Jona: Bei Gott ist Rettung

Jona betet

Jona: Bei Gott ist Rettung

„Und Jona betete zu dem Herrn, seinem Gott, aus dem Bauche des Fisches.“1 Als wir das erste Kapitel des Buches Jona betrachteten, fiel uns auf, daß Jona sogar in dem Augenblick, als der Obersteuermann ihn aus seinem Schlaf weckte und ihm sagte, daß er zu seinem Gott rufen sollte, keinen Versuch machte zu beten. Er war dabei, aus der Gegenwart des Herrn zu fliehen, und das ist keine Situation, in der man beten kann. Wir sahen, daß Jona sogar ein offenes Bekenntnis seiner Sünde vor der ganzen Schiffsbesatzung machte – aber er betete immer noch nicht. Wir haben die ergreifende Szene an Deck beobachtet, als die Seeleute widerstrebend Jona nahmen und ihn ins Meer warfen. Es ist erstaunlich, daß Jona sogar in dem Augenblick, als er im Begriff stand zu sterben, offensichtlich nicht den geringsten Versuch machte, im Gebet zu seinem Gott zu kommen, obwohl sicherlich schon ein Anfang zur Wiederherstellung seiner Seele gemacht war. Oft braucht es einige Zeit, bis man wirklich ganz wiederhergestellt ist. Das zeigt auch 4. Mose 19,19.

Meinen wir nur nicht, daß Jona in irgend einer Weise schlechter gewesen wäre als wir! Die Geschichte, die wir vor uns haben, ist nur eine Illustration dessen, wie weit sogar ein Heiliger und ein Prophet, der von Gott zu Seinem Werk gebraucht worden war, sich von Gott entfernen kann. Sogar angesichts des Todes brach die Mauer nicht zusammen, die Jonas Sünde und sein Stolz zwischen Gott und seinem Herzen errichtet hatten. Die Mauer bestand nur auf Jonas Seite, das ist wahr; aber er wollte sich selbst nicht demütigen, um zu Gott umzukehren und um Gnade zu bitten.

Wie wunderbar sind die Wege Gottes! Was der Sturm, die wütenden Wellen, was selbst der Tod nicht erreichen konnte, das brachte Gott durch Seine Wege zustande. Allein gelassen im Bauch des Fisches, mitten in dieser schrecklichen Finsternis und der tödlichen Stille, völlig ohne Hoffnung auf Befreiung durch einen Menschen, da betete Jona.

„Ich schrie aus dem Schoße des Scheols (oder: des Grabes)“, so beschreibt Jona diesen Augenblick. Schlimmer, viel schlimmer, als ein paar kurze Augenblicke unter den stürmischen Wogen zu sein und dann den Tod zu finden, waren diese langen Stunden für Jona, diese drei Tage und drei Nächte im Schoße des Scheols. Der stolze, rebellische Geist beugte sich schließlich, und Jona betete.

Wenn irgend jemand Jona auf dem Weg der Empörung und des eigenen Willens folgen sollte, wo man zu stolz und zu weit weg von Gott ist, um zu beten, dann möge er auf die Wege Gottes mit einem Menschen besonders genau achten. Machen wir uns klar, daß Gott den stolzesten Geist dazu bringen kann, daß er sich niederbeugt, und daß er ein Gebet aus dem härtesten Herzen aufsteigen lassen kann! Jona sagte: „Ich rief aus meiner Bedrängnis zu dem Herrn.“ Wie ehrlich ist Jona! Er bekannte offen, daß es die Bedrängnis war, die ihn schließlich dazu brachte, zu Gott zu rufen. Er konnte dem Tod ins Angesicht sehen, ohne zu zittern. Aber es gibt, wie Jona gemerkt hat, schlimmere Dinge als den Tod. Jetzt kam eine solche Bedrängnis über ihn, daß nichts mehr übrig blieb; er mußte beten. Hören wir einen anderen – oder sollte es wieder Jona sein, der in Psalm 116,3–4 spricht? „Es umfingen mich die Bande des Todes, und die Bedrängnis des Scheols erreichten mich; ich fand Drangsal und Kummer.

