Im Anfang
Ein Kommentar zu 1. Mose 1-11

1. Mose 10

Im Anfang

Kapitel 10 und 11 beschreiben den Beginn der Geschichte der gegenwärtigen Welt und wie die Menschheit in Völker eingeteilt wurde. Nirgendwo sonst sind in der Geschichtsschreibung der Menschen verlässliche Informationen über den Ursprung der Völker zu finden. Allein Gott, der von Anfang an das Ende verkündet „und von alters her, was noch nicht geschehen ist“ (Jes 46,10), kann das bekannt machen. Er tut das in diesen beiden Kapiteln mit einem besonderen Blick auf sein irdisches Volk Israel. „Als der Höchste den Nationen das Erbe austeilte, als er voneinander schied die Menschenkinder, da stellte er die Grenzen der Völker fest nach der Zahl der Kinder Israel“ (5. Mose 32,8) – dieser Vers ist wie eine Überschrift über diese beiden Kapitel. Viele Völker, die eine wichtige Rolle in der Geschichte Israels gespielt haben und auch in der Endzeit noch spielen werden, werden hier erwähnt. Die Kapitel sind nicht chronologisch1. Kapitel 10 betont vor allem die Tatsache der Verteilung der Menschen und beantwortet die Frage, wie das geschah. Kapitel 11 zeigt die Ursache für die Verteilung und beantwortet die Frage, warum es geschah.

So sind auch diese Kapitel mit den Geschlechtsregistern und den vielen Namen wertvoll für uns. Wir lernen, dass Gott die Geschicke der Völker lenkt, dass Er alles im Blick hat. Sowohl die Geschichte der großen Völker als auch die persönliche Geschichte jedes einzelnen von uns: Ihm entgeht nichts!

Die Söhne Noahs

„Und dies sind die Geschlechter der Söhne Noahs: Sem, Ham und Japhet. Es wurden ihnen Söhne geboren nach der Flut“ (10,1).

Zu Beginn des Kapitels werden die Söhne Noahs wieder in der Reihenfolge ihrer Bedeutung genannt, nicht in ihrer Geburtsfolge. Japhet war der älteste Sohn (Kap. 10,21); Sem der zweite und Ham der jüngste Sohn (Kap. 9,24). Von diesen drei Söhnen und ihren Frauen stammen nach der Flut alle Menschen in ihren unterschiedlichen Ausprägungen und Hautfarben ab.

Die Söhne Japhets

„Die Söhne Japhets: Gomer und Magog und Madai und Jawan und Tubal und Mesech und Tiras. Und die Söhne Gomers: Aschkenas und Riphat und Togarma. Und die Söhne Jawans: Elisa und Tarsis, Kittim und Dodanim. Von diesen aus verteilten sich die Bewohner der Inseln der Nationen in ihren Ländern, jede nach ihrer Sprache, nach ihren Familien, in ihren Nationen“ (10,2–5).

Über die Söhne Japhets („Ausbreitung“) wird verhältnismäßig wenig gesagt. Man vermutet, dass folgende Völker und Verbreitungsgebiete mit der Linie Japhets verbunden werden können:

  • Gomer – Kelten in Europa
  • Magog, Tubal und Mesech – Russland (vgl. Hes 38,2)
  • Madai – Meder (Kurden) im heutigen Iran / Irak
  • Jawan – Griechenland (vgl. Dan 8,21; Hes 27,13)
  • Aschkenas – Germanen (nach jüdischer Tradition)
  • Togarma – Armenien
  • Tarsis – Spanien (Südwestküste)
  • Kittim – Bewohner Zyperns und andere Mittelmeerinseln

Noah hatte seinem Sohn Japhet in seinem Segen eine weite Verbreitung zugesprochen (Kap. 9,27). Diese Verheißung hat sich bereits erfüllt und wird sich in der Zeit des zukünftig wieder entstehenden römischen Weltreichs noch weiter erfüllen.

Die Söhne Hams

„Und die Söhne Hams: Kusch und Mizraim und Put und Kanaan. Und die Söhne Kuschs: Seba und Hawila und Sabta und Raghma und Sabteka. Und die Söhne Raghmas: Scheba und Dedan. Und Kusch zeugte Nimrod; der fing an, ein Gewaltiger zu sein auf der Erde. Er war ein gewaltiger Jäger vor dem HERRN; darum sagt man: Wie Nimrod, ein gewaltiger Jäger vor dem HERRN! Und der Anfang seines Reiches war Babel und Erek und Akkad und Kalne im Land Sinear. Von diesem Land zog er aus nach Assur und baute Ninive und Rechobot-Ir und Kalach und Resen zwischen Ninive und Kalach: Das ist die große Stadt.

Und Mizraim zeugte Ludim und Anamim und Lehabim und Naphtuchim und Pathrusim und Kasluchim (von denen die Philister ausgegangen sind) und Kaphtorim.

Und Kanaan zeugte Sidon, seinen Erstgeborenen, und Heth und den Jebusiter und den Amoriter und den Girgasiter und den Hewiter und den Arkiter und den Siniter und den Arwaditer und den Zemariter und den Hamatiter. Und nachher haben sich die Familien der Kanaaniter zerstreut.

Und das Gebiet der Kanaaniter erstreckte sich von Sidon nach Gerar hin, bis Gaza; nach Sodom und Gomorra und Adama und Zeboim hin, bis Lescha.

Das sind die Söhne Hams nach ihren Familien, nach ihren Sprachen, in ihren Ländern, in ihren Nationen“ (10,6–20).

Mit den Söhnen Hams („schwarz“, „verbrannt“) werden folgende Völker verbunden:

  • Kusch – Äthiopien
  • Mizraim – Ägypten
  • Put – Libyen
  • Kanaan – Völker im Gebiet des Nahen Ostens (Syrien, Libanon und Israel)

Die Nachkommen Hams ließen sich östlich und südlich von Israel nieder. Viele von ihnen kamen mit dem Volk Israel in Verbindung und wurden zu Feinden der Israeliten.

Nachdem einige Namen genannt wurden, wird die Aufzählung der Nachkommen mit Nimrod unterbrochen. Nimrod („der Widerstreitende, sich Empörende“) wird ein „Gewaltiger“ auf der Erde (s. a. 1. Chr 1,10) und der Gründer des babylonischen Reiches. Er sucht große Dinge für sich selbst, ähnlich wie Kain. Nimrod ist auch ein gewaltiger „Jäger vor dem Herrn“ – eine Tatsache, die sogar sprichwörtlich wurde. Es meint, dass Nimrod ein Mann war, der in seinem gewalttätigen Verhalten und Tun dem Herrn offen widerstand. Er unterwarf sich nicht dem Willen des Herrn, sondern machte sich als gewaltiger Jäger zunächst Tiere und als Gewaltherrscher dann Menschen untertan, um seine Interessen durchzusetzen.

Nimrod baut die Stadt Babel („Verwirrung“) – eine bedeutungsvolle Stadt in der Bibel. Von 1. Mose 10 bis Offenbarung 18 tritt diese Stadt, bzw. das, was sie bedeutet, immer wieder als Feind („Jäger“) des Volkes Gottes auf. Sie ist in der Prophetie der Bibel der Inbegriff des Götzendienstes und der Unterdrückung des Volkes Gottes. In den Jahren 605, 597 und 586 v. Chr. griffen die Babylonier die Stadt Jerusalem an und führten die Juden in die siebzigjährige Gefangenschaft. Im Jahr 539 v. Chr. wurde Babel von den Medo-Persern erobert und versank danach zunehmend in Bedeutungslosigkeit, bevor es schließlich ganz verschwand.

Nachdem die Gläubigen entrückt sein werden, wird der Name Babylon auf der Erde noch einmal eine schreckliche Rolle spielen. Dann allerdings nicht als eine Stadt, sondern als ein religiös-kommerzielles System, bestehend aus der toten Christenheit ohne Christus verbunden mit dem widererstehenden römischen Reich. Von diesem System wird ein verderblicher moralischer Einfluss ausgehen. Es wird von großer Feindschaft gegen Gott und die Seinen geprägt sein. Doch schließlich wird dieses böse System von Gott gerichtet und wie ein großer Mühlstein ins Meer geworfen (Off 17 und 18).

Nimrod zog auch nach Assur, wo er die Stadt Ninive baute (s. a. Mich 5,5). Die Tatsache, dass Assur oder Assyrien hier – und auch schon in Kapitel 2,14 – erwähnt wird, zeigt, dass es eines der ältesten Reiche der Welt ist. Neben Babel spielte Assyrien als Feind des irdischen Volkes Gottes in der Bibel eine große Rolle. Assyrien wurde von Gott als Zuchtrute für sein schuldiges Volk Israel benutzt (z. B. 2. Kön 15,19). In der Endzeit wird dieses Reich neben dem Antichristen und dem Römischen Reich zu den Hauptakteuren der Feindschaft gegen Christus gehören. Der Herr wird den Assyrer dann – wie bereits in der Vergangenheit – wieder benutzen, um die Juden zu strafen, weil sie sich gegen Gott aufgelehnt, Götzen gedient und den Messias abgelehnt haben (s. Jes 8,7.8; 10,5; Dan 9,27). Assyrien wird Jerusalem zweimal angreifen und dann beim zweiten Mal selbst von dem Herrn gerichtet und vernichtet werden (Dan 11,40–45; Jes 10,12; 14,25). Allerdings wird die Geschichte Assyriens damit nicht ganz zu Ende sein. In Jesaja 19,23–25 gibt es eine interessante Prophezeiung: „An jenem Tag wird eine Straße sein von Ägypten nach Assyrien; und die Assyrer werden nach Ägypten und die Ägypter nach Assyrien kommen, und die Ägypter werden mit den Assyrern dem Herrn dienen.“ Wenn Christus in Macht auf der Erde erscheint, wird die Feindschaft der Nachbarländer Israels beendet werden. Sowohl Ägypten als auch Assyrien, als Nachkommen der verfluchten Familie Hams werden dem Herrn dienen – ein Triumph der Gnade Gottes!

Die Aufzählung der Nachkommen Hams wird mit den Kanaanitern in Vers 15–19 abgeschlossen. Die Kanaaniter wurden die ursprünglichen Bewohner des Landes Israel und spielten dadurch eine bedeutende Rolle in der Geschichte Israels.

Die Söhne Sems

„Und Sem, dem Vater aller Söhne Hebers, dem Bruder Japhets, des Ältesten, auch ihm wurden Söhne geboren. Die Söhne Sems: Elam und Assur und Arpaksad und Lud und Aram. Und die Söhne Arams: Uz und Hul und Geter und Masch. Und Arpaksad zeugte Schelach, und Schelach zeugte Heber. Und Heber wurden zwei Söhne geboren: Der Name des einen war Peleg, denn in seinen Tagen wurde die Erde geteilt; und der Name seines Bruders war Joktan. Und Joktan zeugte Almodad und Scheleph und Hazarmawet und Jerach und Hadoram und Usal und Dikla und Obal und Abimael und Scheba und Ophir und Hawila und Jobab; diese alle waren Söhne Joktans. Und ihr Wohnsitz war von Mescha nach Sephar hin, dem Gebirge des Ostens.

Das sind die Söhne Sems nach ihren Familien, nach ihren Sprachen, in ihren Ländern, nach ihren Nationen.

Das sind die Familien der Söhne Noahs nach ihren Geschlechtern, in ihren Nationen; und von diesen aus haben sich nach der Flut die Nationen auf der Erde verteilt“ (10,21–32).

Ab Vers 21 finden wir die Familie Sems („Ruhm“, „guter Ruf“). Seinen Nachkommen werden folgende Völker zugeordnet:

  • Elam – Elymäer, Perser im Iran
  • Assur und Arpaksad – Assyrer in Syrien und der Türkei
  • Heber – Vorfahre der Hebräer in Israel
  • Aram – Aramäer in Syrien und im Irak

Mit der Familie Sems knüpft Gott in besonderer Weise an. Das wurde bereits in Kapitel 9,26 angedeutet, wo der Herr der „Gott Sems“ genannt wird. Als besonderes Kennzeichen von Sem wird hervorgehoben, dass er der „Vater aller Söhne Hebers“ ist, obwohl Heber erst ein späterer Nachkomme ist. Heber bedeutet „Wanderer“ oder „Hindurchziehender“. Sein Name ist kennzeichnend für die Familie Sems. Abram war solch ein Wanderer und wird in 1. Mose 14,13 „Hebräer“, d. h. ein Nachkomme Hebers, genannt. Gottes irdisches Volk war lange Zeit ein Volk von Fremdlingen auf der Erde. Gottes himmlisches Volk heute ist es ebenfalls: „Denn wir haben hier keine bleibende Stadt, sondern die zukünftige suchen wir“ (Heb 13,14).

Bei Peleg, einem Sohn Hebers, findet sich der Zusatz, dass in seinen Tagen die Erde geteilt wurde. Das ist ein Wortspiel, denn Peleg bedeutet „Teilung“ oder „Zerteilung durch Wasser“. Es ist nicht ganz einfach, genau zu sagen, was damit gemeint ist. Der Textzusammenhang könnte an die Verteilung der Völker auf der Erde als Folge der Sprachverwirrung denken lassen. Allerdings hat Peleg deutlich später als Nimrod gelebt, in dessen Tagen die Sprachverwirrung spätestens stattgefunden haben muss (vgl. Kap. 10,10 und 11,9). Zusammen mit der Namensbedeutung Pelegs ist insofern wohl an die Kontinentalverschiebung zu denken, die durch die Sintflut ausgelöst wurde und durch die die heutigen Erdteile entstanden.

Fußnoten

  • 1 Das wird u. a. daran deutlich, dass es in Kapitel 10 dreimal heißt „nach ihrer Sprache“, bzw. „nach ihren Sprachen“ (V. 5, 20, 31), obwohl die Sprachverwirrung erst in Kapitel 11 beschrieben wird.
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