Jesus Christus ist derselbe

4. Der Hohepriester unseres Bekenntnisses (3,1-4,16)

Jesus Christus ist derselbe

Die ersten beiden Kapitel entfalten uns die Herrlichkeiten der Person Christi und bereiten uns auf diese Weise vor, den unermesslichen Segen seines Dienstes als unser großer Hoherpriester zu verstehen. In diesem neuen Abschnitt des Briefes lernen wir zuerst den Bereich kennen, in dem der priesterliche Dienst Christi ausgeübt wird – das Haus Gottes (3,1–6); zweitens die Umstände in der Wüste, die seinen priesterlichen Dienst erforderlich machen (3,7–19); drittens erfahren wir von der Ruhe, zu der die Wüste führt (4,1–11); schließlich lernen wir die gnädigen Hilfsmittel kennen, die Gott bereitet hat, um uns in der Wüste zu bewahren (4,12–16).

a) Der Bereich des priesterlichen Dienstes Christi (3,1–6)

Der zweite Teil des zweiten Kapitels hat uns den Weg gezeigt, den der Herr in seiner Gnade gegangen ist, um seinem Volk sein priesterliches Mitgefühl erweisen zu können. In den Anfangsversen dieses Kapitels ist von dem Haus Gottes die Rede, um den Bereich zu zeigen, in dem sein Priestertum ausgeübt wird.

Vers 1: Daher, heilige Brüder, Genossen der himmlischen Berufung, betrachtet den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, Jesus.

Im ersten Vers werden die jüdischen Gläubigen als „heilige Brüder“ und „Genossen der himmlischen Berufung“ angeredet. Als Juden waren sie daran gewöhnt, „Brüder“ genannt zu werden, und sie waren Genossen der irdischen Berufung. Als Christen sind sie „heilige Brüder“ und, wie alle anderen Christen, Gegenstände der „Berufung Gottes droben in Christus Jesus“.

Nachdem uns in den Kapiteln 1 und 2 die Herrlichkeiten Christi vorgestellt worden sind, werden wir jetzt ermahnt, „den Apostel und Hohenpriester unseres Bekenntnisses, Jesus“, zu betrachten. Der Titel Apostel ist im Besonderen mit der Wahrheit bezüglich des Sohnes Gottes verbunden, wie sie im ersten Kapitel dargestellt wird, wo der Sohn gesehen wird, wie Er auf die Erde kommt und zu den Menschen im Namen Gottes spricht. Der Titel Hoherpriester bezieht sich auf das zweite Kapitel, wo der Sohn des Menschen vorgestellt wird, wie Er von der Erde zum Himmel zurückkehrt, um vor Gott zugunsten der Menschen zu dienen. Das eigentliche Ziel jedes Dienstes besteht darin, die Hörer nicht einfach mit der Wahrheit zu beschäftigen, sondern sie dahin zu bringen, Jesus zu „betrachten“.

Wir sollten beachten, dass es hier „Jesus“ heißt, nicht „Christus Jesus“. Jeder Jude würde den Messias anerkennen; aber nur der Christ würde anerkennen, dass der Christus in der Person Jesu gekommen war.

Verse 2–5: Der treu ist dem, der ihn bestellt hat, wie es auch Mose war in seinem ganzen Haus. Denn dieser ist größerer Herrlichkeit für würdig erachtet worden als Mose, insofern größere Ehre als das Haus der hat, der es bereitet hat. Denn jedes Haus wird von jemand bereitet; der aber alles bereitet hat, ist Gott. Und Mose zwar war treu als Diener in seinem ganzen Haus – zum Zeugnis von dem, was nachher geredet werden sollte.

Der Geist Gottes erwähnt Mose und die Stiftshütte in der Wüste, um zu zeigen, dass Christus mehr ist als Mose und dass die Stiftshütte nur ein Zeugnis der Dinge war, die nachher offenbart werden sollten. Mose ist niemals Priester gewesen; sein Dienst hatte eher apostolischen Charakter. Er kam zu dem Volk im Namen Gottes – Aaron, der Priester, ging zu Gott zugunsten des Volkes. Mose baute unter der Anordnung Gottes die Stiftshütte in der Wüste. Jesus, der wahre Apostel, ist der Erbauer des gesamten Universums, von dem die Stiftshütte ein Zeugnis war. Wenn Gott in den Himmeln der Himmel wohnt, so ist es auch wahr, dass Er in der Mitte seines Volkes wohnt, das heute sein Haus bildet. Dieses Haus in seiner gegenwärtigen geistlichen Form ist eins der Dinge, die durch die sichtbare Stiftshütte abgebildet wurden.

