Kommt, folgt mir nach

„Von weitem“ (Lk 22, 54-62)

„Sie nahmen ihn aber fest und führten ihn hin und brachten ihn in das Haus des Hohenpriesters. Petrus aber folgte von weitem“ (Lk 22,54).

Es gibt Menschen, die dem Herrn Jesus wohl folgen möchten, aber sie tun es nicht in unmittelbarer Nähe sondern nur „von weitem“. Der Heilige Geist versieht diesen Gedanken mit einem „aber“.

Wer „von weitem“ folgt, tut dies auf schwachen Füßen. Man will nicht überall mit, will nicht nachfolgen „wohin irgend Er geht“. Lange ist Petrus dem Herrn nachgefolgt, aber da geht es so schnell in Richtung Tod. Petrus bleibt zurück, folgt von weitem.

„Von weitem!“ Das ist der Grund, weshalb soviel Schwachheit, Sünde, Verleugnung des Herrn im Leben der Christen zu finden ist. Nur nahe beim Herrn wird der Herr verherrlicht und unser eigenes Herz froh. Petrus hatte den Herrn ganz gewiss lieb. Bei der Wiederherstellung konnte er sagen: „Du weißt, dass ich dich lieb habe“, aber er stand nicht unter dem vollen und richtigen Einfluss der Liebe. Deshalb fehlen ihm hier Kraft und Mut zur Nachfolge und zum Bekenntnis. Wir können nicht dem Herrn nachfolgen, ohne uns selbst zu verleugnen.

Deshalb, wenn jemand zu Ihm kommt, muss er alles lassen, das heißt nichts darf ihn aufhalten, hindern, selbst das Liebste nicht, wie Vater, Mutter, Frau, Kinder, Brüder Schwestern, dazu sein eigenes Leben (Lk 14,26-27). Wie viel weniger Haus, Hof, Geschäft! Wenn jemand zu dem Herrn kommen will, darf nichts zwischen ihn und den Herrn treten, sonst kann er nicht sein Jünger sein. Und zur Nachfolge gehört die Bereitschaft, das Kreuz zu tragen. Wenn man aber dem Herrn Jesus nachfolgen will ohne sein Kreuz aufnehmen zu wollen, dann wird die Entfernung zwischen dem Lamm und uns immer größer, Furcht statt Frieden erfüllt das Herz, man folgt von weitem, und der Weg führt mitten in die Welt hinein, in den Kreis der Feinde und Verächter dessen, den wir lieben. Als sie aber mitten im Hof ein Feuer angezündet und sich zusammengesetzt hatten, setzte sich Petrus „mitten unter sie“ (Lk 22,55).

Da, wo die Welt sich ein Feuer angezündet, wo sie sich zusammengefunden hat - sitzt Petrus, der Jünger des Herrn, an einem falschen Platz. Er wärmt sich mit der Welt, während sein Heiland unentwegt weitergeht, sich verspotten, schlagen und lästern lässt. Wenn man den Blick auf diesen Mann der Schmerzen und Leiden, der Liebe und Treue richtet, der so den Pfad des Gehorsams hin zum Kreuz und zum Tod pilgert, dann wird es einem Jünger warm um das Herz, aber den abgeirrten Christen am weltlichen Kohlenfeuer beginnt es zu frösteln. Er erhebt sich und geht bitterlich weinend hinaus. Sein Auge ist dem traurigen Blick des Herrn begegnet und der ist ihm tief in das Herz gedrungen.

Dieser Kreis ist dem Petrus fremd, und Petrus ist fremd in diesem Kreis. Die passen nicht zusammen. Es ist ein Kreis, wo Jesus nicht verstanden und nicht geliebt ist. Petrus aber liebt seinen Herrn. Die Liebe ist die Ursache dafür, dass er dem Herrn folgt. Seine Furcht war schuld, dass es „von weiten“ geschah und er jetzt in diesem Kreis sitzt. Das ist nicht sein Platz; das weiß und merkt auch die Welt, deren Aufmerksamkeit er erregt:

„Es sah ihn aber eine gewisse Magd bei dem Feuer sitzen und blickte ihn unverwandt an und sprach: Auch dieser war mit ihm“ (Lk 22,56).

