Setze einen König über uns
Eine Auslegung zum ersten Buch Samuel

Kapitel 6

Setze einen König über uns

Sieben Monate haben die Philister Gott gegen sich. In dieser Zeit leiden sie unter verschiedenen Gerichten. Sie sollen spüren, dass sie es mit dem lebendigen Gott zu tun haben, der nicht mit sich spielen lässt, sondern seine Ehre aufrechterhält. Die Philister suchen nun einen Ausweg aus ihrer Notlage. Ihre Priester und Wahrsager raten, die Lade zusammen mit einem Schuldopfer nach Israel zurückzubringen. Sie wollen wissen, ob das Gericht, das sie getroffen hat, Zufall war oder ob es Gottes Hand ist, die sie zu spüren bekommen. Deshalb überlegen sie sich ein Experiment. Gott geht darauf ein und lässt die Lade nach Beth-Semes zurückbringen. Dort wird die Lade zwar mit großer Freude aufgenommen, aber es fehlt an Ehrfurcht, so dass 70 Männer von Beth-Semes umkommen.

Die Rücksendung der Lade

„Und die Lade des HERRN war sieben Monate im Gebiet der Philister. Und die Philister riefen die Priester und Wahrsager und sprachen: Was sollen wir mit der Lade des HERRN tun? Teilt uns mit, womit wir sie an ihren Ort senden sollen. Und sie sprachen: Wenn ihr die Lade des Gottes Israels fortsendet, so sollt ihr sie nicht leer fortsenden, denn ihr müsst ihm jedenfalls ein Schuldopfer erstatten; dann werdet ihr genesen, und es wird euch kundwerden, warum seine Hand nicht von euch weicht. Und sie sprachen: Welches ist das Schuldopfer, das wir ihm erstatten sollen? Und sie sprachen: Nach der Zahl der Fürsten der Philister, fünf goldene Beulen und fünf goldene Mäuse; denn eine Plage habt ihr alle und eure Fürsten. Und macht Abbilder von euren Beulen und Abbilder von euren Mäusen, die das Land verderben, und gebt dem Gott Israels Ehre; vielleicht lässt er seine Hand leichter werden über euch und über eurem Gott und über eurem Land. Und warum wollt ihr euer Herz verstocken, wie die Ägypter und der Pharao ihr Herz verstockt haben? Ließen sie sie nicht ziehen, als er seine Macht an ihnen ausgeübt hatte, und sie zogen weg? Und nun macht einen neuen Wagen und nehmt zwei säugende Kühe, auf die kein Joch gekommen ist; und spannt die Kühe an den Wagen und bringt ihre Kälber hinter ihnen weg nach Hause zurück. Und nehmt die Lade des HERRN und stellt sie auf den Wagen; und die goldenen Geräte, die ihr ihm als Schuldopfer erstattet, legt in ein Kästchen an ihre Seite, und sendet sie hin, dass sie wegziehe. Und gebt Acht: Wenn sie den Weg zu ihrer Grenze hinaufgeht, nach Beth-Semes hin, so hat er uns dieses große Übel getan; wenn aber nicht, so wissen wir, dass nicht seine Hand uns geschlagen hat: Ein Zufall ist es uns gewesen. Und die Männer taten so und nahmen zwei säugende Kühe und spannten sie an den Wagen, und ihre Kälber sperrten sie zu Hause ein. Und sie stellten die Lade des HERRN auf den Wagen, und das Kästchen mit den goldenen Mäusen und den Abbildern ihrer Beulen. Und die Kühe gingen geradeaus auf dem Weg nach Beth-Semes; auf einer Straße gingen sie, im Gehen brüllend, und wichen weder nach rechts noch nach links; und die Fürsten der Philister gingen hinter ihnen her, bis an die Grenze von Beth-Semes“ (V. 1–12).

In Kapitel 5,8 haben die Philister ihre Fürsten um Rat gefragt – ohne Erfolg. Nun wenden sie sich an ihre Priester und Wahrsager. Darin zeigt sich wieder eine Parallele zum Herrn Jesus: Sowohl die die politischen als auch die religiösen Führer des Volkes haben überlegt, wie sie Ihn loswerden können (vgl. Apg 4,27; Lk 13,31; Mt 27,20).

Die Ratschläge der Wahrsager und Priester erwecken den Eindruck, dass sie naturgemäß nicht viel von Gottes Gedanken kennen, wohl aber ein aufgewecktes Gewissen haben:

  • Sie fühlen sich verpflichtet, dem Gott Israels ein Schuldopfer zu bringen. Damit erkennen sie ihre Schuld vor Gott an.
  • Sie erwarten, dass die Philister genesen, wenn das Schuldopfer gebracht worden ist. Das lässt ein gewisses Vertrauen in den Gott Israels erkennen.
  • Außerdem wollen sie dem Gott Israels Ehre geben, um Ihn zu beschwichtigen.
  • Sie kennen die Macht Gottes, die sich viele Jahre zuvor an den Ägyptern erwiesen hat. Um ein ähnliches Gericht zu verhindern, warnen sie die Philister davor, ihre Herzen zu verstocken.

