Meine Feste

Der große Versöhnungstag

„Und der HERR redete zu Mose und sprach: Doch am Zehnten dieses siebten Monats ist der Versöhnungstag; eine heilige Versammlung soll euch sein, und ihr sollt eure Seelen kasteien und sollt dem HERRN ein Feueropfer darbringen“ (3. Mose 23,26.27).

Das Fest des Posaunenhalls zeigte uns den deutlich vernehmbaren Ruf Gottes, um sein Volk zu ihrer lange verlorenen Herrlichkeit wieder zu erwecken; in dem großen Versöhnungstag lernen wir, dass dies bei ihnen eine nationale Buße bewirken wird. Ein Verweis auf 3. Mose 16 zeigt uns den Zusammenhang dieses Festes und was dabei alles angeordnet war. Es ist tatsächlich das ganze Ritual von 3. Mose 16, was hier vor uns kommt. Eine sorgfältige Betrachtung der Einzelheiten dieses erhabenen Kapitels zeigt uns das Werk Christi in einer dreifachen Hinsicht. In dem jungen Stier – Sühnung für die Versammlung (für Aaron und sein Haus; Vers 6); in der Ziege – Sühnung für Israel (Vers 10). Aber daneben haben wir noch in dem Blut der Ziege, das auf den Deckel und vor den Deckel der Bundeslade gesprengt werden sollte (Vers 15), ein Bild von der Versöhnung aller Dinge. Wir finden dieses Blut im Allerheiligsten (Vers 15), und wir sehen auch, dass dieses Blut das Heiligtum und das Zelt der Zusammenkunft reinigte (Vers 16). Dann sehen wir, dass sowohl das Blut des Stieres als auch das Blut der Ziege an den ehernen Altar im Vorhof getan werden sollte (Vers 18). Das alles zeigt uns im Vorbild die Versöhnung aller Dinge. Ein Vergleich von 3. Mose 16,33 mit Kolosser 1,20 untermauert diesen Gedanken noch. Dieses bemerkenswerte Kapitel stellt die Versöhnung aller Personen und aller Dinge vor, die teilhaben werden an dem großen Tag der Erscheinung Christi – die Versammlung, Israel, und alle Dinge. Aber bis zu dem heutigen Tag hat nur die Versammlung diese Segnung der Versöhnung erfahren. Die Grundlage dazu wurde am Kreuz von Golgatha gelegt, aber die Versammlung ist die einzige Gesellschaft, die bisher schon diese Segnung erlangt hat. Demnächst wird auch noch Israel in den Genuss dieser Segnung kommen und mit ihnen auch alle Dinge. Diese Anordnung wird uns auch in 3. Mose 16 deutlich vorgestellt, denn in Aaron und seinen Söhnen sehen wir ein Bild der Versammlung, die zuerst und als einzige bei dem Blut des Stieres berücksichtigt wurden. Dann folgt Israel, deren Sünden in dem Blut der Ziege berücksichtigt werden. Und dann kommt auch noch das Heiligtum, das Zelt der Zusammenkunft und der Altar unter die Wirksamkeit dieses Blutes – zur Versöhnung dieser Dinge. Leider haben wir hier nicht genügend Raum für eine ausführliche Untersuchung dieses interessanten Gegenstandes der Versöhnung aller Dinge, sie wird jedenfalls deutlich in diesem Bild in 3. Mose 16 vorgestellt.

In der Anordnung der Feste in diesem Kapitel wird uns hier jetzt die Zeit vorgestellt, wo Israel wieder in seine wahre Stellung gebracht werden wird, und auch dafür ist die Grundlage der Tod unseres Herrn am Kreuz. Dieses Werk ist schon vor langer Zeit geschehen, aber erst, wenn sie in ihren Herzen zu dem Herrn umkehren, werden sie das erkennen und den Segen davon genießen (2. Kor 3,16). Die Anordnungen hier für dieses Fest zeigen uns, wodurch sie dann gekennzeichnet sein werden. Das müssen wir noch betrachten. In 3. Mo 25 haben wir die Beschreibung des Jubeljahres (des fünfzigsten Jahres), dort sollte am zehnten Tag des siebten Monats ein Posaunenschall ergehen (Vers 9), „und ihr werdet jeder wieder zu seinem Eigentum kommen und jeder zurückkehren zu seinem Geschlecht“ (Vers 10). Nun, der Posaunenschall für das Jubeljahr sollte am zehnten Tag des siebten Monats erfolgen, zeitgleich mit diesem großen Versöhnungstag. Das also erwartet Israel, wenn sie in ihrem Herzen zu dem HERRN umkehren werden.

