Die Erziehung in der Schule Gottes

Mose

Mose war in besonderer Weise ein Vorbild auf Jesum, den großen Diener, und wir können uns denken, dass sein Leben gekennzeichnet war von einer Zucht, die besonders dazu angetan war, seine Natur beiseite zu setzen, um Platz zu machen für die Gnade und den Dienst, die auf vollkommene Weise in unserem Herrn Jesus zum Ausdruck kamen.

Mose wird zur Zeit des Pharao geboren (2. Mo 2) der den Befehl gegeben hatte, alle neugeborenen Knaben zu töten. Er kam in eine Welt, auf der kein Platz für ihn war. Auch für den Herrn der Herrlichkeit gab es nicht einmal Raum in einer Herberge. Der König Ägyptens hatte verfügt, daß auch Mose im Augenblick seiner Geburt getötet werden sollte. Nur durch Glauben retteten seine Eltern ihn, „denn sie sahen, daß das Kindlein schön war; und sie fürchteten das Gebot des Königs nicht“. In der tiefen Überzeugung des Glaubens wußten sie, daß sie Gott in Bezug auf dieses Kind vertrauen konnten. So erhält es der Glaube an Gott am Leben. Welche Kraft muß er in späteren Jahren aus dieser gottesfürchtigen Tat seiner Eltern empfangen haben, und wieviel Dank war er ihnen für diese erste Lehre in der Zucht und Ermahnung des Herrn schuldig! Der Anfang unseres Weges bestimmt schon die Richtung seines weiteren Verlaufs; die ersten Lehren, die wir in der Schule Gottes erhalten, geben unserem Charakter eine Form und Gestalt, die niemals ganz verblaßt. Moses Erdendasein wurde nur durch den Glauben seiner Eltern gesichert. Drei Monate wurde er verborgen. Sicher wurde ihr Glaube in jenen neunzig Tagen auf die Probe gestellt, aber sie harrten aus, und schließlich vertrauen sie das Kind in dem Kästlein von Schilfrohr dem Wasser an.

Ein Platz auf der Erde wurde ihm verweigert, und je älter er wurde, desto schwieriger wurde es, ihn vor dem grausamen Befehl zu schützen. Wenn wir im Glauben handeln und lange genug ausgeharrt haben, daß unsere Seele in Glaubensgewißheit befestigt ist, dann gibt uns der Geist, der in uns den Glauben bewirkt, auch Weisheit zum Handeln. Das verspüren auch die Eltern Moses. Der Glaube läßt unsere Zuneigungen nicht unbeachtet, aber er möchte den stützen, der, wenn er auf sich selbst gestellt wäre, in Angst und Besorgnis leben würde. Der Glaube stärkt das Herz im ruhigen Ausharren in Überzeugung und mit dem Blick auf das Ziel, das er uns vor Augen hält.

Mose, das Kindlein, wird aus seiner gefährlichen Lage in dem Kästlein aus Schilfrohr befreit, und zwar von keiner Geringeren als der Tochter dessen, der der ärgste Feind seines Lebens war. Dennoch mußte er vor seiner Rettung die Kälte dieser Welt verspüren, denn wir lesen, daß „der Knabe weinte“. So mußte er schon in seiner zartesten Kindheit den Kummer und die Verlassenheit schmecken, die ihn auf seinem ganzen Lebensweg begleiteten. Der Verstand des Kindes konnte sich nicht daran erinnern, aber seine Seele beginnt mit vollem Bewußtsein hier den Weg, auf dem sie später so sehr geprüft wurde. Seine Tränen waren die Erstlingsfrüchte des Kummers, der ihm im späteren Leben so vertraut wurde. Aber Gott antwortet hierauf in liebender Fürsorge. Moses wird nicht nur durch die Tochter seines Feindes gerettet, sondern wird sogar der Obhut seiner eigenen Mutter anvertraut und später in Ehren in das Haus Pharaos versetzt. Die Verlassenheit von der Welt und das nie nachlassende Erbarmen Gottes sind die ersten Lehren der Zucht, die seiner noch unberührten Seele vorgestellt werden. Nie werden diese Lehren ausgelöscht werden können, denn Gott belehrt uns früh, gründlich und dauerhaft.

Die Zeit, die zwischen dieser Begebenheit und der nächsten uns berichteten liegt, als Mose vierzig Jahre alt ist, kann kurz gekennzeichnet werden als die Zeit, in der er in aller Weisheit der Ägypter erzogen wurde und mächtig in Worten und Taten war. Er wuchs inmitten aller Annehmlichkeiten Ägyptens auf, damit er, wenn er sie verließ, in jeder Hinsicht mit dem Volke Gottes mitfühlen konnte, wenn es zum Auszuge aus Ägypten und damit zur Aufgabe aller seiner Güter aufgerufen würde. Andere mochten vieles aufzugeben haben, aber keiner so viel wie er. Wenn es das Volk als hart empfand, den Lauch und die Zwiebeln zurückzulassen, was mußte es dann für Mose sein, sich von allen Bequemlichkeiten und Ehren des Hofes Pharaos abzuwenden! Er wurde also durch Gottes Zucht und Erziehung auf jenes Amt eines Führers vorbereitet, dass er nach und nach übernehmen sollte. Die Größe seines Verzichts befähigte ihn, andere zur Nachahmung aufzurufen; sein eigener Verzicht auf alle Annehmlichkeiten Ägyptens berechtigten ihn, das Volk aus Ägypten zu führen. Denn wenn er „lieber wählte, mit dem Volke Gottes Ungemach zu leiden, als die zeitliche Ergötzung der Sünde zu haben“, so geschah das, nachdem er sie in ihrer größten Prachtentfaltung erlebt hatte. Und mehr noch: er wurde durch diese Erziehung mit allem bekannt, was es an Ergötzlichem für das Fleisch gibt; er machte Erfahrungen in Bezug auf das Fleisch, die keiner der Charaktere, die wir bisher betrachtet haben, gekannt haben konnte. Weder Abraham, noch Isaak oder Jakob, ja nicht einmal Joseph hatten eine solche Erziehung; aber sie hatten sie auch nicht nötig, denn keiner von ihnen hatte einen Auftrag wie Mose zu erfüllen. Gottes Übungen und Zucht sind immer den jeweiligen bestimmten Absichten angepaßt. Salomo erkannte die Eitelkeit alles Irdischen; der Herr Jesus fühlte sie in Seiner sittlichen Vollkommenheit; Mose ist bis in sein reifes Alter von ihr umgeben und wendet sich dann von ihr ab.

Es ist bemerkenswert, daß kein Führer des Volkes Gottes weniger erleidet, als das Volk, das zu leiten er berufen ist. Menschliche Führer mögen auf verschiedenen Wegen zu Macht und hoher Stellung gelangen, aber die Führer des Volkes Gottes können nur auf dem Wege durch Leiden emporkommen. Die Kraft, alle auf das Volk zukommenden Verpflichtungen und Hindernisse zu ertragen und ihnen entgegenzutreten, wird zuerst an seinem Führer erprobt. Dann kann er es in sicherem Vertrauen auf Gott, durch Dessen Macht er überwunden hat, weiterführen.

Mose geht aus zu seinen Brüdern. Eine gute Absicht führt ihn auf den richtigen Weg, aber wir sind nicht immer auf die Ausführung unserer Absichten vorbereitet, selbst wenn diese Absichten richtig sind. Die Bedingung zum Fruchtbringen ist Kraft und Reife. Daher kommt es oft zu Rückschlägen und zu Zucht, bis wir der Aufgabe Gott gemäß sittlich gewachsen sind.

