Botschafter des Heils in Christo 1875

Die Vollgültigkeit des Opfers Christi

„Wenn ich das Blut sehe, werde ich an euch vorübergehen.“ So sprach der Herr zu Israel in jener denkwürdigen Nacht, als Er im Begriff stand, alle Erstgeborenen der Ägypter zu töten. Das Blut war draußen an den Türpfosten, und der Israelit drinnen im Haus, so dass er das Blut nicht sehen konnte. Doch dessen bedurfte es auch nicht; denn der Herr sah das Blut, und das genügte vollkommen. Nicht was Israel, sondern was der Herr über dieses Blut dachte, war die Hauptsache. „Wenn ich das Blut sehe, werde ich an euch vorübergehen.“ Das war ihre Sicherheit. Kein Erstgeborener starb da, wo das Blut an den Türpfosten war. Das Wort, die Verheißung Gottes bürgte den Kindern Israel dafür, und darauf vertrauend, konnten sie sich ruhig und fröhlich um das Passahmahl reihen und Gott preisen für seine rettende Liebe und herrliche Erlösung.

Ebenso verhält es sich mit uns. Das Blut Jesu Christi, des Sohnes Gottes, reinigt uns von aller Sünde. Gott hat das Opfer Jesu angenommen, und das Blut ist vor seinem Angesicht. Das ist unsere Sicherheit. Es ist durchaus nicht die Hauptfrage, was wir über das Blut und das Opfer Christi denken. Was würde es uns nützen, wenn wir uns die erhabensten Vorstellungen über dieses Opfer machten und es über alles hochschätzten, wenn Gott, keinen Wert darauf legte? Und was würde es uns andererseits schaden können, wenn wir das Opfer Christi, falls Gott sich damit zufrieden erklärt, nicht in seinem Wert erkannten? Sicher würden wir in letzterem Fall keinen Frieden haben und uns nicht freuen können; aber würden wir als Gläubige weniger sicher sein? Keineswegs. Ein Israelit, dessen Türpfosten mit Blut bestrichen waren, konnte die Frage in sich aufkommen lassen: „Wird das Blut denn auch wirklich ein Schutzmittel gegen den Tod meines Erstgeborenen sein?“ Aber war er deshalb weniger in Sicherheit? Wäre deshalb der Erstgeborene gestorben? Gewiss nicht. Das Blut war an den Türpfosten, und das war seine Sicherheit. Es handelte sich nicht darum, welche Gedanken er über das Blut hatte, sondern die einzige Frage war, ob sich dieses Blut wirklich an seinen Türpfosten befand. Seine Zweifel bezüglich der Kraft und des Wertes dieses Blutes konnten ihn zwar seiner Freude, nicht aber seiner Sicherheit berauben. Ebenso handelt es sich bei uns nicht darum, wie wir über das Opfer Christi denken, sondern welche Gedanken Gott darüber hat. Gott ist unser Richter. Vor Ihm müssen wir erscheinen. Er muss uns verurteilen oder freisprechen. Wohlan, ist Er in Bezug auf uns durch das Opfer Christi befriedigt, dann sind wir in Sicherheit, und kein Verderber kann uns schaden, kein Urteil uns treffen, keine Verdammnis uns ereilen. Wie wir darüber denken, das hat mit unserer Seligkeit nichts zu schaffen. Wohl entbehren wir den Frieden und die Freude; wenn unsere Gedanken darüber mit Gott nicht in Übereinstimmung sind; aber nichtsdestoweniger sind wir stets in Sicherheit. Die einzige Frage ist, ob sich das Blut an den Türpfosten befindet, oder ob – mit anderen Worten – wir hinter dem Blut Christi verborgen sind. In diesem Fall haben wir nichts zu fürchten. Gott sieht das Blut und ist zufrieden gestellt. Es ist also von der höchsten Wichtigkeit, wie Gott über das Opfer Christi denkt. Davon hängt für uns alles ab. Verweilen wir daher einige Augenblicke bei diesem bedeutungsvollen Gegenstand und betrachten wir, was der Heilige Geist im 10. Kapitel des Hebräerbriefes über denselben lehrt.