Ich rief an den Namen des Herrn: Bitte, Herr, errette meine Seele!“ Wenn wir darauf bestehen, den Weg des Eigenwillens und der Empörung weiterzugehen, dann können wir ganz sicher sein, daß auch wir Drangsal und Kummer finden werden, und zwar solch eine Drangsal und solch einen Kummer, daß es uns in die Knie zwingen wird.

Das soll uns warnen, wenn wir uns vielleicht aus der Gegenwart des Herrn weggewendet haben, kalt und hart geworden sind; wenn wir aufgehört haben zu beten und die Freude verloren haben, die wir einstmals in Christus Jesus besaßen. Nehmen wir uns die Geschichte Jonas zu Herzen! Aber hören wir dann auch auf das, was der 5. Vers des 116. Psalms sagt, der unmittelbar auf die eben zitierten Verse folgt! Es heißt da: „Gnädig ist der Herr und gerecht, und unser Gott ist barmherzig.“ Erinnert das nicht daran, wie Jona Gott charakterisiert hatte? Du und ich, wir können erfahren, daß unser Gott so ist. Wenn wir umkehren, will Er gänzlich vergeben.

Wenn wir uns jetzt wieder dem zuwenden, was Jona sagt, so fällt auf, daß seine ganze Seele voller Erstaunen darüber zu sein scheint, daß Gott einen Menschen wie ihn auch dort gehört und ihm geantwortet hat: „Ich rief aus meiner Bedrängnis zu dem Herrn, und er antwortete mir; ich schrie aus dem Schoße des Scheols, du hörtest meine Stimme.“ Ja, Wunder über Wunder – Gott ist immer bereit zu hören und immer bereit zu vergeben. Die Wolke und die Dunkelheit sind nur auf unserer Seite da. Gott hat sich nicht verändert. Man kann nur anbetend bewundern, wenn man sieht, mit welcher Geduld und welcher Weisheit sich Gott mit Seinem irrenden Diener beschäftigt. Immer wieder warnte Er ihn und gab ihm Gelegenheit, zu Ihm zu rufen und um Vergebung und Hilfe zu bitten. Gott gab Jona nicht auf, auch wenn selbst der Anblick des Todes ihn nicht dazu brachte nachzugeben. Dieser Gott ist unser Gott. Wie viel besser ist es für uns, wenn wir zu Seinen Füßen niederfallen, die ganze Geschichte unserer Sünde und unseres Versagens vor Ihm ausbreiten und Ihn um Gnade und Vergebung bitten. Wir werden dann wie der Schreiber des 116. Psalms, der Drangsal und Kummer kennengelernt hatte, mit anbetender Bewunderung ausrufen: „Ich liebe den Herrn, denn er hörte meine Stimme, mein Flehen; denn er hat zu mir geneigt sein Ohr, und ich will ihn anrufen in allen meinen Tagen“ (Psalm 116,1–2).

Aber sehen wir uns weiter Jonas Gebet an! Was für ein riesengroßes Vorrecht, dabeistehen und dieses Gebet aus dem Bauch des Fisches mit anhören zu können! „Denn du hattest mich in die Tiefe, in das Herz der Meere geworfen.“ Es findet sich kein Gedanke daran, daß es die Seeleute gewesen wären, die ihn in das Meer geworfen hatten. Nein, Jona wußte es besser: Es war Gott, und zwar Gott allein, der es getan hatte, und das erkannte Jona.

Warum tat Gott so etwas? War es Grausamkeit von Seiner Seite? O nein! Das war für diesen ganz besonders verlorenen Sohn der einzige Weg nach Hause. Erst, als er drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches gewesen war, kam er zu sich selbst. Ob es die Schweine sind oder ob es ein Fisch ist – Gott hat Wege, um Sein Volk dahin zu bringen, daß es zu sich selbst kommt.