Vers 6: Christus aber als Sohn über sein Haus, dessen Haus wir sind, wenn wir nämlich die Freimütigkeit und den Ruhm der Hoffnung bis zum Ende standhaft festhalten.

Mose war treu als Diener im Haus Gottes in der Wüste. Christus ist über Gottes Haus – bestehend aus dem Volk Gottes -– als Sohn. So macht die Erwähnung des Volkes Gottes, das das Haus Gottes bildet, den Bereich deutlich, in dem Christus sein Priestertum ausübt; deshalb lesen wir später in diesem Brief, dass wir „einen großen Priester über das Haus Gottes“ haben (10,21).

b) Die Wüste, die den priesterlichen Dienst Christi erfordert (3,7–19)

Die Erwähnung Moses' und der Stiftshütte führt uns von selbst zu der Wüstenreise des Volkes Gottes. Wenn die Stiftshütte ein Vorbild des Volkes Gottes ist, dann bildet die Wüstenreise Israels die Reise des Volkes Gottes durch diese gegenwärtige böse Welt mit all ihren Gefahren vor. Wegen dieser Wüstenreise wird die priesterliche Gnade erforderlich.

Außerdem wird in der Wüste durch die Gefahren, denen wir begegnen, die Echtheit unseres Bekenntnisses erprobt. Diese Hebräer hatten sich öffentlich zum Christentum bekannt. Jedes Bekenntnis kann unecht sein, und daher werden die „Wenns“ angeführt. So sagt der Schreiber, dass wir das Haus Gottes sind, „wenn wir nämlich die Freimütigkeit und den Ruhm der Hoffnung bis zum Ende standhaft festhalten“. Das ist nicht eine Warnung vor zu großem Vertrauen auf Christus und die ewige Sicherheit, die Er für den Gläubigen erworben hat, denn es ist zu Recht gesagt worden: „Es gibt kein ´Wenn´ im Blick auf das Werk Christi oder die Frohe Botschaft der Gnade Gottes. Alles ist bedingungslose Gnade, wo Glaube vorhanden ist.“ Die Warnung setzt voraus, dass die Empfänger diese Gewissheit haben, und sie werden gewarnt, sie aufzugeben. Dass der wahre Gläubige festhalten wird oder, besser gesagt, dass Gott ihn durch die priesterliche Gnade Christi trotz manchen Versagens bis ans Ende festhalten wird, ist sicher. Die Echtheit des Bekenntnisses des Gläubigen erweist sich, indem er bis ans Ende ausharrt. Die Wüste, die den wahren Gläubigen erprobt, entlarvt die Unaufrichtigkeit des bloßen Bekenners.

Verse 7–11: Deshalb, wie der Heilige Geist spricht: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht, wie in der Erbitterung, an dem Tag der Versuchung in der Wüste, wo eure Väter mich versuchten, indem sie mich prüften, und sie sahen doch meine Werke vierzig Jahre. Deshalb zürnte ich diesem Geschlecht und sprach: Allezeit gehen sie irre mit dem Herzen; aber sie haben meine Wege nicht erkannt. So schwor ich in meinem Zorn: Wenn sie in meine Ruhe eingehen werden!“

Um uns zum Festhalten zu ermutigen, werden wir durch ein Zitat aus Psalm 95,7–11 an die Warnungen des Heiligen Geistes erinnert, die Er Israel gegeben hatte im Hinblick auf das Kommen Christi in die Welt in Herrlichkeit und Macht, um das Volk in die Ruhe einzuführen. Heute ist ein Tag der Gnade und Errettung im Blick auf das Teilhaben an der Herrlichkeit Christi in der zukünftigen Welt. An solch einem Tag des Segens werden sie davor gewarnt, so zu handeln wie ihre Väter in der Wüste. Israel bekannte, Ägypten verlassen zu haben und dem Herrn durch die Wüste zu folgen, die reich an Gefahren war und wo allein das Vertrauen auf Gott sie bis zum Ende erhalten konnte. Vierzig Jahre lang sahen sie, wie Gottes Werke der Macht und Barmherzigkeit für ihre Bedürfnisse Vorsorge trafen und sie vor jeder Gefahr bewahrten. Doch trotz aller Beweise seiner Gegenwart versuchten sie Gott und stellten Ihn auf die Probe, indem sie sagten: „Ist der Herr in unserer Mitte oder nicht?“ So bewiesen sie, dass ihre harten Herzen von der Güte Gottes unberührt waren. Indem sie nur die Befriedigung ihrer eigenen Lüste suchten und Gottes Wege nicht erkannten, zeigten sie deutlich, dass sie, welches Bekenntnis sie auch immer abgelegt hatten, kein wirkliches Vertrauen auf Gott hatten. Von diesen sagt Gott: „Wenn sie in meine Ruhe eingehen werden!“

Verse 12.13: Gebt acht, Brüder, dass nicht etwa in jemand von euch ein böses Herz des Unglaubens sei in dem Abfallen von dem lebendigen Gott, sondern ermuntert euch selbst an jedem Tag, solange es „heute“ heißt, damit niemand von euch verhärtet werde durch Betrug der Sünde.