Als Petrus das erste Mal sagt, daß er dem Herrn folgen will (Joh 13), antwortet der Herr ihm daß er es jetzt nicht könne, sondern daß er Ihn sogar verleugnen würde. Aber als Petrus vollkommen wiederhergestellt und seine Seele in der Liebe Christi gekräftigt ist läßt der Herr ihn wissen (Joh 21,18+19), daß er Ihm folgen soll, und daß er das Begehren, das er einst so furchtlos und unwissend ausgesprochen hatte, noch mit Entschiedenheit in die Tat umsetzen sollte. Ebenso ist es hier mit Mose. Seine Gedanken und seine Absicht waren richtig, aber Gott hatte ihm noch nicht den richtigen Weg zu ihrer Ausführung gezeigt. Er weiß noch nicht welche Übungen ihm auf dem Wege begegnen werden, und ist deshalb nicht vorbereitet, sie zu ertragen. Sein Versuch beweist nur, wie unzureichend seine Hilfsquellen sind für das Werk, das er begonnen hat. Er muß es schließlich aufgeben und das verlassen, worauf sein Herz gerichtet war. Das ist die unvermeidliche Folge, wenn wir eine an sich richtige Absicht mit unseren eigenen Mitteln auszuführen versuchen.

Moses Versuch schlägt fehl, wie zu erwarten war. Aber nicht nur das; sein Leben ist bedroht, und er muß um seiner eigenen Sicherheit willen fliehen. Wir lesen: „Mose floh vor dem Pharao und weilte im Lande  Midian. Und er saß an einem Brunnen“. Welche Häufung qualvoller Gefühle muß dieser eifrige Diener Gottes erduldet haben! Welch ein Schmerz für das treue Herz, wenn seine aufrichtigen Bemühungen, den Brüdern zu helfen, auf solche Weise vereitelt werden! Müssen nicht alle seine Opfer, sein Verzicht auf die Herrlichkeiten Ägyptens, ihm als nutzlos für die anderen und ihn selbst erschienen sein, wenn er dort saß? - ein Wanderer und Verbannter, gleich einem verdorrten, fruchtleeren Baum in der Wüste. Aber mochte Mose so denken, Gott dachte anders. Seine Sendung war nicht aufgehoben, nur aufgeschoben. Er war noch nicht geeignet für den Dienst Gottes. Seine Natur war noch nicht beiseitegesetzt. Andererseits war Gottes Zeit für die Befreiung Seines Volkes noch nicht da, auch war das Volk selbst noch nicht auf die Befreiung vorbereitet. Aber wir beschäftigen uns mit Mose, und er benötigt als Knecht Gottes für das Werk eine Vorbereitungszeit von 40 Jahren, ehe er seinen Dienst antreten kann. Schon als er an dem Brunnen im Lande  Midian sitzt, steht er unter der Zucht, die ihn für die große Aufgabe nach Gottes Ratschluß formen soll.

Vierzig Jahre Verbannung sind ihm bestimmt. Aber es hängt davon ab, wie er die Zucht aufnimmt, ob jene 40 Jahre eine einzige ununterbrochene Zeit des Kummers und der Dunkelheit sein werden, oder ob sie durch Augenblicke des Trostes und der Freude gemildert werden. Wird er sich beugen und den Willen Jehovas annehmen? Wird er sich hier in seinem Herzen als Erlöser der Bedrängten - wie später seines eigenen Volkes zeigen? Wenn ja, dann nimmt er Gottes Zucht auf sich und deshalb mag sein Los weniger bedrückend sein. Sobald wir uns der Zucht beugen, ist sie wirksam und kann erleichtert werden. Sie braucht deshalb nicht beendet zu sein, aber der Schauplatz wird leichter. So geschah es in Moses Fall. Er wird für die Töchter Reghuels am Brunnen zum Befreier, als sie von den Hirten hinweggetrieben wurden. Obgleich es ihm versagt war, in größerem Kreise als Befreier aufzutreten, weigerte er sich nicht, als solcher in einem sehr unbedeutenden Kreis zu handeln. Er sinnt nicht in lustlosem Kummer über sein Versagen nach, wie der Tor, der sein eigenes Fleisch ißt; er handelt den Umständen gemäß, erhebt sich über seine eigenen Gefühle und hilft anderen. Ich stehe solange unter Prüfungen, bis ich sie überwunden habe; und während ich unter ihnen stehe, kann ich nicht frei sein, um mit ganzem Herzen und jener Freudigkeit des Geistes zu dienen, die immer die Quelle allen Dienstes ist. Nichts beweist so sehr unsere göttliche Sendung, wie die Bereitschaft, unseren Dienst in der ungünstigsten wie in der günstigsten Lage auszuüben. Und wenn wir uns ganz in die Stellung versetzen, die der Herr uns bestimmt hat, dann erhellt Er den verlassensten Ort (den Ort unserer Zucht) und verschafft uns dort Ruhe und Trost, wo wir in Kummer und Verlassenheit ankamen.

Zunächst empfängt Mose für seinen Dienst an den midianitischen Frauen keine Belohnung; auch der Oberste der Schenken vergaß Joseph, als er befreit war. Aber das bleibt nicht immer so. Reghuel, ihr Vater, läßt Mose holen, aus Dank für den Dienst an seinen Töchtern gibt er ihm Raum in seinem Hause und gibt ihm Zippora, seine Tochter zur Frau. „Und sie gebar einen Sohn, und er gab ihm den Namen Gersom, denn er sprach: Ein Fremdling bin ich geworden in fremdem Lande“. Obwohl er nun einen Sohn hatte, fühlte er sich noch als Fremder in fremdem Land. Daher mußte sein Sohn, der ihn mit dem Schauplatz verband, einen Namen tragen, der ihn an seine Verbannung erinnerte. Keine gegenwärtige Segnung konnte diese Erinnerung trüben. Niemals wurde die aufrichtige und ernste Absicht, sein Volk zu befreien, dadurch verwischt, und sie konnte es auch nicht, denn wie wir schon gesagt haben, war diese Absicht richtig, ja göttlich; nur wurde Mose an ihrer Ausführung gehindert, bis er besser vorbereitet war. Paulus konnte das, was er empfangen hatte und worin er frohlockte, erst nach 14 Jahren in angemessener Weise ausdrücken, und erst im Gefängnis in Rom ist er ganz dazu fähiggemacht.

Vierzig Jahre lang erfüllt Moses täglich seine Pflicht in Unterwerfung unter den Willen Gottes. Die Eigenschaften, die er als Knecht an den Tag legte, indem er die Pflichten des täglichen Lebens vorbildlich erfüllte, waren ein sicheres Zeichen dafür, daß er auch diejenigen eines Führers besaß, denn einer, der nicht gelernt hat, zu dienen, kann nicht richtig herrschen. Seine Arbeit, für die Herde seines Schwiegervaters Jethro Weideplätze zu finden, war sicherlich eine schwierige Arbeit. So trieb er die Herde eines Tages „hinter die Wüste und kam an den Berg Gottes, den Horeb“ (Kap. 3). Er dachte sicher nicht daran, daß die Tage seiner Fremdlingschaft nun bald beendet sein würden. Der Augenblick, da Gott ihn gebrauchen konnte, war gekommen, und Gott will ihn jetzt zur Ausführung jenes Wunsches gebrauchen, der ihn vor vielen Jahren dazu veranlaßt hatte, die Befreiung seiner Brüder vom Joch Ägyptens zu unternehmen. Wir wollen die Schlußszene jener langen Vorbereitungszeit betrachten, die Jehova in Seiner Weisheit für Mose bestimmt hatte, und die Er jetzt durch die Offenbarung Seiner Selbst krönen wollte. „Da erschien ihm der Engel Jehovas in einer Feuerflamme mitten aus einem Dornbusche; und er sah: und siehe, der Dornbusch brannte im Feuer, und der Dornbusch wurde nicht verzehrt“. Moses Aufmerksamkeit ist erregt. Die Beschäftigung mit seinen täglichen Pflichten machte ihn nicht unfähig, die Offenbarung Gottes zu erkennen. Das sollte auch nicht so sein, sondern wenn wir sie treu erfüllen, bewirken sie Fleiß auch in den höheren Pflichten. Die Hirten, die nachts ihre Herde hüteten, waren die Zeugen, die Gott erwählte, um die größte auf Erden geschehene Begebenheit zu berichten. Es ist einer der besten Beweise der Unterwerfung unter Gott, wenn wir unsere tägliche Arbeit geduldig und vollkommen erledigen und doch immer geöffnete Augen haben, um die Wege Gottes zu beachten. Ich glaube, das ist die Kraft der Ermahnung - verbunden mit Gebet - : „eben hierzu wachend mit allem Ausharren“ usw. Dies ist das Ziel einer einfältigen Seele, die einfach die Herrlichkeit des Herrn vor Augen hat.