„Und der Strom umschloß mich; alle deine Wogen und deine Wellen fuhren über mich hin.“ Das erinnert uns sehr an die Worte unseres Herrn in Psalm 69,1–2 (wo sie zwar prophetisch gesagt werden, aber es sind dennoch Seine Worte): „Die Wasser sind bis an die Seele gekommen. Ich bin versunken in tiefen Schlamm, und kein Grund ist da; in Wassertiefen bin ich gekommen, und die Flut überströmt mich.“ Wir müssen immer im Gedächtnis behalten, daß der Herr Selbst uns sagt, daß Jona ein Bild von Ihm ist. Die Flut, die über unserem Herrn zusammenschlug, war nur viel wilder. Über Seine heilige Seele rollten noch viel tiefere, dunklere, schrecklichere Brecher und Wogen hin, als Er für Sünden litt – nicht für Seine eigenen, sondern für meine und deine.

„Und ich sprach: Verstoßen bin ich aus deinen Augen.“ Dreimal lesen wir im ersten Kapitel von Jona, daß er aus der Gegenwart des Herrn floh. Aber das hier ist eine ganz andere Sache. Solange er frei hatte wählen können, war Jona aus der Gegenwart des Herrn geflohen, oder er hatte es jedenfalls versucht. Jetzt, allein in der Dunkelheit und im Schrecken seines furchtbaren Grabes, sagte Jona. „Verstoßen bin ich aus deinen Augen.“ Er war schließlich, wie er glaubte, weit entfernt von der Gegenwart des Herrn. Er hatte den Platz gefunden, den er gesucht hatte. Aber wie schrecklich war dieser Platz! Jetzt verließ nicht Jona willentlich den Herrn, wie er es hatte tun wollen; jetzt war es vielmehr so, daß, wie Jona meinte, der Herr ihn willentlich allein ließ. Es ist emst, daran zu denken, daß ein Tag kommt, an dem die Mengen um uns herum gezwungen sein werden, in Wahrheit auszurufen: „Verstoßen bin ich aus deinen Augen.“ Sie wollen den Herrn jetzt nicht, und der Tag kommt bald, an dem sie aus Seiner Gegenwart in die äußerste Finsternis geworfen sein werden, dorthin, wo Weinen und Zähneknirschen ist. Möge keiner meiner Leser dieses schreckliche Schicksal einmal teilen! Es ist bei weitem schlimmer als das, was Jona mitmachte, und statt drei Tagen und drei Nächten wird es immer währen.

Erinnern uns diese Worte nicht an die in alle Ewigkeit dunkelste Szene, als unser Herr ausrief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ (Mt 27,46). Gott hatte wirklich den Einen, der immer Seinen Willen getan hatte, verlassen, weil unsere Sünden auf Ihn gelegt waren. Gott ist „zu rein von Augen, um Böses zu sehen, und Mühsal ... vermag er nicht anzuschauen“ (Hab 1,13). Das war das Kreuz – das war der Preis, den Er für dich und mich bezahlt hat!

„Und ich sprach: Verstoßen bin ich aus deinen Augen; dennoch werde ich wieder hinschauen nach deinem heiligen Tempel.“ Gott sei Dank war das nicht wahr von Jona. Er war nicht aus Gottes Augen verstoßen. Im Gegenteil, wir können deutlich sehen, daß Gottes Augen genau achthatten auf Seinen armen Diener, auch im Bauch des Fisches. Im richtigen Augenblick kam der Befehl, der ihn aus seinem schrecklichen Gefängnis befreite. Wir werden das gleich sehen. Jona aber dachte, daß er aus Gottes Augen verstoßen sei. Er wußte sehr gut, daß er das verdient hätte. Aber Gott gibt Seinen Dienern nicht nach ihrem Verdienst, wenn der Verdienst von dieser Art ist.

Was ist die Bedeutung der Worte: „Ich werde wieder hinschauen nach deinem heiligen Tempel“? Sicher erinnerte sich Jona an Salomos Gebet bei der Einweihung des Tempels, wie es in 2. Chr 6 berichtet wird. Zweifellos kannte er es sehr gut.

Sehen wir uns z. B. die Verse 38 und 39 an: Wenn sie zu dir umkehren „mit ihrem ganzen Herzen und mit ihrer ganzen Seele in dem Lande ihrer Gefangenschaft, ... und sie beten nach ihrem Lande hin ... und der Stadt, die du erwählt hast, und nach dem Hause hin, das ich deinem Namen gebaut habe: so höre vom Himmel her. . . und vergib deinem Volke, was sie gegen dich gesündigt haben.“ Auf Grund von Worten wie diesen war Jona durch den Herrn selbst ermächtigt, auf die Gnade Gottes zu zählen, daß Er seine Sünde vergeben und ihn befreien würde.

Jonas Augen waren nach Westen gerichtet gewesen, nach Tarsis, aber jetzt, tief unten „Im Schoße des Scheols“, ist da wirkliche Buße, eine wahre Umkehr. Jona sah jetzt nach Osten, zurück zu dem heiligen Tempel, den er vor kurzem in so schlechter Absicht verlassen hatte. Gerade das bedeutet Buße. Man meint oft, es bedeute, daß man sich große Sorgen wegen seiner Sünden macht. Das kann und wird wahrscheinlich mit eingeschlossen sein, aber das ist nicht die eigentliche Bedeutung des Wortes. Die Bedeutung ist: Umkehr, buchstäblich: noch einmal denken. Jona dachte noch einmal. Statt nach Westen zu sehen, sah er ostwärts. Statt Gottes heiligen Tempel den Rücken zuzuwenden, richtete er jetzt seinen Blick dorthin. Statt aus der Gegenwart des Herrn zu fliehen, suchte er jetzt Seine Gegenwart. Statt das alte, stolze, rebellische Ich zu sein, das nicht beten wollte, nicht einmal im ernstesten Augenblick, findet er jetzt seine Freude darin, zu beten. Es ist sein einziger Trost. Das sagt uns etwas von Umkehr, von wirklicher, wahrer Buße. Ich zweifle nicht daran, daß Jona sich über seinen sündigen Weg sehr ernste Sorgen machte, aber er tat Buße, als er sich umdrehte, Tarsis den Rücken kehrte und sein Gesicht dem heiligen Tempel Gottes zuwandte.

„Die Wasser umfingen mich bis an die Seele, die Tiefe umschloß mich, das Meergras schlang sich um mein Haupt. Ich fuhr hinab zu den Gründen der Berge; der Erde Riegel waren hinter mir auf ewig.“ Hier finden wir eine verzweifelte Wirklichkeit. Die Wasser überfluten ihn nicht nur äußerlich, sondern diese dunklen Todeswasser drangen bis in seine Seele ein. Wieder einmal werden wir erinnert, daß Jona ein Bild unseres Herrn Jesus Christus ist. Und sagen nicht gerade die eben zitierten Verse uns etwas von den Leiden unseres geliebten Herrn, wie sie in Psalm 22 dargestellt sind? Wir haben festgestellt, daß die Wogen und Wellen, die über Ihn hingingen, uns an Psalm 69 erinnerten. In diesem Psalm sind uns die Leiden des Herrn, wie Er sie von der Hand der Menschen ertrug, vorgestellt – die äußeren Leiden gewissermaßen. „Du, du kennst meinen Hohn und meine Schmach und meine Schande; vor dir sind alle meine Bedränger. Der Hohn hat mein Herz gebrochen, und ich bin ganz elend; und ich habe auf Mitleiden gewartet, und da war keines, und auf Tröster, und ich habe keine gefunden. Und sie gaben in meine Speise Galle, und in meinem Durst tränkten sie mich mit Essig“ (Psalm 69,19–21). Alle diese Leiden wurden von Menschen verursacht. Wenn wir über den 6. und 7. Vers des 2. Kapitels von Jona nachdenken, dann wird uns klar, daß solche Worte wie „die Wasser umfingen mich bis an die Seele“ von einem noch tieferen Leiden sprechen, als es diese äußeren Leiden von der Hand der Menschen waren. Es erinnert uns an Joseph (ebenfalls ein wundervolles Bild von unserem Herrn) in Psalm 105,18: „Man preßte seine Füße in den Stock; er (oder: seine Seele – Anmerkung –) kam in das Eisen.“ Wir sehen in der ersten Hälfte des Verses die äußeren Qualen, die Joseph erduldete, in der zweiten Hälfte dagegen das tiefere und durchdringendere Leiden, das in das Innere seines Seins vordrang.