So zeigen die Philister ein gewisses Verständnis darüber, was zu tun ist, aber sie wissen nicht, wie sie tun müssen. Ihnen ist nicht bekannt, dass nur ein blutiges Opfer Sühnung tun kann. Ihr Rat, Gott ein materielles Opfer zu bringen, ist typisch für menschliche Religionen. Wie Kain damals, so bemühen sich auch die Philister, Gott nach eigenen Vorstellungen und Anstrengungen zufriedenzustellen. Bis heute ist von vielen Menschen das Reden Abels überhört worden (vgl. Heb 11,4): Allein der stellvertretende Tod eines anderen garantiert uns, bei Gott angenommen zu werden. Doch viele Menschen vertrauen lieber auf ihre materiellen Gaben und eigenen Vorstellungen, als zu dem gestorbenen Christus Zuflucht zu nehmen. Doch Erlösung und ewiges Heil gibt es nur durch das kostbare Blut Christi: „Indem ihr wisst, dass ihr nicht mit vergänglichen Dingen, mit Silber oder Gold, erlöst worden seid von eurem eitlen, von den Vätern überlieferten Wandel, sondern mit dem kostbaren Blut Christi, als eines Lammes ohne Flecken und ohne Fehl“ (1. Pet 1,18.19).

Die Philister wissen auch nicht, dass man Gott keine unreinen Tiere wie Mäuse (vgl. 3. Mo 11,29; Jes 66,17) bringen kann. Deshalb behandelt Gott sie nachsichtig. Er richtet und beurteilt immer in dem Maß, wie Er sich Menschen offenbart hat.

Die Philister tun sich schwer, die Macht Gottes wirklich anzuerkennen und Gott die Ehre zu geben. Sie überlegen sich ein Experiment, das zeigen soll, ob wirklich Gottes Hand im Spiel ist: Zwei säugende Kühe sollen ohne Treiber einen unbekannten Weg nach Beth-Semes gehen und entgegen ihrem starken natürlichen Trieb von ihren Kälbern weggehen. Natürlicherweise kann das Experiment nicht gelingen. Aber Gott lässt sich auf den Plan der Philister ein. Er beweist seine Macht, indem Er alles so kommen lässt, wie die Philister es sich überlegt haben. Die Kühe ziehen geradewegs nach Beth-Semes. Obwohl sie instinktiv nach ihren Kälbern brüllen, wenden sie sich nicht zurück. Da ist eine größere Macht, die sie antreibt.

Nun zeigt sich, dass der Sieg der Philister über das Volk Gottes kein Sieg über Gott selbst bedeutet und die Plagen nicht zufällig über sie gekommen sind. Gott gibt sich jedem Menschen deutlich zu erkennen – auch den Philistern. Der zerstörte Götze, die Beulen und das Verhalten der Kühe reden eine verständliche Sprache. Gott gibt immer die Gelegenheit zur Umkehr, so dass am Ende alle ohne Entschuldigung sind (Röm 1,20).

Ungläubige Menschen rechnen meist nicht mit Gottes Handeln, für sie sind alle unerwarteten Ereignisse reiner Zufall (vgl. V. 9). Gläubige dagegen dürfen immer und in allem die Hand Gottes sehen – selbst dann, wenn etwas „zufällig“ geschieht. In Ruth 2,3 gebraucht der Geist Gottes selbst einmal den Ausdruck „zufällig“. Aber die Geschichte zeigt, dass in allem Gottes Hand dahinter steht.

Der Rückkehr der Bundeslade lässt einige Parallelen mit dem Auszug der Kinder Israel aus Ägypten erkennen:

  • Wie die Philister die Lade besitzen wollen, so halten die Ägypter das Volk Israel zunächst in ihrem Land fest. Doch nachdem sie von den Plagen getroffen worden sind, treiben sie die Kinder Israel hinaus (2. Mo 11,1; 12,39; Ps 105,38).
  • Die Lade wird nicht leer aus dem Gebiet der Philister zurückgeschickt. Auch die Israeliten ziehen nicht leer aus Ägypten aus (2. Mo 12,35.36; Ps 105,37).
  • So, wie die Fürsten der Philister der Lade nur bis an die Landesgrenze folgen (V. 12) können auch Pharao und seine Soldaten die Israeliten nur bis zur Grenze, dem Roten Meer, verfolgen.

