem Götzenbild begann, das sie kurz nach dem Durchzug durch das Rote Meer machten (das goldene Kalb). Aaron – der Bruder Moses – wird dabei zwar kurz erwähnt, der Schwerpunkt liegt jedoch auf der kollektiven Schuld der Kinder Israel.

Es mag sich die Frage stellen, warum Stephanus so ausführlich über den Götzendienst spricht, obwohl es doch nach der Rückkehr der Juden aus dem babylonischen Exil in Juda keinen öffentlichen Götzendienst mehr gegeben hatte. Die Juden dienten Gott vielmehr im Tempel. Drei Gründe können genannt werden:

  1. Die Juden waren stolz auf das Gesetz, das ihnen von Mose gegeben worden war, und sie hatten Stephanus vorgeworfen, gegen das Gesetz geredet zu haben. Anhang ihrer eigenen Geschichte macht er ihnen nun klar, dass die Väter es gewesen waren, die dieses Gesetz durch ihren Götzendienst schon gebrochen hatten, bevor Mose ihnen die Gesetzestafeln hatte aushändigen können.
  2. Götzendienst hatte einen großen Teil ihrer Geschichte geprägt. Er war einer der Gründe für das Ende des Königtums in Israel und Juda und für die Strafe Gottes (die Deportation in fremde Länder).
  3. Schon im Alten Testament war bekannt, dass Götzendienst nicht nur eine äußere Seite hat, sondern dass Gott den Eigenwillen wie „Abgötterei und Götzendienst“ wertet (1. Sam 15,23). Dieser Eigenwille prägte die Juden zu jeder Zeit.

Das goldene Kalb

Das in Vers 41 erwähnte Götzenbild – das Kalb – war das Wahrzeichen eines ägyptischen Gottes. Das zeigt, wie sehr Israel an den Göttern Ägyptens hing. Kaum hatte Gott sie aus der Knechtschaft befreit, setzten sie diesen Dienst fort, obwohl Gott es ausdrücklich verboten hatte. Zwei Dinge werden betont:

  1. Sie brachten dem Götzenbild Schlachtopfer dar, d. h. sie ehrten einen toten Götzen, anstatt dem lebendigen Gott zu dienen.
  2. Sie erfreuten sich an den Werken ihrer Hände, d. h. sie feierten ein Fest zu ihrer eigenen Ehre.

Die Gefahr des Götzendienstes ist immer groß. In den Tagen von Stephanus war es kein äußerer Götzendienst, dennoch war es Untreue dem wahren Gott gegenüber. Paulus verbindet den Götzendienst Israels in 1. Korinther 10,7 mit der ernsten Warnung an uns, keine Götzendiener zu werden. Für uns bedeutet Götzendienst heute, dass wir unsere Anbetung nicht Gott bringen, sondern andere Dinge zum Gegenstand unserer Verehrung machen. Deshalb gilt die Warnung vor den Götzen jedem, der die Rede von Stephanus liest (vgl. 1. Joh 5,21). Es liegt in der Natur des Menschen, dass er gerne etwas sehen möchte. Deshalb prägt uns der Hang zu den sichtbaren Götzen – während Gott unsichtbar ist. Solche Götzen können Menschen sein (wir denken an die Idole = Götzen unserer Tage), es können materielle Dinge (wie z. B. das Geld = der Mammon) sein. Schließlich wollen wir nicht vergessen, was Samuel in der bereits angeführten Stelle zu Saul sagt: „Denn wie Sünde der Wahrsagerei ist Widerspenstigkeit, und der Eigenwille wie Abgötterei und Götzendienst“ (1. Sam 15,23).

Gottes Gericht

Vers 42 spricht über das Gericht Gottes. Siebenmal lesen wir im Alten Testament, dass Gott ein eifernder Gott ist. Das war den Zuhörern nicht unbekannt. Gerade bei der Gesetzgebung sagt Gott es zum ersten Mal und verbindet diesen Hinweis mit dem Verbot, andere Götter zu haben (vgl. 2. Mo 20,2–5). Zugleich kündigt Er Gericht an, falls dieses Gebot übertreten wird. „Du sollst dich nicht vor ihnen niederbeugen und ihnen nicht dienen; denn ich, der Herr, dein Gott, bin ein eifernder Gott, der die Ungerechtigkeit der Väter heimsucht an den Kindern, an der dritten und an der vierten Generation derer, die mich hassen“ (2. Mo 20,5)

Deshalb hatte Gott sich abgewandt und sie hingegeben, um weiteren Göttern zu dienen (dem Heer des Himmels, d. h. den Himmelskörpern). Gott ist der Schöpfer der Himmelsheere, und es ist eine grobe Verleugnung des Schöpfers, wenn Menschen das Geschaffene ehren und nicht den, der alles geschaffen hat. Gerade in der Schöpfung ist die Herrlichkeit des Schöpfers für jeden Menschen erkennbar, und Gott kann erwarten, dass jeder Mensch Ihn zumindest als Schöpfer ehrt (vgl. Röm 1,21). Wenn Gott sich abwendet und jemand dahingibt, geschieht das immer zum Gericht. Es ist überaus ernst, wenn Gott das tut. In Römer 1 finden wir das sehr deutlich. Dreimal lesen wir dort – allerdings von den Heiden – dass Gott sie dahingegeben hat (Röm 1,24.26.28) – und zwar ihren Leib, ihre Seele und ihren Geist.