Das ist gleichzeitig auch die Seite der Leiden unseres Herrn, die wir so deutlich in Psalm 22 vor uns sehen: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“ Dies, das tiefste Leiden von allem, kam von Gott, nicht von den Menschen, wenn es auch durch unsere Sünden verursacht war. Manche Leute wollen uns weismachen, daß der Herr Jesus nur annahm, daß Gott Ihn verlassen hätte, wie es bei Jona der Fall war: „Ich sprach: Verstoßen bin ich aus deinen Augen.“ Aber es war etwas ganz anderes in dem Fall unseres Herrn und Heilandes. Da am Kreuz trug Er unsere Sünden. Und als alle diese Berge von Sünden auf Ihm lagen, mußte sich Gott von Ihm abwenden. Es war furchtbare Wirklichkeit, was Er in diesem schrecklichen Schrei äußerte: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“

Wir mögen ein wenig (niemals ganz) verstehen, was es für unseren reinen und heiligen Retter bedeutete, diese äußeren Leiden und die Schande und den Hohn der Menschen zu tragen. Aber keine menschliche Vorstellung kann jemals die Tiefe des Leidens ergründen, das in diesem schrecklichen Schrei enthalten ist: „Eli, eli, lama sabachthani?“ Hier umschlossen Ihn die Wasser wirklich bis an die Seele. Hier nahm Er diesen schrecklichen Kelch des Zornes eines heiligen Gottes gegen die Sünde, den Kelch, den du und ich zu trinken verdient hätten. Er trank ihn wirklich bis zur Neige.

„Rings von Todesnacht umgeben
hast Du unsre Schuld gesühnt.
Still und stumm, von Gott verlassen,
trugest Du, was wir verdient.“

Wir müssen für den armen Jona einen weiteren Schritt abwärts feststellen. Er war aus eigenem Antrieb hinab nach Japho gegangen, hinab ins Schiff, hinab in den unteren Schiffsraum: drei traurige Schritte abwärts. Gott hatte ihn hinab ins Meer gebracht, dann hinab in den Fisch, und jetzt bringt Gott ihn noch weiter hinunter. „Ich fuhr hinab zu den Gründen der Berge.“ Nun war Jona so weit unten, wie er nur hinuntergehen konnte. Es ist gut für uns, wenn wir unten sind. Kommen wir noch einmal auf den schönen 116. Psalm zurück! Da lesen wir in Vers 6 b: „Ich war elend (oder: Ich war hinuntergebracht), und er hat mich gerettet.“ Wenn wir hinuntergebracht sind, wenn unser Stolz zusammengebrochen ist, dann kann Er uns retten. Sobald Jona bis auf den Grund gekommen war, sagte er: „Ich fuhr hinab zu den Gründen der Berge. Der Erde Riegel waren hinter mir auf ewig.“ Und unmittelbar danach lesen wir: „Da führtest du mein Leben aus der Grube heraus, Herr, mein Gott.“ Jonas Stolz war gebrochen. Er war jetzt so weit unten, wie es nur möglich war. Und da, da erst brachte der Herr, sein Gott, sein Leben aus der Grube heraus. Jeder gläubige Christ hat sehr wahrscheinlich etwas Ähnliches selbst schon erfahren, denn: „Siehe, das alles tut Gott zwei-, dreimal mit dem Manne“ (Hiob 33,29). Möge der Herr uns helfen, daß wir uns selbst in Wahrheit vor Ihm demütigen, damit Er uns heraufführen kann!

