Im Anfang
Ein Kommentar zu 1. Mose 1-11

1. Mose 11

Im Anfang

Zu Beginn von Kapitel 10 haben wir gesehen, dass Kapitel 10 und 11 nicht chronologisch aufeinanderfolgen, sondern dass sie zeitlich zusammengehören. In Kapitel 11 wird die Ursache der in Kapitel 10 beschriebenen Verteilung der Menschheit genannt: es geschah, weil die Menschen sich völlig losgelöst von Gott einen Namen machen wollten. Diesen Hochmut beantwortet Gott mit der Sprachverwirrung und ihren Folgen.

Der Turmbau zu Babel

„Und die ganze Erde hatte eine Sprache und dieselben Worte. Und es geschah, als sie nach Osten zogen, da fanden sie eine Ebene im Land Sinear und wohnten dort. Und sie sprachen einer zum anderen: Wohlan, lasst uns Ziegel streichen und hart brennen! Und der Ziegel diente ihnen als Stein, und das Erdharz diente ihnen als Mörtel. Und sie sprachen: Wohlan, bauen wir uns eine Stadt und einen Turm, dessen Spitze an den Himmel reicht, und machen wir uns einen Namen, dass wir nicht zerstreut werden über die ganze Erde!“ (11,1-4).

Begünstigt durch die einheitliche Sprache, scheinen die Menschen nach der Flut zunächst zusammen geblieben zu sein. Sie ziehen gemeinsam nach Osten (o. von Osten weg), verlassen das Gebirge wo die Arche gestrandet war, und lassen sich in der Ebene des Landes Sinear nieder1. Diese geographischen Angaben illustrieren den moralischen Niedergang dieser Menschen. Sie verlassen die Nähe zu Gott und begeben sich auf den niedrigen und bequemen Boden der Welt. Das alles tun sie ganz ohne Gott, dessen Name in den ersten vier Versen nicht einmal erwähnt wird. Stattdessen heißt es mehrfach: sie zogen, sie fanden, sie sprachen, lasst uns, machen wir uns …

In der Ebene Sinear kann Nimrod seinen Plan für ein eigenes Reich gut verwirklichen (s. Kap. 10,8–10). Neben der einheitlichen Sprache sind auch die äußeren Umstände für dieses Vorhaben günstig – das Gebiet ist fruchtbar, und mit Lehm und Erdharz gibt es geeignetes Baumaterial (V. 3).

Man beschließt, gemeinsam eine Stadt zu bauen und einen Turm, dessen Spitze an den Himmel reicht. Damit verfolgen die Menschen eine zweifache Absicht:

  1. sie wollen sich selbst einen Namen machen und
  2. verhindern, dass sie über die ganze Erde zerstreut werden.

Die erste Absicht zeigt ihr inneres Motiv auf: Es geht ihnen ganz um sich und ihre eigene Ehre. Das ist ein kennzeichnendes Merkmal Babels durch die ganze Bibel hindurch. Als Gott viele Jahrhunderte später Nebukadnezar die Herrschaft über das große babylonische Weltreich verlieh, führte dies dazu, dass Nebukadnezar sich selbst alle Ehre und Herrlichkeit zuschrieb. „Ist das nicht das große Babel, das ich zum königlichen Wohnsitz erbaut habe durch die Stärke meiner Macht und zu Ehren meiner Herrlichkeit“ (Dan 4,27)? Das wird sich auch in der Zukunft nicht ändern. Von dem verderbten religiösen System Babylon wird in Offenbarung 18,7 gesagt: „Wie viel sie sich selbst verherrlicht und Üppigkeit getrieben hat.“

Das selbstbewusste Verhalten der Menschen im Land Sinear ist ganz anders als das Verhalten von Seth am Ende von Kapitel 4. Seth war sich bewusst, ein schwacher und fehlerhafter Mensch zu sein und gab seinem Sohn daher den Namen Enos (schwacher oder hinfälliger Mensch). Zudem fing man in seinen Tagen an, den Namen des HERRN anzurufen. Hier hingegen will man sich selbst einen Namen machen und lässt Gott völlig außen vor.