„Und keinerlei Arbeit sollt ihr an ebendiesem Tag tun; denn es ist der Versöhnungstag, damit Sühnung für euch geschehe vor dem HERRN, eurem Gott“ (3. Mose 23,28).

Zwei hervorstechende Dinge werden in den Anordnungen für dieses Fest erwähnt, und beide werden dreimal wiederholt: sie sollten ihre Seelen kasteien, und sie durften keinerlei Arbeit an diesem Tag tun. Das Kasteien der Seele ist eindeutig Buße, Reue. Wir müssen auch nicht lange suchen im Wort Gottes, um zu sehen, was diese Buße bewirken wird. Wir müssen uns nur Sacharja 12,10–14 zuwenden. Dort wird die Buße des Überrestes – „nach Auswahl der Gnade“ (Röm 11,5) – in ihrem umfassendsten Ausmaß vorgestellt. Das Haus Davids stellt die königliche Linie vor, das Haus Nathans die prophetische Linie, das Haus Levis die priesterliche Linie, und die Familie der Simeiter das allgemeine Volk1. Sie alle werden beteiligt sein an jenem Tag, und keine noch so bevorzugte Stellung, die nach dem Segen Gottes Verlangen hat, wird ausgenommen sein von dieser Buße. Der Buße würdige Früchte werden gebracht werden (Lk 3,8).

Eine weitere, für unser aller Herzen sehr gut bekannte Stelle, beschreibt uns diese tiefen Seelenübungen des Überrestes, es ist Jesaja 53. Hier wird uns die ganze Geschichte unseres Herrn beschrieben, sein Kommen in diese Welt, seine Verwerfung und sein Tod am Kreuz. Wir lesen von Ihm in Vers 2, dass Er „wie ein Reis vor ihm aufgeschossen ist, wie ein Wurzelspross aus dürrem Erdreich“. Aus dem dürren, vertrockneten Israel kam Einer hervor, der in jeder Phase seiner Menschheit vor dem HERRN lebte. Als Er seinen öffentlichen Dienst begann, hatte Er keine eindrucksvolle Gestalt, keine äußerliche Vornehmheit, keine Schönheit – alles Dinge, die den natürlichen Menschen ansprechen. Deshalb hatten sie kein Gefallen an Ihm gefunden (Vers 2). Sie verachteten Ihn wegen seiner einfachen Geburt und Herkunft und wegen seines niedrigen Wandels. Schmerzen und Leiden waren sein Teil. Die Menschen verbargen ihr Angesicht vor Ihm, und als von allen Verachteter hatten auch die Führer des Volkes nicht die geringste Wertschätzung für Ihn. Warum war Er „ein Mann der Schmerzen und mit Leiden vertraut“? Weil Er in der Liebe seiner Seele gerade für diese Nation, die Ihn verwarf und an das Kreuz schlug, voller Mitgefühl ihre Schmerzen auf sich nahm und bei jeder Gelegenheit ihre Kranken heilte (Mt 8,17). Doch wie tief auch immer die Leiden in seinem Leben für Ihn waren, sie standen weit hinter den Schrecknissen von Gethsemane und dem Kreuz zurück. Nachdem sie den schwächlichen Pilatus schließlich dazu bewegen konnten, Ihn an das Kreuz schlagen zu können und Ihn dort hängen sahen, was dachten sie da über Ihn? Sie „hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt“ (Vers 4). So dachten und urteilten sie über Ihn am Tag seiner tiefsten Leiden! Doch am Tag ihrer Umkehr werden ihre Augen unter tiefen Seelenübungen geöffnet werden und sie werden die Wahrheit erkennen. Der Eine, den sie als einen Blender ansahen, den sie unter den Fluch Gottes bringen wollten, indem sie Ihn an das Holz hängten; der Eine, der nach ihrem Verständnis sterben musste, weil Gott gegen Ihn war – „wir hielten ihn für bestraft, von Gott geschlagen und niedergebeugt“ – von Ihm werden sie an jenem Tag sagen: „Doch um unserer Übertretungen willen war er verwundet“ (Vers 5). Einst dachten sie, Er wäre um seiner eigenen Übertretungen willen verwundet, doch am Tag ihrer Buße werden sie sehen und anerkennen, dass Er um ihrer Übertretungen willen verwundet war. Was für ein Wechsel! Was für eine Bekümmernis! Was für eine Reue! Sie werden erkennen, dass der HERR auf Ihn alle ihre eigenen Ungerechtigkeiten gelegt hatte (Vers 6). Das ist die große Entsprechung von Aaron, wie er an dem großen Versöhnungstag die Sünden des Volkes vor den HERRN bringt. Durch dieses Kasteien ihrer Seelen werden sie in der Lage sein, für alles das geöffnete Augen zu haben; und indem sie sich in Buße zu Gott wenden, werden sie endlich das erfassen, was Christus für sie getan hat, als sie Ihn an das Kreuz genagelt haben.