,Als meine Seele in mir verschmachtete, gedachte ich des Herrn, und zu dir kam mein Gebet in deinen heiligen Tempel.“ In den Tagen seiner Wohlfahrt, seines Stolzes und seines Eigenwillens hatte Jona den Herrn vergessen, oder vielleicht sollten wir besser sagen: Da hatte er den Herrn nicht beachtet. Aber jetzt, als die Wogen und Wellen über ihn hingingen und die Wasser ihn bis an die Seele umfingen, jetzt, als er an den Gründen der Berge war, als er keinerlei Hoffnung mehr hatte, da sagte er: „Der Erde Riegel waren hinter mir auf ewig.“ Jetzt wurde seine Seele matt. Er wußte keine Hilfsquellen mehr, hatte keinen Menschen, auf den er noch hoffen konnte. Es gab niemanden, zu dem er sich wenden konnte. Jetzt erinnerte er sich an den Herrn, und er betete. Es gab keine andere Hoffnung, keinen anderen Weg, nichts sonst, was er tun konnte. Aber er betete nicht nur, sondern sein Glaube erhob sich aus diesem eigentümlichen „Gebetsraum“, und durch den Glauben konnte er bis in „deinen heiligen Tempel“ blicken, und er sah, daß sein Gebet dort hineingedrungen war, innerhalb des Vorhangs, genau in die Gegenwart Gottes.

Vielleicht haben wir alle schon etwas von dieser Erfahrung Jonas kennengelernt. Wer von uns hätte nicht schon versucht, seine Angelegenheiten selbst in die Hand zu nehmen! Und wenn dann alles falsch lief, wenn wir mit unserer Weisheit am Ende waren, wenn unsere Seele matt wurde und wir keinen Weg mehr sahen, keine Hoffnung, keinen Plan, dann erinnerten wir uns an den Herrn, und dann beteten wir. Wir verdienten nicht, daß unser Gebet gehört wurde; es war ja von uns in höchster Not erzwungen worden! Aber wir haben – Gott sei Dank – dennoch wie Jona erfahren, daß sogar dann unser Gebet zu Ihm drang in Seinen heiligen Tempel.

„Die auf nichtige Götzen achten, verlassen ihre Gnade.“

Es kann sein, daß Jona die Seeleute beobachtet hatte, als sie jeder seinen Gott anriefen und sich vor den nichtigen Götzen niederbeugten, von ihnen Hilfe erhofften und ihnen Gebete brachten. Vielleicht hat es ihn da nicht besonders berührt. Man gewöhnt sich an diese Dinge. In einem englischen Lied heißt es: „Die Heiden in ihrer Blindheit beugen sich nieder vor Holz und Stein.“ Und das beunruhigt uns nicht im geringsten. Jetzt, in der Gegenwart des Herrn, seines Gottes, ist der Gedanke an so etwas für Jonas Seele ganz furchtbar. Er sieht alles in seinem wahren Licht. Er sagt nicht: „Es ist egal, wie sie anbeten, Hauptsache, sie meinen es aufrichtig.“ O nein, er kannte die Furchtbarkeit des Götzendienstes gut und rief aus: „Die auf nichtige Götzen achten, verlassen ihre Gnade.“ Jona hatte so sehr die Gnade Gottes erfahren, daß der Gedanke an den Gegensatz zu denen, die auf nichtige Götzen achten, statt sich an den wahren Gott zu wenden, ihm klar machte, wie unterschiedlich das Ergebnis doch ist. Die Gnade ist für alle da, vorausgesetzt, sie kehren um zu dem Herrn. Aber täusche sich doch niemand, indem er meint, daß nichtige Götzen, ganz gleich, wie aufrichtig man sie verehrt, jemals dem Sünder Gnade bringen können! Was für ein Buch der Gnade ist das Buch Jona: Gnade für Jona selbst, Gnade bei mehr als einer Gelegenheit, Gnade für die Seeleute, Gnade für Mensch und Tier in Ninive!