Die zweite Absicht ist ein mehr äußeres Motiv – sie wollen verhindern, über die ganze Erde zerstreut zu werden. Damit sind sie Gott ungehorsam, der Noah und seinen Söhnen nach der Flut geboten hatte, die Erde zu füllen (Kap. 9,1.7). Doch schon kurze Zeit nach der Flut fragen die Menschen nicht mehr nach Gottes Gedanken. Sie streben nach Einheit und Macht und vereinigen sich, um dieses Ziel gemeinsam zu erreichen. So entsteht ein erster Verein mit dem Menschen im Mittelpunkt. Bis heute gibt es in allen Bereichen der Gesellschaft viele solcher Vereine, um unabhängig von Gott die Interessen und das Wohlergehen des Menschen zu fördern. Der sündige Mensch neigt auch weiter dazu, sich und seine Überzeugungen für das Maß aller Dinge zu halten und sie zum Maßstab für andere machen zu wollen. Denken wir beispielsweise an Themen wie die „Ehe für alle“, „Gender-Mainstreaming“ und „Klimawandel“.

Das Gericht der Sprachenverwirrung

„Und der HERR fuhr herab, um die Stadt und den Turm zu sehen, die die Menschenkinder bauten. Und der HERR sprach: Siehe, sie sind ein Volk und haben alle eine Sprache, und dies haben sie angefangen zu tun; und nun wird ihnen nichts verwehrt werden, was sie zu tun ersinnen. Wohlan, lasst uns herabfahren und ihre Sprache dort verwirren, dass sie einer des anderen Sprache nicht verstehen! Und der HERR zerstreute sie von dort über die ganze Erde; und sie hörten auf, die Stadt zu bauen. Darum gab man ihr den Namen Babel; denn dort verwirrte der HERR die Sprache der ganzen Erde, und von dort zerstreute sie der HERR über die ganze Erde“ (11,5-9).

Gott kann den Hochmut der Menschen nicht dulden. In Sprüche 8,13 heißt es, dass Gott „Stolz und Hochmut und den Weg des Bösen und den Mund der Verkehrtheit hasst“. So greift Er hier ein und kommt, um die Situation zu besehen. Das ist bemerkenswert. Hatte Gott es nötig, sich vor Ort ein Bild zu machen? Nein, denn Er ist allwissend und allgegenwärtig. Doch indem Er herabfährt, macht Er den Menschen deutlich, dass Er gerecht urteilt. Wir erkennen darin ein wichtiges Prinzip: Wenn wir ein Urteil fällen bzw. uns entscheiden müssen – beispielsweise im Fall von offenbar gewordenem Bösem im Volk Gottes – ist es nötig, die Sache an Ort und Stelle gründlich zu besehen, um kein vorschnelles und möglicherweise falsches Urteil zu treffen. Es geht darum, genau zu untersuchen, genau nachzuforschen (s. a. 5. Mo 13,13-16; 17,2-7). Das gilt nicht nur für oben genannte Fälle, sondern auch, bevor wir etwas, was wir gehört haben, weitergeben. Wenn wir vorher genau prüfen, ob es wahr ist, werden wir nicht dazu beitragen, falsche Dinge weiterzusagen.

Der Herr hat hier nicht nur die aktuelle Situation vor Augen, sondern sieht voraus, wohin das eigenmächtige und gottlose Handeln des Menschen noch weiterführen wird, wenn ihm nicht gewehrt wird (V. 6). Auf das zweimalige „Wohlan“ der Menschen (V. 3.4) folgt daher jetzt ein „Wohlan“ Gottes. Er fährt herab, um die Sprache der Menschen zu verwirren. Damit ist das gemeinsame Vorhaben der Menschen schlagartig zu Ende. Sie können nicht weiterbauen und werden über die ganze Erde zerstreut (V. 8). So trifft genau das ein, was die Menschen mit ihrem Tun verhindern wollten. Gott kommt mit seinen Plänen immer zum Ziel!

