In Christus gesegnet
Eine Auslegung zum Epheserbrief

Kapitel 1: Gottes Ratschluss

In Christus gesegnet

Gruß (Kap. 1,1–2)

Vers 1: Paulus, Apostel Christi Jesu durch Gottes Willen, den Heiligen und Treuen in Christus Jesus, die in Ephesus sind:1

Wenn Paulus sich am Anfang dieses Briefes „Apostel Christi Jesu“ nennt, dann stellt er sich damit als Sein Gesandter vor. Er hatte den Auftrag, von Ihm als dem verherrlichten Herrn im Himmel zu zeugen – anders als die übrigen Apostel, die vom Herrn Jesus auf der Erde berufen waren (auch nach Seiner Auferstehung; s. Mt 28,16–20) und daher einen anderen Aufgabenbereich hatten. Nicht Menschenwille, sondern der Wille Gottes war der Ursprung dieses Auftrags, wie er es ähnlich auch im Brief an die Galater schreibt (Gal 1,1).

Die Empfänger waren die „Heiligen und Treuen in Christus Jesus, die in Ephesus sind“. Sie waren nicht nur, was ihre Stellung anbetrifft, von Gott geheiligt. In diesem Sinn sind wir alle heilig; jedes Kind Gottes ist ein Heiliger. Deshalb finden wir dieses Wort so oft in den Briefen des Neuen Testaments (vgl. Verse 15. 18; Kap. 2,19; 3,8. 18; 4,12; 5,3; 6,18). Alle Kinder Gottes sind Heilige, weil sie aus der Welt herausgenommen und für Gott beiseite gesetzt sind. Das ist etwas Großes. Aber es gibt auch eine praktische Seite: „Wie der, der euch berufen hat, heilig ist, seid auch ihr heilig in allem Wandel“ (1. Pet 1,15). Das soll gesehen werden. Bei den Ephesern sah Gott, dass sie heilig und treu waren. In einigen Bibelübersetzungen steht „gläubig“ statt „treu“; so kann das griechische Wort auch übersetzt werden, obwohl die Bedeutungen sich im Deutschen sehr unterscheiden. Wenn jemand an den Herrn Jesus gläubig geworden ist und auf diesem Weg bleibt, dann erweist er sich als treu. Wenn er dagegen abirrt, ist er untreu. Wir sehen, dass die Epheser „Heilige und Treue“ waren. Ein ähnlicher Gruß gilt nur den Kolossern. Es war also ein großes ‚Kompliment' für die Epheser, dass Paulus ihnen das schreiben konnte.

Vers 2: Gnade euch und Friede von Gott, unserem Vater, und [dem] Herrn Jesus Christus!

Der Wunsch nach „Gnade und Frieden“ steht so oder ähnlich fast in jedem Brief, den der Apostel Paulus geschrieben hat. Er ist ein Beweis für das Interesse, das er für die Versammlungen hatte. Es geht hier nicht um die Gnade Gottes, die wir als Sünder nötig haben. Diese kannten die Gläubigen in Ephesus schon längst. Hier geht es um die Gnade in ihrem Glaubensleben. Ebenso ist es mit dem Frieden. Er wünschte ihnen nicht den Frieden mit Gott oder den Frieden des Gewissens, den sie schon längst besaßen. Es geht hier um den Frieden Gottes in ihren Herzen und den Frieden untereinander, in dem sie jeden Tag leben sollten. Wie schnell können uns im täglichen Leben die Gnade und auch der Frieden abhanden kommen! Deshalb dieser geistliche Wunsch des Apostels.

Gottes Segen (Kap. 1,3–14)

Nun beginnt der erste belehrende Abschnitt des Briefes, den man in drei Teile einteilen kann, die – wenn auch nicht ganz exakt – jeweils in dem Wort „Preis“ gipfeln (Verse 6, 12, 14).

  • In den Versen 3–8 sehen wir die Segnungen Gottes und den Weg dahin. Hier steht der Vater im Vordergrund.
  • In den Versen 9–10 wird uns der Herr Jesus Christus als Mittelpunkt vorgestellt.
  • In den Versen 11–14 wird von unserem Erbteil gesprochen und ebenfalls vom Weg dahin. Hier sehen wir in erster Linie den Heiligen Geist.

Der ganze Abschnitt besteht aus einem einzigen Satz, dessen Zusammenhang verloren ginge, wenn man ihn in lauter kleine Sätze einteilen würde.

Jemand hat zu diesem Brief geschrieben, dass wir kaum etwas davon begreifen können, wenn wir nicht geistlich gesinnt und in Gemeinschaft mit dem Vater sind, so dass nichts in unserem Leben ist, was uns von Ihm trennt, zum Beispiel schon Leichtfertigkeit der Gedanken. Man zittert davor, etwas über diesen wunderbaren Abschnitt niederzuschreiben, weil wir uns der Tatsache bewusst sind, wie schwach unser Verständnis und vor allem unsere Verwirklichung dessen sind, was der Heilige Geist hier hat niederschreiben lassen.

Vers 3: Gepriesen [sei] der Gott und Vater unsres Herrn Jesus Christus, der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen [Örtern] in Christus,

Hier wird uns, um es nochmals zu sagen, ein Blick in das Herz Gottes gestattet. Deshalb beginnt Paulus – wie könnte es anders sein – mit Anbetung: „Gepriesen sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus“. Es gibt nicht viele Briefe, die so beginnen (vgl. 2. Kor 1,3; 1. Pet 1,3). Fast alle fangen mit Dank an, nicht aber mit Anbetung wie hier. Paulus richtet seine Anbetung an Den, der sowohl der Gott unseres Herrn Jesus Christus ist, der als Mensch auf der Erde einmal ausrief: „Mein Gott, mein Gott, warum hast du mich verlassen?“, als auch der Vater des Sohnes, der in Gethsemane die Bitte aussprach: „Vater, wenn es möglich ist, so gehe dieser Kelch an mir vorüber“. Christus hat durch Seinen Tod und Seine Auferstehung alle, die an Ihn glauben, in die gleichen Beziehungen eingeführt, in denen Er selbst als Mensch zu Seinem Gott und Vater steht, wie Er es Maria Magdalene anvertraute: „Geh aber hin zu meinen Brüdern und sprich zu ihnen: Ich fahre auf zu meinem Vater und eurem Vater und meinem Gott und eurem Gott“ (Joh 20,17).

Dann folgt eine Mitteilung, deren Tragweite wir auf der Erde wohl nie voll und ganz erfassen können: „der uns gesegnet hat mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern in Christus“. Was Segen oder Segnungen sind, vermögen wir uns in etwa vorzustellen: etwas absolut Positives, etwas, was sich jeder Mensch wünscht, und um Menschen kann es nur gehen, denn Gott kann nicht gesegnet werden, wohl aber gepriesen. Die beiden Wörter sind im Griechischen identisch. Es kommt also auf den Standpunkt an, von dem aus gesprochen wird. Die Bedeutung des Verbs (griech. eulogeo) ist: etwas Gutes aussprechen. Wenn wir etwas Gutes über unseren Gott und Vater aussprechen, kann es im höchsten Fall Lobpreis und Anbetung sein. Wenn Gott jedoch etwas Gutes über uns ausspricht, ist es Segen.

Jeder Mensch möchte gern glücklich, voller Freude und gesegnet sein. Der Christ ist es. Hier steht nicht, dass Gott uns segnen wird, sondern dass Er uns gesegnet hat. Es ist also nicht etwas Zukünftiges, eine Hoffnung – was natürlich auch wahr ist, denn die Tiefe des Segens, den wir empfangen haben, wird sich für uns erst in der Zukunft beim Herrn vollständig erschließen. Aber das heißt nicht, dass es heute Dinge gibt, die wir im Prinzip noch nicht besitzen. Alle Kinder Gottes sind schon jetzt mit jeder geistlichen Segnung gesegnet. Was wir hier finden, ist für uns unvorstellbar, jedoch Grund zum Lob und zur Anbetung.

Es werden vier Dinge genannt:

  1. Wir sind gesegnet mit „jeder geistlichen Segnung“, das heißt, es fehlt nichts. Wie oft fühlen wir uns arm und elend. Paulus, der sich im Gefängnis befand und äußerlich nichts besaß, konnte sagen: „Ich habe alles“ (Phil 4,11–18). Er dachte nicht an die äußerlichen Dinge, mit denen wir so viel beschäftigt sind, sondern er sah den Segen Gottes. Welche Befriedigung, welche Dankbarkeit kann dies auch uns geben!
  2. Dann wird gesagt, dass es „jede geistliche Segnung“ ist. Wenn wir an das irdische Volk Gottes, Israel, denken, wissen wir, dass Gott ihm materielle Segnungen gegeben hat. Das war irdischer Reichtum. Wir sind leicht geneigt, dies heute auch als Segen zu betrachten. Doch im Neuen Testament finden wir nicht, dass äußerer Reichtum als Segen betrachtet wird. Reichtum wird nur in Verbindung mit unserer Verantwortung gesehen. Wir sollen treue Verwalter von allem sein, was der Herr uns in Seiner Gnade anvertraut hat. Das gilt sowohl für die geistlichen Dinge, von denen der Herr in einem Seiner Gleichnisse sagt, dass sie eigentlich das „Unsrige“ sind, während der Mammon, der irdische, materielle Besitz das „Fremde“ ist, das uns nur für kurze Zeit anvertraut ist (Lk 16,1–12). Hier werden uns jedoch geistliche Segnungen vorgestellt, keine materiellen, und wir werden noch sehen, was das bedeutet.
  3. Unsere Segnungen befinden sich „in den himmlischen [Örtern]“. Der Ausdruck „himmlische Örter“ kommt als eine Art Kernwort fünfmal im Epheserbrief vor (Kap. 1,3. 20; 2,6; 3,10; 6,12). Wörtlich steht nicht „in den himmlischen Örtern“ da, sondern nur „in den Himmlischen“, das heißt, hier wird uns im Gegensatz zum Irdischen das Himmlische vorgestellt und charakterisiert. Unsere Blicke werden von der Erde weg zum Himmel gelenkt. Dort sind unsere Segnungen und von dort kommen sie zu uns, denn wir besitzen sie ja schon hier auf der Erde, aber eben als etwas Himmlisches. Insofern sind die himmlischen Örter nicht etwas, in das wir uns erst hineinversetzen müssten, sondern sie sind sozusagen zu uns herabgekommen. Es handelt sich um die unsichtbare Welt Gottes, in der wir uns schon befinden, während wir noch hier auf der Erde sind. Das vielen bekannte alttestamentliche Bild davon ist das Land Kanaan. Es war der Bereich, den Gott für Sein irdisches Volk Israel vorgesehen hatte. Dazu hatte Er sie aus Ägypten, dem Bild der Welt, herausgenommen und sie durch die Wüste, das Bild der irdischen Umstände, in denen wir uns als Fremdlinge befinden, hindurchgeführt. Kanaan war der eigentliche Wohnbereich Israels, ein Bild von den himmlischen Örtern, dem eigentlichen Wohnbereich der Christen. Dort sind unsere Segnungen. Wenn wir keine Gemeinschaft mit Gott haben, interessieren wir uns nicht dafür. Wir sind dann so mit irdischen und weltlichen Dingen beschäftigt, dass uns diese Dinge, die uns den Blick in das liebevolle Vaterherz Gottes öffnen, gar nicht interessieren. Aber für den geistlichen Christen sind sie der eigentliche Inhalt des Lebens!
  4. In Christus“: Er ist der Mittelpunkt. Wir werden sehen, dass alles, was wir haben und sind, in dem Herrn Jesus Christus seinen Ursprung findet. Am Kreuz von Golgatha, das wir hier in Vers 7, in der Mitte unseres Abschnitts, finden, hat alles seinen Ursprung, weil es uns dadurch zuteil geworden ist. Christus ist das Zentrum der Ratschlüsse Gottes. In Ihm und durch Ihn wird Gott alle Seine Gedanken erfüllen, und alles, was Menschen durch den Glauben empfangen, hat seinen Ursprung in Ihm. Deshalb kommt der Titel Christus in diesem Brief so häufig vor, nämlich 46 Mal, davon 8 Mal „in Christus Jesus“, was auf unsere besondere Segensstellung hinweist. Hier handelt es sich um den Ursprung aller unserer Segnungen, aber später in diesem Brief werden wir darüber belehrt, dass wir so innig mit Christus verbunden sind, dass wir „in ihm“ gesehen werden (vgl. Vers 6. 11. 13; Kap. 2,6 usw.).

Beim weiteren Lesen des Briefes an die Epheser finden wir viele dieser Segnungen, die uns mit tiefer Dankbarkeit und Anbetung erfüllen:

  1. Aus Geschöpfen, die in Sünde und Finsternis waren, sind geliebte Kinder Gottes geworden, die „heilig und tadellos vor ihm in Liebe“ stehen, das heißt, sittlich Seinem Wesen entsprechen (Kap. 1,4; 5,1).
  2. An die Stelle des alten Menschen ist der neue Mensch getreten, „der nach Gott geschaffen ist in wahrhaftiger Gerechtigkeit und Heiligkeit“ (Kap. 4,24).
  3. Wir sind zuvorbestimmt zur Sohnschaft für Gott selbst durch Jesus Christus (Kap. 1,5).
  4. Wir sind versiegelt worden mit dem Heiligen Geist, der zugleich das Unterpfand unseres Erbes und unser Leiter und unsere Kraftquelle ist (Kap. 1,13.14; 2,16; 3,16).
  5. Wir haben im Herrn Jesus „den Zugang durch einen Geist zu dem Vater“ (Kap. 2,18; 3,12).
  6. Wir stehen nicht als zerstreute Kinder Gottes da, sondern sind „wohl zusammengefügt“ zum Haus Gottes und zum Leib Christi (Kap. 2,21.22; 4,4. 16) und bilden gemeinsam die Braut Christi (Kap. 5,25–33).
  7. Durch Glauben dürfen wir bereits jetzt „mitsitzen in den himmlischen Örtern in Christus Jesus“; Sein Platz in der Herrlichkeit ist auch unser Platz (Kap. 2,6)!

Vers 4: Wie er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung [der] Welt, dass wir heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe;

Den Ursprung von allem sehen wir in den folgenden Versen, wo wir zwei Dinge finden, einerseits einige dieser Segnungen, in der Hauptsache jedoch das, was notwendig war, damit wir sie empfangen konnten. Oft werden diese Verse so aufgefasst, als ob sie die Segnungen beschrieben. Aber das ist nur teilweise der Fall. In der Hauptsache werden uns die Schritte oder Vorbedingungen aufgezeigt, die notwendig waren, damit wir überhaupt Empfänger dieser geistlichen und himmlischen Segnungen werden konnten, die Gott in Seinem Herzen hatte. Wir finden in diesem Abschnitt drei wichtige Punkte, die uns sowohl die Segnungen als auch den Weg dahin zeigen. In Vers 4 heißt es: „wie er uns auserwählt hat in ihm vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe“.

Hier vertieft sich unser Blick in das Herz Gottes. Was wir als Christen empfangen haben, ist nicht nur das Ergebnis der Barmherzigkeit Gottes mit den Menschen, sondern es hat seinen Ursprung in der Ewigkeit vor Grundlegung der Welt, das heißt, bevor der Grundstein der Schöpfung gelegt oder irgendetwas erschaffen wurde. Das Wort „wie“ zeigt, dass es sich nicht um eine erklärende Ergänzung des vorigen Satzes handelt, sondern um eine parallele Aussage. Wir sind gesegnet, aber nicht dadurch, dass wir auserwählt sind, sondern unsere Segnungen sind in voller Übereinstimmung mit allem, was Gott mit uns getan hat.

Auserwählt

Das Erste, was Er tun musste, um uns diese Segnungen schenken zu können, war uns dafür zuzubereiten. Deshalb hat Er uns vor Grundlegung der Welt auserwählt in Christus (Vers 4). Dreimal finden wir im Wort Gottes den Ausdruck „vor Grundlegung der Welt“. In Johannes 17,24 sagt der Herr Jesus in Seinem Gebet zum Vater: „Du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt“. Da sehen wir die Liebe des Vaters zum Sohn in der Ewigkeit, in Epheser 1,4 dagegen, dass wir in dem Sohn auserwählt worden sind. Welche Freude, welches Wohlgefallen hat Gott, der Vater, an Seinem Sohn, dass Er Geschöpfe, die noch gar nicht existierten, durch diesen „Kanal“ zuvorerkannt und auserwählt hat! Das lässt sich nur dadurch erklären, dass die Freude, die Er an dem Sohn hat, in erlösten Geschöpfen ihr Echo finden soll. Hier ist nicht die Rede von dem, was wir brauchen, sondern von dem, was Gott wollte. In 1. Petrus 1,20 kommt der Ausdruck „vor Grundlegung der Welt“ zum dritten Mal vor. Hier sehen wir den geliebten Sohn des Vaters, in dem wir auserwählt sind, als das zuvorerkannte Lamm Gottes ohne Fehl und ohne Flecken, durch dessen Blut wir erlöst sind.2

Der eingeborene Sohn im Schoß des Vaters war zwar von Ihm als das Lamm zuvorerkannt, das Ihn durch das Sühnungswerk vollkommen verherrlichen und Sein Blut als Preis unserer Erlösung geben sollte. Aber beachten wir: Er wurde nicht auserwählt, denn wer anders als Er hätte den Ratschluss und Vorsatz des Vaters erfüllen können? Als Mensch auf der Erde wurde Er jedoch bereits im Alten Testament als der Auserwählte Gottes angekündigt: „Siehe, mein Knecht, den ich stütze, mein Auserwählter, an welchem meine Seele Wohlgefallen hat“ (Jes 42,1; vgl. Mt 12,18; Lk 23,35; 1. Pet 2,4.6). Er war von allen Menschen seit Adam der Einzige, dessen ganzes Leben eine einzige Verherrlichung Gottes war, der von den Menschen verworfene, bei Gott aber auserwählte und kostbare lebendige Stein.

Mit der Vorkenntnis Gottes ist jedoch die Auserwählung aller derer verbunden, die einmal vereint mit dem Herrn Jesus, ihrem Erlöser und Herrn, in der Herrlichkeit ewige Freude in Gemeinschaft mit Gott, dem Vater, genießen werden. Denn wie Petrus gleich zu Anfang seines ersten Briefes schreibt, geschah unsere Auserwählung „nach Vorkenntnis Gottes“.

Gott hatte auch die Patriarchen Abraham, Isaak und Jakob sowie das irdische Volk Israel auserwählt. Diese Auserwählung bezog sich auf ihr Verhältnis zu den anderen Völkern der Erde (vgl. 5. Mo 7,6–8; Jes 43,20; Apg 13,17). Ebenso wird der zukünftige gläubige Überrest Israels aus den Auserwählten des irdischen Gottesvolkes bestehen, die die Segnungen des Tausendjährigen Reiches auf der Erde genießen werden (Mt 24,22. 24. 31). Die Bibel spricht sogar von auserwählten Engeln, die im Gegensatz zu denen gesehen werden, die sich gegen Gott empört haben (1. Tim 5,21).

Doch im Brief an die Epheser, der die persönlichen und gemeinsamen Segnungen derer, die an den Herrn Jesus glauben, beschreibt, wird uns mitgeteilt, dass wir bereits vor Grundlegung der Welt auserwählt sind. Die herrliche Darstellung am Anfang des Epheserbriefes beginnt mit einem Lobpreis Gottes, des Vaters, der uns in Christus mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern gesegnet hat. In Ihm, den der Vater vor Grundlegung der Welt liebte und als Opferlamm zuvorerkannte, sind wir vor Grundlegung der Welt auserwählt. Unsere Segnungen sind also nicht nur das Ergebnis der Barmherzigkeit Gottes gegenüber verlorenen Sündern, sondern beruhen auf einem Beschluss, den Er bereits gefasst hatte, ehe die Welt existierte und ehe einer von uns geboren war oder eine einzige Sünde begangen hatte. Er hat uns dazu auserwählt, in vollkommener Übereinstimmung mit Seinem Wesen, das Licht und Liebe ist, ewig bei Ihm zu sein. Ursprung und Ziel dieser göttlichen Auserwählung liegen also außerhalb der Schöpfung. Unsere ewige Auserwählung in Verbindung mit Christus steht also in einem gewissen Gegensatz zur Auserwählung des irdischen Volkes Gottes für diese Erde. Das Tausendjährige Reich, in dem Israel als Volk die hervorragende Rolle spielen wird, ist „bereitet von Grundlegung der Welt an“ (Mt 25,34), während wir auserwählt sind „vor Grundlegung der Welt“.

