Jesus Christus ist derselbe

8. Der neue Bund (8,1-13)

Jesus Christus ist derselbe

In Kapitel 7 haben wir die neue Ordnung des Priestertums gefunden, zu dem Christus berufen worden ist, und die Überlegenheit dieses Priestertums gegenüber dem aaronitischen Priestertum, die die Abschaffung des Gesetzes des levitischen Priestertums einschließt.

Jetzt erfahren wir Näheres über das neue Priestertum. Es schafft nicht nur das mosaische Gesetz über die Bestellung des Priesters ab, sondern es macht den Weg für den neuen Bund frei, indem es sich auf ein neues Opfer gründet und in einem neuen Heiligtum für neue Anbeter ausgeübt wird. Die beiden großen Themen dieses Kapitels sind die Tatsachen, dass der Priesterdienst Christi jetzt in Verbindung mit dem Himmel ausgeübt wird (V. 1–5) und dass er den neuen Bund einschließt (V. 6–13).

Verse 1.2: Die Summe dessen aber, was wir sagen, ist: Wir haben einen solchen Hohenpriester, der sich gesetzt hat zur Rechten des Thrones der Majestät in den Himmeln, ein Diener des Heiligtums und der wahrhaftigen Hütte, die der Herr errichtet hat, nicht der Mensch.

Dieses Kapitel beginnt mit einer kurzen Zusammenfassung der Wahrheit, die schon vorgestellt worden ist. Der Apostel stellt fest, dass es nicht nur solch einen Hohenpriester gibt, sondern sagt: „Wir haben einen solchen Hohenpriester.“ Diese erhabene und herrliche Person, berufen als Hoherpriester nach der Ordnung Melchisedeks, ist da, um uns zu dienen. An Ihn können wir uns um Mitleid in unserem Leid und um Beistand in unseren Schwachheiten wenden. Der Apostel erinnert uns an die unvergleichliche Würde unseres Hohenpriesters, indem er uns seinen Platz der Macht vorstellt: „zur Rechten des Thrones“; seine Nähe zu Gott: Es ist der Thron „der Majestät“; und seine erhabene Stellung: „in den Himmeln“.

Doch Er ist vor allem ein Diener des Heiligtums. Dies ist nicht das irdische Heiligtum, sondern die wahrhaftige Hütte, „welche der Herr errichtet hat, nicht der Mensch.“ Etwas später wird uns in diesem Brief mitgeteilt, dass das der „Himmel selbst“ ist (9,24). Die Erwähnung des Heiligtums zeigt uns einen weiteren Teil des Priesterdienstes Christi. Das ist nicht mehr der Dienst, uns in unseren Versuchungen in der Wüste beizustehen oder Mitleid mit uns in unserem Leid zu haben oder uns in unserer Schwachheit zu unterstützen, sondern vielmehr der höhere Dienst, durch den wir als Anbeter in die Gegenwart Gottes geführt werden. Sein Dienst für uns in unseren Umständen in der Wüste ist in den Kapiteln 2–7 dargestellt worden. Sein priesterlicher Dienst, durch den Er uns als Anbeter in das Heiligtum führt, wird nun genauer in den Kapiteln 8–10 beschrieben.

Vers 3: Denn jeder Hohepriester wird dazu bestellt, sowohl Gaben als auch Schlachtopfer darzubringen; daher ist es notwendig, dass auch dieser etwas hat, was er darbringt.

Ebenso, wie es ein wichtiger Teil der Tätigkeit des levitischen Priesters war, Gaben und Schlachtopfer darzubringen, so hat auch Christus als unser Hoherpriester etwas zu opfern, wie wir später in diesem Brief lesen: „Durch ihn nun lasst uns Gott stets ein Opfer des Lobes darbringen“ (13,15).

Verse 4.5: Wenn er nun auf der Erde wäre, so wäre er nicht einmal Priester, weil solche da sind, die nach dem Gesetz die Gaben darbringen (die dem Abbild und Schatten der himmlischen Dinge dienen, wie Moses eine göttliche Weisung empfing, als er im Begriff war, die Hütte aufzurichten; denn „sieh zu“, spricht er, „dass du alles nach dem Muster machst, das dir auf dem Berg gezeigt worden ist“).

