Kapitel 2

Jona im Bauch des Fisches

„Bei dem HERRN ist die Rettung.“ (V. 10)

Das ist der letzte Satz von Jonas Gebet, als er im Fisch war. Es ist ein merkwürdiger Satz, der das ganze Buch Jonas kennzeichnet. Man könnte ihn als Überschrift darüber setzen. Bei der „Rettung des Herrn“ denken wir zuerst an die Zukunft, die Erlösung unseres Leibes bei der Ankunft des Herrn. Sicherlich, sie beendet alles Leid und lindert schon heute jeglichen Schmerz. Aber es gibt auch eine „Rettung des Herrn“, auf die wir zurückblicken: das Kreuz von Golgatha sowie auch eine gegenwärtige Rettung: das Helfen, Leiten und Tragen des Guten Hirten. In Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft finden wir Rettung allein beim Herrn: „Bei dem HERRN ist die Rettung.“

Es ist in unseren christlichen Ländern wohl besonders nötig, daran erinnert zu werden, dass die Rettung allein vom Herrn kommt. Die Juden waren stolz auf ihre Vorrechte und meinten deshalb, etwas zu sein, was sie nicht waren, denn auch die Vorrechte besaßen sie nicht aus Verdienst, sondern aus Gnade. Ähnlich ist es auch bei vielen Christen. Man beruft sich auf seine christliche Religion, und doch wissen viele nichts von einer persönlichen Glaubensgemeinschaft mit dem Herrn. Stolz sehen sie auf andere herab, die vielleicht in der christlichen Lehre nicht so erfahren sind wie sie, aber inniges Verlangen haben nach Frieden, Licht und Heil. Man spricht auch oft von der Rettung oder vom Heil, als ob es sich um Krankenheilung oder Genesung handle. Es geht aber nicht um ein Heil für den Leib, von dem einige meinen, das Monopol dazu zu haben, sondern es handelt sich um das Heil Gottes, das für jeden zu erreichen ist, der gläubig seine Hand danach ausstreckt. Auch geht es schließlich bei dieser Rettung nicht um eine Sache, sondern um eine Person, um den Heiland.

Wenn es gut um uns steht, werden wir nicht nur von dem Heil des Herrn reden und wünschen, dass unsere Kinder frühzeitig damit bekannt gemacht werden, nein, wir müssen selbst durch den Glauben dieses Heil erfahren haben. Paulus weist in seinem Brief an die Römer auf das Wort im Propheten Joel hin, dass jeder, der den Namen des Herrn anruft, auch seine Rettung erfahren wird. Dabei heißt es: „Sei es nun, dass wir leben, sei es, dass wir sterben, wir sind des Herrn“ (Röm 14,8). Ich erinnere mich an einen Bruder, der häufig in seinem Vortrag, wenn er von einem Gläubigen sprach, dies mit den Worten andeutete: Er ist des Herrn! Das hat mich oft bewegt. Es ist so köstlich, des Herrn zu sein, Ihm anzugehören, sein Eigentum zu sein, weil man durch Ihn gerettet wurde. Davon spricht auch der Prophet in Jona 2,10, der auch wusste, dass das Heil von den Juden kam. Anbetend ruft er aus: „Bei dem HERRN ist die Rettung.“

Der Herr selbst ist es, der auf wunderbare Weise zu retten vermag. Er ist es, der den Tod herannahen lässt, aber auch auf wunderbare Weise Leben aus den Toten bringt. Der Herr selbst ist Leben bis in Ewigkeit. Er schafft Rettung für jeden Menschen, der sie dankbar ergreift. So leicht gewinnt der Gedanke bei uns Raum, dass wir selbst etwas zu unserer Seligkeit beitragen könnten. Es gibt Menschen, die meinen, die Zugehörigkeit zu einer christlichen Gemeinschaft oder Kirche, sowie das fleißige Anhören der Predigten verleihe ihnen ein Anrecht zur Seligkeit. Das ist nicht der Fall. Das Heil hängt nicht von unserem Tun, sondern von Gottes Gnade ab.

Der Herr, wie Er in diesem Vers genannt wird, will sagen: Der ewig Unveränderliche. Er ist derselbe gestern, heute und in Ewigkeit. Er ist der große: „Ich bin, der ich bin.“ (2. Mo 3,14). „Du aber bist derselbe“, lesen wir in Hebräer 1,12. In allem diesem wird nicht nur ausgedrückt, dass Er der Bleibende ist, sondern auch, dass Er seine Verheißungen erfüllen wird. Der Unveränderliche ist treu.

