Elia, der Tisbiter

Prophet und König

Elia, der Tisbiter

Als Ahab hörte, dass Elia in der Nähe war, eilte er ihm nicht mit einem „Exekutionskommando“, oder was einem solchen in jenen Tagen entsprach, entgegen. Im Gegenteil, er näherte sich ihm mit einem gewissen Maß an Achtung. Der gottlose König hatte ein gewisses Empfinden für die Größe Gottes, dessen unwiderstehliche Macht sein Diener ausüben konnte. Das ganze Land litt schwer unter dem Ausspruch, der über die Lippen Elias gekommen war. Diese Tatsache bewies, „dass es schlimm und bitter ist“, den Herrn zu verlassen und andere Götter anzubeten (Jer 2,19). Ahabs Sohn Ahasja hatte nicht diesen Respekt vor Elia. Er wagte es, ihm zu trotzen und damit auch der Macht Gottes, die in Elia wirksam war (2. Kön 1). Die Folgen waren äußerst ernst!

Die Begrüßungsworte Ahabs sind sehr vielsagend: „Bist du da, der Israel in Trübsal bringt?“ (1. Kön 18,17). Wir haben hier eine deutliche Illustration davon, wie Satan die Sinne verdunkelt und das Gericht über die Ungläubigen zu verzerren sucht. Sicherlich gab es Trübsal in Israel, aber offensichtlich kam es Ahab nicht in den Sinn, diese auf den überall verbreiteten Götzendienst zurückzuführen. Tempel, Altäre, Propheten und Priester von schlechtem Charakter überzogen das Land. Weder bei dem König noch bei dem Volk gab es auch nur eine Andeutung davon, dass sie bereit waren, vor dem Herrn niederzufallen, ihre Gottlosigkeit zu bekennen und all die Götzen hinwegzutun. Dementsprechend gab Ahab dem Knecht Gottes die Schuld an der weitverbreiteten Not. Wenn Satan seine Augen nicht verblendet hätte, hätte er erkannt, dass die Schuld nicht bei dem Propheten, sondern bei ihm selbst lag.

Als Paulus und Silas nach Philippi gingen, gab es einen Aufruhr gegen sie und es wurde behauptet: „Diese Menschen ... verwirren ganz und gar unsere Stadt“ (Apg 16,20). Doch „diese Menschen“ hatten das Evangelium der Gnade Gottes nach Philippi gebracht. Sie hatten Männern und Frauen, die in der Finsternis des Heidentums lebten und der ewigen Verdammnis entgegeneilten, von dem Retter erzählt, der für die Gottlosen gestorben ist. Sie hatten den Menschen unermessliche Segnungen vorgestellt – alles „ohne Geld und ohne Kaufpreis“ (Jes 55,1). Sie hatten das einzig wahre Heilmittel für alle Übel in der ganzen Schöpfung verkündigt. Wer ihre Worte annahm, wurde unendlich glücklich – so glücklich, wie Paulus selbst beim Schreiben des Philipperbriefs einige Jahre später auch war. Keine aufrichtigeren Freunde der Philipper hatten jemals ihre Stadt besucht, und doch wurden diese Verkündiger der guten Botschaft vor den Hauptleuten als Aufrührer angeklagt, unverzüglich mit Ruten geschlagen und ins Gefängnis geworfen!

Treue Zeugen für Gott und seine Wahrheit sind zu jeder Zeit als Aufrührer betrachtet worden. Männer und Frauen, deren Verhältnis zu Gott nicht in Ordnung ist, sorgen sich nicht darum, ob das, was ihnen vorgestellt wird, den Tatsachen entspricht. Sie ziehen es vor, ungestört in ihrem eigenen Traumland zu leben. Wer nun ihre Aufmerksamkeit auf den Ernst der Sünde und die Wirklichkeit des zukünftigen Gerichts lenkt, ist für sie ein Aufrührer. Er stört ihren falschen Frieden und verdirbt ihnen ihre Freuden. Als die Worte des Apostels Paulus gegenüber Felix sehr bestimmt wurden, brach dieser die Unterhaltung abrupt ab (Apg 24,25). Doch kein wahrer Verkündiger der guten Botschaft wird nur von Sünde und Gericht reden; er wird seine Freude daran haben, weiterzugehen und von dem einen Mittler zwischen Gott und Menschen zu reden, der sich selbst als Lösegeld für alle gab (1. Tim 2,5.6).

Elia stellte dem König die Wahrheit in aller Deutlichkeit vor: „Ich habe Israel nicht in Trübsal gebracht, sondern du und das Haus deines Vaters, weil ihr die Gebote des HERRN verlassen habt und du den Baalim nachgewandelt bist“ (1. Kön 18,18). Menschen, die im Gespräch mit hochgestellten Personen die Sünde beim Namen nennen, sind selten. Nathan handelte treu und heilig mit David (2. Sam 12). Jedes Mal, wenn Johannes der Täufer vor Herodes kam, legte er den Finger auf den wunden Punkt und sagte: „Es ist dir nicht erlaubt, die Frau deines Bruders zu haben“ (Mk 6,18). Von dem britischen König Charles II., einem der übelsten Könige, die je einem Thron Schande gemacht haben, wird gesagt, dass er einmal einem Kaplan dessen einfache Predigt übel nahm. „Ich wäre Euch dankbar“, sagte er, „wenn Ihr die Art Eurer Predigten ändern würdet.“ „Das werde ich tun, Eure Hoheit“, erwiderte der Kaplan, „wenn Ihr Eure Lebensweise ändert.“ Das war die richtige Antwort. Wie gut wäre es, wenn heutzutage religiöse Führer treu und mutig genug wären, Diktatoren und andere Verderber von Millionen von Menschen zurechtzuweisen! Doch leider passen die Berufsgeistlichen viel zu oft ihre Gewohnheiten den Wünschen der herrschenden Mächte an. Auf diese Weise werden sie in deren Händen zu Instrumenten der Verführung und des Betrugs am Volk.

Die Trübsal kam also in Wahrheit durch Ahab und nicht durch Elia, und das Gewissen Ahabs musste empfunden haben, dass dies so war. Der Prophet machte dem König einen Vorschlag: „Und nun sende hin, versammle ganz Israel zu mir an den Berg Karmel, und die 450 Propheten des Baal und die 400 Propheten der Aschera, die am Tisch Isebels essen“ (1. Kön 18,19). Eine erstaunliche Begebenheit, wenn wir uns die Stellung dieser beiden Männer vor Augen halten: Ahab, ein gewaltiger Despot mit allen militärischen Möglichkeiten seines Königtums zu seiner Verfügung und durch eine entschlossene und ruchlose Frau unterstützt, wird hier von einem schwachen und ohne Freunde dastehenden einzelnen Mann praktisch gezwungen, ein Zusammenkommen des ganzen Volkes einzuberufen! Wir haben schon bemerkt, welch eine moralische Würde die Gemeinschaft mit Gott verleiht: Hier können wir es in Elia, dem Tisbiter, sehen. Das ganze Land war in einem verzweifelten Zustand. Dies konnte nicht endlos so weitergehen, daher willigte der König in den Vorschlag Elias ein. Das Ergebnis davon vermochte er sich nicht vorzustellen, aber er hoffte, dass es bald Regen geben würde!

Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel