Einführende Vorträge zur Apostelgeschichte

Kapitel 5+6

Einführende Vorträge zur Apostelgeschichte

Doch selten ist die besondere Entfaltung Gottes in der Kirche (Versammlung) nicht von dem dunklen Schatten des Bösen begleitet. Das zeigt sich meistens sofort. Wir sollten über die Gegenwart des Bösen nicht erschrocken sein, sondern vielmehr erwarten, dass dort, wo Gott wirkt, Satan folgt. Er sucht das Gute in der Handlungsweise des Geistes Gottes in ein Mittel zu verwandeln, um seine Nachahmung zur Verunehrung des Herrn einzuführen. So verkauften in unserem Beispiel Ananias und Saphira einen Teil ihres Besitzes, ohne alles erhaltene Geld abzugeben. Sie handelten dabei mit Vorsatz und nach Verabredung, um den Ruf der Freigebigkeit zu gewinnen, ohne dessen Kosten zu tragen. Sie machten damit dem Grundsatz nach die Versammlung zu ihrer Lebenswelt, in welcher sie jedoch einen Glauben, der uneingeschränkt auf den Herrn vertraut, nur vortäuschten. Zur selben Zeit behielten sie eine geheime Reserve für sich selbst zurück. Offensichtlich war das Kennzeichen der Wirksamkeit des Geistes Gottes damals eine Entfaltung von Gnade im Glauben. Niemand forderte etwas. Nichts könnte die Frucht des Heiligen Geistes mehr verfälschen, als aus der gnädigen Handlungsweise einiger eine stillschweigende Regel zu machen. Es gab überhaupt keinen Zwang. Niemand wurde zum Geben aufgefordert. Was waren Gold oder Silber, Häuser oder Ländereien für den Herrn? Jene Gaben erhielten ihren Wert durch die wirkende Kraft des Geistes Gottes – der Frucht der göttlichen Gnade im Herzen. Aber Satan versuchte Ananias und Saphira in der hier beschriebenen Weise. Petrus erhielt irgendwie Kenntnis von ihrer Absicht und stellte zunächst den Ehemann zur Rede. „Ananias, warum hat der Satan dein Herz erfüllt, dass du den Heiligen Geist belogen ... hast?“ (V. 3).

Es ist ernst, daran zu denken, dass jetzt jede Sünde sich gegen den Heiligen Geist richtet. Zweifellos gibt es außerdem die unvergebbare Lästerung gegen Ihn. Doch in Wirklichkeit ist jede Sünde gegen den Heiligen Geist gerichtet, und zwar aus dem einfachen Grund, weil Er jetzt seinen Wohnsitz auf der Erde genommen hat. In Israel wurde gegen das Gesetz gesündigt, weil Gott in seinem Heiligtum das Gesetz als Zeugnis niedergelegt hatte. Sünde wurde in Israel an dem Gesetz gemessen. Das gilt nicht für den Christen. Er besitzt jetzt einen noch ernsteren, herzerforschenderen und umfassenderen Standard. Jene Menschen, die heutzutage das Gesetz als Maßstab unter Christen gebrauchen, erniedrigen die Prüfung des göttlichen Urteils in unvergleichlicher Weise. Ein solcher Missbrauch des Gesetzes in Anwendung auf die Gerechten zeugt keineswegs von Sorge für Heiligkeit und Gerechtigkeit. Stattdessen spricht er von Unwissenheit bezüglich der Anwesenheit des Heiligen Geistes und der gerechten und notwendigen Wirkungen seiner Gegenwart. Damit möchte ich nicht unterstellen, dass die Absicht dabei keine gute sei. Natürlich ist sie gut. Es beweist einfach nur, dass die Befürworter des Gesetzes als Richtschnur für Christen den besonderen Charakter des Christentums nicht verstehen.

