Botschafter des Heils in Christo 1875

Gedanken, gesammelt aus Vorträgen von George Vicesimus Wigram - Teil 9/18

Wenn ich verstehe, was Christus auf dem Kreuz für mich gewesen ist, so erkenne ich, dass ich vor Gott von allen Sünden gereinigt bin. Hätte ich in das Gericht eintreten müssen, so würde es mich vernichtet oder in die ewigen Flammen gestürzt haben; aber da Gott meine Sünden auf Christus gelegt hat, so kann ich glücklich und in Frieden in die Gegenwart Gottes treten als ein Mensch, dessen Sünde nicht mehr existiert und der sagen kann: „Gott ist für mich.“

Wenn ich sagen kann: „Ich bin der Lohn. Christi; ich bin sein Teil“, so ist jede Frage gelöst: denn Er ist Herr über alles. Aber auch jetzt während unseres Wandels durch die Wüste muss und will Er alles für uns sein: und unser Glaube an Ihn, welcher auferstanden ist und zur Rechten Gottes sitzt, und welcher die Seinen auf dem Herzen trägt und alle ihre Schwierigkeiten in der Wüste mitfühlt, sollte daher einfacher sein. Wenn unser Glaube nicht durch dieses Bewusstsein genährt wird, so unterliegen wir den geringsten Versuchungen. Möge Er daher alles von uns hinwegnehmen, was nicht mit uns in die Herrlichkeit eintreten kann! Woher kommt es, dass wir Ihm die Sorge für unsere Seelen und für unsere ewige Zukunft überlassen, und nicht auch die Sorge für die Dinge des zeitlichen Lebens? Wir schauen zu wenig auf Ihn, als eine lebendige Person, und wir beschäftigen uns zu wenig mit den Dingen, die droben sind, wo Er ist.

Gibt es im Himmel nicht Licht genug, um das kleine Stück der Wüste, die ich zu durchschreiten habe, zu bestrahlen und die kurze Spanne meines Lebens zu erhalten? Ja, das Licht wirft seinen Strahl auf meinen Pfad; das ewige Leben, welches ich besitze, ist eine wirkliche Sache. Die Herrlichkeit ist zukünftig; aber das Leben Christi in mir verbindet mich jetzt mit dem Licht aus der Höhe. Das ewige Leben fließt, während wir durch die Wüste pilgern, durch unsere Seelen: und der Heilige Geist teilt uns alles mit, was Gott und was Christus ist.

Wir sind in Verbindung mit Christus als unserem Stellvertreter, mit Ihm, dessen göttliche Herrlichkeit unbegreiflich ist. Wie? Jener erhabene Mensch, vor dem sich jedes Knie beugen wird, und vor dem alle am Tag des Gerichts erscheinen werden, ist mein Stellvertreter? Wie könnte ich mich tief genug in den Staub beugen oder Worte finden um auszudrücken, was ich fühle bei dem Gedanken, dass dieser Mensch meinen Platz eingenommen und mein Gericht getragen hat! Und nicht nur ist Er mein Stellvertreter gewesen, sondern Er ist auch die Quelle meines Lebens; und in Ihm bin ich angenommen und ein Kind Gottes geworden. Überdies hat Er mich zu seinem Diener gemacht; und als solcher habe ich Teil an seinen Leiden. Wie geringfügig unser Dienst auch sein mag, so bezeichnet er doch den Pfad, auf welchem wir Gemeinschaft mit den Leiden Christi haben.

Wenn du als ein Kind Gottes diese Welt durchschreitest und die Leiden Christi als solche betrachtest, an denen du in geringem Maß Teil nimmst, so wirst du fühlen, dass sie dir kostbar werden, indem du erfährst, dass, sowie das Leben Christi hienieden war, jetzt das deinige ist. Haben wir einen lieblicheren Pfad zu erwarten, als den, auf welchem der Herr wandelte? Unsere Schwachheit würde nicht den tausendsten Teil dessen zu ertragen vermögen, was Er gelitten hat; aber in geringem Maß können wir Ihm folgen und den Kelch seiner Trübsal kosten.

Wenn ich sehe, wie Christus, der Sohn Gottes, ein Sohn des Menschen wird, um alles zu leiden, was Er hienieden gelitten hat; und wenn ich sehe, wie Er, nachdem Er alles erfüllt hat, zu Gott zurückkehrt, muss dann nicht mein Herz zerschmelzen vor Bewunderung und Anbetung? O wie völlig hat sich Gott in diesem Nazarener offenbart! Könnte ich Christus erkennen, ohne Gott zu erkennen? Unmöglich. Und wenn ich sehe, wie Er mehr als achtzehnhundert Jahre wartet, um gerettete Sünder zu sammeln und sie nachher in das Haus des Vaters einzuführen, o dann muss ich ausrufen: „Welche Geduld! welche Liebe!“ In der Tat, mein Herz fühlt sich überwältigt beim Anblick alles dessen, was Christus tut.

Nach den Gedanken Gottes besteht eine unzertrennliche Einheit zwischen den Gläubigen und Christus. Wenn Er den Thron seines Vaters verlassen wird, so werden die Seinen mit Ihm auf seinem Thron sitzen und anerkannt sein, wie Er es ist. Es wird die Wonne Gottes sein, dass Christus sich durch sein eigenes Blut ein himmlisches Volk erworben hat. Das Haus des Vaters ist für die Seinen zubereitet; und sie werden dort so willkommen sein, wie Er selbst es ist. Sowie die Jünger auf Erden dem Herrn überall folgten, wohin Er ging, so werden wir, wenn Er kommt, um uns heim zu führen, immer bei Ihm sein.

Findest du keine Schönheit in dem Wandel dessen, der sein Leben für dich hingegeben hat? Wünschest du nicht, Ihm gleich zu sein? Hast du in Ihm nicht ein Muster vor dir, welches dein ganzes Herz anzieht? O wie sehr sollten wir danach trachten, Ihm zu gleichen und seine Gesinnung zu offenbaren! – Ich habe Christus im Himmel, und mein Wunsch ist, in allen Dingen mit Ihm in einem Geist zu wandeln und mit Ihm eins zu sein in einer Welt, die Ihn verworfen und gekreuzigt hat.

„Wenn jemand mich liebt, so wird er mein Wort halten, und mein Vater wird ihn lieben, und wir werden zu ihm kommen und Wohnung bei ihm machen“ (Joh 14,23). In diesen, wie in den beiden vorhergehenden Versen redet der Herr von seiner Liebe in einem anderen Sinne, als da, wo Er sagt, dass Er die Seinen liebe bis ans Ende. Er redet hier von einer Liebe, welche sich in denen offenbart, die in seiner Gemeinschaft wandeln und sein Wort halten. Johannes liebte den Herrn; er hielt sein Wort. Seine Seele empfing daher die Mitteilung einer Liebe, welche ihn einführte in die Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn. Besteht dieses vertraute Verhältnis zwischen uns und Jesu? Halten wir sein Wort? Wohnt dasselbe reichlich in uns? – Christus hat mich geliebt, indem Er, da ich tot in Sünden war, sein Leben für mich hingab: jetzt liebt Er mich als einen Jünger; und seine Liebe, ausgegossen in meine Seele, erquickt, tröstet und unterstützt mich, während ich die Wüste durchschreite (Fortsetzung folgt).

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