In diesen Versen werden die Warnungen aus Psalm 95 auf bekennende Christen angewandt. Wir sollen „zusehen“, dass wir nicht durch ein böses Herz des Unglaubens vom lebendigen Gott abfallen, um wieder unser Vertrauen auf tote Formen zu setzen, und damit zeigen, dass wir, welches Bekenntnis wir auch abgelegt haben, kein Vertrauen auf Christus und auf die Gnade haben, die dem Gläubigen durch sein vollbrachtes Werk Errettung und Vergebung sichert. Was hier betrachtet wird, ist jedoch kaum das Hinzufügen jüdischer Formen zum christlichen Leben, so schlecht das auch wäre, sondern es bedeutet, Christus selbst aufzugeben und zum Judentum zurückzukehren – und das ist Abfall.

Ferner werden wir nicht nur ermahnt, auf uns selbst zu sehen, sondern einander jeden Tag zu ermuntern, solange der Tag der Gnade und Errettung noch währt, damit niemand von uns durch den Betrug des Eigenwillens verhärtet werde. Hier ist es nicht der Betrug, einzelne Sünden zu begehen, wie ernst das auch ist, denn eine Sünde führt zu einer weiteren: Es ist das Prinzip der Sünde, von der der Schreiber spricht, und das ist die Gesetzlosigkeit (1. Joh 3,4). Wir denken wenig daran, wie sehr wir unsere Herzen verhärten, wenn wir unseren eigenen Willen tun. Wir sollten also auf uns selbst sehen und füreinander Sorge tragen. Die Liebe sollte einem Bruder gegenüber nicht gleichgültig sein, der abgleitet, indem er seinen eigenen Willen tut.

Verse 14–19: Denn wir sind Genossen des Christus geworden, wenn wir nämlich den Anfang der Zuversicht bis zum Ende standhaft festhalten, indem gesagt wird: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht, wie in der Erbitterung.“ (Denn welche, als sie gehört hatten, haben ihn erbittert? Waren es aber nicht alle, die durch Mose aus Ägypten ausgezogen waren? Welchen aber zürnte er vierzig Jahre? Nicht denen, die gesündigt hatten, deren Leiber in der Wüste fielen? Welchen aber schwor er, dass sie nicht in seine Ruhe eingehen sollten, wenn nicht denen, die ungehorsam gewesen waren? Und wir sehen, dass sie nicht eingehen konnten wegen des Unglaubens.)

Gläubige sind nicht nur das Haus Gottes, sie sind auch Genossen des Christus. Auch hier sind wieder nicht der Leib Christi und die Glieder seines Leibes, als durch den Heiligen Geist mit dem Haupt verbunden, gemeint. An dem Leib Christi haben bloße Bekenner kein Teil. Noch immer geht es um das Bekenntnis. Wenn es auch als echt vorausgesetzt wird, bleibt doch Raum für Unaufrichtigkeit. Deshalb heißt es weiter: „Wenn wir nämlich den Anfang der Zuversicht bis zum Ende standhaft festhalten.“ Das ist keine Zuversicht, die sich auf irgendetwas in uns selbst gründet – das wäre nur Selbstgerechtigkeit. Die Zuversicht, auf die solch großer Wert gelegt wird, gründet sich auf den Herrn Jesus, sein sühnendes Opfer und die anerkannte Wirksamkeit seines Werkes. Für eine solche Zuversicht werden wir nicht getadelt: Im Gegenteil, wir werden ermahnt, sie festzuhalten.

Dann nimmt der Schreiber wieder Bezug auf Israel in der Wüste und stellt drei herzerforschende Fragen, um die Verhärtung durch die Sünde und den Unglauben Israels erkennen zu lassen. (1) Welche, als sie das Wort Gottes von einer zukünftigen Ruhe hörten, haben Ihn erbittert? Waren es nur einige aus dem Volk? Leider war es die große Masse, „alle, die ... von Ägypten ausgezogen waren“. (2) Welchen zürnte Er vierzig Jahre? Denen, die infolge ihrer Herzenshärtigkeit ihre eigenen Sünden wählten. (3) Welchen schwor Er, dass sie nicht in seine Ruhe eingehen sollten? Denen, die ungehorsam gewesen waren (oder: nicht geglaubt hatten). So lernen wir, dass die Wurzel ihrer Sünde Unglaube war. Der Unglaube überließ sie ihren Sünden, und die Sünden verhärteten ihre Herzen.

