Geläutert im Schmelztiegel Gottes

Kapitel 30-32

Geläutert im Schmelztiegel Gottes

Hiob 30

Hiob wird, wie er selbst sagt, von Jüngeren verlacht. Es waren solche, deren Väter ehrlose – nach heutigem Sprachgebrauch asoziale Menschen waren. Es war Gesindel, das man aus dem Lande hinausgepeitscht hatte. Solche wagten es, einen Mann wie Hiob auszulachen und ihn zum Gegenstand ihres Spottes zu machen. Er war ihre Zielscheibe geworden. Wie muss ihn das in besonderer Weise geschmerzt haben!

Ist es nicht auch in unserer Zeit vielfach die Jugend, welche die Alten oft kritisiert und lächerlich zu machen sucht? In der Welt ist solches an der Tagesordnung. Wie aber muss es einen Diener des Herrn schmerzen, wenn selbst Kinder gläubiger Eltern ihm in ungeziemender Weise entgegentreten, wie es hier und da schon der Fall war!

Außerdem wurde Hiob durch schier unerträgliche Schmerzen gequält. „Die Nacht durchbohrt meine Gebeine und löst sie von mir ab, und die an mir nagenden Schmerzen ruhen nicht“ (Vers 17). Aber das Schlimmste war, dass er Gott als grausam und als seinen Feind betrachtete. Er meinte, Gott wolle ihn töten, ja, elend zugrunde gehen lassen.

Er glaubt einen berechtigten Grund für seine Klage zu haben. Sein Mitgefühl mit den Armen und Dürftigen, in der Zeit, bevor er selbst in Leiden und Trübsal kam, hebt er hervor. „Ich erwartete Gutes, und es kam Böses.“ Ist dies nicht auch in unserem Leben oftmals so gewesen? Vielleicht erhob sich dann auch bei uns ein „Warum?“. Wer aber könnte sein Leiden mit dem des Hiob vergleichen? Er war am Ende seiner Kraft. Zur Trauerklage war seine Laute geworden und seine Schalmei zur Stimme der Weinenden. Armer Hiob!

Wir sehen, wie der Feind selbst Kinder Gottes in eine Sackgasse zu führen vermag. Deshalb Lasst uns mehr beten für alle schwergeprüften Brüder und Schwestern. Lasst uns auch Worte der Gnade und des Trostes für sie haben und ihnen inniges Mitgefühl erweisen. Dann offenbaren wir die Gesinnung unseres hochgelobten Herrn.

Hiob 31

Hiob hält hier seine Schlussrede. Sehr ausführlich hebt er noch einmal seine eigene Gerechtigkeit hervor. Dabei führt er vieles an, was auch für uns sehr bedeutungsvoll ist. Mit seinen Augen hatte er einen Bund gemacht. Sind nicht unsere Augen die Einfallstore zum Herzen? Wie viel Böses sehen wir? Wie viele lüsterne Blicke werden von Männern auf Frauen geworfen und ebenso umgekehrt! Satan weiß, dass dadurch die Lust geweckt wird, und „wenn die Lust empfangen hat, gebiert sie die Sünde“. Diese große Gefahr kannte Hiob und hatte „mit seinen Augen einen Bund gemacht“. Er wollte Gott nicht verunehren.

Auch Falschheit hasste er. Er war entschieden auf dem rechten Wege geblieben und seinen Augen nicht gefolgt. In moralischer Hinsicht stand er tadellos da. Schade, dass er sich dies alles selbst zuschrieb und nicht Gott, der ihn doch bewahrt hatte, die Ehre gab! Wir müssen jedoch anerkennen, dass das Vornehmen in seinem Herzen war, Gott wohlgefällig zu wandeln. Auch bei uns muss dieses Vornehmen des Herzens, wie einst bei Daniel und seinen Freunden, vorhanden sein. Dann kann der Herr uns inmitten einer verseuchten und vergifteten Atmosphäre, in einer gerichtsreifen Welt, bewahren.