Die Opfer des Alten Testaments wären nicht im Stande gewesen, die Sünde wegzunehmen. Dieses war deutlich ins Licht gestellt; denn wenn durch diese Opfer die Sünden vergeben gewesen wären, so hatte es nicht einer jährlichen Wiederholung derselben bedurft. Die fortdauernden Opfer bewiesen, dass die Sünden noch nicht vergeben waren, und darum waren alle, welche den Dienst übten, nicht vom bösen Gewissen gereinigt, sondern im Gegenteil war „in jenen Opfern jährlich ein Erinnern der Sünden“ (Heb 10,1–3). Und warum vermochten diese Opfer die Sünden nicht wegzunehmen? Weil es „unmöglich ist, dass Stier– und Bockblut die Sünden wegnehmen“ (V 4). Der Mensch hat gesündigt und darum den Tod verdient: mithin musste auch der Mensch die Strafe der Sünde, das heißt den Tod tragen. Nur ein menschliches Opfer konnte den Menschen mit Gott versöhnen und die Sünden beseitigen! Und wo auf der ganzen Erde war ein Mensch zu finden, der sich selbst als ein Opfer für andere hingeben konnte? Sicher nirgends: denn alle, ohne irgendwelche Ausnahme, waren auf dem Weg zur Verdammnis. „Da ist keiner, der Gutes tut, auch nicht einer.“ Alle sind abgewichen und dem Tod unterworfen. Nun kann unmöglich der eine Missetäter für den anderen sterben. Wenn Gott daher nicht selbst sich ein Opfer ausersehen hätte, dann hätten alle Menschen ewig die Strafe ihrer Sünden tragen und von Gott fernbleiben müssen. Doch hier begegnen wir der Liebe Gottes. Er selbst hat sich das Opfer ausersehen. „Ohne Blutvergießung ist keine Vergebung“, ohne ein und zwar menschliches Opfer keine Versöhnung; und da auf der ganzen Erde kein passendes Opfer zu finden war, sandte Gott ein solches aus dem Himmel: Er sandte seinen geliebten Sohn Jesus Christus. Ihm hatte Er einen Leib zubereitet. Dieses war nötig. Um den Menschen erlösen zu können, musste der Sohn Gottes ein Mensch werden, und zwar ein Mensch, der uns, ausgenommen die Sünde, in allem gleich war. Er mühte ein wahrhaftiger Mensch sein, um ein Opfer für die Sünden des Menschen sein zu können. Nicht als ein erwachsener Mann durfte Er auf dieser Erde erscheinen: nein, er musste auf dieser Erde geboren werden und aufwachsen, wie wir geboren sind und aufwachsen. Er musste dem Recht nach seinen Platz unter den Menschen als einer von ihnen einnehmen, wenn anders sein Opfer vor Gott Gültigkeit haben sollte. Aber ebenso sehr war es nötig, dass die Sünde ausgeschlossen war. Es musste ein Opfer ohne Fehl sein. Ware irgendein Flecken, irgendein Keim von Sünde in Ihm gewesen, dann hätte Er für sich selbst leiden müssen und hätte sich nicht als ein Stellvertreter für andere hingeben können. Darum wurde von Ihm nicht nur gesagt, dass Er keine Sünde getan (1. Pet 2,22), sondern auch, dass Er keine Sünde gekannt habe (2. Kor 5,31). Jesus kannte die Sünde nicht in sich. Wohl sah Er sie in seiner Umgebung; aber in Ihm selbst war keine Sünde; in seinem Fleisch gab es nicht den geringsten Flecken von Sünde; Er war als „das Heilige“ von Maria geboren. Darum konnte Er unser Stellvertreter am Kreuz sein. In Ihm fand die Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes nichts als fleckenlose Reinheit, nichts als göttliche Vollkommenheit. Er selbst führt sich, kommend in die Welt, mit den Worten ein: „Schlachtopfer und Opfer hast du nicht gewollt, einen Leib aber hast du mir zubereitet; an Brandopfern und Opfern für die Sünde hast du kein Wohlgefallen. Da sprach ich: Siehe, ich komme, um deinen Willen, o Gott, zu tun!“ (Heb 10,5–7) Nachdem es sich ins Licht gestellt hatte, dass alle die Tausende und Millionen der Opfer des Alten Testaments die Sünden nicht hatten wegnehmen können, dass all das Blut, welches so viele hundert Jahre hindurch im Überfluss vergossen worden war, kein einziges Gewissen von bösen Werken zu reinigen vermocht hatte, kam Jesus in die Welt mit der Erklärung, alles das zu vollbringen, was durch die Menge der Opfer nicht hatte vollbracht werden können. Freiwillig kam Er auf die Erde, freiwillig unterwarf Er sich dem Spott und dem Hohn, dem Leiden und dem Tod; und dieses alles, um den Willen Gottes zu vollbringen. Welch ein herrliches zusammentreffen? Der Wille Gottes war die Erlösung der Sünder. Zur Ausführung dieses Willens kam Jesus; aber Er tat es nicht gezwungen, o nein, es war sein eigener Wille, seine eigene Freude, dieses zu tun. Voll Freude verließ Er den Himmel, um die kostbare Perle zu suchen, um für ihren Besitz die Herrlichkeit und die Macht, den Thron und die Herrschaft, ja selbst sein eigenes teures Leben zum Opfer zu bringen. Wer vermöchte eine solche Liebe zu ergründen? O unser Herz jauchzt, wenn wir daran denken! Und was wird es sein, wenn wir einmal diese Liebe anschauen und völlig genießen werden!