c) Die Ruhe, zu der der Weg durch die Wüste führt (4,1ff)

Die Wüstenreise der Kinder Israel, von der der Schreiber in Kapitel 3,7–19 gesprochen hat, hatte als Ziel, das Volk in die Ruhe Kanaans zu bringen. Doch in diese Ruhe konnten diejenigen, die aus Ägypten kamen, nicht eingehen wegen ihrer Herzenshärtigkeit, ihrer Sünde und ihres Unglaubens (3,15.17.19).

Wie das alte Israel, so gehen auch heute die Gläubigen auf ihrem Weg durch die Wüste dieser Welt zu der Ruhe der zukünftigen Herrlichkeit. Diese Ruhe ist das große Thema der ersten elf Verse des vierten Kapitels. Lasst uns beachten, dass es die Ruhe Gottes ist, von der der Schreiber spricht. Sie wird „seine Ruhe“ und in dem Zitat aus dem Alten Testament „meine Ruhe“ genannt (3,18; 4,1.3.5).

Diese Ruhe – die Ruhe Gottes – ist ausschließlich zukünftig. Es ist nicht die gegenwärtige Ruhe des Gewissens, die der Glaube an die Person und das Werk Christi dem Gläubigen gibt, wie der Herr sagt: „Kommt her zu mir, alle ihr Mühseligen und Beladenen, und ich werde euch Ruhe geben.“ Es ist auch nicht die Ruhe des Herzens, die das tägliche Teil dessen ist, der dem Herrn gehorcht, indem er sich seinem Willen unterwirft, wiederum nach seinem Wort: „Nehmt auf euch mein Joch und lernt von mir, denn ich bin sanftmütig und von Herzen demütig, und ihr werdet Ruhe finden für eure Seelen“ (Mt 11,28.29). Es ist auch nicht die zeitweilige Ruhe eines müden Arbeiters, von der wir in den Evangelien lesen, wo der Herr sagt: „Kommt ihr selbst her an einen öden Ort für euch allein und ruht ein wenig aus“, Worte, die ausdrücken, dass wir anschließend wieder arbeiten müssen (Mk 6,31).

Gott kann nur in dem ruhen, was seine Liebe und Heiligkeit befriedigt. Gottes Ruhe wird erreicht sein, wenn Gottes Liebe für die, die Er liebt, alles erfüllt hat. Wenn Gerechtigkeit herrscht und Kummer und Seufzen entflohen sein werden, wird Gott in seiner Liebe ruhen (Zeph 3,17). „Die Heiligkeit kann nicht ruhen, wo Sünde ist; die Liebe kann nicht ruhen, wo Schmerz ist“ (J. N. D.). Der Christ wird aus dieser Welt der Unruhe herausgerufen, um an der Ruhe des Himmels teilzuhaben. Gegenwärtig ist er noch in der Wüste; er ist nicht von der Welt, die er verlassen hat, noch im Himmel, zu dem er geht. Der Glaube behält die himmlische Ruhe im Auge, zu der wir gehen. Dort ist Christus, der uns diese Ruhe gesichert hat, wie wir wenig später lesen: „Christus ist ... eingegangen ... in den Himmel selbst, um jetzt vor dem Angesicht Gottes für uns zu erscheinen“ (9,24).

Verse 1.2: Fürchten wir uns nun, dass nicht etwa, da eine Verheißung, in seine Ruhe einzugehen, hinterlassen ist, jemand von euch scheine zurückgeblieben zu sein! Denn auch uns ist eine gute Botschaft verkündigt worden, wie auch jenen; aber das Wort der Verkündigung nützte jenen nicht, weil es bei denen, die es hörten, nicht mit dem Glauben verbunden war.

Da wir solch eine wunderbare Verheißung haben, werden wir gewarnt, dass nicht jemand im Blick auf diese Ruhe Gottes scheine, zurückgeblieben zu sein. Ein bloßer Bekenner, der das christliche Bekenntnis aufgibt und zum Judentum zurückkehrt, bleibt nicht nur scheinbar zurück. Er verfehlt diese Ruhe und kommt in der Wüste um. Doch der wahrhaft Gläubige kann den Anschein erwecken, zurückgeblieben zu sein, indem er in die Welt zurückkehrt und sich auf der Erde niederlässt. Einst hörte Israel die gute Botschaft von einem Land, das von Milch und Honig fließt, aber leider hörten sie nicht auf das Wort (vgl. Kap. 3,18 mit 5. Mo 1,22–26).

Dem Christen ist eine noch herrlichere Botschaft von noch größerem Segen in der ewigen Ruhe des Himmels verkündigt worden. Für den Glauben sind diese zukünftigen Herrlichkeiten schon jetzt Wirklichkeit. Wenn das Wort jedoch nicht mit Glauben verbunden ist, nützt es dem Hörer heute genausowenig wie damals.

Verse 3.4: Denn wir, die wir geglaubt haben, gehen in die Ruhe ein, wie er gesagt hat: „So schwor ich in meinem Zorn: Wenn sie in meine Ruhe eingehen werden!“, obwohl die Werke von Grundlegung der Welt an geworden waren. Denn er hat irgendwo von dem siebten Tag so gesprochen: „Und Gott ruhte am siebten Tag von allen seinen Werken“.

Wenn damals einige der guten Botschaft von der Ruhe Kanaans nicht geglaubt haben, und wenn auch heutzutage die große Masse der Bekenner der guten Botschaft von der himmlischen Ruhe nicht glaubt, so bleibt doch wahr, dass Gott eine zukünftige Ruhe hat, in die die Gläubigen eingehen werden. Jeder Schritt, den sie durch diese Welt gehen, bringt sie näher zu der Ruhe Gottes. Der bloße Bekenner, der keinen persönlichen Glauben an Christus hat, wird unweigerlich in der Wüste fallen. Der Eidschwur Gottes, „Wenn sie in meine Ruhe eingehen werden!“ (ein Zitat aus Ps 95,11, angeführt nach der Septuaginta), bedeutet eigentlich: „Sie werden durchaus nicht in meine Ruhe eingehen.“

Der Schreiber nimmt Bezug auf die Schöpfung, um zu zeigen, dass Gott von Anfang an eine „Ruhe“ beabsichtigte. Damit verdeutlicht der Schreiber den Charakter der Ruhe Gottes. Nachdem die Welt gebildet und der Mensch im Bild und nach dem Gleichnis Gottes erschaffen war, waren die Schöpfungswerke Gottes vollendet. Das führte zur Schöpfungsruhe mit ihren zwei Unterscheidungsmerkmalen: (1) Gott fand seine Befriedigung an allem, was Er gemacht hatte, wie wir lesen: „Und Gott sah alles was er gemacht hatte, und siehe, es war sehr gut.“ (2) Die Schöpfungswerke fanden ihren völligen Abschluss, wie geschrieben steht: „Und er ruhte am siebten Tag von all seinem Werk, das er gemacht hatte“ (1. Mo 1,31; 2,2). So lernen wir die beiden großen Wahrheiten kennen, die kennzeichnend sind für die Ruhe Gottes: die völlige Zufriedenheit mit dem Ergebnis seiner Arbeit und, mit dem Erreichen dieser Zufriedenheit, das völlige Ende aller Mühe.

Vers 5: Und an dieser Stelle wiederum: „Wenn sie in meine Ruhe eingehen werden!“

Die Schöpfungsruhe ist ein Schatten der ewigen Ruhe. Die Schöpfungsruhe wurde durch die Sünde zerstört. Trotzdem gibt Gott den festen Vorsatz seines Herzens nicht auf, eine Ruhe zu haben – eine ewige Ruhe –, die keine Sünde jemals beeinträchtigen wird. So wird uns auch in den Tagen Josuas die Ruhe Gottes wieder vorgestellt, denn noch einmal gibt es die gute Botschaft der Ruhe, wenn auch der Unglaube Israels den Genuss der Ruhe Kanaans verhinderte, so dass Gott sagen muss: „Wenn sie in meine Ruhe eingehen werden!“ (Ps 95,11).

Vers 6: Weil nun übrig bleibt, dass einige in sie eingehen und die, denen zuerst die gute Botschaft verkündigt worden ist, des Ungehorsams wegen nicht eingegangen sind.

Trotz der Tatsache, dass die Sünde die Schöpfungsruhe zerstört und der Unglaube die Ruhe Kanaans beeinträchtigt hat, sichert Gott uns zu, dass Er noch eine Ruhe vor sich hat, die Er „meine Ruhe“ nennt, und dass es einige gibt, die in diese Ruhe eingehen werden, selbst wenn diejenigen, denen sie zuerst verkündigt wurde, diese Ruhe durch ihren Unglauben nicht erreicht haben. Gottes Absicht, eine Ruhe nach seinem Herzen zu sichern, kann nicht durch die Sünde und den Unglauben des Menschen vereitelt werden.

