Botschafter des Heils in Christo 1875

Gedanken, gesammelt aus Vorträgen von George Vicesimus Wigram - Teil 4/18

Woher kommt es, dass so wenig Lob und Anbetung vorhanden ist? Die Ursache ist die geringe Wertschätzung Christi und seines Werkes, sowie die mangelhafte Erkenntnis der Wirksamkeit des Blutes, welches uns gereinigt und uns einen Platz in der Herrlichkeit geschenkt hat. Warum sind die Heiligen so wenig bereit, um Christi willen sich selbst zu entäußern, wie es Jonatan um Davids willen tat? Warum ist nicht jener mächtige, zum Lob drängende Trieb der Liebe vorhanden, wie bei Johannes, als aus seinem Herzen die Worte hervorquollen: „Dem, der uns geliebt hat?“ Wenn ein Heiliger in eine innige Gemeinschaft mit Christus getreten ist und dort das Herniederströmen des lebendigen Wassers erblickt, dann wird er nicht mehr mit sich beschäftigt sein. Wenn ich mich in die Herrlichkeit versetze und in Bezug auf mich aus dem Mund Christi die Worte höre: „Diesen Menschen habe ich von seinen Sünden in meinem Blut gewaschen“, dann begehre ich keine Ehre für mich, sondern alle Ehre für Ihn, und wünsche, jetzt als ein Zeugnis seiner Liebe einen Platz in der Welt zu haben und zu seinem Preis von seiner Herrlichkeit rühmen zu können.

Bist du allein mit der Person Christi beschäftigt? Du wirst in Ihm nicht den Gegenstand deines Lebens haben, wenn du nicht mit Ihm selbst beschäftigt bist. Nichts ist gesegneter für das Herz, als ein lebendiger Umgang mit der Person Christi – mit Ihm, dem Mittelpunkt der göttlichen Herrlichkeit, der bald kommen und uns zu sich aufnehmen wird.

Die Schönheit des christlichen Wandels wird uns solange eine fremde Sache bleiben, bis wir beginnen, unseren Wandel mit dem Wandel Christi auf Erden in Einklang zu bringen.

Ich glaube, dass viele Christen nur eine geringe Erkenntnis bezüglich eines lebendigen Christus im Himmel besitzen, der sich mit ihnen beschäftigt und sie berufen hat, sich nach dem vorgesteckten Ziel auszustrecken. Hast du es in deinem Herzen erkannt, dass Christus dich gerade dazu ergriffen hat, was du in der Herrlichkeit sein wirst? Das Herz besitzt nicht die Fähigkeit, alles zu fassen; aber kannst du sagen, dass Er dir ein wenig davon gezeigt hat, und dass du danach strebst, mehr davon zu ergreifen? Übt dieses wenige einen bildenden Einfluss auf dein Herz aus? Verbindest du es mit deinem Wandel in der Wüste hienieden? O wie völlig klar und deutlich ist in den Gedanken Christi das Ziel, für welches Er dich ergriffen hat! Ich kann Christus nachfolgen und immer mehr die Höhen und Tiefen seiner Liebe entdecken; aber dennoch muss ich stets sagen: „Nicht dass ich es schon ergriffen habe, oder schon vollendet sei; ich jage ihm aber nach, ob ich es auch ergreifen möge, indem ich auch von Christus Jesus ergriffen bin“ (Phil 3,12).

Wie aber könnte jemand in Gemeinschaft mit Christus im Himmel wandeln und nicht mit der Welt in Widerspruch kommen? Wandle ich wie jemand, der sich in einem gegenwärtigen, lebendigen Verkehr mit dem Herzen Christi befindet und dessen Herz durch ein beständiges Ergreifen seiner Herrlichkeit gebildet ist? Und wie könnte ich in diesem Fall der Welt gleichförmig sein? Glaubst du, dass Christus sich nicht schämt, deinen Namen vor dem Vater, als den Namen eines Menschen zu bekennen, den Er für die Herrlichkeit ergriffen hat? Ach! gibt es keine göttliche Fülle, gibt es nichts Unergründliches in dieser Liebe, welches die Frage an dich richtet: „Wie wandelst du? wandelst du, wie jemand, der sich nach einem vorgesteckten Ziele ausstreckt?“ Verursacht es mir unter dem Auge Christi, der mich der Herrlichkeit entgegenführt, Schmerz oder Freude, wenn ich berufen bin, gewisse Dinge aufzugeben und mich von ihnen zu trennen?