Die Auserwählung hat nicht nur für die Ewigkeit Bedeutung, sondern ist bereits in der Gegenwart eine große Ermunterung, was wir zum Beispiel daran erkennen können, dass Gläubige in Gottes Wort als „Auserwählte“ oder „Miterwählte“ bezeichnet werden (Röm 16,13; 1. Pet 5,13). Paulus erinnert Titus daran, dass die Auserwählten Gottes einen wunderbaren Glauben besitzen (Tit 1,1), und die Römer ermuntert er mit dem Zuruf: „Wer wird gegen Gottes Auserwählte Anklage erheben?“ (Röm 8,33).

Wer sind nun diejenigen, die Gott auserwählt hat? Nach Jakobus 2,5 sind es die weltlich Armen, die in der Welt verachtet sind, und nach 1. Korinther 1,26–29 ist es das Törichte, das Schwache, das Unedle und das Verachtete der Welt. Das heißt natürlich nicht, dass es nicht auch andere Fälle gäbe. Aber diese Aussagen des Wortes Gottes machen es doch sehr deutlich, dass nicht die Eigenschaften oder Fähigkeiten der Auserwählten zu ihrer Annahme bei Gott führten, sondern dass es einzig und allein Seine unumschränkte souveräne Gnade war, die sie dazu auserwählt hat, in alle Ewigkeit heilig und tadellos vor Ihm in Liebe zu sein.

Dadurch, dass man weitergeht, als Gottes Wort es zulässt, werden die Vorkenntnis, die Auserwählung und die Vorbestimmung manchmal in einen falschen Zusammenhang gestellt. Wir dürfen jedoch nicht über das, was Gottes Wort uns offenbart, hinausgehen. Darin finden wir zwar wunderbare Aussagen über die ewigen Gedanken Gottes bezüglich derjenigen, die einmal bei Ihm in der Herrlichkeit sein werden, aber keine einzige Stelle über eine ewige Vorbestimmung anderer Menschen zur Verdammnis! Alle, die verloren gehen, werden ihre gerechte Strafe für ihre Sünden empfangen, jedoch nicht auf Grund einer Vorbestimmung Gottes (vgl. Off 20, 11–15). Von denen, die verloren gehen, wird in Römer 9,22 und 23 gesagt, dass sie zubereitet sind zum Verderben, von denen, die errettet werden jedoch, dass Gott sie als Gefäße der Begnadigung zur Herrlichkeit zuvorbereitet hat.

Für den Verstand des natürlichen Menschen scheint hierin ein Widerspruch zu liegen, mit dem er sich nicht abfinden kann. Doch für den Glauben gibt Gottes Wort in Jesaja 55,8. 9 eine einfache Antwort: „Denn meine Gedanken sind nicht eure Gedanken, und eure Wege sind nicht meine Wege, spricht der Herr. Denn wie der Himmel höher ist als die Erde, so sind meine Wege höher als eure Wege und meine Gedanken als eure Gedanken.“ Die Weisheit Gottes steht unendlich hoch über unserer schwachen Erkenntnis. Doch gibt Er uns in Seinem Wort Einblicke in Seinen Ratschluss, den Er in der Ewigkeit vor Erschaffung der Welt bezüglich derer, die Er einmal erlösen wollte, gefasst hat. Wenn wir uns damit beschäftigen, werden wir mit dem Apostel Paulus zu dem Schluss kommen: „O Tiefe des Reichtums, sowohl der Weisheit als auch der Erkenntnis Gottes! Wie unerforschlich sind seine Gerichte und unergründlich seine Wege! Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt oder wer ist sein Mitberater gewesen? Oder wer hat ihm zuvor gegeben, und es wird ihm vergolten werden? Denn von ihm und durch ihn und für ihn sind alle Dinge; ihm sei die Herrlichkeit in Ewigkeit! Amen.“ (Röm 11,33–36).

„Heilig und untadelig in Liebe“

Jetzt wird uns eine wunderbare Segnung mitgeteilt: „dass wir heilig und untadelig seien vor ihm in Liebe“. Dies war das Ziel der göttlichen Auserwählung. Wenn die Auserwählung uns einen der Schritte zum göttlichen Segen zeigt, sehen wir in den Worten „heilig und untadelig vor ihm in Liebe“ einen Teil dieses Segens, der uns zuteil geworden ist. Wir sind für Gott beiseite gesetzt und ohne Flecken, und zwar nicht erst im Himmel, sondern jetzt schon. In Vollkommenheit trifft dies nur auf Gott selbst zu. Es sind Wesenszüge Gottes, der zu rein von Augen ist, um Böses zu sehen, der aber auch Liebe ist (Hab 1,13; vgl. 1. Joh 1,5; 4,8. 16). Wenn diese Züge bei uns gesehen werden, ist also die Natur Gottes in uns. Es gibt viele Stellen, die davon sprechen. Johannes sagt, dass wir aus Gott geboren sind, und Petrus, dass wir praktisch der göttlichen Natur teilhaftig werden (Joh 1,13; 2. Pet 1,4). Darin kommt unser Kindschaftsverhältnis zu Gott zum Ausdruck. Die auf jeden Gläubigen zutreffenden Worte „heilig und untadelig in Liebe“ enthalten eine geistliche, himmlische Segnung, die wir nicht ergründen können. Wir können nur staunend anbeten, dass es im Herzen Gottes war, ehemalige Sünder und Feinde Gottes in einer solchen Weise umzugestalten.

Vers 5: Und uns zuvorbestimmt hat zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst, nach dem Wohlgefallen seines Willens,

Doch sind wir nicht nur Kinder Gottes, sondern auch Söhne des Vaters (vgl. die Worte „Gott und Vater“ in Vers 3). Der ewige Ratschluss Gottes besteht nicht nur in Seiner Vorkenntnis und Auserwählung derer, die an Seinen Sohn glauben, sondern er umfasst auch ihre Vorbestimmung zu einem wunderbaren, ewigen Teil.

Wozu sind wir, die Gläubigen der jetzigen Zeit, nun von Gott zuvorbestimmt? Nicht zur Vergebung der Sünden und nicht zur Errettung vom ewigen Gericht. So groß und herrlich dies an sich bereits ist, ist es doch nichts anderes als die Vorbedingung zu unserem wirklichen ewigen Teil, das der Apostel Paulus uns hier erklärt. Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus hat uns „zuvorbestimmt zur Sohnschaft durch Jesus Christus für sich selbst, nach dem Wohlgefallen seines Willens“ (vgl. Röm 8,29). Ganz einfach ausgedrückt besagen diese gewaltigen Worte nichts Geringeres, als dass Gott solch ein Wohlgefallen an Seinem geliebten Sohn hat, dass Er Sein Haus, das Vaterhaus im Himmel, für alle Ewigkeit mit Erlösten füllen möchte, die Ihm gleichen! Der ewige Sohn im Schoß des Vaters ist das Vorbild für diese ‚Stellung von Söhnen', wie das Wort Sohnschaft auch wiedergegeben werden kann. Was für eine anbetungswürdige Gnade ist unwürdigen, verlorenen Sündern doch dadurch zuteil geworden!

Aber in Wirklichkeit geht es dabei nicht nur um uns, sondern um Gott, der uns „durch Jesus Christus für sich selbst“ zur Sohnschaft zuvorbestimmt hat. Wie wenig denken wir daran, dass Gott aus uns etwas für sich gemacht hat, woran Er Seine Freude hat. Alles hat jedoch sein Zentrum in dem Herrn Jesus.

Vers 6: Zum Preise [der] Herrlichkeit seiner Gnade, womit er uns begnadigt hat in dem Geliebten,

Gott steht hier vor uns als Derjenige, der als Einziger immer in vollkommener Übereinstimmung mit dem „Wohlgefallen seines Willens“ handeln kann und handelt (Vers 5). Der Ursprung Seines Tuns mit uns ist also nicht unsere Not, unsere Sünde, sondern Sein ewiger Wille, der die absolute Autorität ist. Alles, was hier beschrieben wird, hat Er nach dem Wohlgefallen, der Freude Seines Willens getan, und zwar mit dem Ziel, die „Herrlichkeit seiner Gnade“ herauszustellen. Die Gnade ist die besondere Form der Liebe Gottes zu solchen, die sie nicht verdient haben. Damit wird auch der Blick auf uns als deren Gegenstände gerichtet. Die „Herrlichkeit Seiner Gnade“ weist uns dabei auf die unermessliche Größe des Ratschlusses Gottes hin, der sich in Gnade verherrlichen, das heißt, alle Seine herrlichen Wesenszüge darin offenbaren wollte.