Wie groß ist der Gegensatz zwischen dem Tun und den Absichten der Menschen im Land Sinear und dem Wirken Gottes in der Versammlung. Babel wurde von gottlosen Menschen aus selbstgebrannten, zerbrechlichen Ziegeln aus Lehm gebaut. Gottes Bauwerk hingegen besteht aus lebendigen Steinen (1. Pet 2,5) und gründet sich auf Christus, den Felsen (Mt 16,18). In der Versammlung hat Gott Menschen aus allen Völkern und Sprachen vereinigt: „Denn auch in einem Geist sind wir alle zu einem Leib getauft worden, es seien Juden oder Griechen, es seien Sklaven oder Freie, und sind alle mit einem Geist getränkt worden“ (1. Kor 12,13). Dort ist Christus der Sammelpunkt für alle und Der, dem alle Ehre gegeben wird.

Sehr groß ist auch der Kontrast zu der Zeit, wenn der Herr Jesus in Macht und Herrlichkeit erscheinen wird, um sein Reich hier auf der Erde aufzurichten. Der Prophet Daniel berichtet darüber: „Ich schaute in Gesichten der Nacht: Und siehe, mit den Wolken des Himmels kam einer wie eines Menschen Sohn; und er kam zu dem Alten an Tagen und wurde vor ihn gebracht. Und ihm wurde Herrschaft und Herrlichkeit und Königtum gegeben, und alle Völker, Völkerschaften und Sprachen dienten ihm; seine Herrschaft ist eine ewige Herrschaft, die nicht vergehen wird, und sein Königtum ein solches, das nie zerstört werden wird“ (Dan 7,13.14). Die verschiedenen Völker und Sprachen werden noch da sein, aber vereint in gesegneter Harmonie um den Herrn Jesus, als Zentrum der Ehre und Macht. Erst in der Ewigkeit werden alle Unterscheidungen verschwinden, wenn Gott alles in allem sein wird und bei den Menschen wohnen wird.

Mit dem Turmbau zu Babel und der anschließenden Sprachenverwirrung enden die Ereignisse im ersten Teil von 1. Mose. Es ist ein trauriges Ende. Doch Gott gibt den Menschen nicht auf. Er hat immer einen Ausweg. Wenn die Menschen sich von Ihm abwenden und sich den Götzen zuwenden, ruft Er aus der Mitte der götzendienerischen Völker einen Nachkommen Sems heraus, um mit ihm einen Neuanfang zu machen – Abram, auf den die Geschlechtsregister im zweiten Teil von Kapitel 11 hinführen.

Die Geschlechter Sems

„Dies sind die Geschlechter Sems: Sem war 100 Jahre alt und zeugte Arpaksad, zwei Jahre nach der Flut. Und Sem lebte, nachdem er Arpaksad gezeugt hatte, 500 Jahre und zeugte Söhne und Töchter.

Und Arpaksad lebte 35 Jahre und zeugte Schelach. Und Arpaksad lebte, nachdem er Schelach gezeugt hatte, 403 Jahre und zeugte Söhne und Töchter.

Und Schelach lebte 30 Jahre und zeugte Heber. Und Schelach lebte, nachdem er Heber gezeugt hatte, 403 Jahre und zeugte Söhne und Töchter.

Und Heber lebte 34 Jahre und zeugte Peleg. Und Heber lebte, nachdem er Peleg gezeugt hatte, 430 Jahre und zeugte Söhne und Töchter.

Und Peleg lebte 30 Jahre und zeugte Reghu. Und Peleg lebte, nachdem er Reghu gezeugt hatte, 209 Jahre und zeugte Söhne und Töchter.

Und Reghu lebte 32 Jahre und zeugte Serug. Und Reghu lebte, nachdem er Serug gezeugt hatte, 207 Jahre und zeugte Söhne und Töchter.

Und Serug lebte 30 Jahre und zeugte Nahor. Und Serug lebte, nachdem er Nahor gezeugt hatte, 200 Jahre und zeugte Söhne und Töchter.

Und Nahor lebte 29 Jahre und zeugte Tarah. Und Nahor lebte, nachdem er Tarah gezeugt hatte, 119 Jahre und zeugte Söhne und Töchter.

Und Tarah lebte 70 Jahre und zeugte Abram, Nahor und Haran“ (11,10-26).