Dieser priesterliche Dienst Christi wird im Himmel zugunsten eines himmlischen Volkes ausgeübt. Wenn Er auf der Erde wäre, dann wäre Er nicht einmal Priester, weil auf der Erde die einzigen menschlichen Priester, die jemals von Gott als gesonderte Klasse unter dem Volk Gottes geheiligt wurden, nach dem Gesetz bestellt wurden. Sie dienten als Abbild und Schatten der himmlischen Dinge. Das geht aus den deutlichen Anweisungen hervor, die Mose empfing, dem gesagt wurde, dass er die Stiftshütte nach dem Muster machen sollte, das ihm auf dem Berg gezeigt worden war. Nachdem Christus gekommen ist, hat das „Abbild und der Schatten der himmlischen Dinge“ seinen Zweck erfüllt. Das menschliche Priestertum, das auf der Erde zugunsten eines irdischen Volkes ausgeübt wurde, macht für das himmlische Priestertum Christi Platz, das im Himmel zugunsten eines himmlischen Volkes ausgeübt wird.

Leider hat die Christenheit die himmlische Berufung des Christen aus den Augen verloren und ein irdisches System nach dem Muster des Judentums mit einer von Menschen ordinierten Priesterschaft als eine gesonderte Gruppe inmitten des Volkes Gottes errichtet. Damit ist man nicht nur zu den Schatten zurückgekehrt und hat die Wirklichkeit verloren, sondern leugnet auch praktisch das Priestertum Christi und eignet sich sein Amt und seinen Dienst widerrechtlich an.

Verse 6–9: Jetzt aber hat er einen vortrefflicheren Dienst erlangt, insofern er auch Mittler eines besseren Bundes ist, der aufgrund besserer Verheißungen gestiftet ist. Denn wenn jener erste Bund untadelig wäre, so wäre kein Raum gesucht worden für einen zweiten. Denn tadelnd spricht er zu ihnen: „Siehe, Tage kommen, spricht der Herr, da werde ich in Bezug auf das Haus Israel und in Bezug auf das Haus Juda einen neuen Bund vollziehen; nicht nach dem Bund, den ich mit ihren Vätern machte an dem Tag, als ich ihre Hand ergriff, um sie aus dem Land Ägypten herauszuführen; denn sie blieben nicht in meinem Bund, und ich kümmerte mich nicht um sie, spricht der Herr.“

Christus übt nicht nur einen vortrefflicheren Dienst im Himmel aus, Er ist auch der Mittler eines besseren Bundes, der aufgrund besserer Verheißungen gestiftet ist. Von diesem neuen Bund spricht der Apostel nun in den Versen 6–13.

Ein Bund legt die Bedingungen fest, aufgrund wovon zwei Personen in Beziehung miteinander sein können. Die Schrift spricht von zwei großen Bündnissen zwischen Gott und Menschen, dem alten Bund und dem neuen; dem Bund des Gesetzes und dem Bund der Gnade. Beide, der alte und der neue Bund, legen die Bedingungen fest, aufgrund derer Gott sein irdisches Volk segnen kann. Der große Unterschied zwischen den Bündnissen besteht darin, dass unter den Bedingungen des ersten Bundes der Segen davon abhing, dass der Mensch seinen Teil erfüllte. Dagegen ist unter dem zweiten Bund der Segen durch die bedingungslose Verheißung Gottes gesichert. Das Werk, das Christus als Mittler vollbracht hat, legt eine gerechte Grundlage, dass Gott den Gläubigen in souveräner Gnade gemäß den Bedingungen des neuen Bundes segnen kann.

Im zweiten Buch Mose finden wir den historischen Bericht, wie Israel formell in ein Bündnis mit Gott eintritt. Der Herr verpflichtet sich, das Volk zu segnen, wenn sie seiner Stimme gehorchen und seinen Bund halten. Das Volk seinerseits verpflichtet sich, seinen Teil zu erfüllen, wie wir lesen: „Da antwortete das ganze Volk insgesamt und sprach: Alles was der HERR geredet hat, wollen wir tun!“ (2. Mo 19,5–8). Später wird dieses Bündnis durch das Volk erneuert und mit Blut besiegelt (2. Mo 24,6–8).

