Botschafter des Heils in Christo 1864

Vier Punkte der Erkenntnis

In diesen Versen haben wir in Verbindung mit unserem Wandel durch die Wüste vier wertvolle Punkte der Erkenntnis, nämlich 1. die Erkenntnis unserer selbst, 2. die Erkenntnis Gottes, 3. die Erkenntnis unserer Verwandtschaft oder Beziehung und 4. die Erkenntnis unserer Hoffnung.

1.: In Betreff der Erkenntnis unserer selbst lesen wir in Vers 2: „Und du sollst gedenken alles des Weges, den dich der Herr dein Gott, geleitet hat, diese vierzig Jahre in der Wüste, auf dass Er dich demütigte, und versuchte dich, dass kundwürde, was in deinem Herzen wäre.“ Hier ist ein außerordentlicher Punkt der Erkenntnis. Wer kann es aussprechen? Wer kann die Tiefen des menschlichen Herzens ergründen? Wer kann alle seine Windungen und Labyrinthe mitteilen? Die Einzelheiten unseres Wandels in der Wüste bringen einen großen Teil des Bösen hervor, welches in uns ist. Beim Beginn unserer Laufbahn sind wir mit der Freude über unsere Errettung beschäftigt, und wir verstehen nur sehr wenig von dem wirklichen Charakter der Natur. Aber indem wir Schritt für Schritt unsere Reise durch diese Wüste fortsetzen, werden wir immer mehr mit uns selbst bekannt gemacht.

2.: Wir müssen aber nun nicht denken, dass, je mehr wir in der Selbsterkenntnis wachsen, unsere Freude abnehme. Ganz das Gegenteil; sonst würde unsere Freude von der Unwissenheit über uns selbst abhängig sein, während sie in Wahrheit von unserer Erkenntnis von Gott abhängt. Je mehr der Gläubige in der Erkenntnis seiner selbst Fortschritte macht, desto tiefer und fester wird seine Freude sein, insofern er dahin geleitet wird, seinen alleinigen Gegenstand ganz und gar außer sich in Christus zu finden. Er lernt, dass die gänzliche Verderbtheit der Natur nicht nur eine wahre Lehre des christlichen Glaubens, sondern auch eine tiefe Wirklichkeit in seiner eigenen Erfahrung ist. Er lernt auch, dass die göttliche Gnade und die Errettung Wirklichkeiten sind – tiefe persönliche Wirklichkeiten, dass ebenso die Sünde, das Kreuz und die Stellvertretung Christi Wirklichkeiten sind; mit einem Wort, er lernt die Tiefe, die Fülle die Macht, die Anwendung der gnadenvollen Heilsquellen Gottes. „Er demütigte dich und ließ dich hungern“ – nicht damit du zur Verzweiflung getrieben werden möchtest, sondern dass Er „dich speisen möchte mit dem Man, das du nie gekannt hattest, noch deine Väter; auf dass Er dir kundtäte, dass der Mensch nicht lebt vom Brot allein, sondern von allem, das aus dem Mund des Herrn geht. Deine Kleider sind nicht veraltet an dir, und deine Füße sind nicht geschwollen, diese vierzig Jahre“ (V 3–4).

Welch eine rührende und liebliche Appellation! Vierzig Jahre lang ununterbrochene Beweise von dem, was in dem Herzen Gottes gegen sein erlöstes Volk ist. Sechsmal hunderttausend Mann gekleidet, ernährt, bewahrt und besorgt in einer grauenvollen Wüste vierzig Jahre lang! Welch eine schöne und herzberuhigende Entfaltung der Fülle der göttlichen Hilfsquellen! Wie ist es möglich, mit der Geschichte von Israels Wanderungen in der Wüste vor uns, noch einen einzigen Zweifel, noch die geringste Furcht zu Herbergen? O dass unsere Herzen völliger geleert werden möchten, von uns selbst – denn das ist wahre Demut, und völliger erfüllt von Christus – denn das ist wahres Glück und wahre Heiligkeit. „Denn der Herr, dein Gott, hat dich gesegnet in allen Werken deiner Hände. Er hat dein Reisen zu Herzen genommen durch diese große Wüste. Diese vierzig Jahre ist der Herr, dein Gott, bei dir gewesen, dass dir nichts gemangelt hat“ (5. Mo 2,7).