„Und Mose sprach: Ich will doch hinzutreten und dieses große Gesicht sehen ... Und als Jehova sah, daß er herzutrat“ (als es deutlich war, daß Mose die Bedeutung der Wege Gottes kennenlernen wollte), „da rief Gott ihm mitten aus dem Dornbusche zu und sprach: Mose! Mose! Und er sprach: Hier bin ich“. Jehova offenbart sich hier in Gnade, in einer zwar brennenden, aber nicht verzehrenden Feuerflamme. Die Herrlichkeit Gottes kommt zu den Menschen, und der Mensch sieht nichts als Gnade und Freundlichkeit aus ihr hervorströmen. Und doch war es heiliges Land, das nur unbeschuhte Anbeter betreten durften. Es war noch dazu so, daß Gott zu den Menschen kam, nicht umgekehrt.

Jehova zeigt Sich in einer Feuerflamme in einem Dornbusch und offenbart Seine Gefühle und Sein Interesse an Israel. Wie erquickend müssen solche Mitteilungen für Mose gewesen sein! Nach der langen, traurigen Pause, in der es schien, daß Gott Sein Volk vergessen hatte, erfährt Mose nun die unendliche Liebe und Teilnahme, mit der Er es in Seiner Absicht, es zu befreien, betrachtet hatte. Jetzt ist Mose sich seiner Unfähigkeit für solch einen Dienst bewußt. Er sieht, daß es nicht seine eigenen Gefühle sind, auf Grund deren er handeln oder die er zufriedenstellen muß, sondern die Gefühle Jehovas, des Einen, Der, obwohl Er vor ihm in einer Feuerflamme ist, ihn nicht verzehrt. Die Größe Seiner ewigen Liebe und Gnade hob sich scharf von dem impulsiven, in die Irre führenden Ungestüm ab, das Mose 40 Jahre vorher gezeigt hatte. Mose ist sich seiner Unzulänglichkeit vollkommen bewußt, denn er sagt: „Wer bin ich, daß ich zu dem Pharao gehen, und daß ich die Kinder Israel aus Ägypten herausführen sollte?“ Gott wird ihn stärken, belehren und zubereiten; in Kapitel 4 erfahren wir, auf welche Weise. Er teilt Seinem Knecht zunächst Seine Absicht und Sein Ziel mit. Das muß ihn beruhigen, nicht nur im Beweis des Vertrauens, den es zeigt, sondern der Knecht Gottes, der Seinen Willen kennt, ist eher bereit, den Dienst zu übernehmen, wenn der ganze Ablauf und das Ende ihm in Einzelheiten bekannt ist. Aber mehr noch (denn Gottes Unterweisungen sind vollkommen): Mose muß an sich selbst die Macht Gottes fühlen. Ehe er die Verbindung zwischen Gott und dem Volke werden kann, muß die Verbindung zwischen ihm und Gott vollkommen sein. Gott gibt ihm diese Unterweisung auf dreifache Weise. Zuerst erfährt er seine eigene Macht, die größer ist als die, der seine Natur unterliegen .würde. Sein Stab wird in eine Schlange (ein Bild Satans) verwandelt, und Mose flieht vor ihr, aber Jehova befiehlt ihm, sie zu ergreifen, und sie verwandelt sich wieder in seinen Stab der Macht. Zum zweiten lernt er, daß Gott seine aussätzige Hand wieder gesundmachen kann, und drittens, daß das Wasser des Stromes (der großen Segensquelle) zu Blut werden würde, wenn er es auf das Land gießen würde, wodurch Gott ihm zeigt, daß Er das Land richten würde. In diesen drei Punkten wird er unterwiesen, damit er für die ihm anvertraute Sendung geeignet wird, und damit er sich ihr gewachsen fühlt.

Mose hat aber noch immer Einwände zu machen. Obwohl seine Seele gestärkt ist, fällt es ihm schwer zu reden. Aber Gott ist bei der Zubereitung Seines Knechtes zu dem Werke in kleinen wie in großen Dingen langmütig und gnädig. Wenn Mose sich weiter zu schwach fühlt, wirkt Gott diesem entgegen. Aaron soll sein Mund sein, und als alles geregelt ist nahm Mose sein Weib und seine Söhne und ließ sie auf Eseln reiten und kehrte in das Land Ägypten zurück; und Mose nahm den Stab Gottes in seine Hand“ (Kap. 4, 20). Wie anders hatte er dieses Land verlassen; wie bezeichnend ist der Unterschied ' den diese 40 Jahre der Zucht in und an ihm bewirkt hatten, Damals war es schmachvolle Flucht; er bangte um sein Leben infolge seines früheren Selbstvertrauens und der ohne Abhängigkeit von Gott für seine Brüder vollbrachten Tat. Nun, bei seiner Rückkehr ist er klein und schwach in seinen eigenen Augen, aber mit der Macht Gottes angetan. Er besitzt die ruhige Würde dessen, der fühlt, daß seine einzige Kraft in der Abhängigkeit von Jehova liegt, in Dessen Dienst er einzutreten im Begriff steht.

Aber bevor dies geschehen kann, muß noch eine Frage zwischen Jehova und Mose geklärt werden (Kap. 4, 24). Wir sehen hier ein bemerkenswertes Beispiel der Forderungen der Heiligkeit Gottes in der Zucht. Entweder um den  Midianitern entgegen zukommen oder weil er zweifelte, jemals sein eigenes Volk wiederzusehen, hatte Mose unterlassen, seinen Sohn zu beschneiden, und steht nun im Begriff, den Dienst für Gott anzutreten, ohne seine schwere Unterlassungssünde aus dem Wege zu räumen, als sei das eine gleichgültige Angelegenheit. Aber er muß erfahren, daß bei einem zum Dienst Berufenen nichts übersehen werden kann. Seine Verantwortlichkeit steht in Übereinstimmung mit seiner Berufung. Jehova sucht ihn zu töten, so unbeugsam ist Er in Seiner Heiligkeit und so streng in Seinen Gehorsamsforderungen, und ganz besonders bei einem, der den Platz eines Dieners inne hat. Seine Frau beseitigt diesen Widerspruch, aber sie tut es tadelnd und kehrt in ihr Land zurück, während Mose seinen Weg mit Aaron fortsetzt.

Welch eine Schlußbelehrung so kurz vor dem ersehnten Dienst! Welch einen Eindruck muß sie auf seine Seele gemacht haben, während der ersehnte Morgen in seiner Seele anbrach! Kein noch so hervorragender Dienst, keine noch so große Erkenntnis der Tiefen Gottes kann ein Übertreten der Gebote Gottes entschuldigen. Im Gegenteil mußte er fühlen, daß ihm viel gegeben war, aber auch viel von ihm erwartet wurde. Unbedingter Gehorsam muß Leben und Wege der hervorragendsten und am besten belehrten Knechte kennzeichnen. Nach dieser letzten Lehre in diesem Lebensabschnitt betritt Mose nun sein Arbeitsfeld. Aus der Einsamkeit  Midians kommend soll er nun als Gottes Zeuge vor Pharao stehen. Nachdem er sozusagen in einer „Privatschule“ vorbereitet worden ist, soll er nun auf einem großen, segensreichen Gebiet die Ergebnisse jener Belehrung zeigen.

Wir müssen nun die verschiedenen Übungen Moses bei der Erfüllung seines Dienstes betrachten. Jene, die ihn für den Dienst bereiteten, haben wir kurz gestreift; aber der Knecht Gottes benötigt eine beständige Zucht, damit er immer in Abhängigkeit von Gott bleibt. Für Mose beginnt diese neue Art der Zucht sehr früh, wir können sogar sagen, sofort beim Betreten des Weges des Dienstes.