„Ich aber werde dir opfern mit der Stimme des Lobes; was ich gelobt habe, werde ich bezahlen.“ Der Glaube wird mutiger. Jetzt konnte Jona sagen, daß er dem Herrn mit der Stimme des Lobes opfern würde. Wie kann er darauf gehofft haben, während er doch noch im Bauch des Fisches war? Nur durch den Glauben! Dieses Opfer des Lobes ist das Friedensopfer, das auch Dankopfer genannt wird. Es war ein freiwilliges Opfer lieblichen Geruchs dem Herrn. Wir lesen davon in 3. Mose 3 und in 3. Mose 7,11–21 und 28–36. In 3. Mose 7,12 finden wir, daß es das Dankopfer genannt wird. Es stellt eine besonders schöne Seite des Opfers Christi dar. Wir lesen, daß bei diesem Opfer Gott zuerst Seinen eigenen Teil erhielt. Der Priester, der opferte, erhielt danach seinen Teil. Auch Aaron hatte seinen Teil, und es gab einen Teil für Aarons Söhne. Schließlich erhielt auch derjenige, der das Opfer brachte, seinen Teil. Wenn wir das Dankopfer bringen, ist es nicht nur für Gott Selbst ein Wohlgeruch. Auch Christus als der Hohepriester und Christus als derjenige, der Sich Selbst opferte, hat einen Teil an diesem Opfer. Die Familie Aarons, die Heiligen Gottes hier auf der Erde, auch sie erhalten einen Teil. Und schließlich erhält auch derjenige, der das Dankopfer gebracht hat, einen Teil an diesem Opfer. Möchten wir alle häufiger das Lob und Dankopfer darbringen!

Jona konnte, als er noch unten in dem Bauch des Fisches war, mit Triumph sagen: „Was ich gelobt habe, werde ich bezahlen.“ Das ist wirklicher Glaube. Auch die Seeleute hatten Gelübde getan, so daß da ein besonderer Teil für den Herrn sowohl von Jona als auch von ihnen da war. Noch einmal mehr brachte Gott hier aus dem Fresser Fraß und aus dem Starken Süßigkeit (vergl. Ri 14,14).

Es ist etwas besonders Schönes zuzusehen, wie Jonas Glaube wuchs, während er betete. Ist es nicht häufig so? Wir treten im Gebet oft so traurig und beladen in die Gegenwart des Herrn, daß wir nur mit einem Seufzen, das wir kaum in Worte zu kleiden vermögen, kommen können. Aber wenn wir beten und der Glaube sich auf Gott richtet und so alle die Wogen, Wellen und Stürme hier auf der Erde durchdringt, dann können wir direkt in den hellen Sonnenschein Seiner Gegenwart blicken. Wie mancher Heiliger, dessen Seele niedergedrückt gewesen war, konnte, wenn er gebetet hatte, sagen: „Harre auf Gott, denn ich werde ihn noch preisen, der das Heil meines Angesichts und mein Gott ist“ (Psalm 42,11).

Jetzt kommt gewissermaßen der Höhepunkt des ganzen Gebetes. Es ist ein großartiger Ausruf:

„Bei dem Herrn ist die Rettung.“

Es ist etwas Großartiges, wenn wir das lernen. Dann sehen wir von den Menschen ab, die schwach und vergänglich sind. Nur Gott zugewendet, ohne einen einzigen Hoffnungsstrahl aus irgend einer anderen Quelle, allein dort unten in der Dunkelheit und der Stille, da lernte Jona eine der tiefsten und größten Lehren, die ein Mensch jemals lernen kann, und das ist: Bei dem Herrn ist die Rettung. Möge der Herr in Seiner Gnade dir und mir helfen, mehr und immer mehr von dieser großen Lehre zu lernen! Dann werden wir Ihn Selbst immer besser und tiefer kennenlernen.

