Botschafter des Heils in Christo 1875

Gedanken, gesammelt aus Vorträgen von George Vicesimus Wigram - Teil 10/18

Nachdem wir den Heiligen Geist empfangen haben, ist uns die Kraft verliehen, nicht nach dem Fleisch, sondern nach dem Geist zu wandeln. Es gibt keine Sache, welche, wie klein oder groß sie auch sein mag, uns nicht eine Gelegenheit zur Verherrlichung Gottes verschaffen konnte. Es wünschte einmal jemand, weil er in seinen tagtäglichen Beschäftigungen zu wenig Gelegenheit, Gott zu verherrlichen, zu finden meinte, einen ausgedehnteren Wirkungskreis; aber ich antwortete ihm: „Dein Leben ist eine beständige Gelegenheit.“ Paulus schreibt an Timotheus: Du nun, mein Kind, sei stark in der Gnade, die in Christus „Jesu“ ist. Ist das Herz von Christus erfüllt, so strömt sicher die Gnade in allen Umständen aus; aber sowohl bei dem jüngsten, als auch bei dem gefördertsten Christen wird sie nur dann ausströmen, wenn das Auge auf Jesus gerichtet ist. Wie Timotheus für alle seine Bedürfnisse in Christus eine Antwort finden konnte, so ist auch jetzt das Herz dieses Christus in derselben Frische auf das Volk seiner Liebe gerichtet. Blickt unser Auge voll Verlangen nach Gnade auf Ihn, so werden wir auch mit der Freude des Heiligen Geistes erfüllt sein.

Aus Christus ergießen sich Strom der Gnade; und wenn wir die freiwilligen Gaben seiner Liebe gekostet haben, so kann nichts hienieden über die Maßen einen Eindruck auf uns machen. Mögen die Menschen sagen: „Wie düster sieht alles um uns her aus!“ Wir wissen, dass „denen, die Gott lieben, alle Dinge zum Guten mitwirken.“ Wir haben alles von der Seite Christi aus zu betrachten. – Wir haben keine Ursache zu klagen, sondern vielmehr Gott zu preisen, wenn unser Pfad rau und schwierig ist: denn der Weg Christi war mit Dornen und Disteln besät. Warum sollte nicht auch der unsrige also sein? Wenn man mir sagt: „Du verfolgst einen Pfad, der keinen Ausgang hat“, so antworte ich: „Ja, mein Weg hat keinen anderen Ausgang als den Himmel; aber dieser Weg ist derselbe, den Paulus ging.“ Ich habe also Ursache, mich zu freuen: denn es ist ein Vorrecht, die Gemeinschaft der Leiden Christi zu kosten. O welch ein Unterschied, die Prüfungen dieses Lebens in Gemeinschaft mit Christus zu ertragen, oder sie als Dinge zu betrachten, welche uns entgegen sind. Mochtet ihr lieber im Angesicht des Todes aus glühender Asche, die sich an eure Füße hängt, herausgerissen und gerettet werden wie durchs Feuer, als jetzt mit Christus leiden?

Der Christ ist fähig gemacht, Satan, die Welt und das Ich zu verwerfen, weil er in sich das ewige Leben, und weil er den Heiligen Geist empfangen hat. Die Kraft, die ich besitze, ist dieselbe, welche der Apostel Paulus besaß. Das Böse um mich her mag zunehmen, die Tage mögen immer trüber und verhängnisvoller werden, aber Gott ist derselbe: und wenn ich mich vom Bösen getrennt halte, so genieße ich die Süßigkeit des Gedankens, dass der Herr mich als den Seinen erkennt.

Nachdem Gott mir das Heil in Christus geschenkt hat, so handelt es sich nicht mehr um das, was ich, sondern was das Werk des Sohnes seiner Liebe in den Augen Gottes gilt. Diese Gnade umfasst Zugleich das, was ich war, und das, was ich bin. Das am Kreuz vergossene Blut entspricht dem, was ich war; und bezüglich dessen, was ich bin, hat Gott mich mit Christus so vereinigt, dass ich in Ihm Gerechtigkeit Gottes geworden bin. Kann ich nachdem ich Ihm angehöre, der für mich gestorben ist, jetzt tun, was mir wohl gefällt? Er will mich ganz für sich haben. Paulus konnte sagen: „Die Liebe Christi dringt mich.“ Das war kein äußerer Zwang, als wenn man mit Ketten an einen Söldner gebunden gewesen wäre, sondern es war ein beständiger Einfluss Christi auf sein Herz. Er war ein Gefangener Christi Jesu. Er war glücklich, sich in den Ketten der Liebe Christi zu finden, in Ketten, welche ihn überall Christus nachzogen.