Nach Kapitel 10,21–29 werden hier zum zweiten Mal die Geschlechter Sems aufgeführt. Ein Vergleich der beiden Geschlechtsregister zeigt, dass hier ein etwas anderer Schwerpunkt gesetzt wird, da Abram eingeführt wird. Während sich der Bericht in Kapitel 10 bei den Nachkommen Hebers auf Joktans Familie konzentriert, zweigt die Linie in Kapitel 11,17 auf Hebers anderen Sohn Peleg ab, aus dessen Nachkommen dann Abram hervorgeht. Die hier genannten Namen finden sich auch im Geschlechtsregister des Herrn Jesus in Lukas 3,3-5 wieder.

Auch der Vergleich mit dem Geschlechtsregister Adams in Kapitel 5 ist interessant:

  • Beide Linien umfassen 10 Geschlechter (von Adam bis Noah und von Sem bis Abram).
  • Beide Linien zeigen die Linie des Segens auf.
  • Beide Linien enden ähnlich (Kap. 5,32; 11,26): das Alter des Vaters wird erwähnt, und von den jeweils drei Söhnen wird in beiden Fällen nicht der Älteste zuerst genannt, sondern der, dem die besondere Aufmerksamkeit des Herrn gilt.
  • Beide Linien enden mit einem Menschen, dem Gott sich offenbart und mit dem ein neuer Zeitabschnitt beginnt (Noah, Abram).
  • In Kapitel 11 fehlen die bemerkenswerten Worte aus Kapitel 5 „und er starb“. Es heißt immer „lebte und zeugte“.
  • Die in Kapitel 11 genannten Personen lebten nicht so lange wie die in 1. Mose 5 genannten Männer. Besonders ab den Tagen Pelegs reduzierte sich das Lebensalter deutlich.

Dieses Geschlechtsregister ist mehr als eine bloße Liste von Namen. Es zeigt, wie Gott seine Zusagen erfüllt. Gott hatte den „Samen der Frau“ verheißen, der Satan besiegen und das Heil bringen würde (Kap. 3,15). Noah hatte prophezeit, dass Gott die Welt durch das Geschlecht Sems segnen würde, die Vorfahren des Volkes Israel (Kap. 9,26–27). Hier nun sehen wir, wie Gott die Linie Sems bis hin zu Abraham führt, mit dem Er dann weiter handelt.

Die Geschlechter Tarahs

„Und dies sind die Geschlechter Tarahs: Tarah zeugte Abram, Nahor und Haran; und Haran zeugte Lot. Und Haran starb vor dem Angesicht seines Vaters Tarah im Land seiner Geburt, in Ur in Chaldäa. Und Abram und Nahor nahmen sich Frauen; der Name der Frau Abrams war Sarai, und der Name der Frau Nahors Milka, die Tochter Harans, des Vaters der Milka und des Vaters der Jiska. Und Sarai war unfruchtbar, sie hatte kein Kind. Und Tarah nahm seinen Sohn Abram und Lot, den Sohn Harans, seines Sohnes Sohn, und Sarai, seine Schwiegertochter, die Frau seines Sohnes Abram; und sie zogen miteinander aus Ur in Chaldäa, um in das Land Kanaan zu gehen; und sie kamen bis Haran und wohnten dort. Und die Tage Tarahs waren 205 Jahre, und Tarah starb in Haran“ (11,27-32).

Der Turmbau zu Babel zeigt, dass auch Sem und seine Nachkommen von Gott abgewichen sind. Auch sie wollten sich einen Namen machen und halfen beim Turmbau zu Babel mit. Aber nicht nur das, sie waren auch Götzendiener geworden! Das wird jedoch erst im letzten Kapitel des Buches Josua gesagt: „Eure Väter wohnten vor alters jenseits des Stromes, Tarah, der Vater Abrams und der Vater Nahors, und sie dienten anderen Göttern“ (Jos 24,2). An dieser Stelle wird Götzendienst zum ersten Mal in der Bibel erwähnt, allerdings ohne nähere Details zu nennen, wann genau und mit wem er begann. Das Versagen und die Verdorbenheit des Menschen zeigten sich schon relativ schnell nach dem Gericht durch die Flut wieder und gingen sogar noch einen großen Schritt weiter. Sie vergaßen ihren Gott, der sich als der „Gott Sems“ mit ihnen verbunden hatte (Kap. 9,26) und wandten sich toten Götzen zu – eine schreckliche Beleidigung für Gott.