In Begleitung Aarons tritt er vor Pharao und verkündet ihm Gottes Aufforderung, Sein Volk ziehen zu lassen, aber Pharao weigert sich nicht nur, zu willfahren, sondern läßt als Antwort die Lasten des Volkes vergrößern. Das war ein entmutigender Anfang für einen Knecht, der seinen Dienst gerade begonnen hatte, eine gerechte Aufforderung ausgesprochen hatte und wußte, daß die Botschaft von Gott kam.

Sein Auftreten schien nur eine offenbare Mißachtung der Rechte Gottes und eine Vergrößerung des Kummers des Volkes hervorzurufen. Damit nicht genug, zögern die Vorsteher des Volkes nicht, Mose als dem Urheber ihrer Leiden Vorwürfe zu machen. Sie trafen ihn um so härter, weil sie gerade von dem Volk kamen, dem er zu dienen begehrte. Was konnte er in dieser Lage tun? Er wendet sich zu Jehova und legt Ihm in Bitterkeit des Herzens seine Schwierigkeiten und seine Entmutigung dar, und als Antwort gibt Gott ihm eine neue Unterweisung. Jetzt war der Augenblick gekommen für jene besondere Zucht im Leben eines Knechtes, die, wenn sie erfolgreich ist, ihn befähigt, seinen Dienst fortzusetzen, ohne auf die Ergebnisse zu schauen. Es ist allgemein, den Erfolg eines Dienstes an den Ergebnissen zu messen, und umgekehrt; aber der wahre Knecht muß sein Auge nur auf das Wort seines Herrn gerichtet halten und das Ergebnis Ihm überlassen, wie der Herr Jesus, der, als Er merkte, daß Seine Worte und Werke vergeblich waren, so daß Er die Städte, wo die meisten Seiner mächtigen Taten geschehen waren, schalt, sich zum Vater wandte und sprach: „Ich preise dich, Vater, ... daß du dies vor Weisen und Verständigen verborgen hast, und hast es Unmündigen geoffenbart“.

Wenn Mose nicht den gleichen Geist erhält, wird sein Dienst nicht durch Glauben, sondern durch erfolgreiche Resultate gestützt werden. Ein Mann ohne Glauben ist unbeständig auf allen seinen Wegen.

Jehovas Belehrungen in dieser Hinsicht werden uns in 2. Mo 6 beschrieben. Als Einleitung für alle weiteren Belehrungen erhält Mose eine tiefere Erkenntnis Gottes. Je besser wir Gott kennen, desto leichter ist es, Ihm zu vertrauen. Je tiefgehender unsere Bekanntschaft mit Gott ist, desto größer ist unser ruhiges und beständiges Vertrauen auf Ihn.

Gott offenbart Sich Mose hier als Jehova, der Gott des Bundes, wie Er es weder bei Abraham, noch bei Isaak oder Jakob getan hatte, denn keiner von ihnen war zu einem solchen Dienst, oder zum Streit mit feindlichen Mächten berufen. Mit ihnen hatte Gott den Bund errichtet, Israel das Land Kanaan zu geben. Dieses Bündnis führt Er nun aus, verbunden mit einer neuen Offenbarung seiner Person, um die Seele Moses zu stärken und ihn zu befähigen, gelegentliche Rückschläge zu ertragen in der Überzeugung, daß das Ergebnis befriedigend sein würde, weil es durch Gottes Wort und Bündnis verheißen war.

In gewisser Weise beruhigt begibt Mose sich zu den Kindern Israel, aber sie hören nicht auf ihn vor Ungeduld und vor hartem Dienst. Seinem Dienst immer noch nicht ganz gewachsen, antwortet er, als Jehova ihn beauftragt, wieder zum Pharao zu gehen: Siehe, die Kinder Israel haben nicht auf mich gehört, und wie sollte der Pharao mich hören, zumal ich unbeschnitten an Lippen bin“ (Kap. 6,12)? An seinen Bemühungen vor 40 Jahren Israel in der Kraft des Fleisches zu befreien, hatte er so gelitten, daß er jetzt schnell geneigt ist, zu verzagen, und je weiter er in seinem Dienst fortschreitet, desto mehr entdeckt er die damit verbundenen Schwierigkeiten und seine eigene mangelnde Eignung dafür. Aber Jehova will Seinen Knecht in seiner Arbeit vollkommen und glücklich machen, daher gibt Er Mose und Aaron nun „Befehl an die Kinder Israel und an den Pharao, den König von Ägypten, um die Kinder Israel aus dem Lande Ägypten hinauszuführen“. Der Befehl leitet den Dienst ein. Charakterfestigkeit und Zielstrebigkeit sind ohne ihn nichts. „Das anvertraute Gut“ (wie Paulus an Timotheus schrieb) gibt unserem Dienst die genaue Linie. Jemand, der sie nicht kennt, kann nie hoffen, seinen Dienst zu erfüllen oder ihn in angemessener Weise zu tun. Aber wenn er weiß, daß er vom Herrn einen Befehl oder eine Richtlinie erhalten hat, hat er Vertrauen und Verantwortlichkeit. Dieser Befehl wird Mose nun (Kap. 6,13) gegeben, aber noch immer fühlt er seine Unzulänglichkeit; doch in dem Maße, wie er sie fühlt, gibt Gott ihm die Kraft, die ihr entgegenwirkt.

Zuerst muß er auf Jehova vertrauen, den Gott des Bundes, der geschworen hatte, dieses Volk in das Land Kanaan zu bringen.

Sodann wird ihm ein bestimmter Befehl gegeben, und wenn er glaubt, daß er für Jehova handelt, hat er das verheißene Ergebnis seiner Sendung, und das ihm zugewiesene Werk ist genau abgesteckt.

Zuletzt (Kap. 7) wird er mit Macht versehen, um jedes Zögern, jedes Gefühl der Unzulänglichkeit zum Schweigen zu bringen. Jehova sagt zu ihm: „Siehe, ich habe dich dem Pharao zum Gott gesetzt“, und er erhält den Befehl, das Wunder, das ihm beim brennenden Busch Sicherheit gegeben hatte - die Verwandlung seines Stabes in eine Schlange - vor dem Pharao zu wiederholen. Dort (beim brennenden Busch) mußte er jedoch die Schlange greifen, damit sein persönlicher Glaube gestärkt wurde; nun ist der Zweck mehr, dem Pharao zu zeigen, daß er mit der Macht Gottes bekleidet ist, so daß der zweite Teil des Wunders nicht wiederholt wird.

Die gnadenreiche Belehrung Jehovas vervollständigt die für Moses Seele notwendige Zucht, damit er seinen Dienst beginnen kann, und zwar so sicher und hingebungsvoll, daß nichts ihn mehr davon abbringen oder Zweifel bezüglich des Ergebnisses in ihm wachrufen kann. Er wird ihn in gläubiger und unentwegter Arbeit, stark in der Kraft Gottes vor Pharao, ohne Vorwürfe seitens seiner Brüder, erfüllen, bis das große Ziel, das er schon bei seinem ersten, schwachen, weil fleischlichen Versuch vor Augen hatte, - nämlich die Befreiung des Volkes von der Knechtschaft Ägyptens - erreicht sein wird. Von dem Zeitpunkt an, da seine Seele wahrhaft für den Dienst gestärkt und befestigt ist, bis zur Passahnacht, als er mit dem Volke aus dem Lande der Knechtschaft zog, durchlebte Mose eine für ihn sehr ehrenvolle Zeit. Aber wir wollen nicht dabei verweilen, wie er ununterbrochen als Gottes Werkzeug handelte, wozu er, - wie wir gesehen haben - durch die vorhergehende Zucht befähigt worden war; denn er ist keinerlei neuen Übungen persönlicher Art ausgesetzt.