Sie erkennt in ihm den Jünger und sagt „mit Ihm!“. Köstliches, herrliches Wort, wenn man sich im Vollgenuss der Gemeinschaft und der Wertschätzung seiner geliebten Person befindet. Unaussprechliches Glück lebt in dem Herzen des Jüngers, und es erfüllt ihn unbeschreibliche Freude, göttlicher Frieden. Aber wenn es heißt: „Auch dieser war mit Ihm“, dann sind das Glück, das Frohlocken und der Frieden dahin. Gehabt, verloren, fern von Jesus und mitten in der Welt, verirrt, in einer Umgebung, wo die Verleugnung stattfindet; nicht mit Ihm in der Verwerfung.

„Er aber leugnete und sprach: Frau, ich kenne ihn nicht“ (Lk 22,57).

Wen verleugnete er? Jesus! Den, mit dem er war, der ihn liebte, drei Jahre lang trug, versorgte, lehrte, führte, der ihm nur Gutes getan hat und den er nur Gutes tun sah - den verleugnete er?

Der, der für mich die Herrlichkeit verließ, weil seine Freude und Wonne bei uns Menschenkindern war, der für mich ein Mann der Schmerzen wurde und sich mit Leiden vertraut machte, der sich für mich am Kreuz zur Sünde machen ließ, von Gott verlassen wurde, sich für mich dort opferte - ach, den habe ich so manchmal verleugnet und gesagt hat: „Ich kenne ihn nicht.“

Jesus, der dort für mich litt und stritt, sein Herzblut in seiner unendlichen Liebe vergoss, sich zwischen Gott und mich stellte, mein Gericht und meine verdiente Strafe erduldete und mir Heilung verschafft durch seine Striemen - den habe ich so manches Mal behandelt, als würde ich ihn nicht kennen!

Petrus aber - auch hier dieses ernste „aber“ - der einst dem Meister gefolgt ist, der verleugnet ihn und spricht: „Frau, ich kenne ihn nicht.“

Und Jesus hat es gesehen, Jesus hat es gehört. Jener Tröster stand nicht nur von weitem (Ps 69,21), sondern er hat ihn auch noch verleugnet. Er hat dem leidenden Herrn ein Leid hinzugefügt, das ihm die Welt nicht hat zufügen können. Wie weh wurde es da dem Herrn ums Herz! Ach, dass wir nie den Herrn verleugnen möchten!

„Und kurz danach sah ihn ein anderer und sprach: Auch du bist einer von ihnen. Petrus aber sprach: Mensch, ich bin es nicht“ (Lk 22,58).

Kurz danach kommt bereits die zweite Verleugnung: „Ich bin es nicht.“ Ich war nicht mit ihm! Auch diese Worte treffen den Herrn. Umringt und gequält von seinen Hassern, muss er dieses Leid, die Verleugnung seines Jüngers, am tiefsten empfinden.

„Und nach Verlauf von etwa einer Stunde behauptete ein anderer und sagte: In Wahrheit, auch dieser war mit ihm, denn er ist auch ein Galiläer“ (Lk 22,59).

Nach nur einer Stunde tritt erneut Satan an Petrus heran: „Ein anderer behauptete und sagte: In Wahrheit, auch dieser war mit ihm ...“. Darum handelt es sich bei Satan allein. Mit diesem oder mit Satan; und wenn Petrus schon mit diesem war dann soll er ihn jetzt verleugnen.

„Petrus aber sprach: Mensch, ich weiß nicht, was du sagst. Und sogleich, während er noch redete, krähte der Hahn. Und der Herr wandte sich um und blickte Petrus an; und Petrus erinnerte sich an das Wort des Herrn, wie er zu ihm gesagt hatte: Ehe der Hahn heute kräht, wirst du mich dreimal verleugnen. Und er ging hinaus und weinte bitterlich“ (Lk 22,60-62).

Der Hahn kräht. Und der Herr wendet sich um. Langsam, müde, tieftraurig und blickt Petrus an. Leid im Herzen, Leid im Blick. -

Da wacht Petrus auf, denkt an das Wort des Herrn und nun wird es auch dem Petrus weh um das Herz. Er geht hinaus und weint bitterlich.

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