Betrachtung über den Propheten Hesekiel (Synopsis)

Kapitel 35-36

Betrachtung über den Propheten Hesekiel (Synopsis)

In Kapitel 35 tritt Gott als Schiedsrichter zwischen Edom und Israel auf und verurteilt das Gebirge Seir zu ewiger Wüstenei, des eingewurzelten Hasses wegen, den jenes Volk stets gegen Israel an den Tag gelegt hat; statt daß Gott Sein Volk an dem Tage, da Er es züchtigen muß, an Edom ausliefert, wird vielmehr Edom die Strafe für seinen Haß tragen, wenn die ganze Erde sich freuen wird. Wenn Gott Sein Volk züchtigt, so meint die Welt, nun fiele ihr alles zu, während in Wirklichkeit jene Züchtigung nur der Vorläufer des Gerichts der Welt ist.

In Kapitel 36 wird derselbe Gegenstand noch weiter verfolgt, und zwar unter Bezugnahme auf die Segnung Israels. Der Spott der Nationen nämlich, die Israel als ein Land bezeichneten, dessen ewige Höhen ihnen zur Beute geworden wären, und welches - wie schon die Kundschafter seinerzeit behauptet hatten - seine Bewohner fresse, gibt Gott Veranlassung, Sein Wohlwollen gegen Sein Volk an den Tag zu legen und zu erklären, daß Er dem Lande aufs neue Frieden und Fruchtbarkeit schenken und den Hohn verstummen lassen wolle. Israel hatte zwar das Land verunreinigt und den Namen Jehovas entweiht, und Jehova hatte sie deshalb unter die Nationen versprengt, und selbst hierin sollte Sein Name noch durch ihre Unreinigkeit entweiht werden, denn die Nationen würden sagen: „Jehovas Volk sind diese, und aus seinem Lande sind sie gezogen“ (V. 20). Aber Jehova wollte ins Mittel treten und Seinen großen Namen vor den Nationen heiligen. Er will Sein Volk aus ihnen zurückbringen, es von all seiner Unreinigkeit reinigen, die Härte ihrer Herzen wegnehmen, ihnen Seinen Geist geben und machen, daß sie in Seinen Satzungen wandeln; Er will sie in dem Lande pflanzen, welches Er ihren Vätern gegeben hatte, sie als Sein Volk anerkennen und Selbst ihnen zum Gott sein. Dann soll es sich offenbaren, daß der Vorwurf, das Land fresse seine Bewohner, der Begründung entbehrt. Gott will Seinem Volke irdische Segnungen in reichem Maße zukommen lassen, und das Werk Jehovas soll dann allen Menschen offenbar werden.

Vornehmlich (wenn auch nicht ausschließlich) ist es diese Stelle, welche der Herr Jesus im Auge hat, wenn Er in Johannes 3 zu Nikodemus sagt, Er habe von irdischen Dingen geredet, und er, als der Lehrer Israels, hätte verstehen sollen, daß diese Herzenserneuerung für die Segnung Israels auf Erden notwendig sei. Daß dies im Blick auf jeden Juden wahr war, hätte ihn nicht in Erstaunen setzen sollen, da es in jedem Falle ein Werk unumschränkter Gnade war, wenn jemand aus Gott geboren werden sollte. Wenn nun Nikodemus das, was die Propheten erklärt hatten, nicht verstand, nämlich daß Israel, um sich irdischer Dinge erfreuen zu können, von neuem geboren werden mußte, wie hätte er es dann verstehen können, wenn Jesus von himmlischen Dingen zu ihm gesprochen hätte, zu deren Einführung der Tod des Sohnes des Menschen und Seine Verwerfung seitens der Juden unumgänglich notwendig war?

Es mag hier noch die Bemerkung am Platze sein, daß Hesekiel stets von den Wegen Gottes im Blick auf Israel, als eine Jehova verantwortliche Nation, redet, nie aber das erste Kommen Christi oder Israels Verantwortlichkeit in bezug auf Ihn erwähnt. Dies letztere sollte unter der Herrschaft der Nationen geschehen; hier ist Nebukadnezar nur eine Rute in der Hand Jehovas, und die Zeiten der Nationen werden nicht in Betracht gezogen. Aus diesem Grunde wird auch das durch Nebukadnezar an den Nationen vollzogene Gericht mit den Ereignissen der letzten Tage in Verbindung gebracht, während der Verwerfung Christi seitens der Juden keinerlei Erwähnung geschieht. Es handelt sich um Israel und um sein Verhalten Jehova gegenüber. Dieser Punkt ist für das Verständnis des Propheten Hesekiel sehr wichtig.

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