Jetzt sehen wir das Volk das mit starker Hand aus Ägypten herausgeführt worden ist, gelagert zwischen Migdol und dem Meere. Aber dort erwartete sie eine schwere Prüfung. Es war ein entscheidender Augenblick für Mose, nach dem erfolgreichen Ende aller seiner Mühe und Besorgnis. Schon glaubte er, das Ziel erreicht zu haben, da stellten sich ihm scheinbar unüberwindliche Hindernisse in den Weg: auf der einen Seite der Pharao mit seinem Heer, auf der anderen das Meer mit seinen tosenden Fluten. Wieder einmal schreit die kleingläubige Menge, ob er sie weggeholt habe, daß sie in der Wüste sterben sollten, weil in Ägypten keine Gräber waren. Aber wie ruhig und glaubensstark ist Mose in diesem Augenblick der Entscheidung! Wie hat sich der ängstliche Mann früherer Tage verändert! „Fürchtet euch nicht“! sagt er, „stehet und sehet die Rettung Jehovas“. Gerade das hatte er selbst während der 40 Jahre der Zucht gelernt. Die Natur mußte stehenbleiben und der Glaube mußte auf die Rettung Gottes warten. Er beruhigt zunächst das Volk und ruft dann selbst zu Gott. Wir erkennen hierin eine der wichtigsten Übungen, durch die ein treuer Führer des Volkes Gottes gehen muß: in schwierigen Situationen unerschütterliches Vertrauen auf Gottes Hilfe zu bewahren und zugleich von Gott Kraft und Weisheit zu empfangen, wodurch diese Hilfe zum Segen angewendet werden kann. Mose tut beides: Er beruhigt das Volk und ehrt Jehova durch sein volles Vertrauen. Dann erhält er, den Blick auf Ihn gerichtet, die Anweisungen bezüglich der Rettung, die ihm in so vollständiger und gesegneter Weise gegeben werden. „Rede zu den Kindern Israel, daß sie aufbrechen. Und du, erhebe deinen Stab und strecke deine Hand aus über das Meer ... (usw. bis Vers 18) ..., wenn ich mich verherrlicht habe an dem Pharao, an seinen Wagen, und an seinen Reitern“. Welch eine Kraft und Erhebung muß dieses Ereignis Mose verliehen haben! Wie hatte er aufs neue die Weisheit und Größe Gottes und Seiner Wege erfahren! Welch ein wunderbares Ergebnis rief alles hervor! „Sie glaubten an Jehova und an Mose, seinen Knecht“.

In Kapitel 15, 23-26 sehen wir ihn, wie er durch eine neue Prüfung geht, diesmal von anderer Art. Kaum war der Triumphgesang verstummt, da murrte das Volk wider Mose und sprach: „Was sollen wir trinken“? Der Knecht Gottes muß auf jede Art der Prüfung und der Enttäuschung gefaßt sein. Es ist ganz gleich, wieviel er schon gedient hat; er darf dafür keine Würdigung von der Versammlung erwarten, sondern er muß darauf verzichten und allein auf den Herrn blicken können. Mose hat das sicher tief empfunden, nachdem ihr Lobgesang kaum verstummt war; aber diese Mittel der Zucht führen den treuen Diener zur Gemeinschaft des Geistes und der Kraft mit Gottes bestem und größtem Diener, dem Herrn Jesus. Mose schreit zu Gott, und wieder wird er unterwiesen in der Fülle und Vollkommenheit der Mittel Gottes für jedes menschliche Bedürfnis. Welch ein bevorrechteter Platz ist es, der Mittler zu sein, durch den alle diese Dinge strömen! Für kurze Zeit mögen die Übungen schwer lasten, es mag „Mara“ sein und Tränen werden gesät. Aber alles geschieht nur, um „mit Jubel“ zu ernten. Wenn der Diener wegen des Volkes Gottes keinen Augenblick der Ruhe von seinem Dienst finden kann, dann wird er andererseits in wahrster und tiefster Weise mit den Hilfsquellen Gottes vertraut gemacht und er wird selbst zum Kanal des Segens für andere gemacht. So war es mit Mose hier; ihm wird befohlen, das Holz in das Wasser zu werfen, und das Wasser wird süß.

In Kapitel 16 wird uns eine andere Art der Arbeit vorgestellt, die dieser erprobte Diener erhält. Die Prüfungen des Volkes werden für ihn eine Schule zum Erlernen und Ausüben des Dienstes, dessen sie bedurften, und dabei nimmt seine Seele in der Gnade zu, deren Diener er war. Für uns ist es anziehend und wichtig, zu sehen, daß Mose für jedes Bedürfnis, jede Prüfung eine bestimmte, den Umständen angepaßte Weisung empfängt, so daß er geistlich zunimmt, während sein Dienst dem Volk die nötige Hilfe bietet.

In diesem Kapitel bekam das Volk die Dürre der Wüste so sehr zu spüren, daß sie gegen Mose murrten: „Wären wir doch im Lande Ägypten durch die Hand Jehovas gestorben, als wir bei den Fleischtöpfen saßen, als wir Brot aßen bis zur Sättigung“. Mose war es, der sie in diese Lage geführt hatte; muß er nicht gefühlt haben, welch eine entscheidende Stunde dies war? Menschliche Hilfe gab es nicht, und gerade deshalb verließ er sich um so mehr auf Gott, Der ihn auf diese Weise prüfte, um ihn zu veranlassen, auf Ihn allein zu blicken. Und wieder gibt ihm Jehova eine dem Augenblick angepaßte Weisung: „Siehe, ich werde euch Brot vom Himmel regnen lassen“. So wird zu Mose gesagt. Aber es wird uns auch berichtet, wie Mose es dem Volke sagt, und es ist in Verbindung mit unserem Gegenstand bemerkenswert, weil es seine Verbundenheit mit Gott und das daraus folgende Suchen und die Demut zeigt, die durch Offenbarungen der Gnade Gottes hervorgerufen werden. Er will, daß das Volk zu Jehova, Der ihr Murren gehört hatte, hinzunaht“, Er hatte an sich selbst die Wirkung dieses Hinzunahens“ verspürt, und als weiser Führer wollte er seine Brüder auch dahin bringen, wenn auch auf einem anderen Wege. Die Herrlichkeit und die Hilfsquellen Jehovas hatten ihn schon unterwiesen; nun möchte er, daß das Volk die gleichen segensreichen Belehrungen empfängt, wenn auch die Ursache dazu ihre Unzufriedenheit und ihr Murren waren. „Da wandten sie sich gegen die Wüste, und siehe, die Herrlichkeit Jehovas erschien in der Wolke“, und sie erfahren Gottes gnädige Vorkehrungen für ihre Bedürfnisse.

Wir sehen, daß der Diener immer vor dem Dienst, den er ausüben Soll, die Zucht erfährt. Er kann niemand über den Punkt hinaus, bis zu dem er selbst geführt worden ist, leiten. Aber wenn die Tiefe und Größe der Wahrheit von ihm ergriffen worden ist, dann wird er selbst ihr Vermittler.

In Rephidim (Kap. 17) wird er wieder das Opfer der Gemeinde, die bereit ist, ihn zu steinigen. Aber Jehova, allgegenwärtig, um ihm in Augenblicken der Not zu helfen, verleiht ihm besondere Kraft, um dem aufsässigen Volk Erleichterung zu schaffen. Da er persönlich angegriffen worden ist, muß er persönlich geehrt werden, und zwar vor denen, die ihn mit Vorwürfen und Drohungen angegriffen hatten. Die Ältesten Israels müssen zusehen, wie Wasser aus dem Felsen strömt, den Mose geschlagen hat. So bestätigt Jehova Seinen Diener vor den Häuptern des Volkes, und der Diener selbst wird im Verständnis und in der Würdigung der Kraft, die Gott ihm für seinen Dienst gegeben hat, befestigt. Hier in Rephidim muß Israel auch zum ersten Mal den Kampf gegen den Menschen aufnehmen. Amalek streitet wider sie. Mose wird in neue und ungekannte Schwierigkeiten gestellt, und er beschließt, daß Josua gegen die Menschen antreten soll, daß er selbst aber im Geiste mit Gott sich beschäftigen muß. Er begibt sich mit dem Stabe Gottes in seiner Hand auf den Gipfel des Hügels.

Welch eine Zeit des Segens für ihn, so für Gott abgesondert zu sein und Herz und Seele mit den Versicherungen und Beweisen der Macht und Gnade Gottes für die Seinen zu füllen. Aber zugleich fühlt Mose mehr denn je seine eigene Schwachheit. Solange er seine Hand emporhielt (ein Zeichen der Abhängigkeit von Gott), war Israel der Sieg sicher; aber sobald er seine Hand ruhen ließ, hatte Amalek die Oberhand. Sein Dienst war wahrlich ein besonders wichtiger. Aber wie demütigend war es für Mose, zu erfahren, daß sein Fleisch zu schwach war, das, was sein Geist so begehrte, auszuführen! Seine Hände wurden schwer, und sie wären herabgesunken ohne die Hilfe von anderen. In erster Linie lernen wir hieraus, daß das Priestertum für die Aufrechterhaltung des Dienstes notwendig ist; als zweites, wenn wir den Schauplatz in Verbindung mit Mose betrachten, lernen wir, daß im Kampf gegen Menschen unsere fleischliche Unzulänglichkeit um so deutlicher hervortritt, je hervorragender der Platz ist, den Gott uns gegeben hat. Es verwundert nicht, daß Mose dort einen Altar baut und ihn „Jehova-Nissi“ nennt. Der Streit war gegen Menschen, er war widernatürlich. „Wehe der Welt der Ärgernisse wegen! ... wehe dem Menschen, durch welchen das Ärgernis kommt!“ Wenn es aber kommt, dann bietet nur das Panier Jehovas Schutz dagegen, Auf dieser Stufe der Erfahrungen der Seele ist ihr Altar, mit anderen Worten, der Charakter ihrer Anbetung: Jehova-Nissi (Jehova, mein Panier).

Im nächsten Kapitel (18) sehen wir Mose auf einem tieferen Standpunkt. Er läßt sich von Menschen beeinflussen und teilweise schlecht beeinflussen. Er hatte eine hervorragende Stellung im Dienste erlangt; soeben hatte er einen Altar in Erinnerung an Gottes Hilfe in seinem Kampf gegen die feindliche Menschheit errichtet, und nun tritt ihm die Stimme des Menschen in den wohlgemeinten, aber gefährlichen Ratschlägen seines Schwiegervaters entgegen. Mose gibt nach und sinkt dadurch in sittlicher Hinsicht. Bei der Unterredung mit Jethro scheint er die soeben während des Streites gegen Amalek erhaltene Lehre vergessen zu haben, denn er gibt den Dienst, zu dem er berufen ist, teilweise auf, ohne die Absichten oder die Zustimmung Gottes abzuwarten. Der Beistand, den er hier bei den Häuptern des Volkes sucht, ist von ganz anderer Art als der, den er rechtmäßig von Aaron und Hur während des Streites mit Amalek erhielt. Letzterer war eine Hilfe für ihn persönlich, während er jetzt die Pflichten, die Jehova ihm auferlegt hatte, auf andere abschob. Jethro hatte alles gehört, was Jehova für Mose und Israel getan hatte, und er kam, um Mose wieder mit seiner Frau und seinen Söhnen zusammen zu bringen, die er anscheinend zurückgeschickt hatte. Ich glaube, Jethro stellt die Verbindung unter den Menschen dar, zu denen ein Knecht Gottes durch verwandtschaftliche Beziehungen verlockt werden kann. Obwohl er den Dienst für Gott mit Mose gemeinsam hatte, maßte er sich etwas an, was ihm nicht zukam; denn es war eine Anmaßung für einen Unbeschnittenen aus den Nationen, die Führung des Volkes Gottes an sich zu reißen, indem er Mose, Aaron und die Ältesten Israels dazu bringt, mit ihm Gemeinschaft zu haben. Wenn das Verhältnis der Seele zu Gott getrübt ist, ist es verhältnismäßig leicht, sie unter dem Vorwand der Unfähigkeit von ihrer Verantwortlichkeit abzulenken. Mose wird dazu gebracht, sich selbst in einer Angelegenheit für unfähig zu halten, für die Gott ihn nicht für unbefähigt gehalten hatte. Obgleich diese Regelung geduldet wird, muß sie für ihn einen Verlust bedeutet haben. Mose befindet sich nun am Berge Gottes; er erfährt die Erfüllung der Verheißungen Gottes im brennenden Busch, nachdem er einen einzigartigen, wunderbaren Weg gegangen ist. Aber selbst hier, an dessen Ende, nach allem Umgang und allen Offenbarungen, die er erfahren hat, sehen wir, daß er - wie andere Menschen - für den Einfluß des Fleisches empfänglich ist, und es beweist, wie wenig verläßlich der Mensch ist.

Nun aber wird Mose an dem Berge Gottes zu einer neuen Aufgabe, einer anderen Sendung berufen (Kap. 19). Bisher ist er Befreier und Führer gewesen, jetzt wird er der Gesetzgeber und Prophet. Er wird, indem er dem Volk den Willen Gottes offenbart, ein Mittler zwischen dem Volk und Gott. Als reich gesegneter Diener muß er diesbezüglich unterwiesen werden. Gott war Seinem Volk in der Not entgegengekommen, aber wie manche Befreite, haben sie die Natur Gottes noch nicht erkannt. Die drohende Vernichtung war vorübergegangen, aber sie müssen erfahren, wer Gott ist und wie vollkommen verderbt sie in Seinen Augen sind. Mose, von Gott unterwiesen, muß sie nun in diesem Stück unterweisen.

Er wird zu diesem Zweck auf den Berg gerufen und dort in Gottes Nähe gebracht. Er empfängt dort eine Offenbarung, die anders ist als die, die er einst am brennenden Busch empfangen hatte. Dort war alles Gnade, obwohl es „heiliges Land“ war; die Erscheinung Jehovas war in Gnade und Mitgefühl. Hier jedoch ist es Gottes furchtbare Majestät, die Forderung eines heiligen Gottes an den Menschen und Seine große Entfernung vom Menschen. Beide Belehrungen waren für Mose notwendig, damit er den ihm zugewiesenen Platz einnehmen konnte. Es ist immer die Art der Zucht Gottes, Seine Diener zu einer volleren und lebendigeren Erkenntnis der Wahrheit, deren Kanal sie werden sollen, zu bringen. Stephanus sah die Herrlichkeit Gottes und Jesus zur Rechten Gottes stehen, ehe er verkündete, daß der Himmel geöffnet sei und daß er den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen sähe; d. h., er verkündete nur einen Teil dessen, was er sah; aber das Größere machte ihn fähiger, das Geringere zu verkünden, das seinen Zuhörern angepaßt war. So wird auch Mose durch die Belehrungen Gottes hinsichtlich Seines Willens befähigt, Ihn dem Volke zu offenbaren. Er sieht Ihn, wie Er in Seiner Gerechtigkeit an den noch fleischlichen Menschen auf der Erde Forderungen stellt.