Doch Gott in seiner unendlichen Gnade gibt den Menschen nicht auf. Er beruft aus der Menge der gottlosen Menschen einen Einzelnen und sondert ihn für sich ab – ein Grundsatz, nach dem Gott seit diesen Tagen bis heute handelt. Um sich ein Volk zu machen, erwählt Er sich in seiner souveränen Gnade Abram zum Stammvater.

Bevor die eigentliche Geschichte Abrams mit Kapitel 12 beginnt, wird in den abschließenden Versen von Kapitel 11 die Familie Tarahs, aus der Abram abstammt, vorgestellt. Ähnlich, wie bei den Söhnen Noahs, wird auch hier nicht der älteste Sohn Tarahs zuerst genannt, sondern derjenige, der für Gott besonders viel bedeutet – Abram2.

Offensichtlich war Haran der älteste Sohn Tarahs, denn Nahor, sein Bruder, hatte eine Tochter Harans zur Frau (V. 29). Haran, der älteste Bruder Abrams, starb früh in Ur in Chaldäa, noch vor seinem Vater Tarah. Harans Sohn Lot war demnach Halbwaise und wurde vielleicht deswegen von Abram mitgenommen.

Neben den Männern der Familie Tarahs werden auch drei Frauen erwähnt. Sarai, die Frau Abrams und zugleich seine Halbschwester (s. Kap. 20,12) wird zuerst genannt. Dann wird Milka, die Frau Nahors und Tochter Harans genannt. Sie wurde Mutter von acht Söhnen, unter denen auch Bethuel, der Vater Labans und Rebekkas war (1. Mo 22,20-23). Über Jiska, eine weitere Tochter Harans, wird nichts weiter berichtet. In Bezug auf Sarai wird ausdrücklich hinzugefügt, dass sie unfruchtbar war, während Milka, ihre Schwägerin, schon Kinder hatte. Das wird für Sarai nicht einfach gewesen sein. Doch Gott wollte seine Macht an ihr zeigen, um aus ihr den Samen kommen zu lassen, der zum Segen aller Nationen sein sollte.

Die letzten beiden Verse des Kapitels berichten, wie Tarah mit seinen Söhnen Abram und Lot die Stadt Ur in Chaldäa verlässt, um in das Land Kanaan zu ziehen. Allerdings kommen sie dort nicht an, sondern lassen sich unterwegs in Haran nieder, wo Tarah schließlich stirbt. Diese Verse kommen chronologisch nach Kapitel 12,1–3. Das wird durch Stephanus‘ Worte vor dem jüdischen Synedrium in Apostelgeschichte 7,2-4 unterstrichen: „Brüder und Väter, hört! Der Gott der Herrlichkeit erschien unserem Vater Abraham, als er in Mesopotamien war, ehe er in Haran wohnte, und sprach zu ihm:,Geh aus deinem Land und aus deiner Verwandtschaft und komm in das Land, das ich dir zeigen werde.‘ Da ging er aus dem Land der Chaldäer und wohnte in Haran; und von dort siedelte er ihn um, nachdem sein Vater gestorben war, in dieses Land, in dem ihr jetzt wohnt.“

Nicht Tarah, sondern Abram wurde von Gott gerufen und aufgefordert, sich von seiner Verwandtschaft zu trennen und in das Land zu ziehen, dass Gott ihm zeigen wollte (s. a. Neh 9,7). Das erforderte großen Glauben, den Abraham scheinbar nicht sofort vollständig hatte. Offensichtlich waren die natürlichen Familienbindungen noch zu stark, um dem Ruf Gottes völlig zu gehorchen. Erst als Tarah in Haran starb, zog Abram weiter, bis er in das Land Kanaan kam (Kap. 12,4.5).