Es wäre gut, wenn manche Prediger einmal ernst über den Ausdruck nachdächten: „Bei dem HERRN ist die Rettung.“ Es gibt nicht nur viele Christen, die sich von gesetzlichen Grundsätzen leiten lassen, sondern es gibt sogar solche, die diese Grundsätze, wohl mit Gnade vermengt, verkündigen. Welch ein Segen würde daraus fließen, wenn alle dem herrlichen Vorbild des Apostels Paulus folgten, der die Errettung aus Glauben allein verkündigte. „Dem aber, der nicht wirkt, sondern an den glaubt, der den Gottlosen rechtfertigt, wird sein Glaube zur Gerechtigkeit gerechnet“ (Röm 4,5). „Er hat auch uns, als wir in den Vergehungen tot waren, mit dem Christus lebendig gemacht – durch die Gnade seid ihr errettet –, mittels des Glaubens ... nicht aus euch, nicht aus Werken.“ (Eph 2,5.8.9).

„Bei dem HERRN ist die Rettung.“

Es ist mir ein Bedürfnis, nochmals auf diese herrliche Tatsache hinzuweisen, weil leider so viele meinen, die Rettung gründe sich auf ihr Wirken, auf das Halten von Vorschriften oder sie erwarten sie von den Personen, die sie verkündigen. Gegen diese Auffassung müssen wir zeugen. Nichts kommt durch uns, nichts durch eine Zwischenperson. Wir wollen gern Wegweiser sein für andere, aber wir Menschen können unmöglich das Heil bringen oder vermitteln. Wir können es mit der Wärme unserer Überzeugung, durch die Liebe Christi gedrungen, den anderen vorstellen. Aber der Herr allein kann die Menschen durch die mächtige Wirkung seines Wortes und Geistes erretten. Von Gott allein kommt alle Wiedergeburt. Jeder muss sich persönlich bekehren, wie es immer wieder in der Bibel gesagt wird.

Beim Nachdenken über den Ausdruck „bei dem HERRN ist die Rettung“ habe ich in der Bibel nachgesucht, wie häufig er wohl darin vorkommt. Es ergriff mich, dass wir ihn im Neuen Testament nicht ein einziges Mal, im Alten Testament dagegen so oder in ähnlicher Fassung dutzende Male finden. Warum wird er wohl im Neuen Testament nicht ein einziges Mal gebraucht? Ich glaube, weil das ganze Neue Testament für sich das Buch von der Rettung des Herrn ist. Von Matthäus bis zur Offenbarung ist es voll von dem Heil des Herrn. Es fängt an mit Emmanuel, Gott mit uns, und es endet mit „Ich, Jesu, ... Ich bin die Wurzel und das Geschlecht Davids“ (Off 22,16). Der Name Jesus bedeutet: der Herr ist Retter! Der Ewig-Treue, also der, von dem das Alte Testament spricht und von dessen Heil es so viel zu sagen weiß, ist zum Heil der Menschen auf die Erde gekommen. Gott und Mensch in Christus Jesus vereinigt. David aus Ihm und Er aus David. Wenn uns dann Gott seine Rettung zeigen will, von der die Propheten so oft geredet haben, so zeigt Er uns eine Person. In den Evangelien, in der Apostelgeschichte, in den Briefen, in der Offenbarung, überall finden wir Jesus den Retter. Die Rettung des Herrn ist in Ihm verkörpert.

O, welch ein Heiland, Herr, bist Du!

Beim Nachschlagen der verschiedenen Stellen, die im Alten Testament von der „Rettung des HERRN“ handeln, fiel mir auf, dass der Ausdruck zum ersten Mal in Verbindung mit Israel gebraucht wird, also nicht in Verbindung mit nur einer Person, sondern mit dem ganzen Volk, und ebenso bezieht er sich bei der letzten Stelle prophetisch wieder auf das ganze Volk. Es ist, als wenn Gott sagen wollte: „Ich habe mir wohl ein Volk für diese Erde auserwählt, aber es soll nicht denken, dass es besser sei als die anderen Völker. Es muss verstehen lernen, dass ich der Gott ihres Heils bin und dass alle Segnungen, die ihnen zufallen oder einst zufallen werden, durch meine Rettung kommen.“

In Gedanken sehe ich das Volk am Schilfmeer stehen. Es ist in Ägypten, dem eisernen Ofen gewesen, hat geseufzt unter der Peitsche seiner Treiber. Neben ihm erheben sich rechts und links Berge, vor ihm ist das Wasser des Meeres, hinter ihm her kommt der mächtige Feind. Welch eine Not! Was nützt es, sich in diesem Augenblick der Vorrechte Abrahams und Jakobs zu rühmen! Doch da hören sie die beschwichtigende Stimme Moses: „Fürchtet euch nicht! Steht und seht die Rettung des HERRN, die er euch heute verschaffen wird“ (2. Mo 14,13). Sie konnten sich auf nichts berufen und keinerlei Ansprüche erheben. Sie sollten auch nicht zurückgehen dem Feind entgegen – sie hatten nur stillzustehen und die Rettung des Herrn anzuschauen.