Die zweite Anordnung, dass sie keinerlei Arbeit tun sollten an diesem Tag, würde sie von jedem Versuch zurückhalten, durch eigene Anstrengungen eine Gerechtigkeit für sich zu erwirken. Mit welcher Sorgfalt hat Gott diese Anordnungen niederschreiben lassen. Wie das Volk Israel früherer Tage, das an dem großen Versöhnungstag von der Arbeit ruhte, wird es auch der Überrest späterer Tage tun. Alles, was zu tun war an jenem Tag, tat Aaron, als er mit dem Blut allein in das Allerheiligste hineinging und es vor den Sühndeckel sprengte.

„Denn jede Seele, die sich an ebendiesem Tag nicht kasteit, die soll ausgerottet werden aus ihren Völkern; und jede Seele, die an ebendiesem Tag irgendeine Arbeit tut, diese Seele werde ich vertilgen aus der Mitte ihres Volkes. Keinerlei Arbeit sollt ihr tun: eine ewige Satzung bei euren Geschlechtern in allen euren Wohnsitzen. Ein Sabbat der Ruhe soll er für euch sein, und ihr sollt eure Seelen kasteien; am Neunten des Monats, am Abend, vom Abend bis zum Abend sollt ihr euren Sabbat feiern“ (3. Mose 23,29–32).

Hier haben wir den ungläubigen Teil des Volkes vor uns. Während ein Überrest des Volkes sich dem Herrn zuwenden wird und wie die Brüder Josephs sagen wird: „Wir sind schuldig wegen unseres Bruders“ (1. Mo 42,21), wird es Widerspenstige unter den Kindern Israel geben, die sich mit dem Antichristen verbündet haben und sich weigern werden, Buße zu tun. Diese werden konsequent weggerafft werden. Die Auserwählten werden Ruhe finden, d.h. sie werden frei sein von jeder anderen Erwägung, als dass allein vor Gott ihre ganze sündige Vergangenheit zur Sprache kommen und sie dies Ihm gestehen werden. Zwei Dinge werden sich dann zu ihrem Segen ereignen. Sie werden in den Genuss der Erlösung kommen, die in Christus Jesus zu finden ist – das Gegenstück zu dem Blut auf dem Sühndeckel. Und sie werden öffentlich wieder in ihren Platz als Volk Gottes eingesetzt werden – das Gegenstück zu dem Bock zum Sündopfer.

Es ist schon manchmal gesagt worden, dass in 3. Mo 16 ein Stier zum Sündopfer [für das Volk] nicht erwähnt wird. Der Stier für Aaron und sein Haus (Vers 3) stellt Christus und die Versammlung vor. Nun, die Versammlung hatte niemals eine nationale Stellung vor Gott wie das Volk Israel, deshalb war auch kein Stier zum Sündopfer nötig. Israel muss noch zurechtgebracht werden vor Gott und als Nation vor der Welt. Sie werden in jener Zeit aufs Neue ihre Stellung als das Volk Gottes einnehmen. Das führt uns zu dem letzten Vers in unserem Kapitel, das voranblickt auf jenen Tag, wo diese Nation in das Reich eingeführt sein wird und sich vor dem HERRN, ihrem Gott, erfreuen wird.