Es wird deutlich, dass das Volk Israel unter dem alten Bund auf der Grundlage des Gesetzes in eine äußere Beziehung zu Gott gebracht wurde. Wenn sie das Gesetz hielten, wurde ihnen Leben und Segen auf der Erde verheißen. Wenn sie das Gesetz brachen, waren sie verflucht. Der Segen hing gänzlich von dem Menschen ab. Das war die Schwachheit des ersten Bundes, denn ein gefallener Mensch kann nicht Gottes heiliges Gesetz halten. So wurde Platz für einen zweiten Bund gesucht, dessen Mittler Christus ist.

Der Herr hat zwar an dem ersten Bund selbst nichts zu tadeln, wohl aber an denen, die nicht in der Lage waren, dessen Bedingungen zu erfüllen. „Denn tadelnd spricht er zu ihnen“ von einem neuen Bund. Der Apostel zitiert in den Versen 8–12 aus Jeremia 31,31–34 (nach der Septuaginta), um uns die Bedingungen dieses neuen Bundes zu verdeutlichen.

Aus diesem Zitat lernen wir, dass der neue Bund den zukünftigen Tag im Auge hat und genau genommen mit Israel gemacht ist und für ein irdisches Volk gilt. Wenn auch der Buchstabe des neuen Bundes auf Israel beschränkt ist, so kann doch der Geist des neuen Bundes auf Christen angewandt werden. Deshalb spricht der Apostel in einem anderen Brief von sich selbst als einem tüchtigen Diener des neuen Bundes, „nicht des Buchstabens, sondern des Geistes“ (2. Kor 3,6).

Deshalb sollten wir kaum erwarten, in dem neuen Bund irgendwelche der Wahrheiten zu finden, die ausschließlich christliche Vorrechte ausdrücken, sondern vielmehr Segnungen, die wesentlich für das ganze Volk Gottes und allen Erlösten gemeinsam sind. Diese Segnungen, die das wiederhergestellte und erlöste Israel in Zukunft empfangen wird, können im Voraus schon von den Gläubigen in der gegenwärtigen Gnadenzeit genossen werden.

Der neue Bund steht im Gegensatz zu dem alten Bund, der mit Israel geschlossen wurde zu der Zeit, als sie aus Ägypten herausgeführt wurden. Zu jener Zeit trennte Gott das Volk von der Welt Ägyptens, um sie mit sich in Beziehung zu bringen. Aber wie wir gesehen haben, hing nach den Bedingungen des Bundes der Segen davon ab, dass das Volk seinen Teil des Bundes erfüllte. Darin versagten sie, wie der Herr sagt: „Denn sie blieben nicht in meinem Bund.“ Sich einem Volk zuzuwenden, das durch Ungehorsam und Götzendienst darin versagte, seine Verpflichtungen zu erfüllen, würde bedeuten, ihr Böses gutzuheißen. So lehnte Gott es ab, sich zu dieser Verbindung mit Israel aufgrund des alten Bundes zu bekennen. Auf dieser Grundlage ist die Nation verworfen.

Verse 10–12: Denn dies ist der Bund, den ich dem Haus Israel errichten werde nach jenen Tagen, spricht der Herr: Indem ich meine Gesetze in ihren Sinn gebe, werde ich sie auch auf ihre Herzen schreiben; und ich werde ihnen zum Gott und sie werden mir zum Volk sein. Und sie werden nicht jeder seinen Mitbürger und jeder seinen Bruder lehren und sagen: Erkenne den Herrn! Denn alle werden mich erkennen vom Kleinen bis zum Großen unter ihnen. Denn ich werde ihren Ungerechtigkeiten gnädig sein, und ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken.“