Die Lade des HERRN in Beth-Semes

Und die Bewohner von Beth-Semes ernteten die Weizenernte in der Talebene; und als sie ihre Augen erhoben und die Lade sahen, da freuten sie sich, sie zu sehen. Und der Wagen kam auf das Feld Josuas, des Beth-Semiters, und stand dort still; und es war dort ein großer Stein. Und sie spalteten das Holz des Wagens und opferten die Kühe als Brandopfer dem HERRN. Und die Leviten nahmen die Lade des HERRN herab und das Kästchen, das bei ihr war, in dem die goldenen Geräte waren, und setzten sie auf den großen Stein. Und die Männer von Beth-Semes opferten Brandopfer und schlachteten Schlachtopfer dem HERRN an jenem Tag. Und die fünf Fürsten der Philister sahen zu und kehrten an jenem Tag nach Ekron zurück. Und dies sind die goldenen Beulen, die die Philister dem HERRN als Schuldopfer erstatteten: für Asdod eine, für Gaza eine, für Askalon eine, für Gat eine, für Ekron eine; und die goldenen Mäuse nach der Zahl aller Städte der Philister, nach den fünf Fürsten, von den festen Städten bis zu den offenen Dörfern; und sie brachten sie bis zum großen Stein Abel, auf den sie die Lade des HERRN niedersetzten, der bis auf diesen Tag im Feld Josuas, des Beth-Semiters, ist. Und er schlug unter den Leuten von Beth-Semes, weil sie in die Lade des HERRN geschaut hatten, und schlug unter dem Volk siebzig Mann; da trauerte das Volk, weil der HERR eine so große Niederlage unter dem Volk angerichtet hatte; und die Leute von Beth-Semes sprachen: Wer vermag vor dem HERRN, diesem heiligen Gott, zu bestehen? Und zu wem soll er von uns hinaufziehen? Und sie sandten Boten zu den Bewohnern von Kirjat-Jearim und sprachen: Die Philister haben die Lade des HERRN zurückgebracht; kommt herab, führt sie zu euch hinauf“ (V.13–21).

Dieser Abschnitt zeigt etwas von der Gnade und der Heiligkeit Gottes. Es ist die Gnade Gottes, die die Lade wieder zurückbringt. Wir lesen nicht, dass die Israeliten wegen der Lade zu Gott gerufen haben. Doch Gott führt sie zurück und gibt seinem Volk zugleich auch eine Weizenernte. So treffen die Kühe mit ihrem Wagen auf das Feld Josuas, wo die Bewohner von Beth-Semes gerade ernten. Fleißigen Leuten hat Gott verschiedentlich besondere Erlebnisse geschenkt. Gideon zum Beispiel gehört dazu. Ihm erscheint der Engel des HERRN, als er damit beschäftigt ist, Weizen in einer Kelter auszuschlagen (Ri 6,11 ff.). Hier erleben die Beth-Semiter etwas, mit dem sie vermutlich nicht mehr gerechnet haben: Die Lade des HERRN kehrt unbeschadet aus der Hand der Feinde zurück! Sie reagieren mit Freude und Dankbarkeit und opfern gleich Brand- und Schlachtopfer. Ihre Freude ist verständlich und gut. Aber haben sie sich nicht wegen der Sünde zu demütigen, die zum Verlust der Lade geführt hat? Davon wird leider nichts berichtet.

Die fünf Fürsten der Philister sehen sich das Geschehen aus der Ferne an und kehren dann nach Ekron zurück. Sie ziehen keine Konsequenzen aus der beeindruckenden Offenbarung der Macht Gottes, die sie erlebt haben. Vermutlich sind sie nur froh, die Lade wieder los zu sein. Allerdings wird später – als David auf der Flucht vor seinem Sohn Absalom ist – etwas Bemerkenswertes von einer großen Anzahl von Philistern aus Gat berichtet: „Alle seine Knechte zogen an seiner Seite hinüber; und alle Keretiter und alle Peletiter und alle Gatiter, 600 Mann, die in seinem Gefolge von Gat gekommen waren, zogen vor dem König hinüber“ (2. Sam 15,18). 600 Mann aus der Philisterstadt Gat, die dem fliehenden David folgen wollen! Neben der Tatsache, dass sich David später eine Zeit bei ihnen in Gat aufgehalten hat (vgl. 1. Sam 27), ist ihr Verhalten vielleicht ein Ergebnis davon, dass sie hier die Macht Gottes in ihrer Stadt erlebt haben.

Die Verse 17 und 18 berichten ergänzend über die Opfergaben der Philister. Die goldenen Mäuse lassen erkennen, dass die Philister neben den Gerichten, von denen Kapitel 5 berichtet, wohl auch von einer großen Mäuseplage heimgesucht worden sind (vgl. Kap. 6,5).