Fußnoten

  • 1 „Und ich werde über das Haus David und über die Bewohner von Jerusalem den Geist der Gnade und des Flehens ausgießen“ – wird das nicht ihr Versöhnungstag sein? „Und sie werden auf mich blicken, den sie durchbohrt haben, und werden über ihn wehklagen“ – es wird ein Tag der Seelen-Kasteiung sein. „Sie werden über ihn wehklagen gleich der Wehklage über den einzigen Sohn und bitterlich über ihn Leid tragen, wie man bitterlich über den Erstgeborenen Leid trägt. An jenem Tag wird die Wehklage in Jerusalem groß sein wie die Wehklage von Haddad-Rimmon in der Talebene von Megiddo. Und wehklagen wird das Land, jede Familie für sich“. Das Gewissen führt einen dahin, allein mit Gott zu sein, damit das Bekenntnis wahr und tief ist. Das wird das Ergebnis wirklicher Geist-gewirkter Betrübnis sein; denn wenn das Gewissen wirklich von dem Geist Gottes erreicht werden konnte führt das dazu, sich zu isolieren, weil die Seele wünscht, allein vor Gott hinzutreten. Ach! Zu wem? Könnte jemand wirklich alles das bekennen, was er getan hat? Was würde es Gutes bewirken, wenn wir das einem anderen gegenüber tun? Es könnte zum Schaden sein. Wir müssen zu Gott gehen, und vor Gott müssen wir bekennen. Das ist gut für unsere Seelen, denn Gott verlangt völlige Aufrichtigkeit; Er möchte die Schuld wegnehmen und dies kann nur durch seine Gnade und Wahrheit geschehen. Das wird ihr Versöhnungstag sein, wenn Israel sich nicht wie Adam verstecken wird, sondern seine Sünden vor Gott völlig offenlegen wird. Der Herr Jesus wird ihnen die Kühnheit des Glaubens dazu geben. Sie werden Ihn anschauen, den sie durchbohrt haben. „Jede Familie für sich“. So persönlich, so echt ist dieses Werk, dass wir sogar davon lesen, dass auch „ihre Frauen für sich“ wehklagen werden. Die nächsten und innigsten Beziehungen werden unterbrochen, damit zum ersten Mal Wahrheit im Innern gefunden wird. Und welche Familien werden hier erwähnt? „Die Familie des Hauses Davids für sich und ihre Frauen für sich; die Familie des Hauses Nathan für sich und ihre Frauen für sich“. Warum David und warum Nathan? Es gab einmal eine Zeit, als der König zitterte, wo er völlig überführt vor dem treuen Propheten stand und dieser ihn in der Kraft Gottes mit den Worten überführte: „Du bist der Mann“. Was für ein Wechsel hier! Kein demütiger König vor einem überführenden Propheten. Alle sind gleichermaßen überführt worden und so tiefgehend durchdrungen von dem Bewusstsein der eigenen Schuld, dass sie jeder für sich durch und durch das Bedürfnis empfinden, allein zu sein mit Gott. Es ist nicht nur echt sondern auch ein tiefes Werk, keine bloße Folge oder Gefühl oder Bedauern, hervorgerufen durch eine weinende Menge. Sie gehen allein, jeder für sich vor Gott, damit alles offenbar und klar wird. Sicher ist das auch ein Wort der Warnung im Blick auf die Gefahr unserer Tage durch Massen-Bewegungen und –Bekehrungen usw. Wir sagen das nicht, um jemandes Glauben wankend zu machen, sondern damit wir alle erkennen, wie bedeutsam es für die Seele ist, allein vor Gott zu stehen im Blick auf ihre Sünden. David und Nathan sind aber nicht das einzige Beispiel; wir haben noch zwei weitere Namen hier, die diese Szene vervollständigen: „Die Familie des Hauses Levi für sich und ihre Frauen für sich; die Familie der Simeiter für sich und ihre Frauen für sich“. Die Anmerkung gibt hier Simeon als Alternative für Simei, und die Septuaginta als die älteste Version hat das auch so. Sicher gibt es dazu wie auch zu vielen andern Dingen unterschiedliche Auffassungen. Dann ist es auch nichts Ungewöhnliches in der Heiligen Schrift, dass es zwei Namen für die gleiche Person gibt, z.B. Paulus und Saulus, Silas und Silvanus, Judas und Thaddäus. Aber wenn wir die Sichtweise der griechischen Übersetzer akzeptieren, dann werden wir hier an zwei Söhne Jakobs erinnert, die in ihrer frühesten Geschichte nur zu offensichtlich Gewalttäter waren. Rache hatte sie miteinander verbunden (1. Mo 34). Ohne Zweifel war der Fremde einer schrecklichen Sünde schuldig geworden, indem er ihre Schwester entehrt hatte; aber der Zorn ihrer Brüder war gewalttätig und ihre Rache so hinterlistig wie ungeheuerlich. Seine unwürdigen Söhne hatten dadurch Schande auf Jakob gebracht, dass sie sich in ihrer mörderischen Absicht unter dem Deckmatel der Religion vereinigt hatten. Jetzt aber hatten sie (das meint ihre Nachkommen, die in jenen Tagen leben werden) den Retter gefunden, bzw. der Retter hatte sie gefunden, und sie bekennen jeder für sich ihre eigenen Sünden. Tausende von Jahren waren seitdem vergangen; aber hier beugen die Nachfahren dieser zwei Väter Israels sich vor dem Herrn, der für sie gestorben ist. Wie immer es auch sei mit diesen beiden letzten Namen, die wahre Bedeutung des großen Versöhnungstages hier ist seine Anwendung auf Israel. Freuen wir uns darüber, dass Gott durch unseren gepriesenen Heiland seine Gnade selbst an seinem schuldigen Volk groß machen wird; Er hat es für dafür und noch für weitere große Absichten bewahrt. (W.Kelly: The Feasts of Jehovah, An Exposition of Leviticus XXIII)
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