Doch verweilen wir einige Augenblicke bei den gesegneten Folgen, welche das Opfer Christi für uns hat. Wir haben gesehen, dass Jesus in die Welt kam mit der Erklärung: „Ich komme, um deinen Willen, o Gott, zu tun!“ Dieser Wille Gottes war unsere Heiligung; denn der Apostel sagt: „Durch welchen Willen wir geheiligt sind durch das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi“ (V 10). Wir sind geheiligt, d. h. abgesondert. Dieses ist in der Schrift stets die Bedeutung des Wörtchens „geheiligt.“ Der Herr Jesus sagt: „Mich, den der Vater geheiligt und in die Welt gesandt hat!“ (Joh 10,36) Paulus sagt, dass das ungläubige Weib geheiligt sei durch den gläubigen Mann. Wir sind also abgesondert, und wovon? Von der Welt, von der Sünde, von dem Tod, von dem Teufel. Wer hat uns denn abgesondert? Gott selbst. Wodurch hat Er dieses bewirkt? Durch das einmal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi. Der Wille Gottes ist also die Ursache, und das Opfer Christi das Mittel unserer Heiligung oder Absonderung. Welch eine Sicherheit! Gott wollte uns für sich absondern; Er wollte uns für sich besitzen. Zu diesem Zweck gab Er selbst das Mittel in dem Opfer des Leibes Jesu Christi. Er selbst bereitete alles zu. Er war verunehrt, Er war verworfen, von Ihm hatten wir uns losgerissen unsere Verdammnis würde eine Handlung der Gerechtigkeit gewesen sein. Aber Er hatte Wohlgefallen an unserer Erlösung, Er wollte uns erretten. Und dieser Wille wurde ausgeführt selbst um den Preis des Todes seines eingeborenen Sohnes. Es ist nun selbstredend, dass dieses Opfer nach seinem Herzen war, dass Er dadurch verherrlicht wurde, und seine Gerechtigkeit und Heiligkeit eine vollkommene Befriedigung fanden. War sein Wille die Ursache des Opfers, dann musste das Opfer Ihm auch völlig genügen. Und dieses wird uns hier bewiesen; denn der Apostel sagt: „Durch welchen Willen wir geheiligt sind durch das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi.“ Das Opfer Jesu wird nie wiederholt werden: es ist das ein für alle Mal geschehene Opfer. Im „Alten Testament“ war „jährlich ein Erinnern der Sünden“, und darum waren die Hinzutretenden nimmer geheiligt, während alle, die zu dem ein für alle Mal geschehenen Opfer Jesu ihre Zuflucht nehmen, vollkommen geheiligt sind. Jetzt gibt es kein Erinnern der Sünde mehr. Es ist vollbracht, rief der Herr am Kreuz aus. Und der Vorhang des Tempels zerriss. Der Weg ins Heiligtum war geöffnet, die Versöhnung geschehen. Die Sünden waren hinweggetan – nicht etwa bloß für einen Tag oder ein Jahr, sondern für immer. Nicht einzelne, nicht die meisten, sondern alle Sünden waren beseitigt. Haben wir daher durch den Glauben Teil an dem Opfer Christi, dann sind alle unsere Sünden für immer hinweggetan. Das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi liefert dafür den Beweis. Wäre noch eine einzige Sünde unversöhnt geblieben, dann würde noch ein Opfer folgen müssen. Aber es folgt keins; und dadurch ist der Beweis geliefert, dass alle unsere Sünden beseitigt sind. So haben denn die an Christus Glaubenden in der Gegenwart Gottes kein Gewissen mehr von Sünden, weil sie durch das Opfer Christi, und zwar für immer gereinigt sind. Sie können daher mit Freimütigkeit zu Gott nahen, in seiner Gemeinschaft verkehren und Ihn sogar ihren Gott und Vater nennen.