Dies ist jedoch ein äußerst ernster Irrtum; und ich bezweifle sehr, ob alle jene, die dem Anschein und dem Bekenntnis nach die Gegenwart des Geistes Gottes auf der Erde anerkennen, auch ein in irgendeiner Weise diesem angemessenes Bewusstsein ihrer Vorrechte sowie der Schwere ihrer Verantwortung haben. Petrus jedenfalls besaß ein solches Bewusstsein. Es waren zwar noch die ersten Tage, vieles musste noch mitgeteilt und gelernt werden. Dennoch machte sich die Kraft der Anwesenheit des Heiligen Geistes fühlbar. Auf jeden Fall scheint Petrus die Bedeutung der Anwesenheit des Geistes erkannt zu haben; und so behandelte er Ananias' Sünde als Lüge gegen den Heiligen Geist. Ananias hatte einen Teil des Kaufpreises für das Landstück zurückbehalten. „Blieb es nicht dein, wenn es so blieb, und war es nicht, nachdem es verkauft war, in deiner Gewalt?“ (V. 4). Es gehörte ihm immer noch. „Was ist es, dass du dir diese Tat in deinem Herzen vorgenommen hast? Nicht Menschen hast du gelogen, sondern Gott.“

Sofort fiel Ananias unter das Gericht des Herrn. Er starb; und über alle, die es hörten, kam große Furcht. „Die Jünglinge aber standen auf, rafften ihn zusammen und trugen ihn hinaus und begruben ihn. Es geschah aber nach Verlauf von etwa drei Stunden, dass sein Weib hereinkam, ohne zu wissen, was geschehen war. Petrus aber antwortete ihr: Sage mir, ob ihr für so viel das Feld hingegeben habt?“ (V. 6–8). Petrus wandte sich ohne eine Spur von Schärfe an ihr Gewissen. Sie hatte mehr Zeit als ihr Mann, ihre Lage zu bedenken. Doch sie hatten sich abgesprochen. Dabei wollten sie niemand schädigen, sondern nur sich selbst erhöhen. Aber ihr Ende war genauso schlimm wie ihre Verhalten böse und abstoßend in den Augen Gottes. Christus war aus ihren Gedanken und Wünschen völlig ausgeschlossen. Viele Unwahrheiten sind seitdem ausgesprochen worden, welche nicht in dieser Weise von Gott gerichtet wurden. Ihre Tat war jedoch ganz besonderes anstößig, weil sie zu einer Zeit geschah, als Gott gerade so wunderbar den Menschen mit den größten Segnungen durch Christus, unseren Herrn, gesegnet hatte. Wie nichtswürdig, dass so schnell und absichtlich die Anwesenheit des Heiligen Geistes praktisch geleugnet wurde zum ausschließlichen Zweck, das Fleisch zu erhöhen, welches das Christentum doch für immer beiseitegesetzt hatte! Folglich sagte Petrus: „Was ist es, dass ihr übereingekommen seid, den Geist des Herrn zu versuchen? Siehe, die Füße derer, welche deinen Mann begraben haben, sind an der Tür, und sie werden dich hinaustragen ... Und es kam große Furcht über die ganze Versammlung“ (V. 9–11).

Danach sehen wir, wie der Herr sein Wort erfüllt. Er hatte vorhergesagt, dass die Jünger größere Werke als Er tun würden (Joh 14, 12). Nirgendwo lesen wir von Krankenheilungen durch den Schatten des Herrn. Aber umso mehr Gläubige wurden jetzt dem Herrn hinzugetan und die Ungläubigen gewarnt. „Von den übrigen aber wagte keiner, sich ihnen anzuschließen“ (V. 13). Solche Seelen, die sich vor dem Wort Gottes beugten, wurden angezogen, und zwar „Scharen von Männern sowohl als Weibern“ (V. 14). Das versetzte den Feind in Schrecken, beunruhigte und verunsicherte ihn. „Der Hohepriester aber stand auf und alle, die mit ihm waren, das ist die Sekte der Sadducäer, und wurden von Eifersucht erfüllt; und sie legten die Hände an die Apostel und setzten sie in öffentlichen Gewahrsam“ (V. 17–18).

Aber der Engel des Herrn zeigte seine Macht; denn dieses Kapitel zeichnet sich dadurch aus, dass es nicht nur ein Bild der lieblichen Wirksamkeit der Gnade enthüllt, sondern auch der göttlichen Macht in Gegenwart des Bösen. Wir haben schon die positiven Einwirkungen des Geistes Gottes gesehen. Im 2. Kapitel sahen wir die Grundlage dafür und ein erstes Zeugnis. Ein zweites fanden wir am Ende des vorigen Kapitels. Hier erkennen wir jedoch die Beweise seiner Gegenwart in anderer Weise. Er zeigt seine Macht im Umgang mit dem Bösen, indem Er es innerhalb der Kirche (Versammlung) richtet. Danach befreit Er durch Engelsmacht. Zuletzt offenbart Er seine Gewalt durch Menschen in seiner Vorsehung. Die Rede Gamaliels in der Ratsversammlung ist genauso eine Wirkung der Kraft Gottes wie das Öffnen der Gefängnistür und das Herausführen der Apostel – nur benutzte Er einmal einen Menschen, beim anderen Mal einen Engel. Gamaliels Rat war natürlich nicht so wunderbar wie das Eingreifen des Engels; doch in beiden Fällen erfahren wir gleichermaßen die Wirksamkeit Gottes zugunsten seiner Versammlung und seiner Diener.