Und was war die Rettung des Herrn? Sie mussten gleichsam in den Tod hinein, in die Wasser des Roten Meeres; aber wie sie scheinbar in den Tod gehen, den sie verdient hatten, kommt Gottes Rettung. Er bahnt einen Weg, einen Weg des Lebens, so dass sie wie Auferstandene auf der anderen Seite des Schilfmeeres ankommen und dort das Lied der Erlösung anstimmen können: „Jah ist mir zur Rettung geworden“ (2. Mo 15,2).

Wie schön ist das! Der Anfang der Geschichte des Volkes Israel birgt die Erkenntnis, dass es den Tod verdient hat. Alle Erstgeburt der Kinder Israel hätte ebenso gut umkommen müssen wie die Erstgeburt der Ägypter. Auch die Israeliten waren in Ägypten Götzendiener gewesen. Hesekiel teilt uns dies mit (Hes 20,6–10). Aber Gott hat sich über Israel erbarmt. Ein Lamm wird geschlachtet, ein Stellvertreter für den Erstgeborenen. Das Blut wird an die Türpfosten gestrichen, oben und an beide Seiten (nicht auf den Boden, denn Blut ist heilig). Drinnen im Haus ist die ganze Familie in Sicherheit beisammen auf Grund des Blutes und des durch den Herrn zu Mose gesprochenen Wortes. So können sie von der Rettung des Herrn singen, denn der älteste Sohn, der hätte sterben müssen, aber durch Gottes Gnade gerettet wurde, konnte mit ausziehen nach dem Land der Verheißung, um dort teilzuhaben an den reichen Segnungen des Herrn.

Als sich das Volk also dem Roten Meer nähert, wird es wieder daran erinnert, dass es den Tod verdient hätte. Das Blut sprach von Versöhnung, das Rote Meer von Erlösung. Durch die mächtige Hand Gottes wird es sicher auf die andere Seite gebracht. „Bei dem HERRN ist die Rettung.“

*

Dies alles spricht auch so deutlich aus der Geschichte, die wir gewissermaßen am Ende des Alten Testaments finden, bei der wieder der Ausdruck „die Rettung des HERRN“ auftaucht, wie im Anfang der Geschichte Israels.

In der Geschichte Jonas wird uns gezeigt, wie ein echter Israelit, ein frommer Mann, ein Führer unter den Juden erkennen musste: „Ich bin schuldig, werft mich ins Meer.“ Er wird ins Meer geworfen, sinkt nieder ins Grab. Nun müsste man denken, es sei aus mit dem Propheten, aber nein, es ist nicht das Ende. Das Ende ist „die Rettung des HERRN“.

Hierin ist Jona ein Bild von Israel. Das Volk Gottes hatte am Anfang und am Ende den Tod verdient.

Sein Ende hätte im Grab sein müssen. Aber – das Grab spricht von dem Lebenden aus den Toten. Haben wir beachtet, dass Jona in seinem Gebet nicht von einem Fisch spricht? Er sagt: „Ich schrie aus dem Schoß des Scheols ... da führtest du mein Leben aus der Grube herauf“ (V. 3.7). Er erkennt, dass er ein Toter ist, der der Verwesung anheimfallen müsste. Wenn wir so weit sind, dann sind wir da, wo Gott uns haben will, um uns sein Heil schenken zu können. In Psalm 68 steht Gott auf zum Streit. Der Feind flieht. Die Gottlosen kommen um, aber die Gerechten haben sich zu Gott hingewendet. Mit Frohlocken stehen sie vor Gottes Angesicht – von dem sie sich einst abgewandt hatten –, erkennend, dass Gott ein Gott der Rettung ist, der in grenzenloser Güte vollkommene Seligkeit schenkt.

*

In dem kleinen Buch lesen wir immer wieder, was der Herr tat, um seinen Diener zurechtzubringen. Er warf einen Sturm aufs Meer, Er bestellte einen Fisch, um Jona zu verschlingen. Alles steht Ihm zur Verfügung, und zur rechten Zeit gebraucht Er es.