Nachdem er das Gesetz verkündet und vorbildlich das Blut der Reinigung gesprengt hat, wird er gerufen (Kap. 24), nicht nur die in Stein gegrabenen Gesetze zu empfangen, sondern ebenfalls eine viel vollständigere Offenbarung der Anteilnahme Gottes an Seinem Volk. Es ist dies die Vorsorge der Gnade, gegründet auf Jehovas Vorkenntnis der Unfähigkeit des Volkes, das Gesetz zu halten. In diesen interessanten Begebenheiten wollen wir unser Augenmerk aber nicht auf das Volk richten, sondern auf die segensreiche Art, in der Mose auf die ihm anvertraute Aufgabe vorbereitet wird. Er wird auf den Berg gerufen, auf dem die Herrlichkeit Gottes ruhte. Sechs Tage bedeckte die Wolke den Berg, und am siebenten rief Gott Mose aus der Mitte der Herrlichkeit, die in den Augen der Kinder Israel wie ein verzehrendes Feuer war; und Mose war auf dem Berge 40 Tage und 40 Nächte. Wahrlich eine geeignete Vorbereitung für einen, der beauftragt wurde, auf der Erde ein Abbild der Dinge, die er gesehen hatte, zu schaffen. Der Erde völlig enthoben, umhüllt von der Wolke, die die Herrlichkeit Gottes umgab, erhielt seine Seele den Eindruck des wunderbaren Gegenstands seines Auftrages. Dann sprach Jehova zu ihm: „Sie sollen mir ein Heiligtum machen, daß ich in ihrer Mitte wohne. Nach allem, was ich dir zeige, . . . also sollt ihr es machen“. Wir bekommen einen Einblick in Gottes Art, einen Knecht für Seine Absichten zu erziehen, und wir bemerken dabei vor allem zwei Dinge:

1. daß Mose in der Nähe Gottes ist, während er die Wahrheit erfährt, und an sich die Wirkung dieser Nähe sieht, und

2. daß er die Wahrheit bewußt von Gott mitgeteilt erhält; er ist nicht nur in Seiner Nähe, sondern er weiß, daß Er Selbst sie ihm mitteilt.

Bevor Mose jedoch diesen neuen Dienst angetreten hat, ist das Volk Israel der Götzendienerei verfallen und hat ein goldenes Kalb gemacht, und er wird aufgerufen, von seiner erhabenen Stellung auf dem Berge hinabzusteigen und den Abfall des Volkes von dem soeben geschlossenen Bunde zu erleben; und jetzt gibt er Gefühlen Ausdruck, die bezeugen, wie gut er gelernt hatte, auf die Verherrlichung Gottes bedacht zu sein. In dieser Hinsicht gibt es in der ganzen Schrift kaum etwas, was seinen Worten in 2. Mo 32,11-13 gleichkommt.

Aber es waren die vergangenen 40 Tage und Nächte, die ihn befähigten, sie so hoch zu schätzen, und jeder seiner Schritte in dieser wichtigen Stunde zeigt, wie tief er in die Gedanken Gottes eingedrungen war. Er zerschmettert die Gesetzestafeln, denn sie waren von seiten Israels schon gebrochen, und es war nun nicht der Augenblick, sie ihnen vorzuhalten. Dann nimmt er das Götzenbild, das sie gemacht haben und verbrennt es mit Feuer, zermahlt es zu Pulver, streut es auf das Wasser und läßt das Volk davon trinken. Ihre Sünde mußte nicht nur beseitigt werden, sondern sie mußten sie auch selber schmecken. Sodann verlangt er Trennung vom Bösen und fordert jeden der auf der Seite Jehovas steht, die Abtrünnigen zu ergreifen. Im Augenblick einer gemeinsamen Sünde können die bußfertigen und sich demütigenden Zeugen den Abbruch aller ihrer früheren Beziehungen gar nicht klar genug zum Ausdruck bringen; sie müssen jede Spur davon vernichten, selbst bis zum Tode, und Mose, der treue Diener, ist dabei ihr Anführer.

Nachdem er sie so gewissermaßen auf Gott vorbereitet hat, als Bußfertige und Abgesonderte, kehrt er zu Gott zurück, um für sie einzutreten. Jehova weigert Sich, weiter mit dem Volk zu ziehen; Er fordert, daß es seinen Schmuck ablegt, damit Er weiß, was Er ihm tun soll (Kap. 33). In diesem Augenblick großer Ungewißheit weiß Mose, der die Heiligkeit Gottes kennt, was er mit dem Volke zu tun hat und wie Beziehungen wiederhergestellt werden können. Er schlägt das Zelt außerhalb des mit Schuld beladenen Lagers auf, damit jeder, der sich unter dem Gefühl der Sünde gedemütigt hatte und nach Jehova verlangte, Ihn dort aufsuchen könne, abgesondert von der Verunreinigung. Diese Tat kam dem Willen Jehovas entgegen und stellte Seine Gegenwart dem Volke wieder her. Die Wolkensäule stieg hernieder und stand am Eingang des Zeltes, und Jehova redete mit Mose von Angesicht zu Angesicht, wie ein Mann mit seinem Freunde redet. Er verheißt ihm nicht nur, daß Seine Gegenwart mit ihm sein wird, sondern gibt auch seinem Bitten nach, Seinen Platz inmitten Israels wieder einzunehmen. In welch eine Nähe zu Gott ist Mose getreten! Die äußersten Schwierigkeiten eröffnen ihm nur in höherem Maße die Hilfsquellen Gottes; er erreicht sie aber erst, nachdem er der Heiligkeit Gottes entsprechend gehandelt hat. Er hat sowohl Gott als auch den Menschen mehr erkannt, den Menschen als unzuverlässig und in allen Umständen versagend; Jehova als Zuflucht seines Herzens und als sein ewiges Teil. Und so stellt er, als Gott allen seinen Wünschen entsprochen hatte, die aufrichtige Bitte: Laß mich doch deine Herrlichkeit sehen“! Damit sagt er: Ich habe genug von dem Menschengeschlecht gesehen, um mich von ihm abzuwenden, und ich habe genug von Gott gesehen, um zu begehren, Ihn in Seiner Fülle zu sehen.' Dieser Wunsch wurde erhört (Kap 34); aber noch völliger und eindeutiger wurde er erfüllt, als er auf dem Berge der Verklärung (Lk 9,30+ 31) zusammen mit Elias mit dem Herrn den Ausgang besprach, den Er sowohl für das hartnäckige Israel als auch für alle Erlösten erfüllen sollte.

Wir haben nun den Aufstieg Moses bis zum  höchsten Platz, der je einem Menschen eingeräumt worden ist, verfolgt. Dem Apostel Paulus, einem Manne in Christo, wurden größere und andere Herrlichkeiten geoffenbart, aber „es stand in Israel kein Prophet mehr auf wie Mose, welchen Jehova gekannt hätte von Angesicht zu Angesicht“. Paulus mußte einen Dorn im Fleische haben, damit er sich nicht überhöbe. Wir dürfen daher nicht überrascht sein, zu sehen, daß Mose bald beweist, daß er auf Grund seiner Schwachheit die hohe Stellung, die er erhalten hat, nicht bewahren kann.

Er, der soviel von der Macht Gottes gesehen hat, vergißt sie und tut, als kenne er sie nicht, als er durch das Böse und den Unglauben des Volkes bedrängt wird (4. Mo 11). Er sagt: „Ich allein vermag nicht dieses ganze Volk zu tragen, denn es ist mir zu schwer“. Der Mensch kann die hohe Stellung, zu der ihn Gott beruft, nicht aufrechterhalten, ohne ab und zu seine Schwachheit zu erkennen. Wenn wir nicht das Todesurteil in uns selbst haben, werden wir Selbstvertrauen fassen. Hätte Mose, der in der Herrlichkeit gewesen war, dies gewußt, so hätte er weder in Kraft noch in Schwachheit auf sich geblickt, sondern auf „Gott, der die Toten auferweckt“. Er wird nun vor den 70 Ältesten Israels gedemütigt, vor denen er früher erhoben worden war. Der Geist, der auf ihm war, ist jetzt auf ihnen. Wir wissen, daß er auf den Vorschlag seines Schwiegervaters hin erlaubte, daß dieser Sauerteig hereinkam, zwar in milderer Form, aber jetzt hat er sich weiter entwickelt, wie immer, wenn ihm freies Feld gelassen wird. Es ist eine Zeit der Demütigung für Mose, für uns aber nicht weniger interessant als die Zeit seiner Erhöhung, denn sie erleuchtet die Art der göttlichen Zucht, in der er sich befindet. Seine Unterwerfung und seine Anerkennung des Wirkens Jehovas ist sehr lehrreich, und sein Interesse an seiner Arbeit wird dadurch, daß er teilweise verdrängt worden ist nicht vermindert. Er tadelt Josua, weil er für ihn eifert. Aber obwohl Jehova den Unglauben Seines Knechtes so behandelt hat, erlaubt Er nicht, daß Menschen ihn mißachten oder geringschätzen (Kap. 12). Die Ursache des Tadels war wahr, denn er hatte eine kuschitische Frau geheiratet, und Aaron und Mirjam waren scheinbar durch die Demütigung, die Mose soeben erfahren hatte, ermutigt worden. Aber Jehova rächt ihn aufs deutlichste und schrecklichste; und Mose wird zum Fürsprecher der Schuldigen. Jehova Selbst darf Zurechtweisungen geben, nicht aber der Mensch. Die Art, in der Mose die Vorwürfe ertrug, beweist, wie viel er in der Schule Gottes gelernt hatte und wie demütig er im Herzen war. Wir sahen, wie sein gerechter Zorn ausbrach, als Gottes Herrlichkeit und Ehre auf dem Spiel stand; aber wenn er persönlich angegriffen wird, schweigt er.