Paulus war kein zerbrochenes und von selbiger Masse wiederhergestelltes Gefäß. Nein, es gab in Ihm etwas ganz Neues. Er war eine neue Schöpfung in Christus; das Alte war vergangen. Das ewige Leben in ihm machte ihn fähig, für Christus zu leben. Wir befinden uns durch die Gnade in derselben Lage. Nicht das Fleisch ist verändert; aber ich bin davon befreit und aus der Stellung des Todes in die des Lebens gebracht, so dass ich kraft dieses Lebens nicht nur fähig bin, für Christus zu leben, sondern auch sagen kann: „Christus lebt in mir.“ Kostbare Gnade! Wandeln wir in der Macht dieses Lebens, in dem Licht der Ewigkeit?

Das Leben hienieden ist für die meisten Menschen ein Leben voller Kümmernisse und Widerwärtigkeiten; das Herz wird überdrüssig, oder man wappnet sich mit einer Art von Unempfindlichkeit in den Leiden. Aber welch ein Unterschied zeigt sich in den Erfahrungen eines Christen! Er erblickt in allen Dingen, die ihm begegnen, das Walten seines Gottes. Er weiß, dass keine Blume ihren Kelch öffnet, dass kein Sperling auf die Erde fällt, ohne den Willen des Vaters. Wenn Trübsale eintreten und sich Dornen und Sträucher auf seinem Pfad finden, so unterscheidet er in allen Dingen die Hand des Vaters; und ohne Unruhe verfolgt er seinen Weg.

Christus hat in seinem Leben einen moralischen Charakter von unendlicher Schönheit offenbart. Er ging. Gutes tuend, von Ort zu Ort; der Wille des Vaters war sein einziger Beweggrund, und durch nichts, selbst als die Menschen Ihn zu töten suchten, ließ Er sich auf seinem Pfad zurückschrecken.

Alle Segnungen befinden sich für mich in der Person Christi. Er hat mir das ewige Leben gegeben und mich ins Licht gestellt. Dieses Licht offenbart Sünde in mir und lässt mich entdecken, dass ich in mir selbst ein armes Geschöpf bin. Doch diese Entdeckung meines Elends wird nicht meine Segnung zu schmälern vermögen, sondern sie vielmehr umso kostbarer machen. – Wenn ich bedenke, dass Christus mein Leben ist, und wenn ich das betrachte, was die Entfaltung dieser Gnade am Tag der Ewigkeit sein wird, dann möchte ich ausrufen: „Das ist zu viel für mich!“ Erblickst du Christus zur Rechten Gottes als den für dich geschlagenen Felsen? Erkennst du Ihn, der für deine Sünden den Zorn Gottes getragen, als den, in welchem dein Leben ist? Welch eine vollkommene Ruhe gibt dieses! O weile doch in seiner Gemeinschaft, und du wirst in Ihm eine Fülle von Freude finden, die durch keine Umstände unterbrochen werden kann. Nur in dieser Gemeinschaft genießen wir im Vorgeschmack die künftige Herrlichkeit umso mehr, als die Nacht an Finsternis hienieden zunimmt. Wie Er, unser Herr und Meister, sind wir hier in der Welt nichts als Fremde und Pilger. Lasst uns wachsam sein und uns durch nichts auf unserem Weg aufhalten lassen! Lasst uns dem Beispiel Jonathans folgen, der seinen Stab in den Honig eintauchte, den er am Weg fand, und essend seinen Lauf fortsetzte, ohne sich aufzuhalten.

