Das wahrhaftige Licht
Eine Auslegung zum Johannesevangelium

Kapitel 9

Das wahrhaftige Licht

Einleitung

In Kapitel 8 haben wir das Zeugnis der Worte des Herrn gesehen. Dort hat Er zu der Welt von den Dingen geredet, die Er von dem Vater gehört hat (Kap. 8,25–28). In Kapitel 9 nun sehen wir das Zeugnis seiner Werke. So, wie Er zuvor die Worte des Vaters gesprochen hat, so sagt Er jetzt: „Ich muss die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat“ (V. 4). Der Herr bringt also nicht nur das Licht in die Welt, indem Er das Herz Gottes offenbar macht, Er wirkt auch in Gnade, damit blinde Augen sehend werden und die Wahrheit erfassen. So erhält der blinde Mann hier nicht nur sein natürliches Augenlicht wieder, sondern bekommt gleichzeitig geistliches Verständnis, damit er die Herrlichkeit des Sohnes Gottes als der Gesandte vom Vater sehen kann.

Außerdem erkennen wir in diesem Kapitel den Weg, den der Herr wählt, um seine Schafe aus dem jüdischen Schafhof herauszuführen, sie zu erretten und sie in die Freiheit des Christentums zu bringen. Am Ende des Kapitels wird dann das ganze jüdische System beiseitegesetzt, weil es in geistlicher Blindheit versunken ist.

Das große Thema dieses neunten Kapitels ist also das Werk des Herrn, wie Er blinde Augen öffnet, damit sie die Herrlichkeit seiner Person sehen. Seelen werden aus der Finsternis des Judentums herausgeführt und für die christliche Stellung vorbereitet, wie sie uns dann im folgenden Kapitel in dem einen Hirten und der einen Herde vorgestellt wird.

Im achten Kapitel haben die religiösen Juden die Worte Christi völlig verworfen: Sie haben Ihm vorgeworfen, Er hätte einen Dämon, und haben Steine aufgehoben, um Ihn zu steinigen. Als Folge davon ist Er aus ihrem Tempel hinausgegangen. In diesem Kapitel sehen wir nun, dass Er zwar das Volk als Ganzes im Gericht verlässt, aber seine eigenen Schafe in Gnade herausruft.

Die Heiligung des Blindgeborenen

Johannes 9,1–7

Vers 1: Und als er vorüberging, sah er einen Menschen, blind von Geburt.

Der Herr wendet sich einem armen Mann zu und bringt ihn von seiner Blindheit zum Glauben und vom Betteln zur Anbetung. Wie immer in diesem Evangelium tritt auch hier das souveräne Handeln der Gnade besonders hervor. Im Lukasevangelium kommt eine Frau im Haus des Simon zu Christus – in diesem Evangelium begegnet der Herr einer Frau am Brunnen; bei Lukas wird ein gelähmter Mann zu Christus gebracht – bei Johannes kommt der Herr zu einem hilflosen Mann am Teich; dort ruft ein blinder Mann nach dem Herrn – hier kommt der Herr zu dem Blinden. So sehen wir im Lukasevangelium, dass jeder bedürftige Sünder eingeladen wird, zu Christus zu kommen – hier im Johannesevangelium aber lernen wir die noch größere Wahrheit, dass Gott sich in der Person seines Sohnes zu Sündern herabneigt, um ihnen zu sagen, dass Er sie liebt.

Verse 2.3: Und seine Jünger fragten ihn und sagten: Rabbi, wer hat gesündigt, dieser oder seine Eltern, dass er blind geboren wurde? Jesus antwortete: Weder dieser hat gesündigt noch seine Eltern, sondern damit die Werke Gottes an ihm offenbart würden.

Geprägt durch jüdische Vorurteile gibt es für die Jünger nur zwei Möglichkeiten: Entweder ist die Blindheit gewissermaßen vorbeugend über diesen Mann gekommen, weil Gott bei ihm eine Sünde vorausgesehen hat, oder er ist blind geboren worden, weil seine Eltern gesündigt haben. Doch der Herr zeigt in seiner Antwort, dass Gott Leid benutzen kann, um die Werke Gottes offenbar zu machen. Eine lebenslange Krankheit muss also nicht das Ergebnis einer besonderen Sünde sein; Gott kann sie auch zulassen, um seine Gnade groß zu machen.