Wir finden hier indessen noch mehr. Dieselben Männer, welche durch göttliche Macht befreit worden waren, durften von Menschen geschlagen werden. Doch sie ertrugen es nicht nur still – diese Männer, über denen wir die ganze Kraft Gottes in der einen oder anderen Form wirken sehen –, sondern sie freuten sich auch, dass sie der Leiden gewürdigt wurden. Sind auch wir darauf vorbereitet? Seid versichert, liebe Geschwister, wenn wir durch die Gnade irgendwie mit Christus verbunden sind, gehören wir zu derselben Gemeinschaft. Auch wir sind Glieder von ihr. Leiden gehören zu unserem Erbteil des Segens. Ich gebe zu: Es passt nicht zum Geist unseres Zeitalters, uns in derselben Weise zu behandeln. Dennoch hat sich die Welt keineswegs so zum Besseren verändert, dass ähnliche Ausbrüche der Gewalttat ein für allemal ausgeschlossen sind. Ist es daher nicht angebracht, uns zu vergegenwärtigen, wozu wir gehören, was der Herr von uns erwartet und was Er zu unserer Belehrung und unserem Trost aufzeichnen ließ?

Schließlich lesen wir: „Sie nun gingen aus dem Synedrium hinweg, voll Freude, dass sie gewürdigt worden waren, für den Namen Schmach zu leiden; und jeden Tag, in dem Tempel und in den Häusern, hörten sie nicht auf, zu lehren und Jesum als den Christus zu verkündigen“ (V. 41–42). Unmöglich konnte eine menschliche Autorität berechtigt sein, ein unmittelbares Gebot des Herrn Jesus beiseitezusetzen. Der Herr hatte den Jüngern befohlen, hinauszugehen und das Evangelium jeder Kreatur zu predigen (Mk 16, 15). Menschen hatten dies verboten. Ganz offensichtlich betrachtete der Apostel Petrus ein solches Verbot als rein menschliche Anweisung (V. 29). Falls Menschen ihnen zu schweigen befahlen, während der Herr sie aufgefordert hatte zu predigen, dann musste die höchste Autorität Vorrang haben.

In

Kapitel 6

verrät sich eine andere Art des Bösen. Jetzt sehen wir in dem Guten, welches Gott bewirkt hatte, übles Murren. Es sind diesmal nicht, wie bisher, Einzelpersonen. Hier ist in einer gewissen Hinsicht der Fall noch ernster. In der Kirche (Versammlung) werden Klagen laut – ein Murren der Hellenisten gegen die Hebräer (das heißt, der fremdsprachigen Juden gegen solche aus dem Heiligen Land), weil ihre Witwen beim täglichen Dienst übersehen wurden. Dies bot der vorsorglichen Weisheit des Geistes Gottes eine Gelegenheit, sich zu entfalten.

Wir haben bereits mehrere Male gesehen, wie wahrhaftig die Kirche (Versammlung) eine göttliche Einrichtung ist. Sie ist darauf gegründet, dass eine göttliche Person, nämlich der Heilige Geist, auf die Erde herabkam, der jetzt, nach vollbrachter Erlösung, hienieden seinen Wohnsitz aufgeschlagen hat. Wir müssen indessen außerdem noch von der Wirksamkeit dieser lebendigen Macht erfahren, welche durch die sie ans Licht stellenden Umstände sich entfaltet. Es geht nicht um ein System von Regeln. Nichts ist für das Wesen der Kirche Gottes verderblicher. Sie ist keine menschliche Gesellschaft, in der ihre Führer oder eine Mehrheit das in ihren Augen Beste für sich auswählen. Stattdessen begegnet der in ihr gegenwärtige Geist Gottes in seiner Weisheit jedem Bedürfnis zur Verherrlichung Christi. All diese Wahrheiten sind im geschriebenen Wort Gottes zu unserer Belehrung und Leitung bewahrt worden.

Wir finden hier die Einsetzung von sieben Männern, welche nach den Armen sehen sollten, die in Gefahr standen, vergessen oder in einem gewissen Maß übergangen zu werden. Jedenfalls lautete so die Beschwerde. Um diesen Vorwurf zu entkräften und gleichzeitig den Aposteln Raum für ihren eigenen mehr geistlichen Dienst zu geben, „beriefen (die Zwölfe) die Menge der Jünger und sprachen: Es ist nicht gut, dass wir das Wort Gottes verlassen und die Tische bedienen. So sehet euch nun um, Brüder, nach sieben Männern aus euch, von gutem Zeugnis, voll Heiligen Geistes und Weisheit, die wir über dieses Geschäft bestellen wollen“ (V. 2–3).

So erfahren wir also zwei Dinge: Erstens, es waren die Apostel, welche die Gewählten förmlich einsetzten. Zweitens blieb die Wahl, wo es um die Verteilung von Gaben ging, der Menge der Gläubigen überlassen. Unter jenen Männern, welche die Kirche (Versammlung) Gottes leiteten, sollte auch nicht der Anschein eines Strebens nach den Besitztümern des Volkes Gottes oder deren Verteilung zu finden sein. Andererseits setzten die Apostel jene Männer ein, die für diese Aufgabe gewählt worden waren. Gott hatte erstere für einen besonderen Dienst berufen; und dieser Berufung entsprachen sie. „Wir aber werden im Gebet und im Dienst des Wortes verharren“ (V. 4).

Auch die Grundlage dieser Wahl ist auffallend, denn alle jene Namen scheinen griechisch zu sein. Welch gnädige Weisheit! Das sollte den Beschwerdeführern den Mund stopfen! Die Hellenisten oder Griechen waren auf die Juden Palästinas eifersüchtig. Die eingesetzten Personen waren ihren Namen nach alle Hellenisten, d. h. ausländische Juden. Die Murrenden sollten nicht nur zum Schweigen gebracht, sondern auch beschämt werden. So behält die Gnade immer den klaren Blick und weiß genau, wie sie sich über das Übel erheben kann; denn Murren gegen andere ist keineswegs der Weg, um etwas Falsches richtig zu machen, auch wenn es noch so berechtigt erscheint. Aber die Gnade des Herrn weiß stets den Umständen zu begegnen und verwandelt sie durch eine Entfaltung der Weisheit von oben (Jak 3, 17) in einen großen Gewinn. Das Arbeitsfeld sollte sich vergrößern; und obwohl die armselige Wurzel menschlichen Murrens zu dieser neuen Entfaltung führte, stand Gott doch über allem. Er konnte diese sieben Männer gebrauchen und wollte einigen von ihnen „eine schöne Stufe“ (1. Tim 3, 13) geben, wie wir bald bei Stephanus und etwas später bei Philippus sehen werden. Er zeigte indessen noch auf andere Weise, dass Er jene Einsetzung billigte. „Das Wort Gottes wuchs [trotz des Murrens], und die Zahl der Jünger in Jerusalem vermehrte sich sehr.“  Jetzt geschah etwas Neues. „Und eine große Menge der Priester wurde dem Glauben gehorsam“ (V. 7).

Stephanus war voll Gnade und Kraft (nur von  Einem konnte gesagt werden, dass Er voll Gnade und Wahrheit war! (Joh 1, 14)) und tat große Wunder. Dies rief den Widerstand der jüdischen Führer hervor; denn „sie vermochten nicht der Weisheit und dem Geiste zu widerstehen, womit er redete. Da schoben sie heimlich Männer vor, welche sagten: Wir haben ihn Lästerworte reden hören wider Moses und Gott. Und sie erregten das Volk und die Ältesten und die Schriftgelehrten; und sie fielen über ihn her und rissen ihn mit sich fort und führten ihn vor das Synedrium. Und sie stellten falsche Zeugen auf, welche sagten: Dieser Mensch hört nicht auf, Worte zu reden wider die heilige Stätte und das Gesetz; denn wir haben ihn sagen hören: Dieser Jesus, der Nazaräer, wird diese Stätte zerstören und die Gebräuche verändern, die uns Moses überliefert hat“ (V. 10–14).

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