Am Ende des Kapitels, das wir betrachten, lesen wir: Und der HERR befahl dem Fisch, und er spie Jona an das Land aus“ (V. 11). Das klingt, als wenn Gott hier mit einem seiner Knechte rede, und so ist es in der Tat. Bileams Eselin steht ebenso im Dienst Gottes wie der Löwe, der den Mann Gottes aus Juda tötete, wie der große Fisch im Buch Jona und die brüllenden Löwen in der Geschichte Daniels. Auch die Tiere müssen Gott auf seinen Wink hin dienen. Einmal müssen sie schweigen, dann sprechen, einmal zerreißen, ein andermal ihre Rachen geschlossen halten, und hier in Jonas Geschichte: lebend verschlingen, unversehrt aufbewahren und wieder auswerfen an das Land.

„So wie Jona drei Tage und drei Nächte in dem Bauch des großen Fisches war, so wird der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nächte in dem Herzen der Erde sein“ (Mt 12,40). Luther übersetzte hier „Walfisch“. Aber diese Übersetzung ist nicht zutreffend und hat viel Gerede und Spott hervorgerufen. Daraus sieht man einmal, welch große Bedeutung eine genaue Übersetzung hat und wie viel oft davon abhängt, ein kleines Wort richtig zu übersetzen. Weiter sehen wir hieraus, dass der gegen Gott und sein Wort feindliche Mensch ohne Untersuchung das Erstbeste ergreift, um Gottes Wort wenn möglich lächerlich zu machen und zu entkräften. Bei richtiger Übersetzung wird die Überlegung des Unglaubens, dass der Schlund des „Walfisches“ zu klein sei, um jemanden unverletzt zu verschlingen, hinfällig. (Als wenn Gott keine Wunder tun könnte.)

Man wendet ferner ein, dass es im Mittelmeer keine Walfische gebe. Als wenn Gott nicht einen dorthin senden könnte. Überdies wissen wir aus zuverlässigen Berichten, dass, wenn auch selten, in diesem sogenannten „großen Meer“ Walfische vorkommen.

Ein weiterer Einwand der Ungläubigen ist, dass solch ein Fisch es unmöglich tagelang aushalten könne, einen Menschen im Magen zu haben, und dass der Mensch ebenso wenig im Innern des Fisches am Leben bleiben könne. Selbst eine genaue Übersetzung kann diesen Einwand nicht widerlegen.

Vielleicht ist es gut, hier darauf hinzuweisen, dass der sehr bekannte Londoner Ichthyologe (Ichthyologie: Lehre von den Fischen), E. G. Boulenger glaubt, dass der große Fisch des Jona ein Pottwal gewesen sei. Dieser Fisch lebt in den Gewässern südlicher Breite, wird bis zu 27 Meter lang, hat einen gewaltigen Rachen, der ungefähr ein Drittel seiner Körperlänge ausmacht, und einen außerdem noch sehr dehnbaren Schlund, der groß genug ist, einen erwachsenen Menschen durchgleiten zu lassen. Sein Magen ist so groß, dass er leicht zwanzig Menschen darin aufnehmen könnte. Man hat einmal einen Pottwal gefangen, der einen fünf Meter langen Haifisch in seinem Magen hatte. In diesem Magen herrscht eine Temperatur von 39 Grad, also immerhin noch nicht so warm, dass es der Mensch darin nicht aushalten könnte. Die Magensäure dieses Tieres kann von der menschlichen Haut vertragen werden. Auf Grund dieser Tatsachen nimmt Herr Boulenger an, dass Jonas Fisch ein Pottwal gewesen ist.

Herr Boulenger teilt folgendes mit: Einst wurde durch französische Gelehrte mit zwei Schaluppen Jagd auf einen Pottwal gemacht. Dabei kenterte eines der Bote durch einen Schwanzschlag des Ungeheuers und der Matrose Bartley verschwand in der Tiefe. Es gelang, das Tier zu fangen. Beim Aufschneiden bemerkte man etwas Besonderes in seinem Magen. Man öffnete diesen und – der verlorene Matrose kam wie wahnsinnig heraus, nachdem er zwei Tage und eine Nacht im Magen des Fisches gewesen war. Durch die Magensäure des Tieres war seine Haut weiß wie Schnee geworden. Von dem Wahnsinn ist er schnell genesen, die weiße Hautfarbe jedoch blieb. Ebenso hat einmal ein amerikanisches Schiff, so erzählt Dr. Boulenger, auf Pottwale Jagd gemacht. Diesmal schlug ein Fisch, als er verfolgt wurde, das Boot in Stücke und verschlang einen Matrosen. Später kam der Pottwal nach oben und spie den Inhalt seines Magens mitsamt dem lebenden Matrosen aus.

Mit großem Interesse vernehmen wir diese Berichte und halten sie angesichts des Spottes der Ungläubigen für bedeutungsvoll. Für uns Gläubige jedoch wären solche Mitteilungen nicht nötig. Wir glauben auch ohne solche Berichte von Sachverständigen, was Gott uns über Jona im Fisch erzählt, denn für uns ist Gottes Wort unanfechtbar. Gott ist uns ein Gott, der Wunder tut. Aber das größte Wunder in dieser Erzählung ist nicht, dass Jona vom Fisch verschlungen wurde und darin unbeschädigt blieb, sondern dass er geistlich wiederhergestellt herauskam.

Aber wir haben noch einen weit größeren und zuverlässigeren Beweis dafür, dass mit Jona alles so geschehen ist, wie es uns hier mitgeteilt wird. Unser Heiland, Jesus Christus, Gottes Sohn selbst, erinnert uns an diese Geschichte, darauf hinweisend als ein Vorbild seines eigenen Todes und seiner Auferstehung. Vinet sagt irgendwo, dass der Glaube, der nicht glauben könne, dummes Gerede sei. So möchte ich sagen, dass nach solcher Beweisführung – die beste, die überhaupt gegeben werden kann – alle Gegengründe verwerfliche Behauptungen sind. Es gibt indessen einen Punkt, der auch Gläubigen Schwierigkeiten bereitet. Jona soll drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches gewesen sein. Dieselbe Zeitspanne wird von dem Herrn für sein Verweilen in der Erde im Grab angegeben. Der Herr ist gemäß der Evangelien hingegen nur zwei Nächte, einen Tag und zwei kleine Bruchteile eines Tages im Grab gewesen. Doch werden auch diese Bedenken gründlich zerstört, wenn man daran denkt, dass wir uns, sowohl zur Zeit Jonas als auch des Herrn, auf biblischem, das heißt morgenländischem Boden befinden. Man nennt dort auch einen Teil des Tages „Tag und Nacht“, ähnlich wie wir, wenn wir erzählen, dass wir irgendwo einen Tag gewesen sind, nicht sagen wollen, dass es genau zwölf oder gar 24 Stunden gewesen sind. Wir sprechen auch von einem Nachmittag, wenn wir auch nur einen Teil des Nachmittags fortgewesen sind. In diesem Sinn spricht man dort von „Tag und Nacht“, auch wenn nur ein Teil davon gemeint ist. Darum gelten die letzten Stunden des Freitag einerseits und die Nacht des ersten Wochentags zusammen mit den ersten Stunden des anbrechenden Tages anderseitsebenso als Tag und Nacht wie die Tagesstunden des Samstags mit der ganzen vorangehenden Nacht.

Unter den Juden haben sich nie irgendwelche Bedenken gegenüber den Mitteilungen der Evangelien gezeigt. Die Schwierigkeiten sind erst da aufgekommen, wo man obige Ausdrucksweise nicht kennt. Manche meinen, eine Erklärung geben zu können, indem sie annahmen, dass der Herr nicht am Freitag, sondern am Donnerstag oder Mittwochabend gestorben sei. Während jedoch solch eine Vermutung schon an und für sich keine Beweiskraft hat, widerspricht ihr auch die Heilige Schrift. Das geht nicht nur aus einem Vergleich der Schilderungen in den Evangelien hervor, sondern es steht deutlich in Lukas 24,21: „Doch auch bei all dem ist dies heute der dritte Tag, seitdem dies geschehen ist.“ In Vers 13 steht zur Sicherheit: „Zwei von ihnen gingen an demselben Tag“, das war der Auferstehungstag, „in ein Dorf, mit Namen Emmaus“. Jesus ist nicht am siebten Tag, sondern am achten Tag auferstanden. Das Fest der Erstlingsgarbe ist ein Vorbild von Jesu Auferstehung. Die Erstlingsgarbe musste am Tag nach dem Sabbat dargebracht werden, also am ersten Tag der Woche, den wir „Tag des Herrn“ nennen. An diesem Tag gingen die beiden Jünger nach Emmaus, ihrem Wohnort, zurück. Unterwegs gesellt sich der Herr zu ihnen. Und zu Ihm sagen sie, ohne dass er widerspricht: „Bei all dem ist dies heute der dritte Tag, seitdem dies geschehen ist“ (Lk 24,21). So ist es auch im Griechischen üblich, dass man von drei Tagen spricht, wenn mehr als ein Tag und eine Nacht vergangen sind. Man betrachtet auch den ersten und den letzten Teil eines Tages als einen Tag. Der erste Tag der Woche war also nach Lukas' Mitteilung der dritte Tag, der zweite war der Samstag oder Sabbat, der erste war der Freitag, der Tag der Kreuzigung. So ist es nach den Schriften. Paulus sagt, dass er auferweckt wurde am dritten Tag nach den Schriften. Denn die Bücher des Alten Testaments sprechen auch vom dritten Tag. Der dritte Tag war der Tag des erwachenden Lebens (1. Mo 1,11–13). „Er wird ... am dritten Tag uns aufrichten; und so werden wir vor seinem Angesicht leben“ (Hos 6,2).

