Betrachtung über Römer (Synopsis)

Kapitel 6

Betrachtung über Römer (Synopsis)

Doch ach! In dieser herrlichen Erlösung, die die Gnade bewirkt hat, welche die Gerechtigkeit Gottes und die Person des zweiten Adam an die Stelle der Sünde und der Person des ersten Adam setzt, kann die Verderbtheit des Fleisches eine Gelegenheit zu der von ihr geliebten Sünde finden, oder wenigstens die Lehre damit belasten. Wenn es durch den Gehorsam des Einen geschehen ist, dass ich in die Stellung von Gerechten gesetzt wurde, und weil die Gnade überströmend geworden ist, lasst uns sündigen, damit sie überströme: das berührt diese Gerechtigkeit nicht, es verherrlicht nur dieses Überströmen der Gnade. Ist dies die Lehre des Apostels? oder eine gesetzmäßige Folge seiner Lehre? Das sei ferne! Die Lehre besagt, dass wir durch den Tod in die Gegenwart Gottes gebracht worden sind, und zwar aufgrund des Werkes, das Christus im Tod vollbracht hat und dadurch, dass wir an diesem Tod teilhaben. Dürfen wir in der Sünde leben, der wir gestorben sind? Das wäre sich selbst mit den eigenen Worten widersprechen. Da ich aber auf Christum getauft bin (in Seinem Namen, um mit Ihm teilzuhaben gemäß der Wahrheit, die wir in der Offenbarung Seiner Selbst besitzen) bin ich getauft, um an Seinem Tod teilzuhaben, denn durch Ihn nur ist es, dass ich diese Gerechtigkeit habe, in der Er vor Gott erscheint und ich in Ihm. Aber der Sünde wegen ist Er gestorben. Er hat mit ihr für immer Schluss gemacht. Als Er starb, kam Er, der keine Sünde kannte, aus jenem Zustand des Lebens in Fleisch und Blut heraus, zu dem die Sünde in uns gehörte, in dem wir Sünder waren, und in dem Er, der Sündlose, in Gleichheit des sündigen Fleisches und als ein Opfer für die Sünde für uns zur Sünde gemacht wurde 1.

Wir sind nun mit Ihm begraben worden durch die Taufe auf den Tod (V. 4), indem wir an ihm teilhaben und durch die Taufe, die ihn darstellt, in den Tod gehen, auf dass, gleichwie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters aus den Toten auferweckt worden ist, also auch wir in Neuheit des Lebens wandeln. Mit einem Wort - ich bin dadurch zum Teilhaben an dieser göttlichen und vollkommenen Gerechtigkeit gebracht worden, dass ich an dem Tod der Sünde teilhabe; deshalb ist es unmöglich, in ihr zu leben. Hier ist nicht von Pflicht die Rede, sondern von der Natur der Sache. Ich kann nicht einer Sache sterben, um in ihr zu leben. Die Lehre selbst widerlegt die Erörterung des Fleisches, das unter dem Vorwand der Gerechtigkeit nicht anerkennen will, dass wir die Gnade benötigen und sie als absoluten Unsinn abtut 2.

Der Charakter dieses neuen Lebens, in welches uns die Auferstehung Christi eingeführt hat, wird hier in einer auffallenden Weise dargestellt. Christus hatte Gott im Sterben vollkommen verherrlicht; doch auch im Sterben war Er der Sohn des lebendigen Gottes. Somit ist es dieses nicht allein, dass der Tod Ihn nicht halten konnte, wie wahr dies auch wegen Seiner Person ist; Seine Auferstehung war auch eine Notwendigkeit der Herrlichkeit Gottes des Vaters. Alles was in Gott war, war genötigt, dies durch Seine Herrlichkeit selbst zu tun (gleichwie Christus alles verherrlicht hatte): Seine Gerechtigkeit, Seine Liebe, Seine Wahrheit, Seine Kraft; Seine Herrlichkeit, in der Er nicht zulassen konnte, dass der Tod über den, der treu war, den Sieg haben sollte; Seine Beziehung als Vater, der Seinen Sohn nicht in der Knechtschaft der Frucht der Sünde und in der Gewalt des Feindes lassen durfte und konnte. Es gebührte Christo von Seiten Gottes, es gebührte Seiner Herrlichkeit als Gott und Vater, und es war auch erforderlich, um den Abglanz Seiner eigenen Herrlichkeit zu zeigen, sie gemäß Seinen Ratschlüssen kundzutun, und zwar im Menschen. Christus wurde durch die Herrlichkeit des Vaters aus den Toten auferweckt. Alles, was der Vater ist, nahm daran teil, setzte sich dafür ein, Jesum den Triumph der Auferstehung zu geben, den Sieg über den Tod, und um der Auferstehung den Lichtglanz Seiner Herrlichkeit zu verleihen. Als Frucht des Wirkens Seiner Herrlichkeit gibt Sein Eingang in diese neue Stellung das Muster - den Charakter - jenes Lebens, in dem wir vor Gott leben 3.