Ein himmlisches Leben wird nur bei jemandem gefunden werden, der schon jetzt mit Christus hinsichtlich der Wohnstätte, zu welcher Er uns führt, in Gemeinschaft ist. Unmöglich kann ein Herz in beständiger Gemeinschaft mit dem Herzen Christi und Zugleich mit der Welt, die Ihn nicht kennt, vereinigt sein. Der Heilige Geist mahnt uns, das Auge auf Christus gerichtet zu halten, während Er uns der Herrlichkeit entgegenführt; denn eben dazu hat Er uns ergriffen. Paulus sehnte sich nach der völligen Offenbarung Christi in Herrlichkeit; sein Auge war gen Himmel gerichtet, von wo er Christus erwartete. Er hatte alles abgelegt, was sich zwischen ihn und den verherrlichten Christus drängte, schritt mit einem nach oben gerichteten Blicke vorwärts und lebte in der Erwartung der Wiederkunft dieses Christus. Leben auch wir von einem Augenblick zum anderen in dem Licht der Niederkunft unseres Herrn Jesus Christus? Ist dieses die Hoffnung, deren Glanz unseren Weg erhellt? Sie bietet in Fülle Trost und Kraft für das praktische Leben; und wenn sie stets der gegenwärtige Gegenstand des Herzens wäre, wie könnten wir dann den Mühsalen und Beschwerden erliegen, die wir zu durchschreiten haben. Mag Er noch heute kommen, oder mögen wir noch Jahre der Trübsal und der Verfolgung in dieser Wüste zu durchpilgern haben; aber sollte der Gedanke an seine Wiederkunft, um uns abzuholen, sowie das Bewusstsein seines mächtigen Armes in unserer Mitte, uns nicht die Trübsale vergessen lassen, die, solange wir uns in diesem Leib der Niedrigkeit befinden, unser Teil sind? Wenn ich auf dem ganzen Wege auf seine Liebe zu zählen gelernt habe, so werde ich auch im Stande sein, allen Schwierigkeiten zu begegnen. Die Liebe, die Ihn drängt, mich abzuholen, und die dann in ihrem vollen Glänze ausstrahlen wird, beleuchtet jetzt schon meine Pfade. Könnte wohl jemand sagen: „Ich weiß, dass Christus wiederkommen und mich abholen wird aber Er vergisst mich jetzt in meinen Schwierigkeiten?“ Unmöglich kann jemand, der auf Ihn wartet, diese Sprache führen. Ist es doch der glänzendste Beweis seiner Liebe, dass Er selbst kommen will, um uns abzuholen und in das Haus des Vaters zu führen.

In dem Licht der Gedanken Gottes entdecken wir den großen Unterschied zwischen dem, was wir sind, und dem, was Gott sich in Bezug auf uns vorgesetzt hat. Unser Leib der Niedrigkeit würde nicht im Stande sein, die zukünftige Herrlichkeit zu ertragen. Aber mit welcher Gnade ist uns offenbart, dass Christus, wenn wir zu Ihm aufgenommen werden, diesen Leib der Niedrigkeit umgestalten wird, um ihn seinem verherrlichten Leib gleichförmig zu machen? In welchem Kleid werde ich in seiner Gegenwart erscheinen? In einem Kleid, das dem seinen gleich sein wird. Die Macht, welche diesen sterblichen Leib in einen unsterblichen und unverweslichen umwandelt, ist eine geringe Sache im Vergleich mit der Umgestaltung, welche denselben dem verherrlichten Leib Christi gleichförmig machen wird. Gott hätte unserem Leib die Unverweslichkeit geben können, ohne denselben mit Christus, wenn wir Ihn sehen, wie Er ist, gleichförmig zu machen. Welch ein Gedanke? Christus wird bald kommen, um mich Ihm gleich zu gestalten. Wie viele Ursache habe ich, Ihn zu lieben! Ich bin ein Bürger des Himmels, weil bis zu dem Augenblick, wo seine Herrlichkeit offenbart sein wird, mein Leben mit Ihm in Gott verborgen ist. Was fühlst du bei dem Gedanken, dass du einen Leib, gleichförmig dem seinigen, erhalten wirst? Welch ein Trost, bei Ihm und Ihm gleich zu sein, wenn wir Ihn sehen werden, wie Er ist! Es ist köstlich, uns sagen zu dürfen, dass wir, bis Er kommt, nur auf himmlische Dinge zu „sinnen“ und nur diese zu „suchen“ haben; „denn ihr seid gestorben und euer Leben ist verborgen mit dem Christus in Gott.“