Wir sind „begnadigt [oder: angenehm gemacht] in dem Geliebten“, dem Herrn Jesus, dem Geliebten Seines Gottes und Vaters. Was für ein wunderbares Blickfeld tut sich da vor uns auf! Viele Menschen – sogar Gläubige – stellen sich Gott nur als unerbittlichen, strengen und strafenden Richter vor, der uns verdammen muss, vor dem der Herr Jesus uns jedoch in Seiner Gnade gerettet hat, indem Er am Kreuz für uns als Mittler eingetreten ist. Hier haben wir jedoch die wahre Darstellung von Gott: Er selbst ist es, der den Sohn Seiner Liebe als Mittler zu uns Sündern herabgesandt hat, um uns in Ihm zu begnadigen (vgl. Kol 1,13; 1. Tim 2,5)! Derjenige, der uns auf Grund Seiner Heiligkeit und Gerechtigkeit für ewig hätte bestrafen müssen, ist Derselbe, der in Seinem Erbarmen den geliebten Sohn für uns hingegeben und uns in Ihm begnadigt hat. Das Ausmaß unserer Begnadigung kommt einerseits in dem Zusatz „in dem Geliebten“, andererseits aber in dem Verb selbst zum Ausdruck, das auch den Gedanken enthält, dass wir ‚angenehm gemacht' sind. Gott hat uns nicht nur Seine unermessliche und unverdiente Gnade erwiesen, sondern kann uns jetzt „in dem Geliebten“ mit göttlichem Wohlgefallen betrachten. Wenn Er uns sieht, sieht Er zunächst Seinen Sohn! Alles, was wir geworden sind und besitzen, haben wir „in dem Geliebten“.

Vers 7: In dem wir die Erlösung haben durch sein Blut, die Vergebung der Vergehungen, nach dem Reichtum seiner Gnade,

Nun kommen wir zum Mittelpunkt des Abschnitts. Nur hier wird etwas darüber gesagt, was wir nötig hatten. Im Brief an die Römer werden in den ersten Kapiteln ausführlich unsere eigene Not und unser Zustand des Verlorenseins beschrieben. Wenn, wie wir schon mehrfach gesehen haben, der Brief an die Epheser uns in erster Linie Gottes Seite vorstellt, bei der Christus das Zentrum ist, so ist es doch erforderlich, dass wir darüber hinaus an unsere Erlösungsbedürftigkeit erinnert werden. In Christus und durch Sein Blut haben wir die Erlösung empfangen. Erlösung (griech. apolytrosis) bedeutet ursprünglich ‚Freikauf durch Zahlung eines Lösegeldes'. Das ‚Lösegeld' für uns (griech. lytron, vgl. Mt 20,28) hat der Herr Jesus bezahlt. Der Opfertod des geliebten Sohnes des Vaters, der am Kreuz von Golgatha Sein Leben hingeben und Sein Blut fließen lassen musste, war notwendig, damit wir erlöst werden konnten. Die Vergebung der Vergehungen ist ein Teil des Werkes des Herrn Jesus. Doch sie steht hier als einziges Kennzeichen der Erlösung vor uns, die an sich ja viel weiter geht (vgl. Vers 14). Welch ein Preis ist das Blut Christi! Wie viel wird im Neuen Testament vom Blut des Herrn Jesus gesagt! Es ist das kostbare Blut des Lammes ohne Fehl und ohne Flecken (1. Pet 1,19), in dem wir von unseren Sünden gewaschen sind (Off 1,5), und durch das wir auch erlöst, das heißt, freigekauft sind aus der Gefangenschaft Satans, und durch das wir Gott nahe gebracht worden sind (Eph 2,13). Lasst uns dankbar sein für das, was Er für uns getan hat!

Gottes Tun mit uns entspricht dem „Reichtum seiner Gnade“ und weist uns auf die unermessliche Fülle der Seiner Gnade zu unserer Segnung hin. Die „Herrlichkeit seiner Gnade“, die in Vers 6 genannt wird, lenkt unseren Blick auf Ihn als den Ursprung der Gnade, und führt zur Anbetung, denn es heißt dort ja: „zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade“. Der „Reichtum seiner Gnade“ dagegen zeigt uns das ganze Ausmaß der göttlichen Gnade zu unseren Gunsten und macht uns dankbar.

Vers 8: Die er gegen uns hat überströmen lassen in aller Weisheit und Einsicht,

Damit wir den ganzen Reichtum Seiner Gnade erfassen können, die Er gegen uns hat überströmen lassen, hat Er uns gleichzeitig oder in Verbindung damit alle Weisheit und Einsicht geschenkt, denn bei der Beschäftigung mit diesen Dingen ist Verständnis notwendig. Es geht hier also nicht um Gottes Weisheit und Einsicht, sondern um unser Verständnis Seiner Gnade und Seines Tuns. Ein wenig später erbittet Paulus für die Gläubigen in Ephesus die Gabe des Geistes der Weisheit und Offenbarung in der Erkenntnis Gottes (Vers 17), und in Kolosser 1,9 betet er, dass die Gläubigen „mit der Erkenntnis seines Willens in aller Weisheit und geistlicher Einsicht“ erfüllt sein möchten.

Verse 9 und 10: Indem er uns kundgetan hat das Geheimnis seines Willens, nach seinem Wohlgefallen, das er sich vorgesetzt hat in sich selbst für [die] Verwaltung der Fülle der Zeiten: alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus, das, [was] in den Himmeln und das, [was] auf der Erde [ist], in ihm,

Hier wird unser Blick auf die Erde gerichtet. Bisher waren wir mit himmlischen Dingen beschäftigt, aber Gott hat auch ein Ziel mit der Erde, wobei der Herr Jesus ebenfalls im Mittelpunkt steht. Christus wird im Tausendjährigen Reich Himmel und Erde miteinander verbinden durch Seine Herrschaft über alle Werke Seiner Hände. Er wird dann das Haupt über alles sein. Diese Tatsache ist bereits im Alten Testament offenbart. In Psalm 2 heißt es in Vers 7: „Vom Beschluss will ich erzählen: Der Herr hat zu mir gesprochen: Du bist mein Sohn, heute habe ich dich gezeugt“ – das ist der Herr Jesus als Mensch auf der Erde. Dann folgen die an Ihn gerichteten Worte Gottes: „Fordere von mir und ich will dir zum Erbteil geben die Nationen, und zum Besitztum die Enden der Erde. Mit eisernem Zepter wirst du sie zerschmettern...“ Warum ist das so wichtig? Weil Gott auch in dieser Hinsicht gerecht ist und es nicht dabei belassen wird, dass Sein Sohn auf der Erde nur verachtet und verworfen war, so wie Er es heute noch ist. Die Weltgeschichte wird damit enden, dass Christus tausend Jahre als absoluter Herrscher in Frieden und Gerechtigkeit regieren und auch als solcher akzeptiert werden wird. Darum geht es an dieser Stelle. Welch ein vollkommenes Gleichgewicht herrscht im Ratschluss Gottes sowohl bezüglich der Zeit als auch der Ewigkeit!

Doch wenn dies bereits im Alten Testament bekannt war, wie kann es dann hier als Geheimnis bezeichnet werden? In Psalm 2 haben wir von den Nationen und den Enden der Erde gelesen. In Psalm 8, wo wir den Herrn Jesus als Sohn des Menschen sehen, wird von allen Werken Seiner Hände gesprochen. Aber in Epheser 1,10 ist nicht nur von den Dingen auf der Erde, sondern auch von denen in den Himmeln die Rede. Das finden wir im Alten Testament noch nicht ausdrücklich. Doch das Wesentliche ist, dass die Versammlung Gottes, die aus allen wahren Gläubigen besteht und der Leib Christi ist, die Fülle dessen, der selbst alles in allem erfüllt (Vers 23), mit dem König verbunden sein wird. Das wurde noch nicht im Alten Testament offenbart, sondern erst im Neuen Testament. Der Herr Jesus wird nicht allein, sondern in Gemeinschaft mit Seinen Heiligen herrschen. Das ist das Geheimnis, das in der Zeit des Alten Testaments noch verborgen, jetzt aber offenbart ist.

Es handelt sich bei diesem Geheimnis um „die Verwaltung der Fülle der Zeiten“ (Vers 10). Die Ewigkeit wird nie die „Fülle der Zeiten“ genannt. Es ist die letzte Zeit, die alle anderen Zeiten zusammenfasst und beendet, das Tausendjährige Reich. Die Herrschaft Christi ist die „Verwaltung der Fülle der Zeiten“. Dann wird alles unter ein Haupt zusammengebracht oder durch ein Haupt zum Abschluss gebracht werden – eigentlich „behauptet“, ein Verb, das es im Deutschen gar nicht gibt – in Christus: Er wird an oberster Stelle stehen und das Haupt sein über alles, was in den Himmeln und auf der Erde ist. An anderen Stellen wird auch das, was „unter der Erde ist“, erwähnt (vgl. Phil 2,10), hier jedoch nicht, weil es hier um den Segen geht.

Das Erbteil

Mit Vers 11 beginnt der dritte Teil dieses Abschnitts, in dem uns gezeigt wird, dass wir neben den ewigen auch zeitliche Segnungen besitzen, die ebenfalls ihren Ursprung in Christus haben.

Vers 11: In dem wir auch ein Erbteil erlangt haben, die wir zuvorbestimmt sind nach [dem] Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Rat seines Willens,

In dem verherrlichten Christus haben wir ein „Erbteil erlangt“ [oder: „sind wir zu Erben gemacht“]. Dieses Erbteil hängt mit dem Tausendjährigen Reich zusammen. Der Herr Jesus ist der Erbe aller Dinge, die Er als ewiger Sohn und Schöpfer besaß, auf die Er aber als Mensch durch Seinen Tod und Seine Auferstehung das Anrecht erworben hat (vgl. Heb 1,2). Gott hat sie Ihm, der sich bei Seiner Menschwerdung aller Seiner Herrlichkeit entäußerte und sich zu nichts machte, als Mensch gleichsam zurückgegeben (vgl. Phil 2,6–11). Im Tausendjährigen Reich wird Christus dieses Anrecht zur Ausübung bringen. Nicht nur an Seiner Stellung im Himmel, sondern auch der bezüglich der Erde haben wir Anteil. Deshalb wird hier nicht von dem Erbteil des Herrn Jesus gesprochen, obwohl dies so ist, sondern davon, dass wir ein Erbteil in Ihm empfangen haben (vgl. z. B. Röm 8,17). Außer zur in Vers 5 erwähnten Sohnschaft sind wir auch hierzu „zuvorbestimmt nach dem Vorsatz dessen, der alles wirkt nach dem Rat seines Willens“.

