Die Feste des Herrn im Lichte des Evangeliums

Das Fest der Erstlingsgarbe

Die Feste des Herrn im Lichte des Evangeliums

Dieses Fest steht in seiner geistlichen Bedeutung in nahem Zusammenhang mit den vorhergehenden Festen. Wir lesen: „Wenn ihr in das Land kommt, das ich euch gebe, und ihr seine Ernte erntet, so sollt ihr eine Garbe der Erstlinge eurer Ernte 1 zu dem Priester bringen; und er soll die Garbe vor Jehova weben zum Wohlgefallen für euch; am anderen Tage nach dem Sabbat soll sie der Priester weben“ (3. Mo 23,9-11). Der Sabbat, auf welchen Jehova hier Bezug nimmt, gehört nämlich zum Passahfest oder zur Passahwoche (3. Mo 23,5-8). Wir haben also drei Feste, die zeitlich dicht aufeinander folgten und nach ihrer Bedeutung in engster Verbindung miteinander stehen. Während aber die ersten beiden Feste auch schon in der Wüste gefeiert werden sollten, musste das Volk erst ins Land gekommen sein, um auch das neue Fest und den neuen Gebrauch beobachten zu können: die Darbringung der Erstlingsgarbe am Tage nach dem Sabbat der Passahwoche. Dieses dritte der Feste Jehovas konnte ja gar nicht in der Wüste gefeiert werden; denn in der Wüste gibt es keine Ernte, woher hätte man die Erstlingsgarbe nehmen sollen?

Was aber ist die geistliche Bedeutung des Festes der Erstlingsgarbe? Schon die Zeit, die für ihre Darbringung bestimmt war, lässt uns nicht im Zweifel darüber, was sie vorbildet.

Wie wir wissen, nennt Gottes Wort den Herrn Jesus Christus, der als „unser Passah“, „das Lamm ohne Fehl und ohne Flecken“ für uns starb, auch den „Erstling der Entschlafenen“ (1. Kor 15,20). Nach Gottes Ratschluss starb der Herr, obwohl die Feinde ihn aus Furcht vor einem Volksauflauf nicht gelegentlich des Passahfestes töten wollten, doch gerade dann. Und was geschah? „Spät am Sabbat, in der Dämmerung des ersten Wochentages“ (Mt 28,1) stieg Jesus Christus, der einige Tage zuvor als „das Lamm Gottes“ das wunderbare Werk der Erlösung vollbracht hatte, triumphierend aus Tod und Grab hervor. Als das Weizenkorn war er in die Erde gefallen und gestorben (Joh 12,24); als den „Erstling der Entschlafenen“ brachte Gott ihn aber siegreich aus den Toten wieder. So ist er die Erfüllung jenes schönen Vorbildes, das Gott uns in der „Erstlingsgarbe“ gab. Mit anderen Worten: die Darbringung der „Garbe der Erstlinge der Ernte“ ist ein liebliches und treffendes Vorbild von der Auferstehung Jesu Christi. Am „ersten Tage der Woche“, dem „Tage nach dem Sabbat“, welchen die Christen von jener Zeit an als den „Tag des Herrn“ allwöchentlich feiern 2, kam er aus den Toten wieder. Zu diesem Vorbild passt auch der bedeutungsvolle Umstand, dass am Tage der Darbringung der Erstlingsgarbe kein Sündopfer von Gott angeordnet und gefordert wurde. Unser Text sagt uns, dass an dem Tage, da diese Erstlingsgarbe von dem Priester vor Jehova gewebt 3 wurde, nur ein Brand-, Speis- und Trankopfer dargebracht werden solle, aber kein Sündopfer, das doch bei allen anderen jüdischen Festen gefordert wurde (3. Mo 23,12.13) 4. Warum nun hier nicht bei dem Fest der Erstlingsgarbe? Eben weil dieses Fest ein Vorbild auf die Auferstehung Jesu Christi ist, des fleckenlosen und heiligen Sohnes Gottes, der zuvor in seinem Tode als das Passahlamm für uns die Sünde abgeschafft hat durch das Schlachtopfer seiner selbst (Heb 9,26). Die Sünde wurde durch sein ewig gültiges und vollkommenes Opfer gesühnt und vor Gott für immer hinweg getan; dann wurde er „dem Geiste der Heiligkeit nach“ aus den Toten auferweckt. So blieb kein Raum mehr und keine Ursache für ein Sündopfer.