Stephanus zitiert aus einem der Propheten, nämlich aus Amos. Wenn er von dem „Buch der Propheten“ spricht, meint er die Zusammenfassung der kleinen Propheten, die für die Juden wie ein Buch waren. Die vorhandenen Unterschiede zwischen Zitat und Original sind der Tatsache geschuldet, dass Stephanus die griechische Übersetzung des Alten Testamentes benutzte. Man kann daraus ableiten, dass die ganze Rede vermutlich in griechischer Sprache gehalten wurde.

Die erste Frage in Vers 42 ist eine rhetorische Frage. Sie richtet sich an das Haus Israel, also an das ganze Volk. Die erwartete Antwort kann nur „nein“ lauten. Gemeint ist, dass die Kinder Israel schon in der Wüste Götzendiener waren. Äußerlich opferten sie natürlich ihrem Gott, doch in ihrem Inneren waren sie Götzendiener geblieben. Die Juden, zu denen Stephanus redete, verhielten sich nicht anders. Gott konnte ihre Opfer nicht annehmen. Wir erinnern noch einmal an die Aussage Samuels: „Hat der Herr Gefallen an Brandopfern und Schlachtopfern, wie daran, dass man der Stimme des Herrn gehorcht? Siehe, Gehorchen ist besser als Schlachtopfer, Aufmerken besser als das Fett der Widder. Denn wie Sünde der Wahrsagerei ist Widerspenstigkeit, und der Eigenwille wie Abgötterei und Götzendienst. Weil du das Wort des Herrn verworfen hast, so hat er dich verworfen, dass du nicht mehr König sein sollst“ (1. Sam 15,22.23). Dieser Vorwurf traf absolut zu – für Israel in der Wüste, für Israel zur Zeit der Könige und für die Juden zur Zeit des Herrn Jesus.

Vers 43 verstärkt die Aussage noch. Sie hatten die Hütte des Moloch getragen und das Gestirn ihres Gottes Raiphan, und gerade deshalb hatte Gott angekündigt, sie über Babylon hinaus zu verpflanzen. Die „Hütte des Moloch“ hat nichts mit dem Zelt der Zusammenkunft zu tun. Stephanus nennt diese etwas später die „Hütte des Zeugnisses in der Wüste“. Der Götzendienst des Moloch (oder Molech) wird einige Mal im Alten Testament erwähnt. Er war mit der Gräueltat verbunden, Kinder zu Ehren dieses Gottes zu verbrennen (vgl. 3. Mo 18,21; 1. Kön 11,7; Jer 32,35). Gott hatte das ausdrücklich verboten. Das Gestirn des Gottes Raiphan (ein Sternengott) muss mit dem Götzendienst der Himmelkörper zu tun gehabt haben. Stephanus macht also deutlich, dass der Götzendienst, der mit dem goldenen Kalb begann, fortgesetzt wurde. Er fand seinen Höhepunkt in dem Götzendienst der Juden, kurz bevor sie nach Babel deportiert wurden.

Babylon war die Antwort Gottes auf den Götzendienst der zwei Stämme (Juda und Benjamin), während Damaskus die Strafe für die zehn Stämme war. Deshalb erwähnt Stephanus Babylon und spricht nicht – wie Amos – über Damaskus (die Hauptstadt Syriens). Die Strafe Gottes konnte nicht ausbleiben, und sie ging über die eigentliche Gefangenschaft hinaus1. „Über Babylon hinaus“ deutet weiteres Gericht an, das sich selbst bis heute nicht vollständig erfüllt hat.

Ein unbekannter Verfasser zieht an dieser Stelle folgendes Zwischenfazit: „Die Geschichte wiederholt sich. In jeder Generation finden wir die gleichen Vorgänge. Die Menschen bleiben immer gleich. Wenn sie Gottes Botschaft hören, dann verstehen sie sie nicht (Vers 25). Wenn sie gebeten werden, im Frieden mit ihm zu leben, wollen sie nicht hören (Vers 27). Wenn ein gottgesandter Befreier kommt, lehnen sie ihn ab (Vers 39). Wenn sie aus einer schrecklichen Situation befreit worden sind, dann wenden sie sich lieber an nutzlose Götzen anstatt an den gnädigen Gott (Vers 41). So ist die menschliche Natur – aufrührerisch, undankbar, töricht. Gott bleibt derselbe. Der Gott, der zu Mose sprach, war derselbe, der schon zu seinen Vorfahren gesprochen hatte (Vers 32). Dieser Gott hört, wenn Menschen in Not sind (Vers 34). Er kommt, um zu befreien (Vers 34). Er führt sein Volk vom Tod ins Leben (Vers 36). So ist unser großer Gott – gnädig, mächtig, heilig. Er ist immer derselbe, was auch geschehen mag (Mal 3,6). Für die Zuhörer des Stephanus war es eine Warnung, nicht mit Gott zu spielen. Und wir haben hier auch die Versicherung, dass jede Zusage Gottes für immer fest bestehen bleibt.2

Fußnoten

  • 1 Der Text im Alten Testament spricht über die 10 Stämme und nennt die Stadt „Damaskus“. Da Stephanus über die zwei Stämme spricht, die nach Babel deportiert wurden, spricht er über „Babylon“.
  • 2 Aus dem englischen Material des Bibellesebundes von 1969.
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