Einführende Vorträge zum Hebräerbrief

Kapitel 3

Einführende Vorträge zum Hebräerbrief

Auf diese Weise betritt der Apostel das weite Feld, das uns heute Abend noch einige Zeit beschäftigen wird. Er hat die Grundlage für das Hohepriestertum Christi dargelegt. Er könnte nicht ein solcher Hoherpriester sein, wäre Er nicht sowohl Gott als auch Mensch. Paulus hat beides in ausführlichster Weise aus den eigenen Schriften der Juden nachgewiesen.

Aber bevor er zur Darstellung des Hohepriestertums Christi kommt, stoßen wir auf eine Abschweifung. (Die beiden Kapitel 5 und 6 stehen, wie ich meine, mit den beiden schon betrachteten in Verbindung.). Dennoch antwortet der Gedanke „Christus ... als Sohn über sein Haus“ sehr gut auf das erste Kapitel, so wie das zweite Kapitel bald in der Ruhe Gottes seine Erfüllung finden wird. Ich hoffe nämlich, beweisen zu können, daß letzteres auf dem Schauplatz der zukünftigen Herrlichkeit geschieht. Wo jemand so tiefgründig schreibt wie der Apostel, begrüßt der Leser im allgemeinen die geringste Hilfe, um die Struktur eines Briefes verstehen zu können. Möge der Leser dieses bedenken!

Bei diesen Zwischenkapiteln brauchen wir nicht lange zu verweilen. Offensichtlich beginnt Paulus mit dem Herrn als „Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses“ (V. 1) als Gegensatz zum Apostel und Hohenpriester der Juden. Mose war der Enthüller der Gedanken Gottes in alter Zeit, wie Aaron damals das An- und Vorrecht besaß, für das Volk in das Heiligtum Gottes einzutreten. Jesus vereinigt beide Ämter in Seiner Person. Er kam von Gott und ging zu Gott. Die heiligen Brüder, Genossen einer himmlischen Berufung (keiner irdischen, wie bei Israel), werden also aufgefordert, „den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, Jesum, der treu ist dem, der ihn bestellt hat, wie es auch Moses war in seinem ganzen Hause“, zu betrachten. Mose war ein Diener, wie der Apostel mit Sorgfalt ausdrücklich sagt, und zeigt in jeder Weise die Überlegenheit des Messias. „Denn dieser ist größerer Herrlichkeit würdig geachtet worden als Moses, insofern größere Ehre als das Haus der hat, der es bereitet hat.“ (V. 3). Der Apostel wird jetzt kühner. Er kann, nachdem er eine solche Herrlichkeit Christi herausgestellt hat, eine deutlichere Sprache wagen; und die Leser konnten sie ertragen, falls sie ihren eigenen Schriften glaubten. Wenn sie jenen Menschen ehrten, der Gottes Diener war im Aufbau der Stiftshütte und bei den Anordnungen, die mit ihr in Verbindung standen (d. i. das Haus Gottes in seinem Anfangszustand), wieviel mehr sollten die alten Aussprüche Gottes die Aufmerksamkeit auf einen Größeren als Mose, nämlich Jahwe-Messias, Jesus, lenken. Wie eindeutig setzt dieses Kapitel die Beweise von der göttlichen Herrlichkeit Christi voraus! Wir erkennen auch Seine gegenwärtige Sohnschaft. „Moses zwar war treu in seinem ganzen Hause als Diener, zum Zeugnis von dem, was hernach geredet werden sollte; Christus aber als Sohn über sein Haus, dessen Haus wir sind.“ (V. 5–6). Christus als göttliche Person erbaute das Haus. Christus erbaute alles. Mose diente als Diener; und war treu in Gottes Haus. Christus als Sohn steht über dem Haus, „dessen Haus wir sind, wenn wir anders die Freimütigkeit und den Ruhm der Hoffnung bis zum Ende standhaft festhalten.“

Es gab große Schwierigkeiten, Umstände, die vor allem die Juden, welche die Wahrheit mit Freuden angenommen hatten, beeinflußten und einer großen Prüfung aussetzten. Dadurch gerieten sie in Gefahr, ihre Hoffnung aufzugeben. Außerdem war es für einen Juden anfangs besonders schwer, diese beiden Wahrheiten zur Deckung zu bringen: Einerseits war ein Messias gekommen und in die Herrlichkeit eingetreten; andererseits blieb das Volk des Messias in Kummer, Schande und Leiden auf der Erde zurück. Tatsächlich konnte keine Person aus dem Alten Testament, jedenfalls auf den ersten Blick, diese beiden Wahrheiten miteinander verbinden. Wir im Christentum können sie jetzt verstehen. Es gereicht den Nichtjuden wirklich zur Schande, daß sie diese Schwierigkeiten eines Juden nicht einmal sehen. Das zeigt, wie, sozusagen, selbstverständlich sie vergessen haben, daß der Jude einen besonderen Platz im Wort und in den Absichten Gottes einnimmt. Folglich können sie die Gefühle eines Juden nicht nachempfinden. Von solchen wurden die Autorität und der Nutzen dieses Briefes aufs sträflichste geringschätzig behandelt. Es ist die Überheblichkeit der Nichtjuden (Röm 11) und nicht ihr Glaube, welche sie für die jüdischen Schwierigkeiten unempfindlich macht. Der Glaube befähigt uns, allen Schwierigkeiten ins Gesicht zu sehen, indem wir sie auf der einen Seite abwägen und uns auf der anderen über sie erheben. Das gilt keineswegs für die übliche Denkweise der Nichtjuden. Der Unglaube, gleichgültig und gefühllos, wie er ist, nimmt nicht einmal die Schwierigkeiten der Schwachen wahr, geschweige denn, daß er sie richtig einschätzt.

Der Apostel geht hier auf alles ein, was diesbezüglich bedeutsam ist. Es entspricht vollkommen der Wahrheit, daß sich der Sohn an diesem Ort allgemeiner Herrlichkeit befindet und in Bezug auf uns „Sohn über Sein Haus“ ist. (Gottes Haus hat einen all-umfassenden sowie auch einen begrenzteren Aspekt.). Trotzdem muß der Schreiber erklären, wieso Sein Volk sich in Wirklichkeit in Schwachheit, Versuchung, Bloßstellung, Gefahr und Kummer hienieden befindet. Das Volk reist immer noch durch die Wüste und befindet sich noch nicht im Land. Er weist sofort auf die Stimme des Heiligen Geistes in den Psalmen hin: „Deshalb, wie der Heilige Geist spricht: „Heute, wenn ihr seine Stimme höret, verhärtet eure Herzen nicht, wie in der Erbitterung, an dem Tage der Versuchung in der Wüste, wo eure Väter mich versuchten, indem sie mich prüften, und sie sahen doch meine Werke vierzig Jahre. Deshalb zürnte ich diesem Geschlecht und sprach: Allezeit gehen sie irre mit dem Herzen; aber sie haben meine Wege nicht erkannt. So schwur ich in meinem Zorn: Wenn sie in meine Ruhe eingehen werden!“  Sehet zu, Brüder, daß nicht etwa in jemand von euch ein böses Herz des Unglaubens sei in dem Abfallen vom lebendigen Gott, sondern ermuntert euch selbst jeden Tag, solange es heute heißt, auf daß niemand von euch verhärtet werde durch Betrug der Sünde. Denn wir sind Genossen des Christus geworden, wenn wir anders den Anfang der Zuversicht bis zum Ende standhaft festhalten, indem gesagt wird: „Heute, wenn ihr seine Stimme höret, verhärtet eure Herzen nicht, wie in der Erbitterung“. (Denn welche, als sie gehört hatten, haben ihn erbittert? Waren es aber nicht alle, die durch Moses von Ägypten ausgezogen waren?)“ (V. 7–16).

Hier wird der Nachdruck darauf gelegt, daß sich das Volk Gottes immer noch auf einem Weg des Glaubens befindet wie die Väter der Juden in alter Zeit, bevor sie den Jordan überquerten. Auch jetzt gibt es Umstände, die unsere Geduld erproben. Darum ist es für den Gläubigen wichtig, „den Anfang der Zuversicht bis zum Ende standhaft“ festzuhalten. Die Leser standen in Versuchung, über die Wahrheit Christi zu straucheln wegen ihrer bitteren Erfahrungen, welche sie auf dem Weg vorwärts machten. Ein Zurückgehen zeugt von einem bösen Herzen des Unglaubens. Ein Aufgeben Jesu ist Abwenden vom lebendigen Gott. Um ein „Genosse“ oder Begleiter des Messias zu sein (Ps 45), musst du „den Anfang der Zuversicht bis zum Ende standhaft festhalten“, denn bedenke: Wir befinden uns in der Wüste! Solange wir Christus folgen, wie das Volk einst Mose, sind wir noch nicht in der Ruhe Gottes. „Welchen aber zürnte er vierzig Jahre? Nicht denen, welche gesündigt hatten, deren Leiber in der Wüste fielen? Welchen aber schwur er, daß sie nicht in seine Ruhe eingehen sollten, als nur denen, die ungehorsam gewesen

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