Was folgte auf diesen großartigen und wundervollen Ausruf? – Was folgte, wenn wir eine Lehre gelernt hatten? Wenn wir uns von uns selbst und von den Menschen abgewandt hatten und allein auf den Herrn sahen?

„Und der Herr befahl dem Fische, und er spie Jona an das Land aus.“ Sobald Jona wirklich gelernt hatte, daß bei dem Herrn die Rettung ist, brachte der Herr auch Rettung. Und wie führte Er sie aus? Durch ein Wort. Er sprach, und der Fisch gehorchte. Wir haben schon gesehen, daß der Sturm Seinem Wort gehorchte, einmal, als er sich erheben, und dann, als er wieder ruhig sein sollte. Jetzt finden wir, daß auch der große Fisch gehorsam ist. Der einzige Ungehorsame in diesem Buch war Jona, ein Mensch, Gottes höchstes Geschöpf, ein Mann, der Gottes Diener und Sein Prophet war – und dennoch wagte gerade er es, ungehorsam zu sein. Jetzt befahl der Herr dem Fisch, und er gehorchte. Vieles erinnert uns daran, wie der Herr als Mensch auf der Erde war. Er konnte dem Sturm sagen: „Schweig, verstumme!“ oder eine große Menge von Fischen in das Netz des Petrus bringen oder einen Fisch mit einem Geldstück im Maul an die Angel des Petrus. Seine Herrlichkeiten leuchten hell im Alten und im Neuen Testament. Er ist derselbe. Wundervolle Gnade, daß Er, Dessen Herrlichkeiten so groß und so strahlend sind, sich so weit zu uns herabneigte!

Das Wort an den Fisch erinnert uns an den 29. Psalm, einen Psalm, den Jona zweifellos gut kannte. Vielleicht hatte dieser Text Trost und Hoffnung in seine Seele gebracht, als er unten bei den Gründen der Berge war und sich erinnerte: „Der Herr thront auf der Wasserflut, und der Herr thront als König ewiglich“ (Psalm 29,10). Vielleicht können wir unsere Gedanken über dieses wundervolle Kapitel am besten damit beenden, daß wir ein paar Verse aus diesem majestätischen Psalm zitieren.

„Die Stimme des Herrn ist auf den Wassern; der Gott der Herrlichkeit donnert, der Herr auf großen Wassern. Die Stimme des Herrn ist gewaltig, die Stimme des Herrn ist majestätisch. Die Stimme des Herrn zerbricht Zedern, ja, der Herr zerbricht die Zedern des Libanon; und er macht sie hüpfen wie ein Kalb, den Libanon und Sirjon wie einen jungen Wildochs. Die Stimme des Herrn sprüht Feuerflammen aus; die Stimme des Herrn erschüttert die Wüste, der Herr erschüttert die Wüste Kades. Die Stimme des Herrn macht Hindinnen kreißen und entblößt die Wälder; und in seinem Tempel spricht alles: Herrlichkeit! Der Herr thront auf der Wasserflut, und der Herr thront als König ewiglich. Der Herr wird Stärke geben seinem Volke, der Herr wird sein Volk segnen mit Frieden.“

Es ist die Stimme dieses Wunderbaren – Seine Stimme als guter Hirte die wir kennen und lieben gelernt haben. Hilf uns, guter Hirte, Dir immer zu folgen, immer auf Deine Stimme zu hören!

Fußnoten

  • 1 Der erste Vers von Kapitel 2 gehört in den englischen Übersetzungen noch zu Kapitel 1.
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