Botschafter des Heils in Christo 1875

Die Liebe Gottes, die an alles denkt

Diese Stelle ist für eine ernste und demütige Seele sehr schön und trostreich: denn sie stellt uns Gott dar, wie Er von unserem Zustand äußerster Sündhaftigkeit an bis zum Gericht hin unserer gedenkt; ja, sie entfaltet seine Liebe von Anfang bis zu Ende.

Im Allgemeinen stellt dieser Brief das göttliche Leben vor uns, jenes ewige Leben, welches bei dem Vater war und hienieden in der Person Jesu offenbart und anderen mitgeteilt wurde; dasjenige, (wie geschrieben steht) welches wahr ist in Ihm und in uns.

Das Evangelium Johannes stellt uns, außer der Lehre vom Sachwalter, Gott dar, wie Er im Sohn offenbart und Leben in sich selbst ist; der Brief Johannes stellt das Leben dar als uns mitgeteilt und erkannt an seinen Früchten, nämlich an der Liebe zu den Brüdern, an dem Gehorsam, oder der praktischen Gerechtigkeit.

In der vor uns liegenden Stelle ist die Liebe der Hauptgegenstand und zwar zuerst die Liebe als Anteil an der Natur dessen, der die Liebe ist. Jeglicher, der liebt, ist aus Gott geboren und kennt Gott; er hat Teil an seiner Natur und kennt Ihn, der die Liebe ist, als Teilhaber derselben.

Besitzen wir eine gewisse Natur, (und ohne diesen Besitz ist es unmöglich) so wissen wir, was diese Natur ist, was das Wesen dessen ist, der diese Natur hat. Ein Tier weiß nicht, was im Menschen ist; es kennt nicht seine Art und Weise zu denken und zu fühlen. Ein Mensch weiß, was ein Mensch ist: doch weiß er nicht, was ein Engel ist. Er weiß es nur insofern, als ihm zum Teil das Verhältnis des Engels zu Gott offenbart ist und als dadurch einige Grundzüge der Natur desselben ins Licht gestellt sind. Jeglicher, der liebt, kennt Gott, denn er ist aus Ihm geboren, indem er Teilnehmer der göttlichen Natur ist: eine gesegnete Wahrheit! sie ist, indem die Gerechtigkeit eingeführt wird, die Quelle ewiger Freude und unendlicher Wonne.

Wenn wir aber auf die Verwirklichung hienieden kommen, so stoßen wir auf Schwierigkeiten. Ich liebe die Brüder; und doch, welche Gleichgültigkeit im Ganzen genommen! wie oft kommt mein Ich dazwischen, und ich fehle hinsichtlich der Liebe. Ich kann meinem Herzen nicht einen Augenblick trauen. Kann ich in Wahrheit sagen, dass ich aus Gott geboren bin und Gott kenne, wenn ich im trügerischen Herzen so vieles finde, was schließlich dem widerspricht, was ich wünsche? Ich hoffe, ich fürchte – da ist keine Freiheit des Geistes, und insoweit ist dies am Platz. Doch eben deswegen gibt uns der Heilige Geist Kenntnis von der Liebe, die sich auf einer anderen Seite befindet, wo sie vollkommen ist: in Gott selbst, in seinen Wegen und Handlungen. Hierin ist die Liebe Gottes zu uns in Betreff unserer offenbart worden. Ich wünsche in Kürze die Stelle etwas auseinander zu setzen, damit wir ihre Vollständigkeit und Tragweite erfassen möchten. Zuerst haben wir in den Versen 9 und 10 die Liebe Gottes zu dem Sünder, dann in Vers 12 den Genuss seiner Liebe in dem Heiligen, und in Vers 17 sehen wir diese Liebe vollendet in der Freimütigkeit, welche sie uns für den Tag des Gerichts gibt.

1.: Seine Liebe zu uns als Sündern erweist sich darin, dass der ewige Gegenstand der Wonne Gottes, sein eingeborener Sohn, in Gnade zu uns gesandt ward und zwar zu dem zweifachen Endzweck: erstens als die tatsächliche Segnung, das, was gegeben ist, auf dass wir durch Ihn leben. Wir waren tot in Sünden; Gott gibt uns ein neues – ein göttliches Leben, Wir leben nicht mehr durch Adam, sondern durch den Sohn Gottes. Wer den Sohn hat, hat das Leben. Unser Dasein vor Gott ist göttliches Leben in Christus. Gott hat in Liebe unseres Verderbens gedacht und hat uns in seinem Sohn ewiges Leben gegeben.