Verse 4.5: Ich muss die Werke dessen wirken, der mich gesandt hat, solange es Tag ist; es kommt die Nacht, da niemand wirken kann. Solange ich in der Welt bin, bin ich das Licht der Welt.

Die Umstände des Mannes bieten die Gelegenheit, um die Werke Gottes an ihm zu erweisen, und der Herr ist da, um die Werke Gottes zu wirken. Er war hier, um der Welt Gnade zu erweisen, denn die Nacht, wo Er nicht mehr da sein würde, sollte bald kommen und dann würde kein Mensch mehr wirken können. Solange Christus in der Welt war, war Er das Licht der Welt, und solange Er hier war, musste Er wirken. Liebe kann nicht ruhen, solange Leid da ist, und auch Licht kann da, wo Sünde ist, nicht zur Ruhe kommen. Wenn aber Christus die Welt verlassen würde, dann wäre es – bis zu seinem Wiederkommen – ganz vorbei mit der Welt. Das widerspricht nicht der Tatsache, dass als Ergebnis seines Todes und seiner Himmelfahrt an die Welt ein Zeugnis ausgeht, das die Gnade Gottes bekanntmacht. Doch dieses Zeugnis ruft ein Volk aus der Welt heraus, damit es himmlischen Segen empfängt, aber es befreit nicht die Welt von Leid. Das wird erst im Tausendjährigen Reich geschehen, denn in der Nacht der Verwerfung Christi „kann niemand wirken“.

Verse 6.7: Als er dies gesagt hatte, spie er auf die Erde und bereitete einen Brei aus dem Speichel und strich ihm den Brei auf die Augen; und er sprach zu ihm: Geh hin, wasche dich in dem Teich Siloam (was übersetzt wird: Gesandt). Da ging er hin und wusch sich und kam sehend wieder.

Nachdem der Herr den wahren Charakter der Situation ans Licht gebracht hat – dazu noch seine Stellung und sein Werk in dieser Welt –, öffnet Er nun die Augen des Blinden. Er tut es auf eine Art und Weise, die die Herrlichkeit seiner Person besonders hervorstrahlen lässt. Der Speichel, den der Herr hier für den Brei verwendet, spricht von seiner eigenen Wirkungskraft; die Erde, spricht von seinem Menschsein, das Er angenommen hat. Die Augen des Mannes mit diesem Gemisch von Erde und Speichel zu bestreichen, würde normalerweise dazu führen, dass dieser sein Augenlicht verliert. So hat auch der gefallene Mensch die Menschheit des Herrn Jesus dazu benutzt, um dessen Gottheit zu leugnen: Man hat sich an der Demut und Gnade seines Menschseins gestoßen. Doch der Glaube hat keine Schwierigkeit, zu erkennen, dass dieser demütige Mensch der Gesandte des Vaters ist. Wird diese Wahrheit anerkannt, dann ist alles deutlich und klar.

Der Herr sagt dem Mann: „Geh hin, wasche dich in dem Teich Siloam (das übersetzt wird: Gesandt).“ Der Mann glaubt den Worten des Herrn, macht sich auf den Weg, wäscht sich und kommt „sehend wieder“. Er gewinnt sein natürliches Augenlicht zurück. Dieses Werk Jesu offenbart in besonderer Weise, dass der Herr der Sohn Gottes ist, der vom Vater Gesandte, um geistliches Augenlicht zu schenken. Wenn wir also als Sünder im Glauben erfassen, dass dieser gesegnete demütige Mensch eine göttliche Person ist, die vom Vater gesandt worden ist, um schuldige Sünder zu retten und zu segnen, dann wird es auch in unserem Leben hell: Unsere Augen werden geöffnet und wir sehen die Gnade, die zu uns gekommen ist, um unserer Not zu begegnen (Gal 4,4).