Doch wir empfangen noch mehr Beweise von der Vollgültigkeit des Opfers Jesu. „Und jeder Priester steht täglich da, den Dienst verrichtend und oft dieselben Schlachtopfer darbringend, welche niemals Sünden wegnehmen können. Er aber, nachdem er ein Schlachtopfer für die Sünden dargebracht, hat sich für immerdar gesetzt zur Rechten Gottes, fortan wartend, bis seine Feinde gelegt sind zum Schemel seiner Füße. Denn durch ein Opfer hat er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden“ (V 11–14). Der Gegensatz ist, dass jener Priester stand, dieser sich aber gesetzt hat. Die Priester in der Stiftshütte, wie im Tempel standen allezeit; sie durften sich nicht niedersetzen. Es gab noch stets etwas für sie zu tun. An jedem Tag hatten sie neue Opfer zu Machten und Gott darzubringen. Alle Tage hatten sie zu dienen. Niemals hatten sie Ruhe; niemals konnten sie sagen: „Nun ist die Versöhnung geschehen, nun ist die Arbeit vollendet.“ Kaum war ein Sühnopfer dargebracht, so folgte schon ein anderes. Darum mussten sie allezeit stehen. Jesus aber, nachdem Er ein Schlachtopfer für die Sünden dargebracht, hat sich für immerdar gesetzt zur Rechten Gottes. Er ruht von seiner Arbeit. Und das ist ein Beweis, dass das Werk der Versöhnung vollbracht ist. Der Apostel sagt in Kapitel 8,1: „Die Hauptsumme aber dessen, was wir sagen, ist: Wir haben einen solchen Hohepriester, der sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln.“ Sicher hat der Herr Jesus viel im Himmel zu tun. Er ist dort unser Sachwalter bei dem Vater; Er lebt, um für uns zu bitten; Er leitet und regiert uns durch den Heiligen Geist; aber als Hohepriester ist sein Werk vollbracht. Er bleibt immerdar Hohepriester; aber ein Hohepriester, der sich für immerdar gesetzt hat zur Rechten Gottes – ein Hohepriester, der, weil die Versöhnung vollendet ist, von seiner Arbeit ruht. Was zu tun nötig war, ist geschehen. Wie herrlich für uns! Auch wir können nun ruhen – ruhen in dem vollbrachten Versöhnungswerk. Wir haben keinen Hohepriester, wie im Alten Testamente, der fortwährend Opfer zur Versöhnung darbringen muss, sondern einen Hohepriester, der das Werk vollbracht hat und zum Beweis dafür zur Rechten Gottes im Himmel sitzt.