Die Pläne der Menschen dieser Welt werden durch die Anziehungskraft bestimmt, welche irgendein Gegenstand hier auf Erden auf sie ausübt. Auf welchem Boden ruhen unsere Pläne? Ist es nicht die Erwartung Jesu vom Himmel? Das Anziehende dieses Christus sollte uns die Nichtigkeit alles dessen, was von der Welt ist, erkennen lassen und uns fähig machen, dasselbe zu verurteilen. Wenn Er als der von Gott mit Ehre und Herrlichkeit gekrönte Mensch wiederkommen wird, so geschieht dieses nicht nur, um uns in den Himmel einzuführen, sondern auch, um später mit einer Macht zu erscheinen, welche sich alles, selbst seine Feinde unterwürfig macht. Er hat bereits meiner Seele das Leben gegeben; aber auch diesen Leib des Todes wird Er umgestalten nach der Wirkung jener Macht, durch welche Er auch vermag, alle Dinge sich untertänig zu machen. Wandeln wir als solche, welche das Kreuz Christi lieben? Als Er, der am Kreuz starb, vom Himmel kam, da strahlte eine Herrlichkeit von Ihm aus – eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater; und sein Leben ist der vollkommene Ausdruck dessen, was unser Leben sein sollte. Lasst uns nach Ihm emporschauen, um Kraft zum Wandel zu finden, und suchen wir keinerlei Stütze hienieden! Vergessen wir nicht, dass wir uns in einer Wüste befinden; seien wir gute Streiter Christi!

Wie seltsam, dass meine Augen nicht beständig nach oben gerichtet sind, da ich doch erwarte, dass der Himmel sich öffnen und Er, den ich liebe, erscheinen möge! O welch ein Augenblick wird es sein, wenn Er kommen wird, um unseren Leib der Niedrigkeit umzugestalten, damit derselbe seinem verherrlichten Leib gleichförmig sei!

Fern sei von uns der Gedanke, dass Er, der uns aus Ägypten herausgeführt, uns in der Wüste umherirren zu lassen beabsichtigte, als ob Er keine passende Stätte für uns bereitet habe. Vielmehr ist es der Wunsch seines Herzens, dass wir hienieden als solche wandeln möchten, deren Stätte schon bereitet ist – eine Stätte, wo Er alle die Seinen, nachdem Er für immer jede Wurzel dessen, was sie in der Wüste beunruhigt, ausgerottet, in dem Kleid seiner Schönheit und in der Fülle seiner Freude um sich versammeln wird. Der Wechsel wird für die Pilger und Kreuzesstreiter so groß sein, dass die Welt mit all ihren Reizen ihnen nichts bieten, ja, dass nur der Himmel sie befriedigen kann. Auf Erden hatte der Herr Jesus nicht, wohin Er sein Haupt niederlegte; sie war für Ihn eine Wüste und nicht des Vaters Haus. Wenn es irgendeinen Platz gibt, der mir fremd bleiben sollte, so ist es der, auf welchem mein Herr gekreuzigt worden ist.

Es gibt in diesem Leben keine Freude gleich derjenigen, mit Gott zu wandeln, den Fußstapfen des Herrn Jesus zu folgen und durch seine Augen auf dem Pfad durch die Wüste geleitet zu werden.