Vers 12: Damit wir zum Preise seiner Herrlichkeit seien, die wir zuvor auf den Christus gehofft haben;

An diesem Punkt macht Paulus nun einen Unterschied zwischen den ehemaligen Juden und den Nationen. Alle Gläubigen sind gleichermaßen gesegnet und sollen zum Lob der Herrlichkeit Gottes sein, aber nur von Angehörigen des alttestamentlichen Volkes Gottes konnte gesagt werden, dass sie „zuvor auf den Christus gehofft“ hatten. Die Nationen hatten nicht auf Ihn gehofft, sie waren ohne Gott und ohne Hoffnung in der Welt (Kap. 2,12). Aber alle Juden hofften und hoffen auf den Gesalbten (hebr. Maschiach, gräzisiert Messias, griech. Christus). Der treue Überrest wartete jedoch nicht nur auf Erlösung, sondern nahm den von der Masse des jüdischen Volkes verworfenen Erlöser auch an, und dazu konnte Paulus sich zählen. Die Übrigen sind von Gott verhärtet worden, bis in der Endzeit eine erneute Erwartung der Erscheinung des einst verworfenen Christus unter den Juden aufkommen wird (Röm 11,7. 25. 26).

Vers 13: In dem auch ihr, nachdem ihr gehört habt das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils – in dem ihr auch, nachdem ihr geglaubt habt, versiegelt worden seid mit dem Heiligen Geist der Verheißung,

Von dem Augenblick, als der Herr Jesus gekommen war und Sein Evangelium verkündigt wurde, konnten jedoch auch die Nationen daran teilhaben. In Vers 13, wo jetzt auch die Gläubigen aus den Nationen angesprochen werden, werden uns die drei Schritte gezeigt, die zur Errettung der Seele führen:

  1. „Nachdem ihr gehört habt das Wort der Wahrheit, das Evangelium eures Heils“. Das „Wort der Wahrheit“ zeigt uns die Seite Gottes. Sein Wort ist die Wahrheit (Joh 17,17). Nur die Bibel enthält die Wahrheit über Gott und Seine Gedanken, über den Zustand des verlorenen Menschen und den einzigen Weg zur Errettung. Das „Evangelium eures Heils“ ist die uns zugekehrte Seite. Die gute Botschaft, durch die der Mensch errettet wird, wird seit nahezu zweitausend Jahren in der Welt verkündigt. Viele haben sie gehört; doch das Hören allein hilft nicht.
  2. „Nachdem ihr geglaubt habt“. Der Glaube ist notwendig. Er ist der einzige Weg zur Annahme des Wortes der Wahrheit, des Evangeliums unseres Heils. Paulus sagte dem Kerkermeister in Philippi: „Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst errettet werden“ (Apg 16,31). Es ist so einfach. Man sagt oft: Ich kann nicht glauben, meint aber in Wirklichkeit: Ich will nicht glauben. Kein Mensch kann sagen: Ich kann nicht glauben. Wenn Gott will, dass alle Menschen errettet werden, kann der Mensch nicht sagen: Ich kann es nicht. Gott erwartet nichts Unmögliches von Seinen Geschöpfen.
  3. „In dem ihr auch, nachdem ihr geglaubt habt, versiegelt worden seid mit dem Heiligen Geist der Verheißung“. Jeder, der das Wort der Wahrheit, das Evangelium des Heils, geglaubt hat, wird danach mit dem Heiligen Geist versiegelt (vgl. Kap. 4,30; 2. Kor 1,22). Es ist Gottes ‚Stempel' oder ‚Eigentumsvermerk' auf dem Gläubigen: Du bist mein! Da der Herr Jesus Seinen Jüngern das nahe Kommen des Heiligen Geistes angekündigt hat, wird Er der Heilige Geist der Verheißung genannt (Lk 24,49; Joh 14,16ff.; Apg 1,4. 5).

Vers 14: Der [das] Unterpfand unseres Erbes ist, zur Erlösung des erworbenen Besitzes, zum Preise seiner Herrlichkeit.

Aber Er ist noch mehr als das, nämlich auch ein Unterpfand. Dieses Wort bedeutet eigentlich nicht ‚Pfand, Gegenwert', sondern ‚Anzahlung, Angeld'. Das heißt, es ist zwar ein wesentlicher Teil, aber eben noch nicht alles, was wir empfangen werden. Die geistlichen Segnungen besitzen wir bereits, aber unser Platz in Verbindung mit dem Herrn Jesus und unser Erbe im Tausendjährigen Reich stehen noch aus. Dazu muss erst der „Tag der Erlösung“ kommen (vgl. Kap. 4,30).3 Deshalb wird uns hier gesagt, dass der Heilige Geist das Angeld ist, denn durch Ihn können wir auch die Freude an der zukünftigen Herrlichkeit bereits jetzt genießen. Erst in dem Augenblick, wo der Herr Jesus zur Entrückung der Seinen kommen wird, werden wir nach Leib, Seele und Geist dazu befähigt sein, den uns durch Ihn so teuer „erworbenen Besitz“ in der Herrlichkeit des Himmels vollkommen zu kennen und zu genießen. Alles wird ewig „zum Preise seiner Herrlichkeit“ sein.

Zum dritten Mal steht hier das Wort „Herrlichkeit“. In Vers 6 dient das Handeln Gottes „zum Preise der Herrlichkeit seiner Gnade“, in Vers 12 sollen die erretteten Sünder zum „Preise seiner Herrlichkeit“ sein, und hier führen schließlich alle Ergebnisse des Erlösungswerkes Christi „zum Preise seiner Herrlichkeit“. Möchten wir schon jetzt mehr und mehr die Liebe und Größe unseres Gottes und Vaters sehen, die sich in der Person und dem Werk Seines Sohnes, unseres geliebten Herrn, zu unserem unermesslichen und unergründlichen Segen offenbart hat, und dadurch zu vermehrter Anbetung geführt werden!

Der Reichtum der Christen (Kap. 1,15–23)

Dieser Abschnitt wird oft als erstes Gebet des Apostels in diesem Brief bezeichnet; ein zweites finden wir in Kapitel 3,14–21. Natürlich handelt es sich in beiden Fällen nicht um buchstäbliche Gebete, sondern, wie Paulus hier sagt, betet er unaufhörlich für die Gläubigen in Ephesus und gibt den Inhalt beziehungsweise die Gedanken seiner wiederholten Gebete für sie wieder.

Vers 15: Weshalb auch ich, nachdem ich gehört habe von dem Glauben an den Herrn Jesus, [der] in euch [ist], und von der Liebe, die [ihr] zu allen Heiligen [habt],

Der enge Zusammenhang mit dem vorigen Abschnitt geht aus dem einleitenden Bindewort „weshalb“ hervor. Aufgrund all der wunderbaren Dinge, die den Ephesern und auch uns geschenkt worden sind, hörte der Apostel nicht auf, dafür zu beten, dass sie auch ihr geistlicher Besitz würden.

Obwohl er sich im Gefängnis in Rom befand, war seine Verbindung zu den Gläubigen in Kleinasien, die ja Hunderte von Kilometern von ihm entfernt waren, nicht abgerissen. Er hatte gehört „von dem Glauben an den Herrn Jesus, der in euch ist, und von der Liebe, die ihr zu allen Heiligen habt“. Dieses schöne Zeugnis stellt er auch den Kolossern und dem Bruder Philemon aus (Kol 1,4; Phlm 5). Der Glaube ist hier nicht der errettende Glaube an den Herrn Jesus als Heiland. Hier geht es darum, dass das Leben der Gläubigen von diesem Glauben an den Herrn Jesus (eigentlich: in dem Herrn Jesus) gekennzeichnet ist und dadurch das rechte Zentrum und die richtige Kraftquelle besitzt. Das äußerte sich bei den Ephesern darin, dass es in ihrem Leben einen Kreis gab, in dem sie sich aufhielten, nämlich die Heiligen, das heißt alle Gläubigen (s. Vers 1). Die Epheser liebten alle Kinder Gottes. Das hatte Paulus gehört, und es war für ihn etwas Großes, zu wissen, dass die Epheser in ihrem Glaubensleben das rechte Zentrum und die rechte Gemeinschaft kannten. Wie steht es damit bei uns?

Vers 16: Nicht aufhöre, für euch zu danken, [euch] erwähnend in meinen Gebeten,

Der Glaube an den Herrn Jesus und die Liebe zu allen Heiligen sind sozusagen die Grundlagen und Charakteristika des christlichen Lebens. Paulus gehörte wie Philemon zu den Gläubigen, die gern alles Gute anerkannten, das sie bei ihren Geschwistern erkennen konnten (Phlm 6), und dankt Gott deshalb für die Epheser und ihren guten geistlichen Zustand. Aber um die Gedanken Gottes in ihrer ganzen Tiefe verstehen zu können, ist mehr nötig. Deshalb hört er nicht auf, für sie zu danken und sie in seinen Gebeten zu erwähnen.

Vers 17: Damit der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch gebe [den] Geist der Weisheit und Offenbarung in [der] Erkenntnis seiner selbst,

Er richtet sein Gebet an den „Gott unseres Herrn Jesus Christus“. In Vers 3 haben wir von dem „Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus“ gelesen. Wenn wir uns das in Kapitel 3,14 beginnende Gebet anschauen, sehen wir, dass dort von dem „Vater unseres Herrn Jesus Christus“ die Rede ist. Er ist beides: der Gott des Herrn Jesus, wenn wir diesen als Mensch in Seiner Erniedrigung auf der Erde und jetzt in Seiner Verherrlichung als Mensch zur Rechten Gottes betrachten, aber auch der Vater des Sohnes von Ewigkeit sowie als Mensch auf der Erde. In die Beziehung des Herrn als Mensch zu Seinem Vater sind wir durch Gnade eingeführt worden. Niemals können wir dagegen in Seine Beziehungen als ewiger Sohn zu Seinem Vater eintreten. Durch Sein Werk sind wir in die gleiche Stellung vor Gott gebracht, die Er als der verherrlichte Mensch im Himmel besitzt. Sein Gott ist jetzt unser Gott, Sein Vater unser Vater (Joh 20,17). Welch eine Nähe! Es kann keine größere Nähe geben, als die, dass wir Gott, den Vater, mit dem gleichen Namen nennen dürfen wie der Herr Jesus.