Aber wir waren zudem, als verantwortliche Wesen, schuldig vor Ihm. Hierin ist seine Liebe uns entgegengekommen. Er hat daher seinen Sohn gesandt, zweitens als eine Sühnung für unsere Sünden. Es handelt sich nicht um Gesetz und Pflicht, obgleich diese da waren, sondern darum, dass Abfall, Vergehen und Gericht vorhanden waren. Die Liebe aber besteht nicht darin, dass wir Gott lieben, danach (haben wir in unseren Herzen zu fragen, wenn wir den Beweis des Lebens in denselben finden wollen, doch sind wir alsdann in Wirklichkeit unter Gesetz; das Gesetz hat Liebe zu Gott gefordert und zwar mit Recht) sondern hierin ist die Liebe, dass Gott uns geliebt und seinen Sohn gesandt hat als eine Sühnung für unsere Sünden. Es handelt sich nicht um eine Forderung dessen, was wir in uns selbst sein sollten, so gerecht diese auch ist, sondern um ein Hinwegtun, um das Darbringen einer heiligen Sühnung für unsere Sünden. Wir waren tot in Sünden, und Er gibt uns Leben. Wir waren schuldig, und Er hat Ihn gegeben als eine Sühnung für unsere Sünden. Er hat volle Genüge getan in Betreff unserer ganzen Lage als Sünder und Zwar in Rücksicht auf beide oben erwähnten Gesichtspunkte. Nun ist die Liebe Gottes gekannt; das Herz ist frei, das Gewissen gereinigt; der Apostel kann uns zur Liebe gegen einander ermahnen.

2.: Jetzt beschäftigen wir uns mit einem Heiligen. Dieser besitzt noch mehr Vorrechte als diejenigen, welche ihm in der Vergebung der Sünden und der Gabe des Lebens zu Teil geworden sind. Niemand hat Gott je gesehen. Wie können wir Ihn kennen, selbst wenn wir ein Leben und eine Natur besitzen, die uns dazu befähigen? Wie Ihn kennen als einen Gegenstand, der völlig vor unseren Seelen steht und als solcher erkannt ist? Vor Grundlegung der Welt war in Christus diese persönlich dargestellte Kundmachung Gottes (siehe Joh 1,18), und Er ist verworfen worden. Doch inwiefern ist Er in uns? „Wenn wir einander lieben, so bleibt Gott in uns, und seine Liebe ist vollendet in uns.“ Darin liegt das Vorrecht des Heiligen. Er genießt die Liebe Gottes, welche in sein Herz ausgegossen ist. Gott wohnt in ihm durch seinen Geist und gibt seine Gegenwart in einer unendlichen und geschmeckten Liebe zu erkennen als derjenige, der in dem Gläubigen wohnt. Dennoch handelt es sich hier nicht darum, dass wir Gott lieben, sondern darum, dass seine Liebe in unsere Herzen ausgegossen ist durch den Heiligen Geist, welcher uns gegeben ist. Sie ist in unseren Herzen; doch ist das, was dort ist, die Liebe Gottes, erkannt und genossen durch seine eigene Gegenwart. Wenn Gott also in uns wohnt – und dieses wissen wir, weil Er uns von seinem Geist gegeben hat und diese Liebe eben durch die Gegenwart desselben in unsere Herzen ausgießt – so können wir wohl sagen: vollendet in Liebe; – denn was ist vollkommener als Gott in Liebe, und wie kann die Mitteilung derselben an uns vollkommener ausgeübt und entfaltet werden, als durch die selbsteigene Innewohnung dessen in uns, der in vollkommener Weise die Liebe ist und der dieselbe durch seine Gegenwart in unsere Herzen ausgießt? Doch selbst hier müssen wir, soll der Beweis geliefert werden, denselben außer uns suchen. „Wir haben gesehen und wir bezeugen, dass der Vater den Sohn gesandt hat als den Heiland der Welt.“ Man kann den Genuss der Liebe Gottes durch seine Gegenwart in uns nicht von dem trennen, worin diese Liebe so vollkommen entfaltet worden ist, nämlich in seinem Werk zur Verherrlichung seiner selbst. Auch ist dieses Teil des Christen nicht etwa ein besonderer oder außerordentlicher Beweis seines Fortschrittes. Es ist die Stellung des Christen. „Wer irgend bekennt, dass Jesus der Sohn Gottes ist, in ihm bleibt Gott und er in Gott.“ Denn Gott, wenn Er auch in uns wohnt, ist unendlich, und wir bleiben in Ihm; wir fühlen uns von seiner Güte, Liebe und Macht umgeben und sind es auch, so dass in Ihm unsere Wohnung, unsere Ruhe ist, in Ihm und in der Fülle seiner Liebe. Dieses alles mag in verschiedenem Maß verwirklicht werden; aber es gehört jedem an, der bekennt, dass Jesus, der demütige Mensch, der Sohn Gottes ist (Wohl verstanden wird hier nicht von Heuchlern gesprochen).