Die Welt, die Christus gekreuzigt hat, wird Ihm nicht folgen. Auf dem Kreuz hat Gott das Siegel des Gerichts auf eine Welt gedrückt, welche für den Tod seines Sohnes verantwortlich ist. Auch hat das Kreuz alle unsere Verbindungen mit der Welt aufgelöst, so dass wir sagen können: „Die Welt ist mir gekreuzigt, und ich der Welt.“ Es ist daher für die Christen von der höchsten Wichtigkeit, dass sie den durch das Kreuz geschaffenen Platz gänzlicher Absonderung praktisch einnehmen. Ich erlange all meine Segnungen durch das Kreuz: aber um dieselben zu genießen, muss alles im Licht des Kreuzes betrachtet und nach den Gedanken Gottes beurteilt werden. Mein Leben muss ein Zeugnis sein, welches jedoch wertlos ist, wenn es sich nicht auf den Gekreuzigten bezieht. Ich kenne die Welt als eine verurteilte Sache; und wie kann ich etwas darin suchen? Einst befand ich mich darin und glich einem vergnügungssüchtigen Kind, welches einem Schmetterling nachjagt. Aber nachdem mich Gott aus der Welt befreit und mich mit seinem Sohn vereinigt hat, kann ich nun noch an ihren vergänglichen Spenden Befriedigung finden?

Welcher natürliche Mensch hielt es je der Mühe wert, die Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi zu betrachten und darüber nachzusinnen? Eine lebendig gemachte Seele aber weiß, dass von diesem Angesicht die Herrlichkeit ausstrahlt, und sie schaut sie durch den Glauben. Niemand aber vermochte diese Herrlichkeit besser zu unterscheiden, als der Apostel Paulus, und er hielt es für wichtig, die Heiligen damit zu beschäftigen. Sicher haben die Christen eben sowohl ihre Welt, wie die Menschen der Erde die ihrige haben – eine Welt, wo das Angesicht Jesu unverhüllt gesehen wird, und wo für den Glauben alles in Sicherheit ist. Wer aber die Herrlichkeit in diesem Angesicht geschaut hat, in dessen Seele bleibt jedenfalls ein Widerschein zurück. Sie scheint in das Herz, um uns nach demselben Bilde zu verwandeln von Herrlichkeit zu Herrlichkeit.

Der Herr Jesus allein war es, der das Herz des samaritischen Weibes zu erfüllen vermochte; und nur Er ist es, der das Wasser darreichen muss, welches in das ewige Leben quillt. Das ist sein gegenwärtiges Werk inmitten der Seinen; und das Bewusstsein dieser seiner Tätigkeit verleiht ihnen, während sie diese Wüste durchschreiten, die größte Sicherheit. Welch ein Gedanke, dass Er zur Rechten Gottes sich mit den armseligen Dingen hienieden befasst, weil Er sein Wort dafür verpfändet hat, dass alle, die an Ihn glauben, das ewige Leben haben und nicht aus seinen Händen geraubt werden können! Meine Füße mögen, was freilich nie sein sollte, in Folge eines nachlässigen Wandels besudelt worden sein; Er wascht sie immer und immer wieder; aber ich komme nicht ins Gericht. Ich bin lebendig gemacht, mit ihm auferweckt und mithin eins gemacht mit dem Himmel, ja mit dem Mittelpunkt des Himmels selbst; denn er hat mich zu einem Teil seines Leibes gemacht.

Hast du die Ausdrücke: „Erben Gottes“ und „Miterben Christi“ erwogen? Dein Name ist mit dem Namen Christi verbunden, um, wie es bei der Verteilung des verheißenen Erbes unter die Stämme Israels geschah, mit Ihm ein und dasselbe Los zu empfangen. Jedes Los trug einen Namen. Gott hatte ein Los, und Christus war der Erbe. Da nun dein Name mit dem Namen des Sohnes Gottes verbunden ist, so teilst du auch alles mit Ihm. Wir empfangen mit Ihm ein und dasselbe Los: Hier haben wir Anteil an seinen Leiden, und droben an seiner Herrlichkeit.

Welch eine Gnade, sagen zu dürfen, dass Christus uns durch sein Blut gereinigt und uns durch den Geist des Lebens mit sich vereinigt hat, und dass er bald kommen und den Leib unserer Niedrigkeit zur Gleichförmigkeit des Leibes seiner Herrlichkeit umgestalten wird! Es war ihm nicht genug, uns zu retten und unser Gewissen von Schuld und Strafe zu befreien, sondern wir sollen bei Ihm und Ihm gleich sein. Wie schwach und unvollkommen unser Wandel hienieden auch sein mag, so wissen wir doch, dass wir am Ende unserer Laufbahn Ihm gleich sein werden.