Ein anderes Beispiel dafür finden wir im Falle Korahs (Kap. 16). Anstatt sich und sein Amt zu rechtfertigen, überläßt Mose Jehova die Entscheidung, Der sie auch trifft, und zwar durch ein furchtbares Gericht an den Übeltätern. Wiederum ist es Mose, der die Gedanken Gottes kennt und weiß, was der Plage Einhalt gebieten kann. Er macht Gebrauch von seinem Amt als Priester, wie ehemals im Falle des goldenen Kalbes, als er sich für das Volk bei Gott verwendet hat.

Wir kommen nun (Kap. 20) zur letzten Begebenheit im Leben Moses, die wir betrachten wollen, als er das Recht, Kanaan zu betreten, verwirkt, weil er es unterließ, Jehova vor dem Volk zu heiligen. Dies geschah im 40. Jahre ihrer Wanderung, gerade, als Mose im Begriff stand, das glückliche Ende aller seiner Mühen und die Erfüllung der Verheißungen Gottes zu erleben. Er versagte gerade in jenem Stück, in dem er sonst so hervortrat. Er unterläßt es, Jehova, Dessen Ehre ihm so kostbar war, in den Augen des Volkes zu heiligen, und macht sich dadurch untauglich, das Volk in das Land seines Erbes zu führen, als sie schon an dessen Grenze stehen. Als die Gemeinde nach Wasser schrie' sagte Gott ihm: „Nimm den Stab und versammle die Gemeinde, du und dein Bruder Aaron, und redet vor ihren Augen zu dem Felsen, so wird er sein Wasser geben“. Stattdessen stelIt Mose, durch seine Erbitterung fortgerissen, das Volk und sagt- „Werden WIR euch Wasser aus diesem Felsen hervorbringen“? und er erhebt seinen Stab und schlägt den Felsen zweimal. Jehova handelte jetzt in Gnaden durch das Priestertum gegen das Volk. Der Felsen brauchte nicht mehr geschlagen zu werden. Mose ist in diesem Augenblick nicht in Gemeinschaft mit den Gedanken und Absichten Gottes - er hat in seinem Dienst versagt und seine Führerschaft verwirkt. So ist der Charakter der Zucht Gottes! Kein noch so treuer Dienst während langer Jahre kann die Strafe für Anmaßung in diesem Dienst mildern oder abwenden. Paulus wollte entgegen der Mahnung des Geistes nach Jerusalem gehen, und die Strafe dafür war lange Gefangenschaft.

Gott kann und wird ohne Zweifel Seine Knechte an dem Platz gebrauchen, den ihr Versagen ihnen einbringt. Paulus wurde so im Gefängnis ein Werkzeug in einem neuen und besonderen Dienst. Was seine Briefe für ihn waren, das war für Mose das 5. Buch: Gott muß das Fleisch, das sie zu Handlungen in Unabhängigkeit von Ihm geführt hat, unterwerfen. Mose begann seine Laufbahn, indem er ein gutes Werk in eigener Kraft durchführen wollte und erduldete deswegen manches Jahr der Einsamkeit. Nun legt er 'sich auf dem Berge Pisga nieder (5.Mo 34), nachdem er das gelobte Land gesehen hat von dem er ausgeschlossen ist, weil er, während er für Gottes Volk handelte, es in Unabhängigkeit von Gott tat, Dessen Diener er war.

Sein erstes Versagen ist seinem letzten sehr ähnlich. Aber obwohl er bezüglich seiner Sendung und seines Dienstes so gezüchtigt worden ist, verliert er nichts von seiner persönlichen Nähe zu Gott, ja er gewinnt auf diese Art noch etwas, denn Jehova zeigt ihm das Land. So war es auch mit Paulus. Während er die Strafe für seinen Fehler im Gefängnis erduldete, fand er mehr denn je, daß Christus alles für ihn war; und sicher hat Mose auf dem Berge Pisga gespürt, daß Gott für ihn mehr bedeutete als selbst das verheißene Land oder die Führerschaft dorthin. Seine Unterwerfung unter den Willen Gottes ist sehr schön (4. Mo 27,12-23), und die Bereitwilligkeit mit der er seine Würde und sein Amt auf Josua übertragen läßt verrät deutlich, daß er sich selbst, sein Fleisch, gekreuzigt hat. Während sein Auge das Erbe betrachtet, erleidet er die Kreuzigung seines Fleisches. Er legt sich nieder, um zu sterben, aber Jehova nimmt sich seines Körpers an; Satan streitet vergeblich darum (Jud 9). Bald wird der Leib Moses als ein verherrlichter Leib auferstehen, gleich dem verherrlichten Leibe unseres Herrn, gemäß der Macht, die Er hat, alle Dinge Sich Selbst zu unterwerfen.

Zurückschauend möchte ich auf vier große Perioden der Zucht im Leben Moses aufmerksam machen. Die erste: 40 Jahre Verbannung im Lande  Midian, weil er versucht hatte, in eigener Kraft die Gnadenabsicht seiner Seele auszuführen. Gewiß gibt es bei manchem ernsten jungen Diener Christi ebensoviel beständiges Versagen. Er ist offenkundig so erfolglos und entmutigt, daß er in die Einsamkeit zu Gott geführt wird, bis er erkennt, daß er nicht auf sich selbst vertrauen darf; und dieser Abschnitt ist beendet, als seine Seele durch Zeichen und Offenbarungen der Macht Gottes befestigt ist.

Die zweite Periode ist noch dunkler und schrecklicher. Jehova sucht ihn zu töten, weil er seinen Sohn nicht beschnitten hat. Er ist hier nicht der Wüstenwanderer, der erfährt, wie kraftlos er als Mensch ist, sondern Jehova ist gegen ihn, weil er in seiner Gedankenlosigkeit das Unbeschnittene als Knecht Jehovas mit Jehova in Verbindung brachte. Jehova sucht ihn zu töten -das Leben wegzunehmen, das Mose in seinem Sohn nicht durch die Beschneidung verurteilt hatte. Der alte Mensch muß gekreuzigt werden. Wir sind beschnitten durch das Ausziehen des Leibes des Fleisches, in der Beschneidung des Christus.

Das dritte Beispiel der Zucht ist die Einführung Moses in Gottes Herrlichkeit während 40 Tagen und Nächten. Jetzt will Gott ihn nicht töten als Menschen auf der Erde, sondern indem Er ihn in der Herrlichkeit über alle Menschen stellt belehrt Er ihn in allen Seinen Wegen und wünscht, daß er auf Erden Abbilder der wahren Dinge - in den Himmeln - verfertigt (2. Mo 25; Hebr 8,5).

Der vierte Abschnitt zeigt uns Mose, als er auf dem Berge Pisga wirklich durch den Tod gehen muß, weil seine Lippen törichte Worte geredet haben, als er den heiligsten Dienst für Gott verrichtete. Der Tod muß sein; aber zugleich sieht und überblickt sein Auge klar und deutlich das Erbteil, das Gott für Sein Volk bereitgelegt hat. - Amen.

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