Bemerkungen zum Epheserbrief

Kapitel 3

Verse 1–6. Der Apostel hatte in den vorherigen Kapiteln die Hoffnung der Herrlichkeit und die Einheit des Leibes Christi dargelegt. Er hatte die Gabe des Heiligen Geistes als das Siegel und Unterpfand der Herrlichkeit vorgestellt, den Geist als den Mittelpunkt der Einheit; und während wir auf diese Herrlichkeit warten, ist die Kirche nicht nur Miterbe dieser Herrlichkeit in Hoffnung, sondern auch die Behausung Gottes durch den Heiligen Geist in der gegenwärtigen Zeit. Paulus zeigte uns in diesen beiden Kapiteln zuerst unsere gemeinsame Herrlichkeit mit Christus und später die Kirche, die Braut Christi und Behausung Gottes durch den Geist.

Jetzt sagt er, indem er die Nichtjuden in die Einheit des Leibes einführt: „Ich, Paulus, der Gefangene Christi Jesu für euch, die Nationen.“ Alles, was von Vers 1 bis zum Ende des Kapitels folgt, ist eine Einschaltung, wie wir aus dem 1. Vers von Kapitel 4 erkennen, wo wir lesen: „Ich, der Gefangene im Herrn.“ Was am Anfang von Kapitel 4 geschrieben ist, steht in Verbindung mit dem Ende von Kapitel 2, wo wir gesehen haben, daß wir die Behausung Gottes, die Wohnung Gottes, sind. Das ist die Berufung von der gesagt wird: „Ich ermahne euch, … daß ihr würdig wandelt der Berufung, mit welcher ihr berufen worden seid.“ In einer solchen Stellung sind wir immer demütig. Das befähigt uns, würdig der geoffenbarten Berufung zu wandeln. Zu Beginn des Kapitels können wir Zweierlei bemerken, nämlich die persönliche Demut, die uns veranlaßt, in Einheit zu wandeln, und die individuellen Gaben. Da ist ein Leib und ein Geist. Nur die Gaben sind in einem jeden Glied des Leibes unterschiedlich. Kapitel 3 entfaltet ausführlich die Wahrheit, daß der Heilige Geist in Seiner Behausung, der Kirche, wohnt.

Paulus schreibt: „Ich, Paulus, der Gefangene … für euch, die Nationen usw.“ Die Folge davon ist, daß Paulus hinfort in Hinsicht auf die Kirche die Juden nicht über die Nichtjuden stellt. Durch die Böswilligkeit dieses Volkes wurde er ein Gefangener wegen seiner Liebe zu den Nichtjuden. Jetzt liefert Paulus sein Zeugnis dazu. „Daß die aus den Nationen Miterben seien und Miteinverleibte und Mitteilhaber seiner Verheißung in Christo Jesu durch das Evangelium.“ Es ist erstaunlich, wie träge die Christen darin sind, die Weite der Ratschlüsse Gottes zu verstehen; denn Paulus war gezwungen, sich selbst bei den „Ephesern“, welche gewiß eine gesegnete Versammlung waren, zu fragen, ob sie ein Verständnis der Wege Gottes mit ihm, Paulus, besaßen. „Wenn ihr anders gehört habt.“

Im allgemeinen sind wir genötigt, uns viel mehr mit den Einzelheiten des christlichen Lebens zu beschäftigen als mit den großen Grundsätzen dieses Lebens. Gott ist langmütig. Doch es ist traurig, daß der Zustand der Kirche so ist, wie er ist. Wegen des Mangels an Geistlichkeit kann der Heilige Geist nicht vorangehen, um die Reichtümer der Gedanken Jesu zu entfalten. Dann ist Er gezwungen, sich mit dem Wandel zu beschäftigen, damit das Evangelium nicht verunehrt wird. Das Verständnis der Ratschlüsse Gottes hängt von der Treue im Wandel ab. Was für eine Folge wird ein treuer Wandel haben? – Er wird sich im Kampf mit allem befinden, insbesondere mit allem, was das Judentum vertritt! Unmöglich kann bei dem gegenwärtigen Stand der Welt ein treuer Gläubiger ohne Widerspruch bleiben; und die Tatsache, daß jemand mehr Licht hat, ruft sogar unter Christen Widerstand hervor. Davon ist Paulus ein treffendes Beispiel.