Nichts setzt die Seele in Freiheit als das Anschauen des auferstandenen Christus, unseres Vorläufers in den Himmel. Wie könnte Er uns zu sich aufnehmen, wenn Er uns nicht gewaschen und lebendig gemacht hätte?

Welch eine wunderbare Gnade, dass Gott ein himmlisches Erbe bereitet und uns das Recht gegeben hat, an demselben Teil zu haben! Welch eine gesegnete Hoffnung hat Er vor uns gestellt! Es ist unmöglich, auf einem solchen Boden zu stehen, ohne etwas von der Gnade Gottes und von der Länge, Breite, Höhe und Tiefe jener Liebe zu verstehen, die alle Erkenntnis weit übersteigt. Gott hat uns nicht nur Ruhe in seinem Sohn gegeben, sondern lässt uns Teil nehmen an allem, was Er ist, und an allem, was Er hat. Wir sind Glieder des Leibes Christi, Erben Gottes, Miterben Christi.

Gott sieht uns in seinem viel geliebten Sohn, als mit Ihm zu einem Leib vereinigt. Warum betrachten sich die Heiligen unter einander nicht als die Glieder eines Leibes? Die Ursache ist, dass man das eigene Ich nicht preisgeben will und man es nicht angenehm findet, sich in Verbindung mit einem Ganzen vermischt zu sehen. Was würde es sein, wenn Gott uns betrachtete mit all unseren Mängeln, Gebrechen und Vergehungen, wie wir uns oft unter einander betrachten? Die Gnade Gottes hat uns in Christus einen Platz gegeben und uns mit ihm eins gemacht. Wir sind zu einer Behausung Gottes im Geist zusammen auferbaut. Dieses unbeachtet zu lassen, ist ein Verlust. Ja, es ist Sünde, die Sünde des Unglaubens, in den Heiligen nur abgesondert stehende Einzelwesen zu erblicken, und nicht dabei an den Leib zu denken, der sie alle in der Einheit eines und desselben Geistes umfasst. Sicher ein solcher Gedanke lähmt die Seele, während sie, wenn die Wahrheit der Einheit des Leibes in der Einfalt des Glaubens aufgenommen ist, mit Kraft, Trost und Licht erfüllt wird.

Wenn du Christus erkennst, so wird sein Licht dir zeigen, was du bist; du wirst vor dir erschrecken und dich verabscheuen. Aber in der Erkenntnis Christi erfreust du dich eines gereinigten Gewissens durch das Blut des geschlachteten Lammes, Gott lässt, kraft dieses vergossenen Blutes, die Gnade gegen uns ausströmen. Nur Er allein kann den Wert dieses Blutes in seiner ganzen Tragweite schätzen, sowie Christus, der durch die Hingabe seines Lebens den Strom der Gnade geöffnet hat, allein die Tragweite und den Reichtum derselben zu ermessen vermag.

Der Herr Jesus, der, nachdem Er das Werk der Versöhnung vollbracht, mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt, zur Rechten des Vaters sitzt, nährt und pflegt seinen Leib hienieden; und jedes einzelne Glied dieses Leibes kann Erfahrungen von dieser überschwänglichen Liebe machen. Er bildet, Er vereinigt seine Versammlung und bereitet sie zu, um sie sich eines Tages verherrlicht und ohne Flecken und Runzel darzustellen. Ströme der Liebe ergießen sich aus seinem Herzen auf alle, welche Glieder dieses seines Leibes sind.

Der Herr Jesus hat uns nicht um dessentwillen ergriffen, was wir sind, sondern im Blick auf das, was wir sein werden. Jeder Heilige ist persönlich zubereitet für den Platz, der für ihn in dem Haus des Vaters bestimmt ist. Aber zu gleicher Zeit, ist der Herr, während Er uns diesen Platz aufbewahrt, für uns im Himmel das Ziel, dem wir entgegenlaufen, derjenige, dem wir gleich sein werden. Dieses erkennend, werden wir uns unmöglich niedersetzen können, sondern wir jagen nach dem Kampfpreis der Berufung Gottes in Christus, indem wir sagen: „Ich weiß, dass Er mich liebt, und ich muss laufen, bis ich Ihn sehe; erst dann, wenn ich Ihn erreicht habe, werde ich befriedigt sein“ (Fortsetzung folgt).

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