Wie traurig ist es für einen Menschen, abgerufen zu werden, wenn er noch eine Menge Dinge zu ordnen hat! Glückselig der, welcher sagen kann: „Die wenige Arbeit, die der Herr mir zu tun gegeben hat, ist beendet; und ich bin bereit, in das Haus des Vaters zu gehen, sobald es Ihm gefällt.“ Würdest du es lieben, dass dich der Herr durch sein Kommen überraschte?

Seht, was der Herr in der Seele des Stephanus wirkte, indem Er ihn seine unvergleichliche Liebe schmecken ließ und zur Stärkung seines Dieners eine von Ihm selbst ausgehende Kraft mitteilte, um ihn fähig zu machen, seinem Herrn mit Freuden dienen zu können. Alles, was der Mensch auch tun mochte, konnte den Ausdruck des lebendigen Gleichgefühls Christi mit seinem Diener nicht zurückdrängen. Stephanus konnte während der Steinigung seine Augen erheben und ausrufen: „Er, der zur Rechten Gottes sitzt, nimmt Teil an allem, was mir geschieht.“ Das änderte alles für ihn. Vorher hatte er vielleicht nie einen solchen Beweis von der Liebe Christi gehabt und nie so sehr seine innige Teilnahme und Gleichgesinntheit genossen. Ist Stephanus der einzige Märtyrer gewesen, welcher die Liebe Christi in einem solchen Gerade genossen hat, dass dadurch alle Gefühle der Zuneigung in seinem Herzen entzündet wurden? War er der einzige, dessen Herz die Sympathie Christi empfunden hat? Ein jeder von uns wird dies verneinen. Und wenn ich mit Stephanus zusammenträfe, würde ich ihm sagen können, dass auch ich, wenn gleich in weit unscheinbareren Umständen, dieses mit mir harmonierende Gefühl Christi gekostet habe. Oder ist uns die innige Teilnahme Christi eine fremde Sache? Haben wir nicht das Bewusstsein, sie oft in unseren Herzen empfunden zu haben?

Richten wir ferner unseren Blick auf Paulus. Die Worte des Herrn: „Saul, Saul! warum verfolgst du mich?“ zeigen deutlich, dass, wer die Hand an die Seinen legte, Ihn selbst anrührte. Das volle Licht der Sympathie oder des Gleichgefühls Christi mit seinem auf Erden leidenden Volk durchdrang in praktischer Weise das Herz des Apostels. Und später sehen wir, wie er von dem Herrn das Wort empfing. „Fürchte dich nicht; ich bin mit dir!“ (Apg 18,9–10) und wie er, mit der Verkündigung des Evangeliums betraut, in dem geschlagenen Felsen einen stets hervorströmenden Vorrat erfrischenden Wassers fand.

Der Herr Jesus sitzt zur Rechten Gottes und lebt immerdar, um für uns zukitten. Doch nicht allein dieses, sondern Er sandte auch, nachdem Er gen Himmel gefahren, den Heiligen Geist, als den Tröster und Sachwalter seines Volkes, durch welchen der Strom seiner innigen Zuneigung auf dasselbe herniederfließen kann.

Es ist eine ernste Sache um die Gegenwart des Heiligen Geistes in der Versammlung. Und was ist seine Wirkung? Er bringt Christus unseren Seelen nahe; Er offenbart uns Ihn; und die also gestärkte Seele erhebt sich bis zu Christus und findet in Ihm allen Trost und alle Ermunterung.

Gerade dort, wo alle Herrlichkeit zur Rechten Gottes ausstrahlt, hat Christus sich als das Haupt eines Leibes angekündigt. Ist unser Leben der Ausdruck der Gemeinschaft mit Ihm, der unser Teil im Himmel ist, wo Er sich gesetzt hat, bis Er sich erhebt, um uns zu sich zu nehmen? Ein Paulus konnte nicht begreifen, warum, wenn Christus sich für ihn dahingegeben hatte, nicht auch er sich für Christus nach Leib, Seele und Geist hingeben sollte. Das Leben für ihn war Christus. Der einzige Wunsch seines Herzens war, sein Leben, ja sein alles zu den Füßen Christi nieder zu legen (Fortsetzung folgt).

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