Botschafter des Heils in Christo 1875

Von Golgatha zum Paradies

Kurz und glänzend war der Weg von der tiefsten irdischen Schande zu den Räumen der höchsten himmlischen Herrlichkeit, – jener Weg, den nicht nur Er, der in eigener Person ein Anrecht auf diese Herrlichkeit hatte, sondern auch der wegen seiner Missetaten „gehängte Räuber“ zurücklegte. Dieser hatte nur das von den Menschen ihm zuerkannte, sowie das Gericht Gottes zu erwarten, von dem er ein ebenso klares, als furchtbares Vorgefühl hatte, wie dieses aus den an seinen Mitschuldigen gerichteten Worten: „Auch du fürchtest Gott nicht, da du in demselben Gericht bist, und wir zwar mit Recht?“ klar hervorgeht. Er erkannte, dass er das gerechte Gericht Gottes wegen seiner Sünden verdient habe; und dennoch begleitete er den Herrn Jesus auf seinem glänzenden Siegeszuge von Golgatha zum Paradies, von der Schande zur Herrlichkeit, vom Kreuz zum Thron. Dieser Gegensatz ist ebenso wunderbar, wie der Weg kurz und das Mittel göttlich vollkommen ist.

Man denke sich einen Menschen, der an einem und demselben Tage am Rand der Hölle und auf den Gefilden des Himmels steht, der als ein Sünder zum Kreuz geht und dasselbe als ein Heiliger verlässt, der, als ein williger Sklave Satans ans Kreuz geheftet, dort der Gewalt seines Feindes entrissen, befreit und für eine Gemeinschaft, die höher als die der Engel, passend gemacht ist, der durch das Gesetz zum Tod verurteilt und durch die Gnade davon in einer Weise befreit wird, dass das Gesetz nichts dagegen einwenden kann, der als ein Räuber und Sünder bis zu diesem Moment in seinem Herzen mit Hass gegen Gott erfüllt ist und noch am Kreuz den Herrn lästert, und der dennoch mit Christus an demselben Tage im Paradies erscheint. Man denke an seine Verbrechen und an Gottes Barmherzigkeit, an seine schreckliche Schuld und an die Gnade, welche ihn kraft der durch das fleckenlose Lamm vollbrachte Versöhnung in die Herrlichkeit versetzt.

Doch nur und allein in dieser Versöhnung liegt der Grund dieses wunderbaren Wechsels. Jener Unglückliche war ein Räuber, ein Sünder und hatte als solcher das Gericht Gottes verdient: aber Christus kam in die Welt, um „Sünder zu erretten“, indem Er ihre Strafe trug. Ferner stand er am Rand des Todes und hatte keine Zeit mehr, sich zu besseren und sein Leben zu ändern, so dass er, wenn er nicht für immer verloren gehen sollte, sofort gerettet werden musste; aber Christus kam, „zu suchen und zu retten, was verloren war.“ Dazu musste seine Errettung so vollständig und endgültig sein, dass er für den Himmel völlig passend war; und eine solche Errettung ward ihm zu Teil; denn Jesus sagte: „Heute wirst du mit mir im Paradies sein.“ Endlich mühte er eine genügende Autorität für seine Hoffnung haben, die ihm, der ein Leben voller Sünden hinter sich und keine Möglichkeit zur Vollbringung guter Werke vor sich erblickte, dennoch das Recht gab, jede Furcht und jeden Zweifel zu verbannen; und diese Autorität hatte er in den unfehlbaren Worten des Herrn: „Wahrlich, ich sage dir.“

Jede Frage dieser Art war glorreich beantwortet. Von der Türschwelle der Hölle bis zum Mittelpunkt des Himmels dienten diesem „sterbenden Räuber“ der Tod des Heilands als Grund und dessen Worte als Autorität für seine Errettung. Aber auch welch ein glorreiches Werk wurde hier durch Ihn, über dessen scheinbare Niederlage Satan mit höllischer Freude triumphierte, vollbracht – durch Ihn, der um unsertwillen aus dem Himmel kam, und der diesen Sünder nicht nur als eine elende Beute dem Rachen des Löwen entriss, sondern ihn auch, gleichsam als eine Siegestrophäe, an seiner Seite ins Paradies führte! Der Räuber war die erste Frucht seiner Schmerzen. Welch eine anbetungswürdige Gnade! „Denn durch die Gnade seid ihr errettet mittelst des Glaubens, und das nicht aus euch, Gottes Gabe ist es“ (Eph 2,8).

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