In diesem Gebet wird uns jedoch mit den Worten „Gott unseres Herrn Jesus Christus“ nur die eine Seite vorgestellt. Das bedeutet, dass alles, was jetzt folgt, von der Stellung des Herrn Jesus als verherrlichter Mensch im Himmel handelt, während in Kapitel 3 vom „Vater unseres Herrn Jesus Christus“ und damit von der Liebe des Vaters zu Dem, der Ihn durch Sein Werk auf der Erde so verherrlicht hat, die Rede ist.

Hier wird Gott auch das einzige Mal in der Heiligen Schrift der „Vater der Herrlichkeit“ genannt (vgl. Apg 7,2: „der Gott der Herrlichkeit“). Es ist eine Bezeichnung für Gott in Seiner unerreichbaren und unergründlichen Größe, der hier als Ursprung und Quelle aller Herrlichkeit gesehen wird. Denn immer, wenn Gott offenbart wird, ist Seine Herrlichkeit da, auch, als der Sohn als Mensch in Niedrigkeit auf die Erde kam. Johannes konnte sagen: „Wir haben seine Herrlichkeit angeschaut, eine Herrlichkeit als eines Eingeborenen vom Vater“ (Joh 1,14). Im Brief an die Epheser zeigt sich die Herrlichkeit Gottes ganz besonders in Seinem Ratschluss (Verse 6, 12 und 14).

Drei Segnungen

Paulus beginnt mit der Bitte, dass „der Gott unseres Herrn Jesus Christus, der Vater der Herrlichkeit, euch gebe den Geist der Weisheit und Offenbarung in der Erkenntnis seiner selbst“. Es ist also eine Bitte um geistliches Verständnis. Der „Geist der Weisheit und Offenbarung“ ist nicht der Heilige Geist als Person, sondern das, was Er in uns hervorrufen will: eine geistliche Gesinnung, die von Weisheit und Offenbarung in der Erkenntnis Gottes gekennzeichnet ist. Alles dies soll zu vermehrtem Wachstum in der Erkenntnis Gottes führen. Weisheit ist notwendig, um etwas, was man erkannt hat, richtig anzuwenden, Offenbarung dagegen, um das, was uns offenbart ist, zu verstehen. Es geht hier also nicht um neue Offenbarungen; seit das Neue Testament vollendet ist, hat Gott keine neuen Offenbarungen mehr gegeben (vgl. Kol 1,25).

Die Erkenntnis Gottes ist hier nicht dieselbe Erkenntnis wie in Johannes 17,3, die jedes Kind Gottes besitzen muss, sondern mehr im Sinn von Philipper 3,10 zu verstehen, wo Paulus sagt, dass er alles andere für Verlust und Dreck hielt, um Christus mehr und besser zu erkennen. Auch Petrus wünschte, dass die Gläubigen in der Gnade und Erkenntnis Jesu Christi wuchsen (2. Pet 3,18). Ein solches Wachstum in der Erkenntnis ist hier gemeint. Jeder Gläubige muss zugeben, dass er noch weit von einer vollständigen Erkenntnis Gottes entfernt ist. Deshalb betet Paulus dafür, dass wir immer mehr von Ihm erkennen. Nicht intellektuelle Erkenntnis ist gemeint, sondern Erkenntnis des Glaubens, die unser Herz erfüllt. Wenn es sich um verstandesmäßige Erkenntnis handelte, wären manche Menschen benachteiligt, weil sie nicht so begabt sind wie andere. Intelligente Menschen sind hier jedoch nicht besser gestellt als weniger Begabte. Die Erkenntnis, um die es hier geht, betrifft das Herz und bringt das Kind Gottes näher zu seinem Gott.

Vers 18: Damit ihr, erleuchtet an den Augen eures Herzens, wisst, welches die Hoffnung seiner Berufung ist, welches der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen,

Die hier zuerst genannte Vorbedingung bestätigt das soeben Gesagte. Das Herz des Menschen hat also auch Augen, mit denen geistliche Dinge gesehen werden, aber um sehen zu können, muss Licht da sein, ebenso wie bei unseren leiblichen Augen. Das Herz ist hier ein Teil des inneren Menschen, der im Neuen Testament wiederum ein Synonym für die ‚neue Natur' des Gläubigen ist (Röm 7,22; 2. Kor 4,16; Eph 3,16). Das Herz ist das Zentrum des menschlichen Wesens: „Behüte dein Herz mehr als alles was zu bewahren ist; denn von ihm aus sind die Ausgänge des Lebens“ (Spr 4,23). Im Herzen werden die Entscheidungen gefällt. Das von der Sünde beschmutzte Herz des Menschen wird durch den Glauben gereinigt (Apg 15,9). Die Augen eines ungereinigten Herzens können durch die Einbildung schreckliche Dinge sehen. Doch hier wird uns vorgestellt, was die durch Christus und Seinen Geist erleuchteten Augen eines gereinigten Herzens sehen können (vgl. Kap. 5,14).

Das nun folgende Gebet hat drei Gegenstände oder Themen (Hervorhebungen von mir): 4

  1. „die Hoffnung seiner Berufung“ (Vers 18),
  2. „der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen“ (Vers 18),
  3. „die überragende Größe seiner Kraft an uns, den Glaubenden“ (Vers 19).

Das erste Gebetsanliegen des Apostels Paulus für die Epheser und damit auch für uns ist, „damit ... ihr wisst, welches die Hoffnung seiner Berufung ist“. In den Versen 3–6 haben wir bereits unsere Berufung gesehen: unsere Segnung mit jeder geistlichen Segnung, unsere Auserwählung in Christus vor Grundlegung der Welt, dass wir heilig und untadelig seien vor Ihm in Liebe, und unsere Vorbestimmung zur Sohnschaft durch Jesus Christus für Sich selbst. Als Kinder sind wir aus Ihm geboren, Teilhaber Seiner Natur und Gegenstände Seiner Liebe (Joh 1,12; 1. Joh 3,1); in unserer Stellung der Sohnschaft bezeugen wir in Anbetung unsere Liebe zu Ihm (Röm 8,15). Das ist die Berufung jedes einzelnen Christen in der gegenwärtigen Zeit. Sie wird hier jedoch nicht unsere, sondern „seine Berufung“ genannt: Alles geht ja von Gott aus. Nicht wir sind der Mittelpunkt, sondern Er ist es. Wenn der Herr Jesus uns in die Herrlichkeit des Himmels einführen wird, wird all das, was jetzt noch bei uns durch Schwachheit und sogar Sünde beeinträchtigt ist, wie eine aufbrechende Blume seine ganze strahlende Herrlichkeit in Vollkommenheit für uns entfalten. Darauf richtet sich die Hoffnung unserer Berufung. In der himmlischen Herrlichkeit werden wir all diese Dinge mit verherrlichten Leibern genießen. Deshalb wird unser Blick hier auf die Ewigkeit und die damit verbundene Hoffnung unserer Berufung gelenkt.

Zwar wird in diesem Brief nicht vom Kommen des Herrn gesprochen, weil wir gemäß Kapitel 2,6 bereits als in Christus mitsitzend in den himmlischen Örtern betrachtet werden. Da wir aber in der Praxis noch nicht alles in Vollkommenheit genießen, werden als Hinweise auf das Kommen des Herrn hier „die Hoffnung seiner Berufung“ und in Kapitel 4,4 die „Hoffnung eurer Berufung“ erwähnt (Hervorhebungen von mir). Beide Stellen richten unseren Blick auf die zukünftige Herrlichkeit bei Christus.

Als Zweites sollten die Epheser wissen, „welches der Reichtum der Herrlichkeit seines Erbes in den Heiligen“ ist. In Vers 10 wird gesagt, was Gott sich für die Verwaltung der Fülle der Zeiten – das Tausendjährige Reich – vorgesetzt hat: „alles unter ein Haupt zusammenzubringen in dem Christus, ... in dem wir auch ein Erbteil erlangt haben [oder: zu Erben gemacht worden sind]“. Nach Vers 14 haben wir den Heiligen Geist als Unterpfand unseres Erbes empfangen. Um das gleiche Wort handelt es sich auch hier (griech. kleronomia). Demnach sind wir, die Gläubigen, die Erben oder Miterben (vgl. Röm 8,17), und das Erbe ist das Teil, das wir mit unserem Erlöser, dem verherrlichten Sohn des Menschen, im Tausendjährigen Reich empfangen werden.

Unser Augenmerk wird damit auf die nähere Zukunft gelenkt. Gott hat dem Herrn Jesus als Lohn für Seinen Gehorsam bis zum Tod die ganze Schöpfung als Erbteil gegeben, und Er wird tausend Jahre lang in Frieden und Gerechtigkeit darüber herrschen (Heb 1,2). Danach kommt der Augenblick, wo Er alles dem Vater übergeben wird, damit Gott alles in allem sei (1. Kor 15,28). Nach Epheser 1,11 wird der Herr Jesus die Herrschaft jedoch nicht allein ausüben, sondern sie mit denen teilen, die Er sich erkauft hat. Wir werden also mit Ihm erben und herrschen (Röm 8,17; 2. Tim 2,12).

Der wahre „Eigentümer“ von allem ist der ewige Gott (2. Mo 19,5). Einmal wird Er jedoch alles dem Sohn des Menschen als Erbteil geben, doch nicht Ihm allein. Christus nimmt es mit den Seinigen, ja, in den Seinigen in Besitz. So gehörte auch das Land Kanaan Gott. Er gab es Seinem irdischen Volk, ohne dass es je aufhörte, Ihm zu gehören. In 3. Mose 25,23 heißt es: „Denn mein ist das Land“, und in 2. Mose 15,17: „Du wirst sie bringen und pflanzen auf den Berg deines Erbteils“, womit das ganze Land, und im Besonderen die Stadt Jerusalem, gemeint ist. Es war Gottes Besitz, Sein Erbteil, das Er gleichsam in Seinem Volk Israel in Besitz nahm.