Wie nun die Darbringung der ersten reifen Garbe am Tage nach dem Sabbat der Passahwoche die ganze Getreideernte einleitete und deren Anfang war, so ist die herrliche Auferstehung des Herrn Jesus die Einleitung und die Bürgschaft für die Auferweckung aller seiner Erlösten. So lesen wir in Bezug auf die Auferstehung: „Der Erstling, Christus; sodann die, welche des Christus sind bei seiner Ankunft“ (1. Kor 15,23). Wie von Christus gesagt wird, dass er „aus den Toten auferstanden“ sei, so wird auch die Auferstehung der Gläubigen eine „Auferstehung aus den Toten“ sein. Die übrigen Toten, d.h. alle unbekehrt Gestorbenen, werden nämlich in ihren Gräbern bleiben, während die Erlösten des Herrn mit verwandelten Leibern auferweckt oder, soweit sie noch am Leben sind, bei der Ankunft des Herrn verwandelt und verherrlicht werden. Deshalb sagt die Heilige Schrift: „Glückselig und heilig, wer teilhat an der ersten Auferstehung!“ (Off 20,5.6). Die landläufige Vorstellung und Lehre in der Christenheit ist die, dass es nur eine allgemeine, d.h. gleichzeitige Auferstehung aller Toten, der Seligen und der Verdammten, gebe, die am „jüngsten Tage“, d.h. als letztes Ereignis am Ende der Welt stattfinden werde. Sie ist zwar weit besser als der böse Unglaube der Sadduzäer, welche lehrten, dass es überhaupt keine Auferstehung gebe; aber richtig und der Belehrung des Neuen Testamentes entsprechend ist sie nicht. Nach Gottes Wort findet die Auferstehung der Seligen und der Gottlosen nicht gleichzeitig statt. Die Juden zwar wussten noch nichts Genaueres, als dass einmal eine „Auferstehung der Toten“ stattfinden werde. Christus aber und später seine Apostel redeten von der „Auferstehung aus den Toten“.

Vielleicht geht es manchem Leser, wenn er diese Behauptung liest, wie einst den Jüngern Jesu, als sie, vom Berge der Verklärung herabkommend, zum ersten Mal aus dem Munde des Herrn von dieser wunderbaren Sache hörten. Sie fragten verwundert: „Was ist das: aus den Toten auferstehen?“ (Mk 9,9.10). Hierüber einige Worte: Die Auferstehung der Gläubigen gleicht in ihrem Charakter derjenigen, des Herrn Jesus selbst und gehört zu ihr; sie wird bald „die Auferstehung der Gerechten“, bald „die Auferstehung des Lebens“ und auch „die erste Auferstehung“ genannt. Diese Auferstehung findet mindestens tausend Jahre früher statt als die der „übrigen Toten“. Die „Auferstehung der Ungerechten“ dagegen wird auch „die Auferstehung des Gerichts“ genannt. So herrlich und freudenvoll die erste Auferstehung sein wird, so furchtbar und schrecklich wird die zweite sein; denn ihr folgt der „zweite Tod, der Feuersee“. Und wenn es einerseits heißt: „Glückselig und heilig, wer teilhat an der ersten Auferstehung“, so hören wir andererseits: „Wenn jemand nicht geschrieben gefunden wurde in dem Buche des Lebens, so wurde er in den Feuersee geworfen“ (Off 20,4-15; Apg 24,14.15; Lk 14,14; Joh 5,28.29).

Der Apostel Paulus schreibt tröstend an die Gläubigen, dass sie über ihre im Herrn Entschlafenen nicht trauern möchten in der gleichen Weise wie die, die keine Hoffnung haben. Er sagt ihnen, dass Christus wiederkommen, die gestorbenen Gläubigen auferwecken und die noch lebenden verwandeln und alle miteinander ins himmlische Vaterhaus einführen werde (1. Thes 4,13-18; 1. Kor 15,51-58). Diese Auferweckung der in Christus Entschlafenen und die Verwandlung der noch auf Erden lebenden Gläubigen, welche Gott in dieser Zeit der Gnade aus allen Völkern der Erde herausruft und rettet, sind die Ernte, welche der Darbringung der Erstlingsgarbe folgt.