Man ersieht hieraus, wie verkehrt und schriftwidrig es ist, von der Notwendigkeit einer täglichen Versöhnung oder Vergebung zu sprechen. Wer dieses tut, stellt sich auf einen alttestamentlichen Standpunkt, der durch Christus hinweggetan ist. Und welche Unehre für den Herrn! Er hat kraft seines kostbaren Blutes das große Werk vollbracht und sich zur Rechten Gottes gesetzt; und wir nun sollten uns gebärden, als ob noch fortwährend geopfert werden müsse. Denn wenn täglich die Versöhnung geschehen muss, so muss, da dieses ohne Blutvergießen nicht stattfinden kann, jeden Tag auch geopfert werden. Das aber ist unmöglich; denn das Opfer Christi ist völlig genügend. Gott hat dasselbe angenommen und sich damit zufrieden erklärt; denn Er hat Christus, der am Kreuz unsere Sünden trug und für uns zur Sünde gemacht wurde, aus den Toten auferweckt und Ihn zu seiner Rechten in den Himmeln gesetzt. Darum bedarf es keiner neuen Versöhnung; denn Gott hat die durch Christus vollbrachte Versöhnung angenommen. Dies bleibt, da Er für immerdar zur Rechten Gottes sitzt, unverändert. Wohl wird Er kommen, um seine Feinde als Richter zum Schemel seiner Füße zu legen; aber nimmer wird Er als Hohepriester sein Werk wieder beginnen müssen. Und ebenso ist die Stellung der an Ihn Glaubenden unveränderlich. „Denn durch ein Opfer hat Er auf immerdar vollkommen gemacht, die geheiligt werden.“ An ihnen ist kein Gebrechen mehr. Ich spreche selbstredend hier nicht davon, was sie in sich selbst sind – denn dann sind sie durch und durch schlecht – sondern davon, was sie in Christus sind. So sieht Gott sie an. Sie stehen vor Ihm vollkommen durch das eine Opfer Christi, und zwar für immerdar vollkommen. Da ist also durchaus keine Rede von einer täglichen Versöhnung oder Vergebung. Alle, die davon sprechen, stehen im Widerspruch mit den Gedanken Gottes. Sie verkleinern, ja sie vernichten das Werk Christi. Wohl tun sie es aus Unwissenheit; aber dennoch ist es höchst traurig, dass sie, anstatt Gott zu verherrlichen und Ihn für seine unaussprechliche Liebe zu preisen und in dem Werk Christi zu ruhen, ohne Frieden dahingehen und stets über ihre Sünden trauern und klagen. Sie stellen sich auf den Boden eines Israeliten, der allezeit ein Gewissen von Sünde hatte, weil durch das fortdauernde Opfern stets ein Erinnern der Sünden vorhanden war. Ach! vergessen wir es doch nicht, dass das eine Opfer Christi vollkommen genügend ist: denn durch dasselbe ist eine vollkommene Versöhnung zuwege gebracht und sind alle unsere Sünden beseitigt. Lasst uns ruhen in der vollbrachten Versöhnung, in der vollkommenen Vergebung, die in Christus Jesus geschehen ist.

„Aber“ – höre ich fragen – „bedürfen wir nicht einer täglichen Vergebung?“ Wie du dieses verstehst, verneine ich es entschieden. Wenn du an den Herrn Jesus glaubst, dann sind alle deine Sünden vergeben, und zwar nicht nur diejenigen, die du vor deiner Bekehrung getan hast, sondern alle ohne Ausnahme. Wenn dieses nicht wahr ist, wie sollen sie dann vergeben werden? Ohne Blutvergießung ist keine Vergebung, Soll Christus denn zum zweiten Male sterben? Wenn dieses nicht geschehen kann, dann sind auch alle deine Sünden vergeben, oder du bist ewig verloren. Von vergangenen und zukünftigen Sünden ist in der Schrift durchaus keine Rede und zwar aus dem einfachen Grund, weil Christus unsere Sünden an seinem Leib an das Holz trug, als wir noch nicht geboren waren. Als Sünder bist du durch das Blut Jesu von allen deinen Sünden gereinigt; du bist durch sein Opfer für immerdar vollkommen gemacht. Nun bist du in Gemeinschaft mit Gott, ja selbst ein Kind Gottes. Dieses würde unmöglich sein, wenn noch eine Sünde zwischen dir und Gott wäre. In der Gegenwart Gottes muss das Gewissen von bösen Werken gereinigt sein.