Dieses Wort Hoseas weist auf Israel hin. Jonas Geschichte ist ja auch die Geschichte Israels. Christus aber war der wahre Israel („Du bist mein Knecht, Israel“, Jes 49,3). Israel sollte ins Grab hinabsteigen wegen seiner eigenen Sünden und nach aufrichtiger Reue und Buße in Gnade wieder zum Leben erweckt werden. Christus stieg ins Grab hinab, um die Sünde seines Volkes zu sühnen und, weil er der Gerechte war, wieder aus den Toten auferweckt zu werden.

Wunderbar wird uns Jonas Gebet, wenn wir darin die Schatten, die auf Christus hinweisen, wahrnehmen. Die Klage über die Riegel des Todes, die Ketten des Grabes, die ihn umfingen, die Wogen und Wellen des Zornes Gottes, die über sein Haupt gingen, der Abgrund, der ihn umschloss – wie erinnert uns das alles an Psalm 42, an Christus. Wie ergreifend ruft der Dichter aus:

„Wie viel Schmerz hast Du erduldet,
wie viel Tränen Du geweint!
Alles das, was wir verschuldet,
lag auf Dir, o Herr, vereint.“

Wenn ich diesen „Psalm“ des Jona lese, denke ich an die Leiden, die der Heiland, Gottes Sohn, um meinetwillen ertragen musste: geschlagen, verhöhnt, eine Dornenkrone auf dem Haupt, gekreuzigt, von Gott verlassen, hinabgeworfen ins Innere der Erde.

*

Anbetungswürdiger Jesus!

Jona ist nur ein schwacher Schatten deiner Herrlichkeit. Und doch ist er dein Vorbild; zwar auch ein Vorbild von Israel in den Leiden und in der Errettung aus den Drangsalen. Doch vor allem ein Zeichen von dir, dem Sohn des Menschen, der du um der Sünde willen in Tod und Grab gingst, jedoch zur Rettung und Rechtfertigung von Sündern auferstanden bist.

Gottes Wille muss geschehen, Er handelt nach seinem Wohlgefallen. Das sehen wir bei Jona, später bei Israel. Das durften wir vor allem bei Christus erkennen. Nach Gottes Rat wurde Er gekreuzigt. Als Jesus hinabstieg ins Herz der Erde, hat Gott seine Seele nicht verlassen, noch zugelassen, dass sein Frommer die Verwesung sehe. Christus ist gestorben und auferstanden. Aus diesem Tod und dieser Auferstehung ist der Welt das Heil des Herrn bereitet worden.

*

Kehren wir jedoch zu Jona im Fisch zurück.

Gott gebrauchte den Sturm, um Jona zu zeigen, dass er der Schuldige ist. Er gebrauchte den Fisch, um ihn zu erretten, nachdem er erkannt hatte, dass er, der Jude, die Gnade des Herrn ebenso nötig hatte wie die Heiden. Derselbe Gott, der zu den Heiden sprach, wollte auch mit dem Propheten reden. Er tat es durch den Sturm und den Fisch. Welch ein Gott der Gnade ist Er! Er wartete nicht, bis Adam zu Ihm kam, Er suchte ihn auf. Er wartete nicht, dass Jona von selbst zur Einkehr kam, Er suchte ihn auf dem Schiff und redete zu ihm im Fisch.

Wie anders sind wir in dieser Hinsicht! Möchten wir doch von der Gesinnung Gottes lernen! Wir sagen so manchmal, die Irrenden müssen zu uns kommen, um ihre Schuld zu bekennen. Aber schrieb nicht auch Paulus den Korinthern, dass sie den Abgeirrten wieder aufnehmen sollten, damit er nicht durch übermäßige Traurigkeit verschlungen werde?