Auch als Arbeitgeber hatte Hiob Recht geübt seinen Angestellten und Arbeitern gegenüber. Durch ihn waren die Geringen, die Witwen und Waisen betreut und versorgt worden. Schon in seiner Jugend hatte er dies als eine Aufgabe erkannt. War das nicht Nächstenliebe? Er hatte sie praktiziert und nicht nur davon geredet. Bei uns ist es des öfteren so, dass wir zwar gut darüber reden können, die Verwirklichung aber bleibt sehr zurück.

Sein Vertrauen hatte Hiob nicht auf das Materielle gesetzt und auch keinem Götzen gehuldigt. Über das Unglück seines Feindes war nie Schadenfreude in seinem Herzen gewesen. Gastfreundschaft war für ihn mehr als Selbstverständlichkeit.

Prüfen wir uns in allen diesen Punkten einmal ernstlich! Wie viel Ursache zur Beschämung ist dann vorhanden, wenn wir im Lichte Gottes aufrichtig sind. Mögen wir von Hiob lernen und das Gute nachahmen!

Schade, dass Hiob vergisst, dass Gott ein ganz anderer ist als seine drei Freunde. Vor ihnen hatte er sich gerechtfertigt. Jetzt tritt er sogar mit erhobenem Haupte, wie ein Fürst, vor Gott hin. Die Anklageschrift seiner Gegner wollte er sich umbinden wie eine Krone, er, der Gerechte und Tadellose. Wie viel Worte hatte er geredet – doch jetzt sind die Worte Hiobs zu Ende.

Wie gut, dass er schweigt! Denn Gott will mit ihm reden. Solange wir uns noch rechtfertigen, kann Gott nicht zu uns reden, geschweige uns zu Hilfe kommen. Nur auf dem Boden des zerbrochenen Herzens und eines zerschlagenen Geistes ist dies möglich. Hiob musste dahin gebracht werden, und Gott hat ihn in Seiner Gnade auch bis zu diesem Punkt geführt.

Sind auch wir wirklich zerbrochenen Herzens und zerschlagenen Geistes? Wie viel Mühe hat der große Gott mit uns, um uns dahin zu bringen! Nur durch zerbrochene Gefäße wird Er verherrlicht und kann das Licht Seiner Herrlichkeit hervorstrahlen.

Dein Weg geht oft durch dürre Stätten,
wo weder Lust noch Labe ist;
du kannst vor Kummer dich nicht retten,
weil du in schwerer Prüfung bist;
dein Leben dünkt dich, ach, so schwer,
du siehst nur Dunkel um dich her.

Der Herr führt dich auf solche Pfade,
damit du lernst, dass Staub du bist,
und das Geheimnis Seiner Gnade
erkennest auch zu solcher Frist -
damit du lernst, dass Er allein
dir will dein ein und alles sein.

Und liegst du gänzlich Ihm zu Füßen,
und schreit zu Ihm dein banges Herz,
reißt Er dich aus den Finsternissen
und führt zum Licht dich himmelwärts,
so wird dir deine raue Bahn
ein Gottesweg nach Kanaan.