Trotzdem kann Gott, und Er tut es auch, auf den Grundsatz unumschränkter Gnade zurückkommen und von einem neuen Bund für zukünftige Tage sprechen. Dieser neue Bund hängt allein von der souveränen Gnade Gottes ab und stellt die Bedingungen fest, aufgrund derer Er gemäß seiner eigenen heiligen Natur und seinem eigenen Willen mit dem Menschen in Beziehung treten kann. Bei der Beschreibung des Segens des neuen Bundes sagt der Herr immer wieder: „Ich werde“ – „Denn dies ist der Bund, den ich ... errichten werde ...: Indem ich meine Gesetze in ihren Sinn gebe, werde ich sie auch auf ihre Herzen schreiben; und ich werde ihnen zum Gott ... sein ... Denn ich werde ihren Ungerechtigkeiten gnädig sein, und ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken.“ Es ist deutlich, dass die Segnungen des neuen Bundes nicht von dem Tun oder dem Willen des Menschen abhängen, sondern von dem souveränen Willen Gottes. Das Wesen des neuen Bundes ist, dass der Herr sich für seine Erfüllung verbürgt.

Jeremia berichtet uns, dass die Segnungen des neuen Bundes zuerst ein Werk Gottes in den Herzen seines Volkes sind, wodurch ihre Sinne erneuert und ihre Zuneigungen gewonnen werden, so dass das Gesetz Gottes in ihre Herzen geschrieben sein wird statt auf Tafeln von Stein. Zweitens werden solche, an denen Gott so gewirkt hat, ein Volk sein, das in Verbindung mit Gott steht. Gläubige heutzutage treten in geistlicher Hinsicht darin ein, wie wir im Johannesevangelium lesen: „So viele ihn aber aufnahmen, denen gab er das Recht, Kinder Gottes zu werden, denen, die an seinen Namen glauben, die nicht aus Geblüt, noch aus dem Willen des Fleisches, noch aus dem Willen des Mannes, sondern aus Gott geboren sind“ (Joh 1,12.13). Drittens wird eine völligere Kenntnis des Herrn da sein, so dass es nicht mehr nötig sein wird, einen Mitbürger oder einen Bruder zu lehren, den Herrn zu erkennen. Wie genau trifft das auf das wahre Volk Gottes heute zu, auf alle, die den Herrn persönlich kennen, wie viel sie auch über den Herrn noch zu lernen haben. In diesem Sinn haben wir Belehrung immer nötig. Viertens wird die Barmherzigkeit des Herrn in Gerechtigkeit ihren Sünden so begegnen, dass Gott sagen kann: „Ihrer Sünden und ihrer Gesetzlosigkeiten werde ich nie mehr gedenken.“ Zu diesem großartigen Segen ist jeder Gläubige heutzutage schon gebracht.

Vers 13: Indem er sagt: „einen neuen“, hat er den ersten alt gemacht, was aber alt wird und veraltet, ist dem Verschwinden nahe.

Das sind die Bedingungen und Segnungen des neuen Bundes. Wenn es ein neues Priestertum gibt, durch das wir Gott nahen, so muss es notwendigerweise einen neuen Bund geben, sonst nützt das neue Priestertum nichts, wie vollkommen es auch sein mag. Unter dem ersten Bund wäre unser Nahen zu Gott abhängig davon, dass wir uns an die Bedingungen des Bundes halten. Da das unmöglich ist, wären wir durch unser eigenes Versagen beständig von Gott getrennt. Unter dem neuen Bund stehen wir in Beziehung zu Gott einzig und allein aufgrund dessen, was Gott in seiner unumschränkten Gnade getan hat.

Dieser Bund ist neu in dem Sinn, dass er sich völlig von dem alten unterscheidet: Es ist kein neuer Bund nach demselben Muster. Der neue Bund ließ den früheren veralten. Und da er alt wird und veraltet, ist er dem Verschwinden nahe. Es ist deshalb sowohl für Juden als auch für die Christenheit vergeblich, zu dem zurückzukehren, was der Mensch gebrochen und was Gott durch das Kreuz und durch die Zerstörung Jerusalems und des Tempels beiseitegesetzt hat.

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