Familienbande können auch uns hindern, dem Herrn konsequent und mit ganzer Hingabe zu folgen. In Lukas 14,26 spricht der Herr darüber in Verbindung mit Voraussetzungen für echte Jüngerschaft: „Wenn jemand zu mir kommt und hasst nicht seinen Vater und seine Mutter und seine Frau und seine Kinder und seine Brüder und Schwestern, dazu aber auch sein eigenes Leben, so kann er nicht mein Jünger sein.“ Fordert der Herr mit diesen Worten auf, unsere Angehörigen aktiv zu hassen oder die natürlichen Beziehungen zu verachten? Nein, denn diese Beziehungen sind von Gott gegeben. Außerdem ist gerade das ein negatives Kennzeichen der letzten Tage, „ohne natürliche Liebe“ zu sein (2. Tim 3,3). Diese Worte bedeuten, dass der Herr in unseren Herzen und Zuneigungen den ersten Platz einnehmen muss. Wir müssen Ihn mehr lieben als alle anderen und mehr als uns selbst.

Es kann in unserem Leben noch andere Dinge geben, die uns hindern, unsere himmlische Berufung auszuleben. Wir müssen lernen, den Tod auf diese Dinge und auf alles, was vom Fleisch ist, anzuwenden. Abram lernte dies auf dreierlei Weise:

  1. sein Vater starb,
  2. sein eigener Körper war erstorben,
  3. sein Sohn Isaak musste (geistlicherweise) sterben.

So gilt es auch für uns zu verwirklichen, dass wir mit Christus der Sünde und der Welt gestorben sind (Röm 6,2; Gal 6,14). Tun wir es, können wir würdig der Berufung wandeln, mit der wir berufen worden sind (vgl. Eph 4,1). Wir erfahren dann, wie gesegnet es ist, der Stimme des Herrn in unserem Leben zu folgen, wie Abraham es in seiner weiteren Geschichte tat.

Schluss

Die ersten 11 Kapitel sind eine beeindruckende Einleitung zum ersten Buch Mose und auch zu der ganzen Bibel. Die Worte „im Anfang“, mit denen das Wort Gottes beginnt, sind wie ein Schlüssel, der die Tür zu vielen wichtigen Themen in diesen Kapiteln öffnet. Neben manchem anderen haben wir den Anfang folgender Dinge gesehen:

  • des Universums (1,1)
  • des Menschen (1,27)
  • der Ehe (2,24)
  • der Sünde (3,6)
  • biblischer Prophezeiung (3,15)
  • der Familie (4,1.2)
  • der Opfer (4,4)
  • des Todes (4,8)
  • der Regierung des Menschen (9,1–6)
  • der Nationen und Völker (10)
  • der verschiedenen Sprachen (11,7–9)
  • der Nachkommen Sems, des Volkes Israels (11,10–12,2)

Wir staunen über die Größe, Allmacht und Weisheit Gottes, die sich in diesen Kapiteln zeigt. Das motiviert uns, den Themen, die in diesen Kapiteln in ihrem Anfang vorgestellt werden, im weiteren Verlauf der Bibel nachzugehen und das ganze Wort Gottes zu erforschen. Doch vor allem wollen wir uns davon beeindrucken lassen, dass der Schöpfer und Erhalter des Universums, der von Anfang an das Ende kennt, gerade mit uns Menschen eine Beziehung eingegangen ist und sich davon auch nicht durch den Sündenfall hat abbringen lassen. Was für eine Gnade ist es, dass Er seinen Sohn als Opfer für die Sünde gegeben hat, uns zu seinen Kindern gemacht und in die Nachfolge des Herrn Jesus berufen hat! Getrennt von der Welt wollen wir wie Henoch, Noah und Abraham ein Leben zur Ehre Gottes führen.

Fußnoten

  • 1 Sinear ist der alte Name für das Gebiet, das später Babylonien oder Chaldäa hieß. Dieses Gebiet lag am Unterlauf der Flüsse Euphrat und Tigris, zwischen der heutigen irakischen Stadt Bagdad und dem Persischen Golf. Das Land Sinear war auch die Wiege des Götzendienstes (s. Sach 5,11; Jos 24,2) und die Heimat von Magiern und dämonischen Priestern (s. Dan 2,2).
  • 2 Tarah starb mit 205 Jahren (1. Mo 11,32). Zu dem Zeitpunkt war Abram 75 Jahre alt (1. Mo 12,4). Somit war Tarah 130 Jahre alt, als Abram geboren wurde. Abrams ältester Bruder wurde geboren, als Tarah 70 Jahre alt war und anfing, Kinder zu zeugen (1. Mo 11,26).
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