Wahrlich, wie herrlich ist die Hoffnung des Gläubigen im Blick auf die kommende Herrlichkeit, ja für die ganze Ewigkeit!

Was aber ist das Teil und Los aller derer, welche in ihren Sünden dahingehen und sterben? Wir lesen, dass auch sie, soweit sie nicht lebend vom zeitlichen und ewigen Gericht überfallen werden, auferweckt werden aus ihren Gräbern, um vor den Weltenrichter gestellt zu werden, der auf „dem großen weißen Throne“ sitzt. Dort werden sie „nach ihren Werken gerichtet“ und „in den Feuersee geworfen, welches ist der zweite Tod“. Wie furchtbar ernst ist Gottes gerechter Zorn und sein Gericht über alle Sünde und Gottlosigkeit!

Lieber Leser, wie steht es nun um deine kostbare, unsterbliche Seele? Und wie wird es mit deiner Auferstehung sein? Gehörst du der ersten oder der zweiten Auferstehung an? Wenn du im Bewusstsein dessen, was du vor Gott bist, heilsverlangend und im Glauben deine Zuflucht zu Jesus Christus, dem wahren Passahlamme, genommen hast (1. Kor 5,7), dann bist du eingeschlossen in der Ernte der Erstgeborenen (Jak 1,18). Dann kannst du in Wahrheit im Blick auf ihn, deinen Erretter, rühmen und bezeugen: Jesus lebt, mit ihm auch ich!

Wenn es so ist, möchtest du dann auch in Gesinnung und Wandel bezeugen, dass es deine gewisse und glückselige Hoffnung und Erwartung ist, „hinzugelangen zur Auferstehung aus den Toten“ (Phil 3,11)? Wie herrlich ist es doch, dass Jesus Christus, das wahre Passahlamm aller Erlösten, welches unsere Sünden getragen und getilgt hat, auch nun als die „Erstlingsgarbe“ vor Gott ist, als „der Erstling der Entschlafenen“! So ist er bereits für uns in den Himmel und in die Herrlichkeit eingegangen. In ihm, dem auferstandenen und verherrlichten Sohne des Menschen, dem „Erstgeborenen aus den Toten“ (Kol 1,18), sieht Gott schon alle wahren Gläubigen in die Herrlichkeit versetzt. Freudig ruft uns der Apostel deshalb zu: „Welche er aber gerechtfertigt hat, diese hat er auch verherrlicht“ (Röm 8,30). Bald werden wir ja auch tatsächlich bei Christus sein und mit ihm verherrlicht stehen ewiglich. Er hat gesagt: „Vater, ich will, dass die, welche du mir gegeben hast, auch bei mir seien, wo ich bin, auf dass sie meine Herrlichkeit schauen, die du mir gegeben hast, denn du hast mich geliebt vor Grundlegung der Welt“ (Joh 17,24). Und dreimal noch ruft er den seinen im letzten Kapitel der Heiligen Schrift zu: „Siehe, ich komme bald!“ (Off 22,7.12.20).

Komme bald, Herr Jesus!
Sehnsuchtsvoller sehen
unsre Blicke auf zum Gnadenthron.
Immer wächst das Rufen;
wartend wir hier stehen,
bis Du kommst, o Jesu, Gottes Sohn.
Geist und Braut, sie fleh'n nach oben,
wie einst Du im Pilgerkleid,
dass wir, dieser Welt enthoben,
bei Dir sei'n in Ewigkeit.
Deinen Geist verstehst Du,
Deine Braut erhörst Du;
Jesu, komm, wir warten Dein!

Fußnoten

  • 1 Ernte buchstäblich: „Die Garbe des Anschnitts eurer Ernte.“
  • 2 Vgl. Apg 20,7; 1. Kor 16,2; Off 1,10. – Eine grobe geschichtliche Lüge ist es seitens der Sabbatisten, die da sagen, dass der Sonntag erst durch die Päpste eingeführt worden wäre.
  • 3 d.h. auf den Händen oder Armen liegend vor dem Herrn hin- und herbewegt wurde zum Zeichen, dass sie Jehova dargebracht wurde.
  • 4 Vgl. 4. Mo 28 u. 29; eine Ausnahme machte nur der Sabbat als das Zeugnis der heiligen, vollkommenen und ewigen Ruhe Gottes.
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