Der Apostel wiederholt häufig, daß die Kirche im Alten Testament nicht geoffenbart worden ist. Sicherlich bestätigen die Propheten des Alten Testaments die gesegnete Stellung der Kirche, insofern als diese Wahrheit darauf beruht, daß Gott den Segen sogar auf die Nationen ausbreitet. Von diesem Segen hatten sie (die Propheten) gezeugt. (Psalm 18, 49; 5. Mose 32, 43; Psalm 117). Dort sind es die Nationen, welche mit Gottes Volk zusammen frohlocken. Aber von dem, was die Kirche ausmacht, wird nirgendwo gesprochen. Im Kolosserbrief wird von Christus gesagt: „Christus …, die Hoffnung der Herrlichkeit.“ (Kolosser 1, 27). Der Christus, den die Juden erwarteten, sollte ein persönlich anwesender Christus sein – ein Christus, Der Herrlichkeit mit Sich bringen würde. (Das wird auch am Ende statt finden). Somit war ein Christus, der in der Herrlichkeit nur eine Hoffnung war, unverständlich. Das war ein Geheimnis, von dem die Propheten niemals ein Wort geschrieben hatten. Sie hatten von einem Christus gesprochen, der dies oder das ausführen würde, aber niemals von einem Christus in uns als Hoffnung der Herrlichkeit für die Kirche. Christus, so wie Er in uns ist, stellt den praktischen und wirklichen Gesichtspunkt des Geheimnisses dar.

In Römer 16, 25–26 lehrt der Apostel dieselbe Wahrheit, daß die Kirche ein Geheimnis war, das vor dem Tod Christi niemand kannte.1 Der Gedanke von einer Kirche stand immer vor Gott; aber das war verborgen. Paulus stützt sich in seinen Mitteilungen an die Nichtjuden auf das, was die Propheten hinsichtlich der Gnade Gottes an die Heiden geschrieben hatten und zitiert diese Propheten. (Römer 15, 9–12). Es steht fest, daß die Verheißung eines Christus, der abgelehnt werden würde, eindeutig in den Propheten geschrieben steht. Wir wissen jedoch, daß dieses für die Juden ein Rätsel war. „Wir haben aus dem Gesetz gehört, daß der Christus bleibe in Ewigkeit.“ (Johannes 12, 34). Der Gedanke, daß der Christus andere Glieder haben sollte, und zwar sogar aus den Heiden, war noch unbegreiflicher. Die Kirche ist mit Christus vereinigt; und falls wir die Kirche im Alten Testament finden wollen, müssen wir Christus Selbst suchen und sie in Ihm sehen. Blicke zum Beispiel auf Jesaja 50, 8–9„Nahe ist, der mich rechtfertigt: Wer will mit mir rechten? laßt uns zusammen hintreten! Wer hat eine Rechtssache wider mich? er trete her zu mir! Siehe, der Herr, Jehova, wird mir helfen: wer ist es, der mich für schuldig erklären könnte?“ – und Römer 8, 33!

Diese Aufforderung an die ganze Welt (denn Gott ist es, der uns rechtfertigt), welche in Jesaja von Christus ausgerufen wird, bezieht der Römerbrief auf die Kirche. Gott sieht ausschließlich Christus; und diese Wahrheit wird auf uns angewandt, weil wir mit Christus vereinigt sind. Wir sind in dem Geliebten angenommen. Die Idee von einem Volk, das mittelst eines geistlichen Lebens mit Christus eins ist, oder vielmehr eines Volkes, das in einem Geist mit Christus verbunden ist, Der sowohl in Ihm als auch in Ihnen wohnt, wurde im Alten Testament niemals berührt. Christus nahm damals noch nicht die Stellung als Haupt des Leibes ein; und folglich wurde auch der Heilige Geist noch nicht in dieser Weise mitgeteilt.