Wunderbar sind Gottes Taten. Jona hatte das Gebet im Kämmerlein vergessen. Er schlief sogar während es stürmte und alle anderen beteten. Nun wird er in ein gar dunkles Kämmerlein geführt, in das Innere des Fisches. Dort spricht Gott eindringlich mit ihm. Und dort, wo sich Meergras um sein Haupt schlang, hörte er, was Gott ihm durch sein Wort und seinen Geist zu sagen hatte. Welch ein Augenblick wird es für Jona gewesen sein, als er ins Meer geworfen wurde und denken musste: Nun geht es in den Tod, den ich verdient habe. Aber – er wird durch einen großen Fisch verschlungen. Mühsam nur kann er Atem holen. Und doch quälen ihn nicht die Leiden des Körpers, so furchtbar sie sein mögen. Die Angst der Seele ist viel, viel größer. Wir würden nur eins tun: Erfüllt von unserer großen Schuld einem dreimal heiligen Gott gegenüber, würden wir zu Ihm rufen und schreien. Der Kerker und die Dunkelheit um uns her würden uns kaum bewusst werden. So war es mit Jona. Immer schneller trägt der Fisch seinen eigenartigen Bewohner in die Tiefe des Meeres. Die Wogen und Wellen gehen über Jona dahin. Zitternd, bebend sieht Jona völlig hoffnungslos dem sicheren Tod entgegen. Doch nun kommen Gott und sein Heil vor das Geistesauge Jonas. Die Bedrängnis seines Leibes wird ihm zum Spiegel seines seelischen Leides. Er sieht den Zorn Gottes über sich gehen, seiner Sünde wegen. Und – Jona betet!

Jona rief zum Herrn, seinem Gott, rief zu Ihm aus der Qual seiner Seele. Haben wir beachtet, dass die Schiffsleute zuerst zu ihren Göttern riefen, danach aber zu dem Herrn? Und das waren Heiden. Wie aber ist es mit Jona? Auch er muss den Herrn anrufen, genauso wie die Unbeschnittenen. Jona sagt gleichsam: „Du, der HERR, hast getan, wie es dir gefallen hat“. Er erkennt, dass er nur wegen seines Ungehorsams in dieser Not ist und dass er Rettung allein von Gott erwarten kann. Es war eine wichtige Lehre, die Jona „im Kämmerlein“, allein mit dem Herrn, lernen musste.

Was würde in Sturm und Gefängnis aus ihm geworden sein, wenn Gott nicht ein Gott der Gnade wäre! Nichts konnte ihm unter diesen Umständen helfen als nur die schrankenlose Gnade. Mit seinem Ausspruch: „Bei dem HERRN ist die Rettung“ erkennt er nach seiner Demütigung, dass Gottes Gnade sich über ihn erbarmt hat. Nun jubelt Jona. Nicht, weil er ein bevorzugter Jude oder ein begabter Prophet ist, nein, er freut sich in seinem Herrn, weil ihm unverdiente Gnade zuteil geworden ist.

Und siehe, da erhebt sich wieder die Frage: „Ist Gott der Gott der Juden allein? Nicht auch der Nationen?“, worauf es nur eine Antwort geben kann: „Ja, auch der Nationen“ (Röm 3,29). Alle haben in gleicher Weise die Rettung nötig, alle sind in derselben Weise abhängig von der schrankenlosen Gnade Gottes. Er ist „der eine Gott, der die Beschneidung aus Glauben und die Vorhaut durch den Glauben rechtfertigen wird“ (Röm 3,30). Der Jude ist ebenso wie der Heide ungehorsam gewesen. Nun müssen Jude und Heide auf Grund derselben Barmherzigkeit Gottes gerettet werden.

Jona wollte nicht nach Ninive. Aber Jona musste nun wie die heidnischen Schiffsleute zu Gott rufen und sich wie die Niniviten zu Gott wenden. Das ist die Lehre von Jona im Fisch.

Das heidnische, unbeschnittene Ninive, ein Fremdling bezüglich des Bundes und der Verheißungen Israels, hatte die Gnade in gleicher Weise nötig, wie der bevorzugte Jude, der begabte, bevorzugte Prophet, der sich wegen seiner Übertretungen in einem Grab befindet. Der Fisch warf Jona erst aus, als er diese Lehre verstanden hatte. Wir erkennen es an dem Ausruf, mit dem er das Gebet schließt: „Bei dem HERRN ist die Rettung.“

Wie merkwürdig ist Jonas Gebet im Bauch des Fisches! Haben wir auch beachtet, dass es wie ein Psalm klingt? Ich habe es sorgfältig durchgesehen, mit den Psalmen verglichen und bemerkt, dass man dieselben Worte auch in einer ganzen Reihe Psalmen findet. Manche sagen darum, dass dieses Gebet aus verschiedenen Psalmen zusammengesetzt wurde. Dennoch sind es die Worte Jonas. Wohl war Jona ein Prophet, der die Worte der Psalmen genau kannte. Darum ist es kein Wunder, dass ihm in der Not die Worte des Heils ins Gedächtnis kamen, sich wunderbar mit seinen Nöten verbanden, so dass sie ihm zu seinen eigenen Worten wurden. Ist es dir nicht in der Not auch schon so ergangen, dass dir ein Bibelvers oder ein geistliches Lied einfiel und alsdann wie deine eigenen Worte zu Gott aufgestiegen sind?

