Die Bergpredigt
Eine Verständnishilfe zu Matthäus 5 - 7

4. Glückselig die Sanftmütigen (Matthäus 5,5)

Die Bergpredigt

Die dritte Seligpreisung des Herrn lautet: „Glückselig die Sanftmütigen, denn sie werden das Land erben.“ Während die Verheißung bei der ersten Seligpreisung lautet: „Denn ihrer ist das Reich der Himmel“, so heißt es hier genauer: „Sie werden das Land (oder: die Erde) erben.“ Das war für die Zuhörer, deren Land sich unter der Herrschaft der Römer befand, ein deutlicher Hinweis auf die noch zukünftige Zeit des Tausendjährigen Reiches (vgl. Ps 37,11).

„Sanftmütig“ bedeutet auch „freundlich, milde“. Sanftmut wird in der Welt oft mit Schwäche gleichgesetzt und entsprechend gering eingeschätzt. Das Draufgängertum und die Rücksichtslosigkeit der Erfolgreichen dieser Welt rufen schon eher Bewunderung hervor.

Die hier erwähnte Sanftmut ist jedoch keine Schwäche oder knechtische Unterwürfigkeit. Ein sanftmütiges Kind Gottes kann Bosheit und Härte ohne Rachegedanken ertragen, weil es sich von einem Stärkeren getragen weiß; Er gibt die Kraft zu diesem Wesenszug wahrer Jüngerschaft Jesu.

Das vollkommene Vorbild der Sanftmut ist der Herr Jesus selbst. Er sagt in Matthäus 11,29: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen.“ Soeben hatte Er erfahren müssen, dass die Führer Israels Ihn einen Fresser und Weinsäufer nannten, und gerade hatte Er die Städte schelten müssen, in denen seine meisten Wunderwerke geschehen waren (Mt 11,19–24). Aber in dieser Situation konnte Er seinen Blick emporlenken und sagen: „Ich preise dich, Vater....“

Der Herr Jesus war sanftmütig. Wir können die Sanftmut nur in seiner Nachfolge lernen. Wenn wir in eine Lage geraten, wo wir von unserer Umgebung gereizt werden, dann dürfen wir zu Ihm rufen: „Herr, lass mich jetzt deine Gesinnung offenbaren!“

Mose, der große Mann Gottes im Alten Testament, lernte die Sanftmut bei Gott in den vierzig Jahren als Schafhirte in Midian. In seiner Jugend hatte er in plötzlich aufwallendem gerechten Zorn einen Ägypter erschlagen, der einen Israeliten misshandelte (2. Mo 2,1–12; Apg 7,23.24). Aber über vierzig Jahre später, als seine Schwester Mirjam und sein Bruder Aaron sich gegen ihn stellten, kann der Heilige Geist ihm das Zeugnis ausstellen: „Der Mann Mose aber war sehr sanftmütig, mehr als alle Menschen, die auf dem Erdboden waren“ (4. Mo 12,3). Diese Sanftmut Moses war das Ergebnis der Erziehung in der Schule Gottes. Aber obwohl Mose der sanftmütigste Mensch war, durfte er doch nicht in das Land Kanaan kommen, im Gegensatz zu den Sanftmütigen in unserem Vers, die das Land (oder: die Erde) erben werden.

Beachten wir, dass es nicht heißt: Sie werden das Land erwerben, sondern: erben. Gewisse Auslegungen der Bergpredigt beziehen alles darin auf den Menschen von Natur und auf die jetzige Zeit und Welt: Die Menschen, die sich so verhalten, wie es die Bergpredigt sagt, werden den Sieg davontragen und die Erde in Frieden besitzen. Aber das ist unmöglich. Der Herr Jesus spricht hier von wahren Jüngern, die Ihn im Glauben angenommen haben und Ihm folgen. Er hat das Erlösungswerk vollbracht, aufgrund dessen sein Erbteil auch ihnen zuteil wird (vgl. Ps 2,7.8; Heb 1,2; Eph 1,10.11).

Das Erbteil des treuen Überrestes der Juden, der in der zukünftigen Drangsalszeit ausharrt und von Gott bewahrt wird, wird das Land Israel im Tausendjährigen Reich sein. Jeder von ihnen wird „unter seinem Weinstock und unter seinem Feigenbaum“ sitzen (Mi 4,4). Aber das Erbteil der Jünger des Herrn damals und der Gläubigen der jetzigen Gnadenzeit wird mehr sein, nämlich die Erde, ja die ganze Schöpfung (Heb 2,7.8), denn das Wort Land kann auch Erde bedeuten. Die Versammlung wird dieses Erbteil in Christus empfangen und besitzen.

Es ist für manche Christen vielleicht schwierig zu verstehen, dass sie auf der Seite des Siegers stehen und doch oft leiden müssen oder ungerecht behandelt werden. Aber bald werden wir mit Ihm seine Machtstellung teilen. Deshalb tröstet der Herr die Jünger, wie Er auch die Thessalonicher durch den Apostel Paulus trösten ließ, als dieser schrieb: „Wenn es denn bei Gott gerecht ist, denen, die euch bedrängen, mit Drangsal zu vergelten, und euch, die ihr bedrängt werdet, Ruhe mit uns zu geben bei der Offenbarung des Herrn Jesus vom Himmel, mit den Engeln seiner Macht ...“ (2. Thes 1,6.7).

Auch der Herr Jesus ist diesen Weg gegangen. In Jes 53,7 heißt es von Ihm: „Er wurde misshandelt, aber er beugte sich und tat seinen Mund nicht auf, wie ein Lamm, das zur Schlachtung geführt wird, und wie ein Schaf, das stumm ist vor seinen Scherern; und er tat seinen Mund nicht auf.“ Aber in Vers 12 sehen wir die Folgen: „Darum werde ich ihm Anteil geben an den Vielen, und mit Gewaltigen wird er die Beute teilen.“ Die „Großen“ sind seine Gegner, und die „Gewaltigen“ seine Teilhaber im Tausendjährigen Reich.

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