In Vers 18 wird zum dritten Mal der große Stein erwähnt, auf den die Lade gesetzt worden war (vgl. V. 14.15). Dieser große Stein wurde zu einem Zeugen1. Er hat „bis auf diesen Tag“ davon gezeugt, dass Gott sowohl gnädig als auch heilig und gerecht ist.

Ab Vers 19 bis zum Ende des Kapitels fällt der Scheinwerfer auf die Bewohner von Beth-Semes. Hier tritt die Heiligkeit Gottes in den Vordergrund. Denn kaum ist die Lade wieder in Israel angekommen, müssen einige der Bewohnern von Beth-Semes sterben, weil sie in die Lade des HERRN geschaut haben. Wie gravierend dieses Fehlverhalten ist, wird uns bewusst, wenn wir die Geschichte der Stadt Beth-Semes zurückverfolgen. Beth-Semes ist eine Grenzstadt, die nahe an der Philisterstadt Ekron liegt. Sie ist für die Priester und Leviten aus der Familie Kehats bestimmt (vgl. Jos 21,10.16). Das ist bedeutsam, weil den Kehatitern der Transport der Lade des HERRN anvertraut worden ist (vgl. 4. Mo 4,4 ff.). Gott lässt die Lade also in eine Stadt bringen, in der man genau weiß, wie mit der Lade umzugehen ist. Das erhöht die Verantwortung der Leute von Beth-Semes. Gerade in dieser Priesterstadt müsste man wissen, dass es streng verboten ist, in die Lade zu schauen. Sogar die Philister haben das Kästchen mit den goldenen Beulen und Mäusen nicht in die Lade gestellt, sondern daneben.

Auch die Tatsache, dass die Lade auf dem großen Stein präsentiert wird, entspricht gewiss nicht Gottes Willen. Die Bundeslade ist nie zur Schau gestellt worden. Gott hat angeordnet, dass sie beim Transport durch die Wüste bedeckt wird (4. Mo 4,5), und auch sonst ist sie nicht sichtbar, weil sie im Allerheiligsten steht, dort, wo kein Licht ist, wo nur einmal im Jahr der Hohepriester hinkommt. Vielleicht meinen die Israeliten, dass jetzt die Gelegenheit gekommen sei, in die Lade zu schauen, um ihre Neugier zu befriedigen. Doch wo ist ihr Gehorsam, wo ihre Ehrfurcht? Das Verlangen, von dem zu nehmen, was uns nicht zusteht, kennzeichnet den Menschen seit dem Sündenfall (vgl. 1. Mo 3). Hüten wir uns davor, unsere Neugierde auf Kosten der Heiligkeit zu befriedigen!

Noch etwas zum Öffnen der Lade: So, wie es den Israeliten nicht erlaubt war, in die Lade zu schauen, so ist es heute keinem Menschen erlaubt, das Geheimnis der Person Jesu Christus mit dem Verstand zu erklären – wahrer Mensch (Akazienholz) und wahrer Gott (Gold) in einer Person. Wer es dennoch versucht, schaut gleichsam in die Lade. Wenn Gott uns etwas von der Herrlichkeit seines Sohnes mitteilt, dann möchte Er, dass wir uns damit auseinandersetzen. Aber wir tun es mit „unbeschuhten Füßen“, das heißt ehrfürchtig, indem uns bewusst ist, dass letztlich „niemand den Sohn erkennt, als nur der Vater“ (Mt 11,27). Die Herrlichkeit der Person des Herrn ist uns offenbart, damit wir Ihn anbeten und nicht, um sie mit unserem Verstand zu ergründen und zu analysieren.

Um in die Lade zu schauen, müssen die Männer von Beth-Semes den Deckel der Lade wegnehmen, auf den das Blut gesprengt worden ist. Damit stehen sie ohne die schützende Wirkung des Blutes als bloße Sünder vor den Gesetzestafeln, die in der Lade liegen. Das Ergebnis kann nur Gericht sein. 70 Mann müssen sterben. Gott richtet ohne Ansehen der Person und hält besonders inmitten seines Volkes seine Heiligkeit aufrecht. Und je größer Erkenntnis, umso härter das Gericht.

Die Bestürzung im Volk ist groß, doch sie trauern nur wegen des Gerichts, das sie getroffen hat, und nicht wegen ihrer Sünde, die das Gericht erforderlich gemacht hat. Ähnlich wie die Philister wollen die Leute von Beth-Semes die Lade nun schnellstmöglich loswerden. Sie wenden sich an die Bewohner von Kirjat-Jearim: Sie sollen die Lade zu sich holen.

Fußnoten

  • 1 Vgl. Fußnote zu Vers 18 in der Elberfelder Übersetzung, Edition CSV.
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