Fragende Nachbarn und fragende Pharisäer

Johannes 9,8–17

Die Verse, die nun folgen, zeigen uns auf der einen Seite, was es bedeutet, Christus als den Gesandten Gottes zu bekennen. Auf der anderen Seite aber zeigen sie auch, welche ernsten Folgen es hat, wenn man die Werke des Herrn verwirft. Der Mann, dem die Augen geöffnet worden sind, bekennt mutig Christus. Das hat für ihn eine zweifache Auswirkung: Je mehr er die Wahrheit, die er erkannt hat, bekennt, desto mehr wächst er in der Erkenntnis Christi; und je mehr er in Übereinstimmung mit dem Licht lebt, das er bekommen hat, desto weniger akzeptiert die religiöse Welt ihn. Während der Blindgeborene immer weiter ins Licht kommt, versinken diejenigen, die Christus verwerfen, in immer dunklerer Finsternis.

Licht und Finsternis widersprechen sich also: Je heller das Zeugnis eines Menschen über Christus aufleuchtet, umso größer wird der Widerstand, der ihm von denen entgegenschlägt, für die das Licht unerträglich ist. Wenn der Mann, dessen Augen geöffnet worden sind, hier von der Person spricht, durch die er gesegnet worden ist, erfährt er Widerstand: Widerstand von der sozialen, religiösen, und auch der politischen Welt.

Verse 8–12: Die Nachbarn nun und die, die ihn früher gesehen hatten, dass er ein Bettler war, sprachen: Ist dieser nicht der, der dasaß und bettelte? Einige sagten: Er ist es; andere sagten: Nein, sondern er ist ihm ähnlich; er sagte: Ich bin es. Sie sprachen nun zu ihm: Wie sind denn deine Augen aufgetan worden? Er antwortete: Ein Mensch, genannt Jesus, bereitete einen Brei und salbte meine Augen damit und sprach zu mir: Geh hin nach Siloam und wasche dich. Als ich nun hinging und mich wusch, wurde ich sehend. Und sie sprachen zu ihm: Wo ist er? Er sagt: Ich weiß es nicht.

Zuerst hat der ehemals Blinde es mit seiner gesellschaftlichen Umgebung zu tun, nämlich mit seinen Nachbarn. Sie sehen die Veränderung an ihm und wollen wissen, wie es dazu gekommen ist. Seine einfache und schöne Antwort ist: „Ein Mensch, genannt Jesus“ hat meine Augen geöffnet. Das Ergebnis seines Bekenntnisses ist, dass er in seiner direkten Umgebung nicht länger erwünscht ist. Die Nachbarn bringen ihn zu den Pharisäern und drücken damit aus, dass er wohl besser in einer religiösen Umgebung aufgehoben ist.

Verse 13–17: Sie führen ihn, den einst Blinden, zu den Pharisäern. Es war aber Sabbat an dem Tag, als Jesus den Brei bereitete und seine Augen auftat. Nun fragten ihn wiederum auch die Pharisäer, wie er sehend geworden sei. Er aber sprach zu ihnen: Er legte mir Brei auf die Augen, und ich wusch mich, und ich sehe. Da sprachen einige von den Pharisäern: Dieser Mensch ist nicht von Gott, denn er hält den Sabbat nicht. Andere sagten: Wie kann ein sündiger Mensch solche Zeichen tun? Und es war Zwiespalt unter ihnen. Sie sagen nun wieder zu dem Blinden: Was sagst du von ihm, weil er deine Augen aufgetan hat? Er aber sprach: Er ist ein Prophet.

Die Pharisäer können die Tatsache nicht leugnen, dass Jesus dem Mann das Augenlicht geschenkt hat. Doch sie erheben Einwände, weil das Wunder an einem Sabbat gewirkt worden ist. Obwohl das Zeichen eindeutig beweist, dass Jesus von Gott gekommen ist, verurteilen die Pharisäer Ihn aufgrund ihrer religiösen Vorurteile. Sie haben keinerlei Empfinden für ihre eigene Not und behaupten, dass Jesus nicht von Gott sein kann, weil Er ja den Sabbat nicht gehalten hat. Einige allerdings wagen es, vorsichtig zu protestieren, und sagen zu Recht: „Wie kann ein sündiger Mensch solche Zeichen tun?“ Der Mann selbst hat schon bekannt, dass Christus „ein Mensch, genannt Jesus“ ist. Mit mehr Licht und größerem Mut erklärt er nun, dass Jesus „ein Prophet“ ist, der von Gott gekommen ist, die Gedanken Gottes kennt und der in der Kraft Gottes handelt.

Diskussionen des Unglaubens

Johannes 9,18–34

Verse 18–23: Die Juden nun glaubten nicht von ihm, dass er blind gewesen und sehend geworden war, bis sie die Eltern dessen riefen, der sehend geworden war. Und sie fragten sie und sprachen: Ist dieser euer Sohn, von dem ihr sagt, dass er blind geboren wurde? Wie sieht er denn jetzt? Seine Eltern antworteten nun und sprachen: Wir wissen, dass dieser unser Sohn ist und dass er blind geboren wurde; wie er aber jetzt sieht, wissen wir nicht, oder wer seine Augen aufgetan hat, wissen wir nicht. Fragt ihn! Er ist mündig, er wird über sich selbst reden. Dies sagten seine Eltern, weil sie die Juden fürchteten; denn die Juden waren schon übereingekommen, dass, wenn jemand ihn als Christus bekennen würde, er aus der Synagoge ausgeschlossen werden sollte. Deswegen sagten seine Eltern: Er ist mündig, fragt ihn.

Die Juden sind nicht überzeugt und wollen es auch nicht glauben. Deshalb wenden sie sich an die Eltern des geheilten Mannes und hoffen, von ihnen etwas zu erfahren, was sie dann verwenden können, um der Wahrheit auszuweichen. Jede dieser gesellschaftlichen Gruppen ist entschlossen, Christus zu verwerfen – doch keine von ihnen kann die Tatsache leugnen, dass die Augen des Mannes aufgetan worden sind. Jede Gruppe stellt die gleiche Frage: „Wie ist der

Mann wieder sehend geworden?“ (V. 10.15.19.26); und jede versucht für die Tatsache, dass der Mann wieder sehen kann, irgendeinen anderen Grund zu finden als den, dass es ein Werk Christi ist.

Die Eltern müssen zugeben, dass der Mann ihr Sohn ist, dass er blind geboren wurde und dass er nun sieht. Doch sie weigern sich, irgendeine Meinung darüber zu äußern, wie er sein Augenlicht wiederbekommen hat. Sie lehnen jede Verantwortung für ihren Sohn ab, denn er sei ja alt genug. Sie wollen ihr religiöses Ansehen in der Synagoge nicht in Gefahr bringen, indem sie sich mit jemandem identifizieren, der Jesus bekennt – selbst wenn es ihr eigener Sohn ist.

Verse 24–29: Sie riefen nun zum zweiten Mal den Menschen, der blind war, und sprachen zu ihm: Gib Gott die Ehre! Wir wissen, dass dieser Mensch ein Sünder ist. Da antwortete er: Ob er ein Sünder ist, weiß ich nicht; eins weiß ich, dass ich blind war und jetzt sehe. Da sprachen sie wiederum zu ihm: Was hat er dir getan? Wie tat er deine Augen auf? Er antwortete ihnen: Ich habe es euch schon gesagt, und ihr habt nicht gehört; warum wollt ihr es nochmals hören? Wollt ihr etwa auch seine Jünger werden? Und sie schmähten ihn und sprachen: Du bist sein Jünger; wir aber sind Moses Jünger. Wir wissen, dass Gott zu Mose geredet hat; von diesem aber wissen wir nicht, woher er ist.

Da die Juden von den Eltern keine Unterstützung bekommen haben, beschäftigen sie sich nun erneut mit dem Mann.

Sie können das Wunder nicht leugnen – doch sie wollen Jesus auch nicht anerkennen. So ziehen sie sich auf ihre religiöse Autorität zurück und fordern, dass der Mann „Gott die Ehre“ geben und Christus nicht mehr beachten soll. Sie wagen es sogar zu sagen: „Wir wissen, dass dieser Mensch ein Sünder ist.“

Doch der Mann weigert sich, in Diskussionen über den Herrn hineingezogen zu werden. Er bestätigt, was er weiß und was sie auch nicht leugnen können: Einst war er blind, nun kann er sehen. Die Juden sind nicht in der Lage, diese einfache Tatsache zu leugnen, und so fangen sie an, den Mann zu beschimpfen. Sie schmähen ihn, dass er ein Jünger Christi sei, und behaupten von sich selbst, dass sie Jünger von Mose seien. Sie wissen nichts von Jesus – das bestärkt sie, geringschätzig von Ihm zu sprechen.

Verse 30–34: Der Mensch antwortete und sprach zu ihnen: Hierbei ist es doch erstaunlich, dass ihr nicht wisst, woher er ist, und er hat doch meine Augen aufgetan. Wir wissen, dass Gott Sünder nicht hört, sondern wenn jemand gottesfürchtig ist und seinen Willen tut, den hört er. Von Ewigkeit her ist nicht gehört worden, dass jemand die Augen eines Blindgeborenen aufgetan hat. Wenn dieser nicht von Gott wäre, könnte er nichts tun. Sie antworteten und sprachen zu ihm: Du bist ganz in Sünden geboren, und du lehrst uns? Und sie warfen ihn hinaus.

Der Bettler, dem die Augen geöffnet worden sind, erfasst mehr von der Wahrheit über die Person Christi als diese Menschen, die bekennen, dass sie Mose nachfolgen. Der Mann verwundert sich über ihre Unwissenheit und die Dummheit ihres Unglaubens. Von Beginn der Welt an hat es noch nie solch ein Wunder gegeben, und doch behaupten sie, dass der, der diese große Tat vollbracht hat, ein Sünder ist. Er entgegnet ihnen, „dass Gott Sünder nicht hört ... Wenn dieser nicht von Gott wäre, könnte er nichts tun“. Der schlichte Glaube führt diesen Mann zu dem Bekenntnis, dass Jesus „von Gott“ ist.

Jedes weitere Bekenntnis schürt den Hass dieser anerkannten religiösen Gruppe. Nun sind sie so weit, dass sie dem offenen Bekenntnis des Mannes über die offensichtlichen Tatsachen nichts mehr entgegensetzen können. Und so schmähen sie ihn, dass er seine Blindheit ja von Geburt an in seinem Gesicht als ein Zeichen seiner Sünde getragen habe. Doch gerade das hat der Herr bereits als nicht zutreffend zurückgewiesen (V. 3).

Die Tatsache, dass ein Wunder geschehen ist, können die Juden nicht leugnen. Doch ihr Hass gegen Christus führt sie dazu, alle Anstrengungen zu unternehmen, um sein Werk herabzusetzen. Die Erklärungen des Mannes haben sie nicht widerlegen können, doch ihr religiöser Stolz verbietet es ihnen, die Wahrheit von einem einfachen und ungelernten Mann anzunehmen. Zunächst schmähen sie ihn, dann werfen sie ihn hinaus.

Der Hirte findet sein Schaf

Johannes 9,35–41

Verse 35–38: Jesus hörte, dass sie ihn hinausgeworfen hatten; und als er ihn fand, sprach er zu ihm: Glaubst du an den Sohn Gottes? Er antwortete und sprach: Und wer ist es, Herr, damit ich an ihn glaube? Jesus sprach zu ihm: Du hast ihn ja gesehen, und der mit dir redet, der ist es. Er aber sprach: Ich glaube, Herr; und er warf sich vor ihm nieder.