Verse 7.8: So bestimmt er wiederum einen gewissen Tag: „Heute“, in David nach so langer Zeit sagend, wie vorhin gesagt worden ist: „Heute, wenn ihr seine Stimme hört, verhärtet eure Herzen nicht.“ Denn wenn Josua sie zur Ruhe gebracht hätte, so würde er danach nicht von einem anderen Tag geredet haben.

Wenn die Schöpfungsruhe beeinträchtigt und die Ruhe Kanaans verloren ist, was ist dann die Ruhe Gottes, in die solche, die glauben, eingehen werden? Josua hatte das Volk nicht in die Ruhe einführen können, deshalb spricht David lange Zeit danach von einer anderen Ruhe an einem „anderen Tag“. Um diese Ruhe näher zu erklären, zitiert der Schreiber Psalm 95,7.8. Dieser Psalm ist eine Aufforderung an Israel, mit Danksagung seine Zuflucht zu Gott im Blick auf das zukünftige Kommen Christi auf die Erde zu nehmen, um die Nation in die Ruhe einzuführen. Im Blick auf die gute Botschaft von diesem neuen Tag der Gnade wird Israel gewarnt, nicht wie in den Tagen Josuas ihre Herzen zu verhärten. Diese erneute Mahnung zurückzuweisen, würde bedeuten, die irdische Ruhe unter der Herrschaft Christi zu verfehlen.

Verse 9.10: Also bleibt eine Sabbatruhe dem Volk Gottes übrig. Denn wer in seine Ruhe eingegangen ist, der ist auch selbst zur Ruhe gelangt von seinen Werken, wie Gott von seinen eigenen.

Der Schreiber beschließt seine Beweisführung mit der Feststellung: „Also bleibt noch eine Sabbatruhe dem Volk Gottes übrig.“ Und das besondere Kennzeichen dieser Ruhe wird das Zur-Ruhe-Gelangen von den Werken sein, denn „wer in seine Ruhe eingegangen ist, der ist auch zur Ruhe gelangt von seinen Werken“. Das ist der Beweis dafür, dass die Ruhe – sei es Gottes himmlische Ruhe für sein himmlisches Volk oder Gottes irdische Ruhe für sein irdisches Volk – noch zukünftig ist. Es ist eine Ruhe, auf die der Glaube zueilt. Außerdem ist es nicht eine Ruhe von der Sünde, sondern Ruhe von der Arbeit, und auch nicht Ruhe von der Arbeit, weil der Arbeiter müde wäre, sondern Ruhe, weil seine Arbeit beendet ist. Jemand hat gesagt: „Die Ruhe Gottes ist keine gegenwärtige Ruhe; und die Zukünftigkeit jener Ruhe ist ein herrlicher Schutz vor dem Fallstrick für jeden Christen, vor allem für einen jüdischen Christen, sie jetzt hier unten zu suchen. So wie Gott nicht inmitten der Sünde oder des Elends ruhen kann, so sollten auch wir uns diese Ruhe nicht gönnen, nicht einmal in unseren Wünschen, und sollten noch viel weniger zulassen, dass sie ein wesentlicher Bestandteil unseres Lebens ist. Jetzt ist die Zeit für die Liebe, wenn wir seine Liebe kennen, jetzt die Zeit, wahre Anbeter für den Vater zu suchen, wie Er selbst sie sucht“ (W. K.).

Vers 11: Lasst uns nun Fleiß anwenden, in jene Ruhe einzugehen, damit nicht jemand nach demselben Beispiel des Ungehorsams falle.

Wenn wir sehen, dass die Ruhe zukünftig ist und wie gesegnet sie ist, werden wir ermahnt, Fleiß anzuwenden, in die vor uns liegende Ruhe einzugehen. Später in dem Brief werden wir nochmals ermahnt zum Werk, zur Liebe und zum Fleiß; wir sollen nicht träge sein, „sondern Nachahmer derer, die durch Glauben und Ausharren die Verheißungen erben“ (6,10–12).

Die Gefahr besteht, dass wir die Ruhe Gottes, die am Ende der Reise liegt, verachten oder auf dem Weg der Liebe überdrüssig werden. Israel tat beides. So wollen wir uns in acht nehmen, damit nicht jemand von uns „nach demselben Beispiel des Ungehorsams falle“. Die beiden wichtigen Ermahnungen hier sind: „Fürchten wir uns nun“, damit wir nicht die Verheißung der Ruhe verachten (V. 1); „lasst uns nun Fleiß anwenden“ auf dem Weg zu der Ruhe (V. 11).

d) Gottes Vorsorge, um uns auf der Wüstenreise zu bewahren (4,12–16)

Die letzten Verse dieses Kapitels stellen uns die beiden Mittel vor, durch die Gläubige auf ihrem Weg durch die Wüste zur Ruhe Gottes bewahrt werden: (1) das Wort Gottes (V. 12.13), (2) der priesterliche Dienst Christi (V 14–16).