Andererseits aber hast du Vergebung nötig, so oft du als Kind gegen deinen Vater gesündigt hast. Allein dieses ist eine ganz andere Frage. In diesem Fall musst du nicht mit Gott versöhnt und durch das Blut Jesu von deinen Sünden gewaschen werden; denn wenn dieses nicht bereits geschehen wäre, so würdest du kein Kind Gottes sein. Aber du musst in die Gemeinschaft deines Vaters zurückgeführt werden und bedarfst daher der Vergebung deines Vaters – eine Vergebung, die du erlangst, sobald du vor Ihm deine Sünden bekennst. Hättest du nun keine Vergebung der Sünden durch das Blut Jesu, so würdest du zu einem solchen Bekenntnis keine Freimütigkeit haben. Vermengen wir daher diese Dinge nicht. Wer an Jesus glaubt, hat die Vergebung von allen Sünden, ist geheiligt, gereinigt und für immerdar vollkommen gemacht; und darum kann von einer täglichen Versöhnung und Vergebung keine Rede mehr sein. Ein Kind Gottes, welches gesündigt hat, muss seine Sünden dem Vater bekennen und empfängt dann die Vergebung seines Vaters. Es naht nicht als Sünder zu Gott, um versöhnt und gereinigt zu werden, sondern als Kind zu seinem Vater, um durch sein Schuldbekenntnis in den Genuss der Gemeinschaft seines Vaters zurück zu kehren.

Das ein für alle Mal geschehene Opfer des Leibes Jesu Christi und sein Sitzen zur Rechten Gottes sind also die unumstößlichen Beweise für die Vollgültigkeit des Werkes Christi; und Gott hat dieses Werk dadurch anerkannt, dass Er Jesus aus den Toten auferweckt und Ihn zu seiner Rechten erhöht hat. Er, der am Kreuz unsere Sünden trug und für uns zur Sünde gemacht wurde, ist jetzt mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt. Unsere Sünden sind verschwunden; die Macht der Sünde ist gebrochen; die Gerechtigkeit und Heiligkeit Gottes sind befriedigt, und wir sind für immerdar in Christus vollkommen gemacht. Doch nun geht der Apostel noch einen Schritt weiter und liefert einen dritten Beweis für die Vollgültigkeit des Opfers Jesu und für unsere Annahme bei Gott. „Das bezeugt uns aber auch der Heilige Geist: denn nachdem Er gesagt hat: Dies ist der Bund, den ich mit ihnen errichten werde nach jenen Tagen, spricht der Herr: Meine Gesetze in ihre Herzen gebend, werde ich sie auch auf ihre Sinne schreiben, und ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken“ (Heb 10,15–17). Um dieses recht zu verstehen, müssen wir uns dessen erinnern, was im Alten Testament stattfand, wenn der Priester in das Heiligtum eingegangen war, um das Blut darzubringen. Das im Vorhof stehende Volk harrte dann der Rückkehr des Priesters entgegen. Bevor letzteres geschehen war, wussten sie nicht, ob das Opfer von Gott angenommen und die Versöhnung vollbracht war. In diesem Zustand befindet sich Israel gegenwärtig. Jesus, der Hohepriester, ist mit seinem eigenen Blut in das himmlische Heiligtum eingegangen und noch nicht zurückgekehrt. Solange Er dort verweilt, weiß Israel nicht, dass seine Sünden vergeben sind. Doch Er wird einmal zurückkehren; und sein Erscheinen wird allen gläubigen Juden die Gewissheit der Vergebung ihrer Sünden bringen. Dieses wird ihnen in den vom Apostel angeführten Worten Jeremies verheißen. Mit uns würde es ebenso sein, wenn nicht der Herr Jesus, nachdem Er im Himmel verherrlicht ist, den Heiligen Geist auf die Erde gesandt hätte, um in der Versammlung und in jedem Gläubigen zu wohnen. Der vom Himmel gesandte Heilige Geist ist nun für uns der Zeuge, dass Christus im Himmel durch Gott angenommen ist; und daher wissen wir, dass Gott unserer Sünden nicht mehr gedenkt. Welch eine Gnade! Christus sitzt als Hohepriester zur Rechten Gottes und hat sein Blut in das innerste Heiligtum gebracht, in die Gegenwart Gottes. Gott sieht das Blut vor seinem Angesicht, und wir sind für immer in Sicherheit. Der Heilige Geist, der, nachdem Jesus sein Blut in den Himmel gebracht und sich zur Rechten Gottes gesetzt hat, auf die Erde gesandt ist, bezeugt uns die Annahme des Blutes von Seiten Gottes und versichert uns, dass Gott befriedigt ist, und dass wir mit Freimütigkeit als Kinder zum Vater nahen dürfen.