Doch wiederum trägt der Apostel Sorge, uns dahin zu führen, dass wir auf die Liebe sehen, wie sie in Gott ist und sich uns gegenüber entfaltet. „Wir haben erkannt und geglaubt die Liebe, die Gott zu uns hat.“ Welches auch unsererseits der Genuss und die Verwirklichung der Liebe sein mag, so ist sie doch stets die Liebe in Ihm, jene höchste Liebe, die Er zu uns hatte. Wir kennen Gott: „Gott ist die Liebe und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott in ihm.“ Wiewohl die Liebe immer dieselbe ist, nämlich das, was Gott ist und was Er gegen uns kundgibt, so ist doch hier der Gedankengang einigermaßen verschieden. Bleibe ich in der Liebe, im Genuss und im Bewusstsein dieser Liebe und in der Ausübung ihrer Kraft gegen andere, dann bleibe ich in Gott, denn Gott ist die Liebe; wenn ich in derselben bleibe, so bleibe ich in Gott, denn das ist es eben, was Gott ist. So bleibt und ruht die Seele des Heiligen in Ihm und vertraut auf Ihn, umgeben von seiner Güte, und in dem Grad, als diese Liebe in seiner Seele tätig ist – dort ausgegossen und wirksam – ist Gott in ihm, weil Gott die Liebe ist und uns seiner Innewohnung würdigt. Im Vorhergehenden hatte der Apostel die Tatsache gelehrt: Gott bleibt in dem Heiligen, und, als unendlich, bleibt der Heilige in Ihm. Und nun hier, wo es sich um seinen Genuss und sein Vorrecht handelt, sagt der Apostel: Der Heilige bleibt in Gott, und sodann in Betreff der Liebestätigkeit: Gott bleibt in ihm. Die erste Tatsache ist diese Stellung, dann die doppelte Segnung Gottes selbst und dann die Tätigkeit seiner Liebe. Alles dies ist sehr einfach. Es ist der gegenwärtige Genuss des reichen, ewigen und reinen Lebens, indem man sich in Gott selbst freut, und dies, wie es in Jesu der Fall war, in Liebe zu den Seinen und zu jedem Sünder rings umher betätigt.

3.: Wir kommen jetzt zum dritten Glied in dieser segensreichen Liebeskette. „Hierin ist die Liebe mit uns vollendet worden, auf dass wir an dem Tag des Gerichts Freimütigkeit haben, dass, gleich wie Er ist, auch wir sind in dieser Welt.“ Die Liebe hat auf uns geblickt von der Zeit an, als wir noch in Sünden waren; sie hat sich unserer angenommen und ist auf dem Weg bei uns geblieben und nun verkündigt sie ihre Vollgenügsamkeit für jenen Tag, an welchem das Gericht Gottes alles in Frage ziehen wird, was nicht die Frucht seiner Liebe ist. Wie kann aber dies alles dem Tag des Gerichts entgegengehen? Hierin ist die Liebe mit uns vollendet, dass wir sind wie Christus ist, und Er ist der Richter; was könnten wir da noch fürchten? O, wie hat die Liebe unserer gedacht von unserem Zustand in den Sünden und im Tod an bis zum Gericht hin! und sie hat uns gegeben, jetzt „in dieser Welt“ so dazustehen, wie Christus selbst vor Gott ist. Wer kann da etwas auszusetzen finden? Christus, dem wir gleichförmig sind, oder Gott, der seine Wonne an Ihm hat? Wir haben Freimütigkeit am Tag des Gerichts. Es gibt keinen Ort, an welchem der Christ so freimütig ist, wie dort, wenn er seine Stellung in Christus kennt. Wenn wir vor seinem Richterstuhl stehen, so werden wir völlig so sein wie Er; und wie Er ist, so sind wir in dieser Welt. Mancher aufrichtige Christ erkennt diese seine Stellung in Christus nicht. Er sagt vielleicht: „Ich bin ein armer Sünder, und das Kreuz passt gerade für mich.“ Dies ist wohl kostbar und wahr; aber kehren wir den Satz um: „Ich bin ein armer Sünder und der Richterstuhl Christi passt gerade für mich.“ Das gefällt ihm nicht, und doch müssen wir alle offenbar werden vor dem Richterstuhl Christi (2. Kor 5,10). Dort müssen wir so erscheinen, wie es dem Richter angemessen ist. Wer nicht rein ist, für den passt es, gewaschen zu werden; ein Schuldner ist in der passenden Lage für jemand, der kommt, um seine Schulden zu bezahlen: allein ein Gerechter passt vor einen Richterstuhl: und wir haben hier das Maß der Gerechtigkeit: Christus, welcher zu Gericht sitzt, ist meine Gerechtigkeit. Wenn ich dort erscheine, wird es in Herrlichkeit geschehen: ich werde sein, wie Er ist, werde sein Bild an mir tragen: denn ich bin dann in Herrlichkeit auferweckt, mein Leib der Niedrigkeit ist dann seinem verherrlichten Leib gleich gestaltet. Hier ist kein Anlass, sich zu fürchten. Die Gnade hat den Gläubigen jetzt in Christus hineingestellt, und durch sein Werk ist der Gläubige angenehm gemacht in dem Geliebten: gleich wie Er ist, so ist der Gläubige in dieser Welt. Wie kann ich mich fürchten, wenn ich bin, wie Christus ist? Beachten wir es wohl, es heißt nicht: wie er war. Er war ohne Sünde und kannte keine Sünde, auch als Er hienieden war. Wenn ich sage, ich habe keine Sünde, so betrüge ich mich selbst und die Wahrheit ist nicht in mir. Doch mein Platz vor Gott ist in Christus, nicht in dem Fleisch. „Es ist keine Verdammnis für die, welche in Christus Jesus sind.“ Aber es steht geschrieben: Wie Er ist – jetzt, da Er das Werk vollendet, nachdem Er durch sich selbst die Reinigung der Sünden gemacht hat: denn „durch ein Opfer hat Er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden, durch das ein für alle Mal geschehene Opfer seines Leibes“ – wie Er jetzt ist, so sind wir in dieser Welt, begnadigt in dem Geliebten. Ich frage noch einmal; Wo ist da Anlass zur Furcht? Ist das nicht Liebe, vollkommene, vorsorgende Liebe, dass wir dort Vollkommenheit antreffen, anstatt Gericht? Dann erkenne ich, dass ich bin wie der Richter, wie der Herr in Herrlichkeit, wie mein Heiland. Es ist die gnadenreiche Liebe, die meiner Sünden und meines geistigen Todes in denselben gedacht. Es ist gesegnete und segnende Liebe, dass Gott in mir bleibt; und die Liebe ist vollendet darin, dass ich bin wie Christus, Gottes eingeborener Sohn, so dass da, wo notwendigerweise Furcht sein müsste, dieselbe ausgeschlossen ist. Die Liebe hat mir nun gezeigt, was die Liebe getan hat, und während sie mich nun dazu leitet, sie zu genießen, indem Gott in mir bleibt und ich in Ihm, lässt sie mich zurückblicken und sehen, wie sie tätig war, als ich noch ein toter Sünder war. Es ist eine Liebe, die von sich aus mir zufließt, so dass ich mich auf sie verlasse, ja ihre Vollkommenheit gerade da erkennen lerne wo ich mich sonst gefürchtet hätte. Ich nehme wahr, dass die Liebe sowohl unendlich wunderbare Ratschlüsse, (indem sie mich gleich Christus, dem Sohn Gottes, zu einem Menschen in der Herrlichkeit machte) als auch göttlich vollkommene Gerechtigkeit hatte: denn Ihm, vor dessen Richterstuhl ich stehen werde, Ihm werde ich gleich sein; seine Gerechtigkeit ist mein. Die Liebe hat an alles gedacht, was mir Ursache geben kann, Gott in seiner unendlichen Gnade zu preisen und seine Güte zu genießen, und zwar in einer Gerechtigkeit, welche Er mir zu eigen gegeben. In der Liebe ist keine Furcht. Wo wäre Furcht am Platz, von meinem Zustand des Todes in Sünden an bis hinauf zum Richterstuhl Christi? Er kann mich nicht zu sehr lieben; doch kann Er mich auch nicht mehr lieben, und mein Herz ist in Ruhe.