Verse 12.13: Denn das Wort Gottes ist lebendig und wirksam und schärfer als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Scheidung von Seele und Geist, sowohl der Gelenke als auch des Markes, und ein Beurteiler der Gedanken und Überlegungen des Herzens; und kein Geschöpf ist vor ihm unsichtbar, sondern alles ist bloß und aufgedeckt vor den Augen dessen, mit dem wir es zu tun haben.

Wir werden daran erinnert, dass das Wort Gottes nicht ein toter Buchstabe ist; es lebt und wirkt, indem es das Herz des Menschen durchdringt. Das Wort übt auf das Gewissen und das Herz einen zweifachen Einfluss aus: (1) Es offenbart die Gedanken und Gesinnungen des Herzens; (2) es bringt die Seele in die Gegenwart Gottes, mit dem wir es zu tun haben.

Das Wort deckt uns die verborgenen Lüste der „Seele“ und das Denken und den Unglauben des „Geistes“ auf. Indem es die geheimen Gedanken und Gesinnungen des Herzens erforscht, lässt es uns den wahren Charakter des Fleisches erkennen. Hier geht es nicht um äußerlich sichtbare Sünde, sondern vielmehr um die verborgenen Motive und den Ursprung des Bösen. Das Wort legt uns die verborgenen Tiefen des Herzens bloß und offenbart, wie viel vom „Selbst“ das geheime Motiv des Lebens ist. Und da es das Wort Gottes ist, bringt es uns zudem in die Gegenwart Gottes. Es ist Gott, der zu mir spricht, der mein Herz in seiner Gegenwart bloßlegt, damit es dort alles bekennt, was das Wort aufdeckt. Wie kam es, dass Israel in der Wüste fiel? Nicht deshalb, weil „das Wort der Verkündigung“ ihnen nichts nützte? Hätten sie dem Wort durch den Glauben einen Platz in ihren Herzen eingeräumt, hätte es sie dahin geführt, die geheimen Wurzeln des Unglaubens zu entdecken und zu richten, die sie verhinderten, in die Ruhe einzugehen.

So wird alles, was uns hindert, zu der Ruhe Gottes weiterzueilen, alles, was uns verlockt, uns in dieser Welt niederzulassen, durch das Wort in der Gegenwart Gottes aufgedeckt und gerichtet, so dass wir unbeschwert den Pilgerlauf und die Bemühung der Liebe fortsetzen können, den Blick auf die Ruhe Gottes gerichtet.

Vers 14: Da wir nun einen großen Hohenpriester haben, der durch die Himmel gegangen ist, Jesus, den Sohn Gottes, so lasst uns das Bekenntnis festhalten.

Indem das Wort Gottes uns dahin führt, das geheime Wirken unseres Willens zu richten, bereitet es uns außerdem zu, dass wir die priesterliche Hilfe und das Mitleid Christi in Anspruch nehmen. Wir haben nicht nur mit den verborgenen Wurzeln des Bösen in unseren Herzen zu kämpfen, sondern sind auch mit Schwachheiten umgeben und sehen uns Versuchungen gegenübergestellt. So brauchen wir das Wort, um uns mit dem geheimen Bösen unseres Herzens zu beschäftigen, und wir brauchen eine lebendige Person, die uns hilft, angesichts von Schwachheiten und Versuchungen, jemanden, der uns vertritt, jemanden, der in jedem Augenblick alle unsere Schwierigkeiten und unsere Schwachheit kennt und Anteil daran nimmt, und jemanden, der Mitleid mit uns zu haben vermag, weil Er die Versuchungen und Schwierigkeiten, denen wir zu begegnen haben, selbst erfahren hat.

Solch einen Hohenpriester haben wir, „Jesus, den Sohn Gottes“, der vor uns den Weg gegangen ist, der zur Ruhe Gottes führt. Er hat jeden Schritt des Weges zurückgelegt; Er ist durch die Himmel gegangen; Er hat die Ruhe Gottes erreicht. In all unseren Schwachheiten kann Er uns unterstützen auf unserem Weg durch die Wüste, bis wir dort ruhen, wo Er ruht, jenseits jeder Prüfung und Versuchung, dort, wo alle Mühe für immer ein Ende hat.