Hiob 32

Die drei Freunde konnten Hiob nicht überzeugen, obwohl sie sich die größte Mühe gaben und ihre Erfahrungen, ihr Erleben und ihre Weisheit als Ausgangsbasis zu ihrem Urteil nahmen. Das vermeintlich richtige Urteil war durch die Hitze ihrer Wortgefechte zu einem Verurteilen geworden. Selbst ihre freundschaftlichen Beziehungen schienen vergessen zu sein. Die Frage nach der Ursache des Leidens blieb unbeantwortet. Wie vorher stand sie ungelöst im Raum, nur dass jetzt der schwergeprüfte Hiob seelisch und nervlich ganz zerschlagen war. Von seinen Lippen waren bange Klagen, an Verzweiflung grenzende Reden und auflehnende Worte gegen sie und Gott gesprochen worden. Trotz allem gab er hin und wieder seinem kindlichen, aufrichtigen Vertrauen zu Gott Ausdruck. Nun sind alle seine und der Freunde Worte zu Ende. Er selbst und seine Freunde schweigen jetzt. Alle sind zutiefst unbefriedigt, wenn nicht unglücklich. Ja, wenn wir Menschen nach langem Ringen endlich mit uns zu Ende gekommen sind, dann kann Gott reden! – Hier spricht Gott zunächst durch Elihu, den Sohn Barakeels, zu Hiob. Dann aber redet Er persönlich mit ihm. Elihu war gewiss bedeutend jünger als die vier alten, weisen – und doch so unweisen – Männer. Ohne Zweifel war er von Gott geschickt, um in diesem hoffnungslosen Durcheinander der Meinungen und der inneren Entzweiung das entscheidende Wort zu reden. Er war einer aus tausend, den Gott befähigt hatte, Seine Gedanken klar und deutlich herauszustellen. Wie wichtig ist es, dass Gott im rechten Augenblick Brüder benutzt, die im Widerstreit der Meinungen, oft sogar bei Streitigkeiten und Entzweiungen zwischen Brüdern, das rechte Wort – Worte Gottes – mitzuteilen vermögen! Wie oft hat man sich in der Sackgasse der eigenen Meinung, der Einseitigkeit, der Voreingenommenheit, des Nachtragens, oder auch der Stimme des Blutes, indem man die Verwandtschaft begünstigt, festgefahren! In solchen Fällen ist es wichtig, dass ein Elihu da ist. Er wird weder für den einen noch für den anderen Partei ergreifen, sondern klar und deutlich die Gedanken Gottes aussprechen und mit der Schrift, dem Worte Gottes, andere überführen.

Hätten wir doch mehr dieser Elihus! Wie wunderbar ist zudem auch der Name Elihu: „Mein Gott ist Er“. In gottgemäßer Weise, als ein wahrer und treuer Zeuge Gottes, wies Elihu sowohl Hiob als auch seine Freunde auf ihre Verkehrtheiten hin. Darüber hinaus zeigte er ihnen den Weg zum Leben und zur Gemeinschaft mit Gott. In ihm wirkte der Geist Christi. In Elihu haben wir gewiss einen Hinweis auf den Herrn Jesus selbst. Das zeigt sich auch darin, dass ihre Gewissen angesprochen wurden, und die Ehre Gottes blieb aufrechterhalten. Dies kennzeichnete den Herrn Jesus in Vollkommenheit. Er hat allezeit das Ihm Wohlgefällige getan.

Elihu ist ein demütiger Mann, denn er ehrt das Alter und denkt nicht hoch von sich selbst. Er will dem Alter jegliche Ehrerbietung erweisen. Deshalb bleibt er im Hintergrund, bis schließlich Hiob und die Freunde nichts mehr zu sagen wissen. In einer längeren Einleitung entschuldigt er sich, dass er als junger Mann in ihrer Mitte seine Meinung kundtut. Welch wertvolle Charakterzüge! Wie ist es heute? Wenn in der Welt auch andere Grundsätze herrschen, so sollte es unter Kindern Gottes nicht so sein. Möchten die göttlichen Grundsätze mehr bei jung und alt bei ihrem Verhalten untereinander gefunden werden!

Wie fein und lieblich, wenn unter Brüdern
und unter Schwestern die Eintracht wohnt.
Wenn Hand in Hand nach jenem Land
des Lebens alle geh'n,
da ist es noch einmal so schön,
wenn wir sie wandern seh'n.

Da möcht ich leben, da möcht ich weilen,
und wär's ein Hüttlein so arm und klein.
Wo Liebe ist, ach, da vergisst
man gern ein ander Leid.
Da ist man froh und wohlgemut
bei allem, was man tut.

Ja, Herr, lass Frieden und Eintracht wohnen,
wo Brüder weilen, wo Schwestern sind.
Verlasse sie im Leben nie,
dass sie sich nie entzwei'n.
Und führe sie bald droben ein,
dass sie sich ewig freu'n!

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