Und bemerken wir hier, dass Hoffnung für den Tag des Gerichts keineswegs das richtige Gefühl eines Gläubigen ist, obwohl er diesen Zustand durchgemacht hat, und es ist ganz begreiflich, dass dem so ist. Wir hoffen, weil wir Güte sehen und weil wir etwas von Erlösung wissen; wir fürchten, weil wir sehen, dass etwas in uns ist, das vor dem Gericht Gottes nicht bestehen kann. Wir schwanken; es ist uns nicht wohl zu Mut, und wenn der Gedanke an das Gericht aufsteigt, so bringt er Pein, weil Furcht vorhanden ist. Gott wollte uns nicht so haben. Er wollte nicht, dass wir Pein hätten. Er wollte, dass wir glücklich und in Zuversicht mit Ihm wandeln. Furcht ist nicht Zuversicht. Und doch, wenn wir gerichtet werden sollen, d. h., wenn an jenem Tag unser Zustand nach unseren Werken bestimmt werden soll, (denn wir alle müssen vor dem Richterstuhl erscheinen) so werden wir gewiss verdammt werden. „Gehe nicht ins Gericht“, – sagt die Seele, welche weiß, was die Sünde, was das Fleisch in den Augen Gottes ist, – „gehe nicht ins Gericht mit deinem Knecht, o Herr; denn kein Lebendiger ist gerecht vor dir.“ Aber der Gläubige hat dies für sich selbst gelernt, ehe das Gericht hereinbricht, und hat Zuflucht genommen zu der vor ihm liegenden Hoffnung, und weiß, dass die Erlösung ebenso sicher als vollständig ist, und die göttliche Gerechtigkeit ebenso hinreichend – wenn ich ein so schwaches Wort gebrauchen darf – als seine Verdammnis gewiss war. Er vermengt nicht das Gericht wegen der Sünde und die Erlösung von der Sünde, als wäre beides sein Teil. Er anerkennt völlig das Erstere und seine gänzlich verdiente Verdammnis; er glaubt Zugleich völlig an das Letztere, nämlich an die Erlösung von der Sünde. Er möchte nicht die Kraft beider Wahrheiten durch ein Vermengen derselben zerstören. Er weiß wohl, dass das Gericht, wenn es demgemäß, was er ist, geübt würde, nichts anderes als sichere Verdammnis wäre. Göttliche Gerechtigkeit (und wir sind Gerechtigkeit Gottes in Christus) und vollkommene Annahme sind notwendig. Die Gnade hat ihm dies gegeben, es ihm zu eigen gemacht. Wie Er ist, so sind wir in dieser Welt; denn durch den Glauben sind wir es jetzt schon. Wir haben Freimütigkeit an dem Tag des Gerichts, und es ist keine Furcht in der Liebe; darin ist unser Teil vollendet. Auferstanden in Herrlichkeit wird der Gläubige vor dem Richterstuhl offenbar; doch ist er verherrlicht, bevor er dort erscheint. Sein Leib der Niedrigkeit ist umgestaltet zur Gleichförmigkeit des Leibes der Herrlichkeit Christi nach der Wirkung, mit der Er vermag, auch alle Dinge sich untertänig zu machen (Phil 3,21). Indem er dann erkennt, wie er gekannt worden ist, blickt er von jenem Ort der Glückseligkeit, wo er das Bild des Himmlischen an sich trägt, zurück auf die unzähligen Erweisungen der Liebe, welche ein armes schwaches Geschöpf, das durch Christus, den Herrn, gerechtfertigt worden ist, durch alles hindurch dazu gebracht hat, dass es sich selbst erkenne, sowie auch die Liebe, die es geleitet, die an dasselbe gedacht, es unterstützt, getragen, aufgerichtet und dorthin gebracht, damit es, dem Herrn ähnlich gemacht, die Liebe genieße und preise, welche das alles getan hat, und damit es in einer Heiligkeit wohne, wo nichts Böses Zutritt hat, wo nur Freude ist, und damit es Jesus finde, den Herrn der Herrlichkeit, den Erstgeborenen unter vielen Brüdern. Wir lieben Ihn, weil Er uns zuerst geliebt hat. Doch ach, wie unvollkommen sind alle unsere Gedanken von jenem Tag! Unser Teil ist es, in Christus zu bleiben, an Ihn zu denken, Ihm mit ungeteiltem Herzen hier zu dienen. J. N. D.

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