Die Apostel und Propheten, die Grundlage, auf welche die Kirche aufgebaut wird, sind nicht die Propheten des Altertums; denn wir sehen hier, daß die Wahrheiten jetzt diesen Propheten, von denen gesprochen wird, offenbar gemacht werden und nicht den Propheten vergangener Zeiten. Folglich sind es die Propheten des Neuen Testaments. In 1. Petrus 1, 12 steht geschrieben, daß die Propheten alter Zeit wußten, daß die von ihnen mitgeteilten Wahrheiten nicht für sie selbst waren; und Vers 6 unseres Kapitels erklärt uns dieses Geheimnis, nämlich daß die Nichtjuden Miterben sind. Er verkündet uns die gute Botschaft, daß die Zwischenwand der Umzäunung durch den Tod Christi niedergerissen wurde, daß alles verschwunden ist, was einen Unterschied zwischen Juden und Nichtjuden machte, und daß Juden und Nichtjuden in Christus eins geworden sind. Wir sehen die Schwierigkeit, die der Apostel Petrus hatte, um diese Wahrheit zu erfassen (zum Beispiel bei Kornelius). Paulus war gezwungen, ihm in Antiochien ins Angesicht zu widerstehen. (Galater 2, 11 ff.). Die antiken Juden hatten große Schwierigkeiten bei der Anerkennung dieser herrlichen Wahrheit und der Einheit der Kirche.

Verse 7 und 8. Indem der Apostel die Unübertrefflichkeit dessen, was ihm gegeben war, sah, erkannte er sich selbst als den Allergeringsten von allen Heiligen. So sollte es auch bei uns sein. Der Blick auf diese herausragenden Segnungen macht uns klein in unseren eigenen Augen; und diese Demut folgt aus der Verwirklichung unserer Vorrechte. Was für ein herrliches Zeugnis, daß alle Unterschiede weggenommen sind! Jude und Nichtjude – alles, was zum Menschen gehört, versinkt in der Gegenwart der Ratschlüsse Gottes in Christus. Als Paulus über diese Ratschlüsse nachsann, sah er, daß er nichts war. Schon die Bezeichnung „Heiden“ drückt aus, daß alles nur auf Gnade beruht. Nachdem der erste Adam gesündigt hatte, wurde eine Verheißung gegeben, die sich auf den zweiten Menschen bezog. Der letzte Adam wird der Schlange den Kopf zermalmen.

Die unausforschlichen Reichtümer Christi sind jene Reichtümer, deren Tiefe wir nicht ermessen können, weil sie so gewaltig sind. Die Herrlichkeit, die Gott Christus für das, was Er ist und entsprechend dem Wert Seines Werkes, geben wird, stellt den Maßstab für diese unausforschlichen Reichtümer. Alles wurde durch und für Christus getan. Alles wurde durch und für Ihn erschaffen; und die Tatsache, daß Christus außerhalb der begrenzten Offenbarung der Propheten des Altertums den Nichtjuden vorgestellt wird, macht die Reichtümer Christi unausforschlich. Gott kann Sich [aufgrund des Werkes Christi; Übs.] in der Gegenwart der Macht der Sünde aufhalten und entfaltet in Christus als Mensch die Macht Seiner Gnade zur Offenbarung Seiner Herrlichkeit.

Verse 9–11. Das sind die Ratschlüsse Gottes in Christus und die Stellung der Kirche. Niemals zuvor wurde eine solche Weisheit gesehen. Der Mensch mag von der Weisheit in der Schöpfung beeindruckt sein – von dem Eingreifen Gottes in der Sintflut. Noah wird bewahrt, Abraham berufen, das Gesetz gegeben, andere Wunder werden bewirkt. Gott regiert über Sein jüdisches Volk. In allem diesen wurde Gottes Weisheit enthüllt. Hier handelt es sich hingegen um eine ganz andere Weisheit. Eine himmlische Kirche war nicht einmal den Engeln bekannt.

Nachdem das jüdische Volk den Messias verworfen hatte, wurde der Plan Gottes mit der Erde aufgeschoben. Ein neuer Gedanke wurde eingeführt, nämlich bezüglich eines Volkes, dessen Stellung von einer solchen Art ist, daß es nirgendwo einen Aufenthaltsort besitzt als nur im Himmel. Heute straft Gott nicht entsprechend einer Regel, die Er den Menschen ausdrücklich geoffenbart hat. Es gibt keine unmittelbare Regierung Gottes über die Erde, obwohl Er immer noch in der Vorsehung wirkt. Es gibt jedoch ein Volk – möglicherweise in Leiden, aber himmlisch – in der Mitte der Welt. Gottes Wege sind von einer neuen Wesensart.