Wie natürlich ist jetzt die Ermahnung des Apostels! „Da wir nun, Brüder, Freimütigkeit haben zum Eintritt in das Heiligtum durch das Blut Jesu, den neuen und lebendigen Weg, den Er uns eingeweiht hat durch den Vorhang, das ist sein Fleisch und einen großen Priester über das Haus Gottes, so lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, in voller Gewissheit des Glaubens“ (V 19–22). Ja, wir haben Freimütigkeit zum Eintritt ins Heiligtum. Das Blut Christi, welches von allen Sünden reinigt, ist dort; und dieses Blut redet für uns vor Gott und stellt uns für immer in Sicherheit. Der Vorhang ist zerrissen und der Weg ins Heiligtum durch Christus geöffnet. Auch der große Priester des Hauses Gottes hat dort, nachdem Er das Erlösungswerk für uns vollbracht hat, für immerdar in der Herrlichkeit Platz genommen. Wir haben daher nicht nur die Freiheit, sondern auch die Freimütigkeit, in die Gegenwart Gottes zu treten. Nichts hindert uns. Wenn wir die Vollgültigkeit des Opfers Christi verstehen und uns durch den Glauben der herrlichen Folgen dieses Werkes erfreuen, dann fühlt unser Herz sich frei und glücklich in der Gegenwart Gottes, der wir früher zu entfliehen trachteten. Wir wissen, dass wir durch das Opfer Jesu von allen unseren Sünden gereinigt und für immerdar vollkommen gemacht sind. Weshalb sollten wir uns nun noch fürchten? Was könnte uns noch hindern? Darum „lasst uns hinzutreten mit wahrhaftigem Herzen, in voller Gewissheit des Glaubens.“

Habt ihr diese Freimütigkeit, geliebte Brüder? O lasst euch nicht durch eure eigenen Gedanken oder durch die Vernünfteleien anderer irreführen! Glaubt dem Zeugnis Gottes. Ruht in dem vollkommenen Opfer Christi. Erfreut euch seines vollbrachten Werkes. Seid zufrieden mit dem, womit Gott zufrieden ist. Er begnügt sich mit dem Opfer Christi, warum wollt ihr euch damit nicht begnügen? Er hat euch für immerdar vollkommen gemacht. Dieses wird bezeugt durch das Zerreißen des Vorhangs, durch das Sitzen Jesu zur Rechten Gottes und durch das Senden des Heiligen Geistes auf die Erde. Warum zweifelt ihr noch? Warum bleibt ihr fernstehen? Wollt ihr Gott entehren und betrüben durch euren Unglauben? O glaubt doch seinem Zeugnis und geht mit Freimütigkeit ins Heiligtum, um dort Ihn zu loben und zu preisen, der ein solch herrliches Werk für uns arme Sünder vollbracht hat! Der Unglaube weist uns auf uns selbst, auf unsere Gefühle und Erfahrungen, der Glaube auf Christus, auf sein für uns vollbrachtes und von Gott angenommenes Werk, das nie kraftlos, nie ungültig gemacht werden kann. Dort findet das Gewissen für immer seine Ruhe und das Herz wird mit Dank und Anbetung erfüllt.

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