Wegen seines Bekenntnisses über Christus aus dem verdorbenen Judentum hinausgeworfen landet der Mann in der Gemeinschaft des Sohnes Gottes. Der Herr hat ihn in seiner Blindheit gefunden, um ihm sein Augenlicht wiederzugeben – jetzt findet Er ihn in seiner Einsamkeit, um ihn in die herrliche Gemeinschaft des Sohnes Gottes zu führen. Er bestärkt das Vertrauen des Mannes und offenbart sich ihm nun nicht als Prophet, sondern als der Sohn Gottes. Wenn Er nur ein Mensch oder wenn Er sogar ein Prophet wäre, könnte Er nicht der Gegenstand der Anbetung sein. Doch als Sohn Gottes ist Er eine göttliche Person und mit Fug und Recht der Gegenstand des Glaubens und der Anbetung. So lesen wir von dem Mann, dem die Augen geöffnet worden sind: „Und er warf sich vor ihm nieder.“

Wie sacht wird der Mann in das Licht gebracht, weil er Christus bekannt hat! Zuerst bekennt er, dass Christus „ein Mensch, genannt Jesus“ ist (V. 11); dann, mit mehr Licht, sagt er, dass er „ein Prophet“ ist (V. 17); als dann die Juden Christus verurteilen, bekennt er mutig, dass Er „von Gott“ ist (V. 33); schließlich kommt er in der Gegenwart des Herrn in das volle Licht, erkennt Christus als Herrn und betet Ihn als den Sohn Gottes an (V. 36–38). Der Mann war einst blind und bettelte – jetzt glaubt er und betet an. Er ist aus der Finsternis einer verdorbenen Religion herausgeführt worden in das Licht und den Segen der Gemeinschaft des Sohnes Gottes; er ist von den falschen Hirten Israels befreit worden und von dem wahren Hirten als sein Schaf gefunden worden.

Verse 39–41: Und Jesus sprach: Zum Gericht bin ich in diese Welt gekommen, damit die Nichtsehenden sehen und die Sehenden blind werden. Einige von den Pharisäern, die bei ihm waren, hörten dies und sprachen zu ihm: Sind denn auch wir blind? Jesus sprach zu ihnen: Wenn ihr blind wäret, so hättet ihr keine Sünde; nun aber, da ihr sagt: Wir sehen, bleibt eure Sünde.

Die Schlussverse stellen den ernsten Zustand derer, die das Licht abweisen der Glückseligkeit des Mannes gegenüber, in dessen dunkle Seele das Licht leuchtet. Die meisten Menschen lehnen Christus ab und deshalb bedeutet sein Kommen in die Welt nun Gericht für sie. Aber Er kommt auch in Gnade, damit die, die nicht sehen – die also anerkennen, dass sie blind sind – sehen können. Für die, die bekennen, Licht zu haben, Christus aber abweisen, würde sein Kommen bedeuten, dass sie blind werden. Zufrieden mit ihrer Religion und ohne dass sie ihre Not als Sünder empfinden stoßen sie sich an dem Menschen Jesus Christus, der in Demut seine Gnade kundwerden lässt; und im Blick auf die Gottheit Jesu sind sie blind: Sie erkennen nicht, dass Er der Sohn Gottes ist, den der Vater gesandt hat.

Die Pharisäer sind durch die Worte des Herrn betroffen und fragen Ihn: „Sind denn auch wir blind?“ Der Herr warnt sie: Wenn sie behaupten, sehen zu können, verurteilen sie sich selbst. Denn Sehende weisen nicht bewusst den Gesandten des Vaters ab. Doch sie wollen seine Worte nicht hören und seine Werke nicht verstehen. Christus bewusst abzuweisen und gleichzeitig zu behaupten, sehen zu können, ist eine Sünde, die auf ihnen bleibt. Dadurch stürzt die ganze Nation der Juden in Finsternis, aus der sie nicht wieder herauskommen wird, bis durch die große Drangsal ein Überrest ins Licht gebracht werden wird. Genauso wird auch das Christentum, das verdorben ist, in Finsternis versinken. Denn auch hier rühmen sich Menschen des Lichts und der Reichtümer – und haben für Christus doch nur einen Platz draußen vor der Tür übrig (Off 3,20).

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