So dürfen wir uns auch das Tausendjährige Reich vorstellen. Wir sollten dies nicht unterschätzen. Gott hat nicht nur einen Plan für die Ewigkeit, sondern auch für diese Erde, die jetzt voll Not, Elend, Krieg, Krankheit, Sünde und Tod ist. Aber es ist Gottes Erde, und Er sagt: Sie wird nicht einfach von der Bildfläche verschwinden. Bevor sie im Brand aufgelöst wird (2. Pet 3,10), wird Er tausend Jahre lang zeigen, was Seine Gedanken über das Leben auf der Erde sind. Der erste Mensch hat Gottes Gedanken durch seinen Ungehorsam durchkreuzt, aber der zweite Mensch, Christus, wird sie in herrlicher Weise erfüllen! Tausend Jahre lang werden vollkommene Gerechtigkeit und vollkommener Frieden herrschen. Alles, wonach die Menschen sich sehnen, und wovon sie sich trotz aller Bemühungen immer weiter entfernen, wird dann erfüllt werden. So verstehen wir, dass Gott sagt: Ich habe auch einen Plan mit dieser Erde. Alles dies wird durch die Herrschaft des Herrn Jesus zustande kommen. An dieser Herrschaft will Er alle, die in der jetzigen Zeit Seiner Verwerfung an Ihn glauben, teilhaben lassen. Wir werden mit Ihm erben und herrschen. Und Gott will, dass wir schon jetzt wissen und verstehen, „welches der Reichtum seines Erbes in den Heiligen“ ist.

Vers 19: Und welches die überragende Größe seiner Kraft an uns, den Glaubenden, nach der Wirksamkeit der Macht seiner Stärke,

Der dritte Wunsch bezieht sich auf die Gegenwart: Paulus betete darum, dass die Epheser wissen möchten, „welches die überragende Größe seiner Kraft an uns, den Glaubenden“ ist. Dieser Gegenstand, von dem bislang noch nicht die Rede war, wird im Folgenden sehr ausführlich behandelt. Es geht hier nämlich um die „Wirksamkeit der Macht seiner Stärke, in der er gewirkt hat in dem Christus, indem er ihn aus den Toten auferweckte“. Davon handelt der die Verse 20–23 umfassende eingeklammerte Satz. In Kapitel 2,1 wird der hier begonnene Gedanke wieder aufgenommen und nach einer weiteren Unterbrechung in den Versen 4–7 zu Ende geführt. Der Gedankengang des Schreibers ist kurz gesagt folgender: Ich möchte, dass ihr wisst, welche Kraft in euch wirksam ist. Diese Kraft hat schon in dem Herrn Jesus gewirkt, aber durch den Glauben auch bereits an und in euch.

Als der Herr Jesus Sein Leben am Kreuz hingab, sah man keine Spur von Kraft oder Macht. Im Gegenteil, Gottes Wort spricht davon, dass Er „in Schwachheit gekreuzigt worden“ ist (2. Kor 13,4). Aber als Er aus den Toten auferweckt wurde, da offenbarte sich die Macht Gottes in einer nie da gewesenen Art und Weise. Der Tod war zunichte gemacht und Leben und Unverweslichkeit ans Licht gebracht worden (2. Tim 1,10). Hier geht es jedoch nicht nur – wie in den folgenden Versen – um die Erweisung dieser Kraft in Christus, sondern „an uns, den Glaubenden“. Die Kraft, die uns aus der Macht Satans und des Todes befreit und uns den Platz als Heilige und Geliebte vor Gottes Angesicht geschenkt hat, ist dieselbe, die Christus aus den Toten auferweckt und Ihm den Platz in der Herrlichkeit gegeben hat! Und doch, wie leicht verlieren wir diese unerschöpfliche Kraftquelle aus den Augen, wenn wir uns in schwierigen Umständen befinden und oft nicht mehr ein und aus wissen! Wie schwach fühlen wir uns oft angesichts unserer Probleme! Deshalb betete der Apostel Paulus darum, dass wir die überragende Größe der Kraft Gottes an uns, den Glaubenden, mehr erkennen und praktisch erfahren.

Vers 20a: In der er gewirkt hat in dem Christus, indem er ihn aus [den] Toten auferweckte;

Jetzt geht Paulus auf den Ursprung dieser göttlichen Kraft ein. Die Hoffnung hat er ohne jeden Zusatz erwähnt, beim Erbe hat er jedoch vom Reichtum der Herrlichkeit gesprochen, aber wenn es um die gegenwärtige Kraft geht, die an jedem Gläubigen gewirkt hat und noch wirkt, sagt er: „welches die überragende Größe seiner Kraft an uns, den Glaubenden“ ist. Sodann gebraucht er noch drei weitere Ausdrücke: die Wirksamkeit, die Macht und die Stärke, also insgesamt vier verschiedene Bezeichnungen für diese gewaltige göttliche Kraft. Sie entspricht dem, was Er bereits gewirkt hat und ist in Übereinstimmung mit etwas, was wir sehen können. Und wo sehen wir es? In dem Christus. Christus hat die Macht Gottes zwar auch schon in Seinem Leben erwiesen. Denken wir nur an die vielen Zeichen und Wunder bis hin zur Auferweckung von Toten! Hier aber geht es darum, dass Er selbst, der freiwillig den Tod auf sich genommen hat, um dem die Macht zu nehmen, der die Macht des Todes hat, das ist den Teufel (Heb 2,14), von Gott aus den Toten auferweckt worden ist. Das war der größte Machtbeweis, den Gott je auf der Erde gezeigt hat. Und diese Macht hat Er auch an uns erwiesen, wie in Kapitel 2 ausgeführt wird. Auch wir sind auferweckt, wenn auch noch nicht dem Leibe nach. Unsere Errettung und unsere geistliche Auferweckung mit Christus sind etwas, worin Gott nicht nur Seine Liebe und Gnade, sondern Seine Macht erwiesen hat. Er hat uns aus dem Tod in das Leben, aus der Finsternis ins Licht gebracht. Jeder Gläubige darf wissen, dass diese Macht in ihm wirksam ist, damit er Glaubenskraft empfängt. Diese Macht hat Gott zuerst dadurch erwiesen, „indem er ihn aus den Toten auferweckte“. Hier wird nur die Auferweckung Christi erwähnt, in Kapitel 2,6 auch die Tatsache, dass wir mitauferweckt sind.

Christus das Zentrum

In dem zwischen Klammern stehenden Satz (Verse 20b-23) wird nun erklärt, welche herrlichen Konsequenzen die Auferweckung Christi aus den Toten für Ihn selbst gehabt hat. Seine Auferweckung war sozusagen Sein erster Schritt zurück in den Himmel, wo Er jetzt als verherrlichter Mensch ist. Gott hat Ihn aus den Toten auferweckt und „zu seiner Rechten in den himmlischen Örtern“ gesetzt.

Vers 20b: (und er setzte ihn zu seiner Rechten in den himmlischen [Örtern],

Hier begegnet uns der Ausdruck „himmlische Örter“ zum zweiten Mal. In Kapitel 1,3 sehen wir unsere Segnungen, hier, dass der Herr Jesus sich dort befindet. Er sitzt dort zur Rechten Gottes, in Seiner Gegenwart. Als Sohn war Er immer bei Gott (Joh 1,1), aber als solcher sitzt Er nicht zur Rechten Gottes. Gott, der Vater, der Sohn und der Heilige Geist sind ewig eins. Den Platz zur Rechten Gottes hat daher nicht der ewige Sohn, sondern der verherrlichte Mensch Christus Jesus empfangen. Es ist der Platz der höchsten Ehre und der größten Macht (vgl. Ps 110,1; Mt 22,44). Wir fühlen uns oft elend und schwach und haben nicht den Mut, ein Zeugnis zu sein. Lasst uns dann daran denken, dass unser von den Menschen so geschmähter Herr sich im Zentrum aller Macht und Herrlichkeit befindet! Bald wird jeder es sehen, wenn Er Seine Herrschaft über die Welt ausüben wird. Doch wir dürfen unseren geliebten Herrn schon jetzt zur Rechten Gottes sehen, als Quelle unserer Kraft! Wie viel Kraft, Mut, Standhaftigkeit und Ausdauer könnten wir haben, wenn wir von dieser Kraft Gottes, die Christus aus den Toten auferweckt hat, mehr Gebrauch machten!

Vers 21: Über jedes Fürstentum und [jede] Gewalt und Kraft und Herrschaft und jeden Namen, der genannt wird, nicht allein in diesem Zeitalter, sondern auch in dem zukünftigen,

Der verherrlichte Christus zur Rechten Gottes steht über jeglicher Autorität in der ganzen Welt, nicht nur in der sichtbaren, sondern auch in der unsichtbaren, geistigen Welt. In Kapitel 3,10 sehen wir, wie den Fürstentümern und den Gewalten in den himmlischen Örtern durch die Versammlung die mannigfaltige Weisheit Gottes kundgetan wird, und in Kapitel 6,12 finden wir die Weltbeherrscher dieser Finsternis, die geistlichen Mächte der Bosheit in den himmlischen Örtern, die ebenfalls als Fürstentümer und Gewalten bezeichnet werden. Die himmlischen Örter sind ein sehr weit gespannter Begriff, der alles Himmlische, das heißt, fast die ganze unsichtbare Welt, umfasst. Satan als gefallener Engel hat Zutritt zum Himmel. Sowohl im Alten wie im Neuen Testament finden wir, dass er als Verkläger der Gläubigen direkten Zugang zu Gott hat. Erst in Offenbarung 12,9 lesen wir, dass er auf die Erde geworfen wird. Die hier genannten Fürstentümer beziehen sich also nicht nur auf Menschen oder gute Engelmächte, sondern auch auf die Mächte der Bosheit, die der Teufel bei seinem Fall hinter sich her gezogen hat. Aber der Herr steht über allem. Diesen Platz hat Er nicht nur in der gegenwärtigen Zeit, wo Er für die Menschen unsichtbar ist, sondern Er wird ihn auch im Tausendjährigen Reich, dem „zukünftigen Zeitalter“, einnehmen (vgl. Heb 2,8; 6,5).

Vers 22: Und hat alles seinen Füßen unterworfen und ihn als Haupt über alles der Versammlung gegeben,

Er besitzt jedoch nicht nur eine relativ höhere Stellung als alle Mächte der Welt, sondern Gott hat auch „alles seinen Füßen unterworfen“. Diese Worte aus Psalm 8,7 werden im Neuen Testament dreimal zitiert: hier mit dem Ziel, den Ratschluss Gottes zu zeigen, in 1. Korinther 15,27 mit der Einschränkung, dass Gott, der Ihm alles unterworfen hat, von dieser Unterwerfung selbstverständlich ausgenommen ist, und in Hebräer 2,8 mit der zeitlichen Einschränkung: „Jetzt sehen wir ihm noch nicht alles unterworfen“.

Er sitzt dort im Zentrum aller Macht und Herrlichkeit. Auf Grund Seiner tiefen Erniedrigung bis zum Tod am Kreuz hat Gott Ihn hoch erhoben und Ihm einen Namen gegeben, der über jeden Namen erhaben ist, Ihn mit Ehre und Herrlichkeit gekrönt und Ihm das gesamte Universum zu Füßen gelegt. Als verherrlichter Mensch ist Er jetzt das „Haupt über alles“. Zwar sehen wir Ihm noch nicht alles unterworfen; Er wartet jetzt, bis Seine Feinde Ihm als Schemel Seiner Füße hingelegt werden und Er die Herrschaft im Tausendjährigen Reich antreten wird (Heb 2,8; 10,13). Aber im Epheserbrief, der den ewigen Ratschluss Gottes enthüllt, werden diese zukünftigen Ereignisse bereits als vollendete Tatsache betrachtet: „(Er) hat alles seinen Füßen unterworfen.“ Er ist das Zentrum aller Macht, aller Herrlichkeit und aller Gnade. Auf Ihn können wir im Glauben unseren Blick richten, denn Er ist unsere Kraftquelle und unser Ziel.

In Kolosser 3,1 werden wir deshalb aufgefordert, zu suchen, „was droben ist, wo der Christus ist, sitzend zur Rechten Gottes“. In Hebräer 2,9 sehen wir „Jesus, der ein wenig unter die Engel wegen des Leidens des Todes erniedrigt war, mit Herrlichkeit und Ehre gekrönt“, und in Kapitel 12,2 werden wir ermuntert, hinzuschauen „auf Jesus, den Anfänger und Vollender des Glaubens, der, die Schande nicht achtend, für die vor ihm liegende Freude das Kreuz erduldete und sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones Gottes“.

Gerade in einer Zeit geistlicher Schwachheit sind diese Hinweise sehr vonnöten. Wenn wir auf uns selbst und auf unsere Umgebung schauen, möchten wir vielleicht manchmal verzagen, aber wenn wir daran denken, dass unser Herr im Zentrum der Macht und Herrlichkeit sitzt und dort unaufhörlich als Hoherpriester für uns tätig ist, werden wir getröstet, gestärkt und erfahren Seine Kraft und Durchhilfe auch in schwierigen Lagen.

„...der Versammlung gegeben

Nach Gottes Ratschluss ist der Herr Jesus als verherrlichter Mensch jetzt das „Haupt über alles“. Als Schöpfer ist Gott auch das Haupt der gesamten Schöpfung (vgl. 1. Chr 29,11), aber auf Grund Seines Werkes hat Christus diese Stellung als Sohn des Menschen empfangen (vgl. Ps 8,5–7 <4–6>). Was der erste Adam durch Ungehorsam verlor, hat der letzte Adam durch Seinen Gehorsam in viel herrlicherer Weise wieder gewonnen. Und wie Adam von Gott in Eva eine „Hilfe ... seinesgleichen [oder: die ihm entspricht]“ erhielt, so empfing der Herr Jesus von Ihm die Versammlung, die „von seinem Fleisch und von seinen Gebeinen“ ist (1. Mo 2,23; Eph 5,30). Damit wird ein neues Thema eingeleitet. Die beiden letzten Verse dieses Kapitels betreffen nicht mehr unsere persönlichen Segnungen, sondern weisen erstmals in diesem Brief auf unsere gemeinschaftlichen, korporativen Segnungen hin, das heißt als Versammlung.

Die Versammlung ist für Gott so bedeutsam, dass Er ihr den verherrlichten Christus als „Haupt über alles“ gegeben hat. Messen wir Seiner Versammlung auch einen hohen Wert bei? Wenn wir es nicht tun, bleiben wir hinter Seinen Gedanken zurück und verlieren viel. Wir neigen leicht dazu, nur das zu sehen, was uns so schwach, unvollkommen und fehlerhaft erscheint. Aber das ist nicht die richtige Betrachtungsweise der Versammlung! Für Gott ist sie so wertvoll, dass Er ihr keinen Geringeren als das Haupt aller Dinge geschenkt hat, der jetzt auch ihr Haupt ist – obwohl Er hier nicht ausdrücklich als Haupt der Versammlung gesehen wird.

Vers 23: Die sein Leib ist, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt);

Im letzten Vers dieses Kapitels erhalten wir einen weiteren Einblick in den Ratschluss Gottes mit Seinem Sohn: die Versammlung ist „sein Leib, die Fülle dessen, der alles in allem erfüllt“. Sie wird hier nicht in ihrer gegenwärtigen äußeren Schwachheit, Unvollkommenheit und Zerrissenheit gesehen, sondern als vollendet in Ewigkeit.5 Während ihrer Existenz auf der Erde kann sie wohl kaum Seine „Fülle“ sein, weil sie noch nicht vollzählig und vollkommen ist. Aber wenn der Herr Jesus sie heimholt in den Himmel, dann wird sie ohne Flecken oder Runzel, heilig und untadelig vor Ihm stehen; dann wird in ihr Seine Fülle, die Vervollständigung Seiner Herrlichkeit gesehen werden. Und warum? Weil sie der größte und vollkommenste sichtbare Beweis Seiner Liebe und Gnade ist. Wenn nur Seine Heiligkeit und Majestät erstrahlte, würde an Seiner Herrlichkeit etwas Wesentliches fehlen.

Als ewiger Sohn Gottes benötigt Er nichts, was zu Seiner „Fülle“ oder Vervollständigung dienen könnte. Aber hier ist Er der verherrlichte Mensch im Himmel. Er wurde arm, um uns reich zu machen, aber auch Er ist „reich gemacht“ worden, weil Er jetzt im Himmel verherrlicht ist. Er hat den Willen Gottes vollkommen erfüllt und wird einmal das ganze Universum mit Seiner Herrlichkeit und Seinem Segen füllen. Die Versammlung, die Sein Leib ist, wird dann Seine Ergänzung sein und zur Vervollständigung Seiner Herrlichkeit als Sohn des Menschen dienen.

Eine engere Verbindung als die zwischen Haupt und Leib ist kaum vorstellbar. Beide stellen eine untrennbare Einheit dar. Das ist wohl der hauptsächliche Grund, warum uns die Versammlung im Wort Gottes als Leib Christi vorgestellt wird. Als Haus Gottes ist sie Seine Wohnung sowie der Bereich göttlicher Ordnung und Heiligkeit auf der Erde und als Braut oder Weib des Lammes der Gegenstand Seiner ewigen, unbegreiflichen Liebe. Doch als Leib ist sie das Bild vollkommener Einheit – sowohl mit Christus, ihrem Haupt, als auch in sich. Das beinhaltet auch, dass sie an allem teilhat, was das Haupt besitzt. – Die Einheit der Glieder des Leibes untereinander kommt jedoch erst in Kapitel 4 zur Sprache.

Wie wichtig ist es, Gottes Gedanken zu kennen. Wie können wir das Zusammenkommen der Gläubigen recht verstehen, wenn wir nicht Gottes Gedanken über Seine Versammlung als Ganzes vor Augen haben? Und wie können wir die rechten Gedanken über die Versammlung haben, wenn wir nicht sehen, welchen Platz der Herr Jesus als Haupt über alles auch in Beziehung zu Seiner Versammlung einnimmt?

Fußnoten

  • 1 Die Bibelstellen sind nach der Elberfelder Übersetzung 2003 (CSV Hückeswagen) angeführt. In eckige Klammern [] gesetzte Wörter sind im griechischen Grundtext nicht vorhanden.
  • 2 Der 7x im Neuen Testament vorkommende Ausdruck „von Grundlegung der Welt“ steht dagegen immer mit Israel oder dem Tausendjährigen Reich in Verbindung (Mt 13,35; 25,34; Lk 11,50; Heb 4,3; 9,26; Off 13,8; 17,8).
  • 3 Die hier und in Kap. 4,30 erwähnte, noch zukünftige „Erlösung“ sowie die in V. 18 und Kap. 4,4 genannte „Hoffnung“ sind wohl die einzigen Hinweise auf das Kommen des Herrn in diesem Brief, in dem wir entsprechend dem Ratschluss Gottes bereits im Besitz aller geistlichen Segnungen in den himmlischen Örtern betrachtet werden.
  • 4 Dieses ‚Gebet’ hat im Gegensatz zu dem in Kap. 3,14–21 kein erkennbares Ende! So lange wir auf der Erde sind, dauern die Belehrungen des Heiligen Geistes und unser geistliches Wachstum an.
  • 5 Die Versammlung als Leib Christi und als Haus Gottes wird im NT unter drei verschiedenen Aspekten betrachtet: erstens als gegenwärtig auf der Erde existierend, wozu alle lebenden Gläubigen gehören (z. B. Kap. 4,4; 1. Kor 3,17; 12,28), zweitens wie hier nach Gottes Ratschluss als vollendet in der Herrlichkeit (vgl. Mt 16,18), und drittens als örtliche Realisierung und dementsprechend als gottgemäßer Ausdruck der gesamten Versammlung auf der Erde (Mt 18,17; 1. Kor 1,2; 3,16; 12,27).
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