Es ist auffallend zu sehen, in welche Stellung die Kirche angesichts des Himmels versetzt ist. Sie legt in den himmlischen Örtern Zeugnis ab. Ihre Kämpfe (Epheser 6) sind in den Himmeln, ebenso ihre Segnungen (Epheser 1). Dort erhielt sie ihren Sitz. (Epheser 2). Das Zeugnis, welches die Kirche in den himmlischen Örtern ablegt, gibt ihrem gegenwärtigen Zeugnis hier auf der Erde seine Bedeutung. Ich rede jetzt nicht in dem Gedanken an ihre zukünftige Herrlichkeit, sondern angesichts dessen, daß Gott in der Kirche durch den Heiligen Geist wohnt.

Christus kam; Er wurde verworfen. Danach wurde eine ganz andere Weisheit geoffenbart. Abraham, Isaak und Jakob werden Erben in der Herrlichkeit sein. Sie sind indessen nicht in einem Leib mit Christus vereinigt worden wie die Nichtjuden nach den Ratschlüssen Gottes vor dem Anfang der Welt. Die Tatsache unserer Auserwählung vor Anbeginn der Welt fügt nichts der Unumschränktheit (Souveränität) Gottes hinzu. Falls Gott uns in der Zeit erwählt hätte, wäre Seine Unumschränktheit dieselbe gewesen. Doch die Auserwählung vor Beginn der Zeit – bevor die Welt wurde – zeigt, daß die Kirche nicht von der Welt ist; denn sie bestand schon vor Grundlegung der Welt in den Ratschlüssen Gottes. Weder die Stellung der Kirche, noch ihr Leben hängt von irgend etwas in dieser Welt ab. Die Welt ist nur der Bereich, durch welche sie sich bewegt.

Vers 12. Dieser Vers ist die praktische Folge von dem, was vorausging. Diese Stellung beruht auf der Liebe und dem Werk Christi; und wir befinden uns vor Gott mit einem guten Gewissen – mit einem Gewissen, das auf immerdar vollkommen gemacht ist. Ich bin in Jesus, in der Gegenwart Gottes durch den Glauben an Ihn, das ist, an Jesus. Sicherlich wird der Heilige Geist, wenn ich Ihn betrübe, in mir ein Geist des Tadels. Aber Christus hat alles vollendet. Das Werk, das Er ausgeführt hat, ist nach den Gedanken Gottes vollkommen beendet und Er befindet Sich in der Gegenwart Gottes entsprechend der Wirkungs-
kraft dieser Gedanken und dieses Werkes.

Vers 13. Der Apostel beginnt seine Anrede an die Nichtjuden mit den Worten: „Deshalb bitte ich, nicht mutlos zu werden …“ In welch eine hohe Stellung sind die Nichtjuden versetzt! Anstatt beim Anblick der Leiden des Paulus beunruhigt zu werden, sollten gerade diese als Mittel dienen, jene zu kräftigen; denn um ihretwillen litt Paulus als ein Zeuge von den Vorrechten Gottes, welche Gott ihnen gewährt hat. Paulus dachte an sie. Normalerweise führt Schande in der Welt zur Entmutigung derer, die ihr mehr oder weniger ausgesetzt sind. Aber ein Mensch, der gleich Mose treu ist, hält dafür, daß die Schmach des Christus besser ist als alle Schätze Ägyptens (Hebräer 11, 26), weil diese Schande unsere Herrlichkeit ist. Gott mochte es gefallen haben, an den Juden Genüge zu finden; aber Er wünschte Sich auch Nichtjuden.

Vers 14. Dieses Gebet ist gerichtet an den Vater unseres Herrn Jesus Christus. Es beruht auf jener innigen Beziehung zwischen Vater und Sohn, in welche wir hineingeführt worden sind. Am Anfang des Briefes steht ein Gebet von ganz anderem Charakter, welches sich an den Gott unseres Herrn Jesus Christus wendet.