Da wir einen solchen Hohenpriester haben, werden wir ermahnt, unser Bekenntnis festzuhalten. Das bedeutet nicht nur, an dem Bekenntnis festzuhalten, dass Jesus unser Herr und Erretter ist, wie wichtig das auch ist, sondern vielmehr das Bekenntnis, dass wir Genossen der himmlischen Berufung sind. Unser Bekenntnis ist, dass wir als Genossen der himmlischen Berufung in die Ruhe Gottes eingehen werden. Die Gefahr ist, dass wir angesichts der Versuchung wegen unserer Schwachheiten unser Bekenntnis der himmlischen Berufung aufgeben und uns in Geschäftigkeit verlieren, wenn nicht gar in der Welt selbst.

Vers 15: Denn wir haben nicht einen Hohenpriester, der nicht Mitleid zu haben vermag mit unseren Schwachheiten, sondern der in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir, ausgenommen die Sünde.

Wir brauchen den Beistand und das Mitleid unseres großen Hohenpriesters, erstens wegen unserer Schwachheiten und zweitens wegen der Versuchungen, denen wir zu begegnen haben. Schwachheiten haften uns solange an, wie wir im Leib sind mit seinen verschiedenartigen Bedürfnissen und seiner Anfälligkeit für Krankheit und Unfall. Schwachheit ist keine Sünde, obwohl sie dazu führen kann. Hunger ist Schwachheit, Murren wegen Hunger wäre Sünde. Paulus, der angesichts seiner Schwachheiten erfuhr, dass die Gnade Christi für ihn genügte, konnte sogar sagen: „Daher will ich mich am allerliebsten viel mehr meiner Schwachheiten rühmen“, und, „Deshalb habe ich Wohlgefallen an Schwachheiten“ (2. Kor 12,9.10). Er hätte sich nicht der Sünden gerühmt oder Freude am Sündigen gehabt.

Bei Versuchungen müssen wir daran denken, dass der Gläubige zwei Arten von Versuchungen begegnet, den Versuchungen durch Prüfungen von außen und den Versuchungen durch die Sünde von innen. Von beiden Formen der Versuchungen spricht der Apostel Jakobus. Erstens sagt er: „Haltet es für lauter Freude, meine Brüder, wenn ihr in mancherlei Prüfungen fallt.“ Es gibt verschiedene Prüfungen von außen, durch die der Feind versucht, uns von der himmlischen Berufung abzuwenden und uns zu hindern, zu der Ruhe Gottes weiterzueilen. Dann spricht der Apostel von einer ganz anderen Art der Versuchung, wenn er sagt: „Jeder aber wird versucht, wenn er von seiner eigenen Begierde fortgezogen und gelockt wird“ (Jak 1,2.14). Das ist Versuchung durch die Sünde von innen.

In diesem Abschnitt des Hebräerbriefes wird uns die erste Art von Versuchungen vorgestellt – die Versuchung, von dem Weg des Gehorsams gegenüber dem Wort Gottes abzuweichen, der zu der Ruhe Gottes führt. So bemüht sich der Teufel, die Schwachheiten unseres Leibes zu benutzen, um uns durch seine Versuchungen abzuziehen, ebenso wie er danach trachtete, den Herrn durch Hunger von dem Weg des Gehorsams gegenüber Gott abzubringen. In dieser Art von Versuchung hat der Herr Mitleid mit uns, da Er ja „in allem versucht worden ist in gleicher Weise wie wir“. Die zweite Art der Versuchung kannte Er nicht. Deshalb wird – während es doch heißt, dass Er „in allem versucht worden ist wie wir“ – hinzugefügt, „ausgenommen die Sünde“.

Vers 16: Lasst uns nun mit Freimütigkeit hinzutreten zu dem Thron der Gnade, damit wir Barmherzigkeit empfangen und Gnade finden zu rechtzeitiger Hilfe.

Angesichts dieser Schwachheiten und Versuchungen haben wir eine Hilfsquelle. Wie die Schwierigkeiten auch sein mögen, denen wir zu begegnen haben, wie sehr wir auch versucht und geprüft werden mögen, welche Notlage auch entstehen mag, es ist Gnade vorhanden, um uns zu befähigen, mit der Erprobung fertigzuwerden. Der Weg zum Thron der Gnade steht uns offen. Wir werden ermahnt, nun hinzuzutreten zu dem Thron der Gnade, das ist zu Gott selbst. Wir sollen nicht zu dem Hohenpriester hinzutreten, sondern zu Gott, und wir können das mit Freimütigkeit tun, weil der Hohepriester uns am Gnadenthron vertritt. Wenn wir hinzutreten, empfangen wir Barmherzigkeit; nicht, weil wir versagt haben, sondern damit wir in der Erprobung nicht versagen. „Rechtzeitig“ bezieht sich hier nicht auf die Zeit des Versagens, sondern auf die Zeit, wenn wir vor Prüfungen und Versuchungen stehen, die zum Versagen führen können.

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