So kamen gewiss Jona in dieser furchtbaren Bedrängnis Gedanken, wie sie einst David oder andere Männer Gottes unter ähnlichen Umständen hatten, und die er dann als sein Gebet aussprach. Überdies, werden nicht all die Seinen von dem einen Gott geleitet, der durch seinen Geist zu allen Zeiten dieselben Gedanken und Bedürfnisse in ihnen weckt?

Zuerst spricht Jona über seine Bedrängnis. Er weiß sofort, dass Gott ihn auch in der Tiefe des Grabes hören kann. Ist das nicht die Erfahrung aller Gläubigen? In den größten Nöten hört uns Gott, auch wenn diese Not durch unsere eigene Sünde verursacht wurde. Jona erkennt, dass der Herr ihn in diese Bedrängnis geführt hat. Aus der Tiefe ruft er nun zu Ihm. Auch dies ist so überaus wichtig. Wir müssen Gottes Hand über uns erkennen, wenn seine Rettung uns zuteilwerden soll.

Weiterhin spricht er aus, dass Gott ihn verstoßen habe, dennoch vertraut er darauf, dass er einst wieder Gottes Gegenwart genießen werde. O, dieses gesegnete „dennoch“. Wie oft kommt es in unserem Leben vor! Mit Bangen und Hoffen wenden wir uns zu unserem Gott.

Zweimal spricht Jona dann von Gottes heiligem Tempel. Er selbst wusste sich verstoßen und weit entfernt von Jerusalem. Er vertraute jedoch auf Gottes Gnade, die ihn einst wieder den heiligen Tempel schauen lassen würde. Ja, mehr noch, seine Seele war bewegt, wenn er an den Herrn dachte, und er hatte die Gewissheit, dass sein Gebet zu Gott und seinem heiligen Tempel emporstieg. Darum betet er nicht nur, er dankt. Er ist sich sicher, dass der Herr nicht nur sein Gebet hören, sondern auch seine Hilfe senden wird. „Da führtest du mein Leben aus der Grube herauf, HERR, mein Gott“ (V. 7). Das ist Auferstehungsjubel.

Darum fährt er fort: „Die auf nichtige Götzen achten, verlassen ihre Gnade“ (V. 9), d. h. den, der die Güte oder Gnade ist. Das hatten die heidnischen Schiffsleute getan. Sie riefen zuerst zu ihren Göttern, und weil diese ihnen nicht helfen konnten, wandten sie sich zu dem Herrn, den sie durch Jona kennenlernten. Angesichts der furchtbaren Machtentfaltung, die sich im gewaltigen Sturme kundtat, riefen sie alle zu Ihm. Doch Jona gedachte mehr zu tun. Er wollte sich nicht nur zum Herrn wenden und Ihm danken. Er wollte Ihm das Gelübde bezahlen, das er im Bauch des Fisches Gott gelobte.

Wir können uns wohl vorstellen, welch ein Gelübde dies sein mochte. Er mag im Bauch des Fisches gelobt haben, dass er fortan auf Gottes Stimme hören und dorthin gehen wolle, wohin Er ihn senden würde, selbst in die heidnische Stadt Ninive. Er erkennt, dass die Rettung nur von dem Herrn kommen kann. Alles kann nur von Ihm kommen, der allein aus einem elenden Zustand erlösen und erretten kann.

Spricht man nicht mit Recht von drei Stufen zur Seligkeit? Haben wir sie hier nicht alle drei vor uns? Jona empfand sein Elend und erlebte die Erlösung, die ihn daraus befreite, die Erkenntnis der Erlösung aber bewirkt Anbetung. Das ist es, was in Jonas Gebet zum Ausdruck kommt. Es ist eine eigentliche Danksagung und zeigt, was in seinem Herzen vorgegangen war, nachdem er lebend ins Grab, in den Bauch des Fisches, gekommen war.

Das ist immer wieder der Weg Gottes mit seinem Volk. Durch Sterben zum Leben, durch Verlieren zum Gewinnen, durch Untergang zur Auferstehung. Dies mag alles eine harte Schule sein, aber nur durch sie gelangt der Mensch zur Beugung und Buße. Diese aber führt, wie wir schon ausführten, zur Errettung.

„Bei dem HERRN ist die Rettung.“

Ja, Dein Lieben ohn' Ermüden
brachte unsern Seelen Ruh',
dass wir jetzt in Deinem Frieden
wallen Deiner Wohnung zu.
Deine Freude ist zu segnen,
freundlich allen zu begegnen,
deine Liebe ruhet nie!

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