Vers 15. Dieser Vers umfaßt die Gesamtheit aller erschaffenen intelligenten Wesen, die vor Gott gesegnet sind. Er umfaßt alle verschiedenen Rassen – Juden und Nichtjuden. Gott sammelt nicht ausschließlich – wie früher die Juden – unter dem Namen „Gott“ in eins, sondern unter dem Namen „Vater unseres Herrn Jesus Christus“. Er sammelt auch in eins alle Nationen, die in Babel zerstreut wurden (vergl. 1. Mose 11!), sowie alle Heerscharen des Himmels. Der Herr Jesus empfing als Mensch die Macht über alle Menschen. Sogar die Engel werden Ihm als Sohn des Vaters unterworfen sein. Darum wird gesagt: „Alle Engel Gottes sollen ihn anbeten.“ (Hebräer 1, 6).

Verse 16–17. Hier wird von mehr als nur Herrlichkeit gesprochen. Es geht um die Fülle der Reichtümer Seiner Herrlichkeit. Das wünscht der Apostel für sie im Gegensatz zu einem Messias inmitten Seines Volkes. „Daß der Christus durch den Glauben in euren Herzen wohne.“ Christus, der in die Herrlichkeit versetzt ist, führt die Nichtjuden dort ein. Auf diesem Weg haben wir Teil an diesen Reichtümern. Um diese zu genießen, muß allerdings Christus in unseren Herzen wohnen. In dem Augenblick, als Gott Christus erhöhte, wurde das Band zu jeder Familie im Himmel und auf der Erde geoffenbart und sogar geknüpft; denn es war neu. Das Teil der Nichtjuden sowie der ganzen Kirche besteht darin, mit Christus vereinigt zu sein, nach Dem jede Familie benannt ist. (V. 15). Er ist das Haupt der Kirche, der geoffenbarte Mittelpunkt der Herrlichkeit Gottes. Der Apostel wünscht, daß die Wirksamkeit dieser Kraft in uns sei. Das ist nicht allein jene Gnade, welche tröstet und sehr kostbar ist. Wir sollten in gleicher Weise die Erhöhung Christi verwirklichen.

Als Sohn Gottes besitzt Christus den ersten Namen in dieser Familie, welchen der Heilige Geist uns offenbart – jener Geist, durch welchen wir am inneren Menschen gekräftigt werden; denn unsere schwachen Herzen wären, obwohl sie zu Gott bekehrt sind, ohne Seine Hilfe unfähig, auf diese Herrlichkeit und das volle Ausmaß dieser Ratschlüsse einzugehen. Die Versuchungen des Fleisches sind kein Hindernis, um diese Segnungen zu verwirklichen. Je mehr der Apostel als Gefangener litt, desto mehr gelangte er in dieses Geheimnis der Herrlichkeit Christi. Seine Gefangenschaft war der Anlaß für diesen Brief sowie auch für die Briefe an die Kolosser, Philipper und andere. Auf diese Weise sorgt Gott für die Bedürfnisse Seiner Kirche. Wir sollten uns den verherrlichten Christus so zu eigen machen, daß Er in allen Umständen bei uns ist. Seine Gegenwart sollte verwirklicht werden und beständig auf das Herz einwirken.

Vers 18. Der Gedanke vom Anfang dieses Briefes an betrifft nicht Christus, welcher der Gerechtigkeit Gottes genüge tut. Es geht vielmehr um die Kraft, die aus der Liebe herausströmt, um gewisse Ratschlüsse der Gnade auszuführen, von welchen Er die Fülle für uns ist. Danach wünscht Paulus, nachdem wir die Verwirklichung dieses Gedankens in der Person Christi verstanden haben, daß wir auch die Kraft dieser gewaltigen Liebe verstehen, welche Christus verherrlicht hat, indem Seine Herrlichkeit mit der Segnung armer Sünder verbunden wurde. Wenn wir diese Wahrheiten erfassen, verstehen wir, daß alles Liebe ist und daß wir auf der Grundlage dieser Liebe, welche alles ausgeführt hat, leben sollen.

Falls wir in diese Liebe eintreten, welche die Quelle dieser Wahrheit ist, verstehen wir die unermeßliche Ausdehnung, von der Vers 18 spricht. Das ist jene Liebe Gottes, welche alle Dinge in Unterordnung unter Christus stellen wird und die Kirche mit Ihm verherrlichen will. Wenn wir diese Liebe erfaßt haben, können wir in einem gewissen Sinn die Wege Gottes ermessen, welche uns dort hinein gebracht haben, wo Gott Sich offenbart. Es wird uns nämlich nicht gesagt, wovon Paulus die Länge, Breite, Tiefe und Höhe schildert. Es ist indessen die Liebe, welche uns dort eingeführt hat und alle Dinge ordnet. Der Heilige Geist umschließt die ganze Kirche, welche Gott in dieser Herrlichkeit sehr nahe ist. Unmöglich kann ein Glied von ihr beiseite gestellt werden.