3.: Dies alles, wobei wir verweilt haben, fließt aus etwas anderem hervor, aus der Verwandtschaft oder Beziehung, in welcher wir stehen. „So erkennst du ja in deinem Herzen, dass der Herr, dein Gott, dich gezüchtigt hat, wie ein Mann seinen Sohn züchtigt“ (Kap 8,5). Dies erklärt alles. Der Hunger und die Speise, der Durst und das Wasser, die pfadlose Wüste und die leitende Wolken– und Feuersäule, die Beschwerlichkeit und die Erfrischung, die Krankheit und die Heilung – alles erzählt uns dieselbe Sache – alles zeigt uns eines Vaters Hand und eines Vaters Herz. Es ist gut, daran zu denken, „auf dass wir nicht ermüden, indem wir in unseren Seelen ermatten“ (Heb 12,3). Ein irdischer Vater küsst nicht nur das Hund, sondern ergreift auch die Rute; und ebenso ist es mit unserem himmlischen Vater. Alle seine Handlungen stießen hervor aus jener wunderbaren Verwandtschaft, in welcher Er zu uns steht. Es ist ein „heiliger Vater.“ Dies fasst alles in sich. Mit Ihm zu wandeln, sich auf Ihn zu stützen, Ihm nachzuahmen „als geliebte Kinder“, erhält das wahre Glück, die wirtliche Kraft und die wahre Heiligkeit. Wenn wir mit Ihm wandeln, so sind wir glücklich; wenn wir auf Ihn uns stützen, so sind wir stark, und wenn wir Ihm nachahmen, so sind wir praktisch heilig und gütig.

4.: Und endlich müssen wir in all den Erfahrungen, den Versuchungen und Kämpfen, und sogar in all den Gnadenerweisungen und Vorrechten der Wüste, unverrückt unser Auge auf das gerichtet halten, was vor uns liegt. Die Freuden der Herrlichkeit sollen unsere Herzen, erfüllen und unseren Füßen Kraft und Lebendigkeit geben, während wir durch die Wüste gehen. Die grünenden Felder und die vom Wem triefenden Hügel des himmlischen Kanaans, die Perlentore und die goldenen Straßen des neuen Jerusalems, und vor allem das Lamm inmitten dieses Glanzes sollen stets vor unserer Seele schweben. Wir sind berufen, die Hoffnung der Herrlichkeit festzuhalten – eine Hoffnung, die uns nimmer beschämen wird. Wenn der Sand der Wüste uns erprobt, so möge der Gedanke an Kanaan uns erquicken. Lasst uns im Geist stets verweilen bei dem „unverweslichen und unbefleckten und unverwelklichen Erbteil, welches für uns aufbewahrt ist in den Himmeln“ (1. Pet 1,4). „Denn der Herr, dein Gott, führt dich in ein gutes Land, ein Land da Wasserbäche und Brunnen und Seen sind, die in den Tälern und von den Bergen fließen – ein Land voll Weizen, Gerste, Weinstöcke, Feigenbäume und Granatäpfel – ein Land voll Obstbäume und Honig; – ein Land, da du nicht kümmerlich Brot essen musst, da dir auch nichts mangeln wird – ein Land, dessen Steine Eisen sind, und aus dessen Bergen du Erz haust“ (V 7–9). Herrliche und gesegnete Aussicht! Mögen wir hierbei verweilen, und bei dem, der für uns die ewige Quelle aller Herrlichkeit und Segnung sein wird!

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