Obwohl Gott wirkte und Seine Macht und Gütigkeit bezeugte, wäre Er ohne diese Offenbarung in Christo verschleiert und verborgen geblieben. In dem verherrlichten Christus, dem Mittelpunkt aller Ratschlüsse Gottes, schauen wir mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn, und jeder Mund bekennt Ihn als Herrn zur Verherrlichung Gottes, des Vaters.

Unser Leben sollte ein praktischer Abglanz dieser Herrlichkeit des Herrn im Himmel sein. Die Kraft, die uns mit Ihm an diesem Ort vereinigt und die immer noch in uns wirkt, wird am Ende von Epheser 1 gezeigt 4. Da ist sie nun, um unsere Auferstehung mit Christo einzuleiten. Hier geht es um Christi eigene Auferstehung, um die Lehre oder die Sache an sich und um deren Folgen und moralische Bedeutung in Bezug auf den einzelnen, der hienieden lebt, im Blick auf seine Beziehung mit Gott als ein verantwortlicher Mensch. Es ist ein vollständig neues Leben. Durch Ihn leben wir Gott.

Da wir mit Ihm in der Gleichheit Seines Todes einsgemacht sind, werden wir es auch in der Seiner Auferstehung sein. Wir sehen hier, dass die Auferstehung eine Folge ist, die er als Tatsache folgert, es ist keine geheimnisvolle Teilnahme daran; da wir dies zuerst wissen (als die große Grundlage von allem), dass unser alter Mensch - das in uns, was für die Sünde als die Frucht der vollkommenen Gnade Gottes plädiert - mit Christo gekreuzigt ist, auf dass der ganze Leib der Sünde abgetan sei und wir der Sünde nicht mehr dienen. Er nimmt die ganze Sünde, das System der Sünde im Menschen als einen Leib, der durch den Tod zunichte gemacht wurde: sein Wille ist gerichtet worden und herrscht nicht mehr über uns. Denn wer gestorben ist, ist freigesprochen von der Sünde 5.

Sünde kann ihm nicht mehr zur Last gelegt werden als etwas, was in einem lebenden und verantwortlichen Menschen da ist. Deshalb, da wir so mit Christo gestorben sind - dem Bekenntnis nach durch die Taufe, wirklich aber dadurch, dass wir Den, der gestorben ist, als unser Leben haben - so glauben wir, dass wir mit Ihm leben werden: wir gehören zu jener anderen Welt, wo Er in Auferstehung lebt. Die Energie des Lebens, in dem Er lebt, ist unser Teil: wir glauben daran, indem wir wissen, dass Christus, da Er aus den Toten auferweckt wurde, nicht mehr stirbt. Sein Sieg über den Tod ist vollständig und endgültig; der Tod herrscht nicht mehr über Ihn. Deshalb sind wir der Auferstehung sicher, nämlich wegen dieses vollständigen Sieges über den Tod, in den Er in Gnade für uns ging. Durch den Glauben sind wir mit Ihm in den Tod gegangen und haben Ihm gemäß unser Teil darin. Es ist die Kraft des Lebens der Liebe, die Ihn dahin brachte. Sterbend starb Er der Sünde. Er ging lieber bis in den Tod hinein, als dass Er die Herrlichkeit Gottes nicht aufrechterhalten hätte. Bis zum Tod und selbst im Tod hatte Er es mit Sünde zu tun, obwohl in Ihm keine war, und auch mit der Versuchung; dort aber hat Er auf ewig mit alledem abgeschlossen. Wir sterben der Sünde, indem wir an Seinem Tod teilnehmen. Die Folge davon ist durch die Herrlichkeit des Vaters die Auferstehung. „Denn was er gestorben ist, ist er ein für allemal der Sünde gestorben; was er aber lebt, lebt er Gott.“

Er hat also nichts mehr mit der Sünde zu tun. Er lebt vollkommen Gott, ohne dass sich in Seinem Leben etwas auf irgendetwas anderes bezieht. Was Er lebt, so steht Sein Leben nur in Beziehung zu Gott allein 6.

Auch wir sollten uns der Sünde für tot halten - denn dies geschieht durch den Glauben - Gott aber lebend, in dem wir außer Gott in Christo Jesu kein anderes Ziel im Leben haben. Ich sollte mich für tot halten, ich habe das Recht dazu, weil Christus für mich gestorben ist; und da ich jetzt Gott auf ewig lebe, sollte ich mich für herausgekommen halten aus der Sünde, der ich gestorben bin, und zwar durch das Leben, welches ich durch Ihn lebe. Denn dies ist der Christus, den ich kenne; nicht ein auf Erden lebender Christus in Verbindung mit mir gemäß der Natur, in der ich hienieden lebe. In dieser Natur habe ich mich als ein Sünder erwiesen und als einer wahren Beziehung mit Ihm unfähig. Indem Er dieses Leben lebte, ist Er für mich gestorben, und durch die Auferstehung ist Er in ein neues Leben, außerhalb des früheren, eingegangen. In diesem nun kenne ich Ihn als Gläubiger. Durch Ihn, den Auferstandenen, habe ich am Tode und am Leben teil. Ich habe Gerechtigkeit aus Glauben, Gerechtigkeit aber dadurch, dass ich mit Christo gestorben und wieder auferweckt, also als durch den Glauben der Sünde gestorben bin.

Dies ist nun der wesentliche Unterschied dieses Teiles des Briefes: es geht nicht darum, dass Christus Sein Blut für unsere Sünden vergossen hat, sondern darum, dass wir mit Ihm gestorben sind. Für den Glauben ist ein Ende unseres Zustandes und unseres Standes im Fleisch gemacht. Christus, der unser Leben geworden ist, ist gestorben, und indem ich durch Ihn lebe, ist das, was Er getan hat, mein, und ich habe zu sagen, dass ich gestorben bin. Ich halte mich für tot 7.

Der Apostel kommt zu der offensichtlichen Schlussfolgerung: „So herrsche denn nicht die Sünde in eurem sterblichen Leibe.“ Stellt nicht eure Glieder zu Werkzeugen der Sünde dar, der ihr durch Christum gestorben seid, sondern als lebend, als Lebende aus den Toten stellet eure Glieder als Werkzeuge der Gerechtigkeit Gott dar, dem ihr lebt. Der Leib ist nun das bloße Werkzeug des göttlichen Lebens, und wir sind frei, ihn als solchen für Gott zu gebrauchen. Denn tatsächlich wird die Sünde nicht über uns herrschen, denn wir sind nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade. Hier ist nicht vom Grundsatz die Rede, sondern von der Kraft. Grundsätzlich sind wir dem Glauben gemäß der Sünde tot; praktisch hat sie keine Macht über uns. Merkt euch, dass die Quelle der praktischen Kraft, die Sünde zu besiegen, nicht im Gesetz sondern in der Gnade liegt. Nun ist es wohl wahr, da wir nicht unter Gesetz sind, dass die Regel, der wir unterstellt sind, nicht die des Zurechnens, sondern des Nichtzurechnens ist. Ist das ein Grund, dass wir sündigen sollten? Nein! dieses alles ist echt. Wir sind Sklaven dessen, dem wir gehorchen. Die Sünde führt zum Tode, der Gehorsam aber zur praktischen Gerechtigkeit. Wir stehen auf einem breiteren Grundsatz einer neuen Natur und der Gnade: nicht der Anwendung einer äußerlichen Satzung auf eine Natur, die ihr nicht untertan war noch untertan sein konnte. Und wahrhaftig, da das erstere bei den Jüngern in Rom der Fall war, bewiesen sie die Richtigkeit der Erörterung des Apostels, indem sie in der Wahrheit wandelten. Frei gemacht von der Sklaverei der Sünde, waren sie zu Sklaven der Gerechtigkeit geworden (menschlich gesprochen), und das endete nicht in sich; die praktische Gerechtigkeit entwickelte sich dadurch, dass das ganze Wesen in stets wachsender Einsicht für Gott abgesondert wurde. In diesen und jenen Dingen waren sie gehorsam; die Frucht aber war Heiligung, eine geistliche Aufnahmefähigkeit, in der sie vom Bösen abgesondert wurden und zu einer tieferen Erkenntnis Gottes gelangten 8.

Die Sünde brachte keine Frucht; sie endete im Tode; aber von der Sünde frei gemacht und zu Dienern Gottes geworden - zu der wahren Gerechtigkeit des Gehorsams gleichwie Christus Selbst -, hatten sie schon ihre Frucht in Heiligkeit, und das Ende sollte ewiges Leben sein. Denn der Lohn der Sünde war der Tod, die Gnadengabe Gottes aber ewiges Leben in Christo Jesu, unserem Herrn. Nun bedeutet dieses Leben, Gott zu leben, und das ist nicht Sünde; nichtsdestoweniger ist es Gnade. Der Apostel, dessen Gegenstand die gesetzesmäßige Gerechtigkeit vor Gott ist, nähert sich hier dem Johannes und verbindet seine Lehre mit dem 1. Johannesbrief, der andererseits dort die Lehre der Sühnung und der Annahme berührt, wenn er über das Teilhaftigwerden des Lebens spricht. Für einen in wahrhaftiger Freiheit stehenden Menschen - in der Freiheit der Gnade, indem er der Sünde tot ist - sind diese holdseligen Dinge sehr ansprechend. Durch den Tod ist er völlig frei gemacht. Wem wird er sich jetzt hingeben? Denn jetzt ist er frei; wird er sich der Sünde hingeben? Es ist ein großzügiges Angebot 9.

Fußnoten

  • 1 Das bezieht sich nicht einfach auf das Tragen unserer Sünden: das ist der Gegenstand des ersten Teiles dieses Briefes. Der Zustand, in dem wir uns als das ganze Menschengeschlecht befanden, war der des gefallenen, sündigen Adam. Christus, der Sündenlose, kam und stand stellvertretend für uns und für die Herrlichkeit Gottes; d. h. als ein Opfer an jenem Orte wurde Er zur Sünde gemacht, erduldete das Verlassensein von Gott, und Gott verherrlichend starb Er an jenem Orte und jenem Orte und dem ganzen Zustande des Daseins, in dem wir waren, und in dem Er, zur Sünde gemacht, für uns vor Gott stand. Dieses Werk, obwohl es als Mensch und für den Menschen getan wurde, reicht zweifellos weiter als unsere Errettung. Er erschien, um die Sünde durch das Opfer Seiner Selbst hinweg zu tun. Als das Lamm Gottes nimmt Er die Sünde der Welt weg. Sein Opfer ist die Grundlage des Zustandes jenes neuen Himmels und jener neuen Erde, worin Gerechtigkeit wohnt.
  • 2 Man beachte, wir werden hier nicht als mit Christo auferweckt betrachtet. Wie ich gesagt habe, wird der Gläubige hier immer als auf Erden betrachtet, jedoch als in Christo lebend und gerechtfertigt, und dies wird als Grundlage für praktisches Verhalten und den Wandel hienieden gebraucht.
  • 3 Wahrhaftig befassten Sich Vater, Sohn und Heiliger Geist alle mit der Auferstehung Christi. Er baute den Tempel Seines Leibes nach drei Tagen wieder auf, wurde durch den Geist lebendig gemacht und durch die Herrlichkeit des Vaters auferweckt.
  • 4 Wir können dem zur vollen Wirkung das Ende von Kapitel 3 hinzufügen, Einzelheiten sind anderswo zu finden.
  • 5 Das Wort lautet „freigesprochen“ (gerechtfertigt). Und hier sehen wir deutlich den wichtigen Unterschied zwischen der Sünde und Sünden: man kann einen Toten nicht der Sünde bezichtigen. Er hat keinen verderbten Willen, keine bösen Gelüste. Er mag, während er lebendig war, viele Sünden verübt haben, er mag von ihnen freigesprochen worden sein oder auch nicht. Wir können ihn aber nicht der Sünde bezichtigen. Und wie wir aus Röm 5,12 gesehen haben, reden wir von der Sünde, vom Zustande des Menschen - nicht von Sünden.
  • 6 Dies ist ein wunderbarer Ausdruck. Was die Treue betrifft, so wurde Sein Leben für Gott verwendet, Er lebte Gott. Jetzt aber kennt Sein Leben nichts als nur Gott.
  • 7 Man beachte hier, dass der Römerbrief nicht so weit geht und sagt, dass wir mit Christo auferstanden sind. Das führt notwendigerweise zur Vereinigung und ist der Boden des Epheserbriefes. Wir müssen uns nur merken, dass Tod und Auferstehung niemals zu dem himmlischen Zustand überleiten; sie sind der persönliche erfahrungsgemäße Zustand. Im Epheserbrief, wo wir in Sünden tot waren, werden wir angenommen, lebendig gemacht und in Christo in himmlische Örter versetzt, gleichwie Christus auferweckt und in die Herrlichkeit droben, in die himmlischen Örter gesetzt worden ist; es ist einfach das Werk Gottes. Hier ist es persönlich. Wir sind lebendig in Ihm. Wir werden an Seiner Auferstehung teilhaben, indem wir in Neuheit des Lebens wandeln. Es ist persönlich und praktisch: wie wir gesehen haben, ist es der Mensch, der auf Erden lebt.
  • 8 Vergleiche 2. Mo 33,13.
  • 9 Beachte, dass hier nicht an Sünder appelliert wird, wie diese Stelle manchmal gebraucht wird, sondern an die, welche schon befreit sind.
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