Vers 19. Was hier gesagt wird, gilt besonders für uns. Der Apostel wünscht, daß wir die Liebe Christi verwirklichen, welche alle Erkenntnis übersteigt, und daß wir gekräftigt werden, um diese Liebe zu verstehen, und in Ihm gewurzelt sind, um mit der ganzen Fülle Gottes erfüllt zu werden. Falls ich in die Mitte der Unendlichkeit gestellt werde, befinde ich mich nicht am Ende der Unendlichkeit. Ich befinde mich in einer Unendlichkeit, die ich nicht begreife und die ich nicht ermesse. Ich besitze keinen geringeren Maßstab als diesen: Nichts weniger als die Fülle Gottes. Gott erfüllt alles; und ich bin mit Ihm erfüllt, und zwar durch den Heiligen Geist. Wie klein ich auch sein mag, ich halte mich in dieser gesegneten Stellung auf. Die Juden hatten keine Vorstellung von dieser Familienbeziehung, die im Himmel und auf der Erde benannt wird. Was uns betrifft, können wir diesen Wall der Umzäunung, mit der Gott uns umgeben hat und die Er Selbst ist, nicht verlassen. Das beruht auf der Anwesenheit des Heiligen Geistes, der die Kirche zur Behausung Gottes macht. Gott kann nicht weniger sein als Er selbst. Er hört auch nicht auf, Er selbst zu sein. Der Heilige Geist wohnt in der Kirche. Sie wird zu einem Gefäß von etwas, das nichts zu fassen vermag.

Vers 20. Manchmal, wenn wir bitten, daß Gott uns über bitten oder verstehen geben möge, handelt es sich um Segnungen außerhalb von uns selbst. Hier geht es indessen um Segnungen in uns, nämlich die Kraft des Heiligen Geistes in der Kirche. Das versetzt die Kirche in die hohe Stellung, die ihr gehört, und läßt uns unsere Kleinheit fühlen.

Vers 21. Was hier gesagt wird, bezieht sich nicht auf die Fülle der kommenden Herrlichkeit. Die Hoffnung hängt natürlich davon ab. Nichtsdestoweniger geht es hier nicht um Hoffnung, sondern um die Verwirklichung des inneren Menschen – um die Behausung Gottes als gegenwärtiger, wirklicher Gegenstand. Er besteht nämlich schon und ist aufs das Innigste [mit Gott; Übs.] in Verbindung gebracht sowie auch erhöht, nämlich dazu, mit der Fülle Gottes erfüllt zu werden. Christus, der alles vollbracht hat, befindet Sich dort; der Geist Christi wohnt in uns. Paulus sieht in diesem Vers die ganze Ausdehnung der Ratschlüsse Gottes.

Es ist trostvoll für uns, daß diese Verwirklichung des inneren Menschen durch eine Macht bewirkt werden soll, welche in uns inmitten der Schwachheit des Gefäßes wirkt; denn es ist der Wille Gottes. Wir sollten danach verlangen, am inneren Menschen gekräftigt zu werden, damit Christus durch den Glauben in unseren Herzen wohne. Wir sollen nach der Herrlichkeit für Christus in der Kirche streben, damit alle Herrlichkeit Ihm zukomme, insofern wir verstanden haben, daß sie Ihm gehört. Wenn gefragt wird: „Befindet sich die Herrlichkeit Christi in der Kirche?“, wissen wir kaum, wie wir antworten sollen.2. Gott gebe, daß wir nach dieser Herrlichkeit verlangen!

Fußnoten

  • 1 Ich bezweifle nicht, daß es sich in diesem Abschnitt bei den „prophetischen Schriften“ um die des Neuen Testa­ments handelt. Doch der Apostel benutzt ständig die Schriften des Alten Testaments, um zu zeigen, wie die Gnade sich auf die Nationen ausdehnt. (J. N. D.).
  • 2 Anm. d. Übs.: Vermutlich wegen ihres schlechten prakti­schen Zustands in der Welt.
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