Die Gnade Gottes

Die heilbringende Gnade

Damit sind wir bei einem weiteren Gesichtspunkt angelangt, der heilbringenden Gnade. Zwar ist nach Titus 2,11 und 2. Timotheus 1,9.10 die Gnade Gottes erschienen, als der Sohn Gottes als Mensch in diese Welt kam, doch wenn sie „heilbringend für alle Menschen“ wirksam werden sollte, mußte nach Seinem ewigen Ratschluß das Sühnungswerk am Kreuz von Golgatha vollbracht werden. Denn nicht das vollkommene, sündlose Leben des Herrn Jesus ist die Grundlage unserer Errettung, sondern Sein Sühnungswerk und Sein Tod am Kreuz von Golgatha. Erst als die triumphierenden Worte: „Es ist vollbracht!“ über die Lippen des Herrn gekommen waren, war der Weg für die Verkündigung der unumschränkten Gnade Gottes für alle Menschen geöffnet.

Jetzt kann das „Evangelium der Gnade Gottes“ in der ganzen Welt verkündigt werden (Apg 20,24). Mit vollem Recht dürfen wir daher die Zeit zwischen Golgatha und dem Kommen des Herrn zur Entrückung der Gläubigen die „Gnadenzeit“ nennen, wenn auch der Ausdruck selbst in der Bibel nicht vorkommt. Allen Menschen ohne Unterschied gilt jetzt die heilbringende Gnade Gottes in Christus, denn Gott will, daß alle Menschen errettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Wenn der Herr Jesus bis heute noch nicht wiedergekommen ist, um die Seinen zu sich ins Vaterhaus zu nehmen, dann deshalb, weil Er langmütig gegen uns ist, da Er nicht will, daß irgendwelche verlorengehen, sondern daß alle zur Buße kommen. Das ist die Gnadenzeit!

Als Verlorene brauchten wir Rettung, und als Schuldige Rechtfertigung. Beides haben wir durch die Gnade Gottes empfangen. In Epheser 2,8 heißt es: „Durch die Gnade seid ihr errettet, mittels des Glaubens“, und in Römer 3,24: „... umsonst gerechtfertigt durch seine Gnade.“ Die heilbringende Gnade offenbart sich hier in zweierlei Weise und ist es wert, daß wir ein wenig darüber nachdenken.

Jemand, der auf einem Schiff im Sturm auf hoher See über Bord gerissen wird, ist verloren, wenn ihm nicht ein Rettungsboot oder ein Rettungsring zu Hilfe kommt. Kein Mensch würde in einer solchen Situation denken, er könnte sich selbst retten. Aber wie viele gibt es, die meinen, sich durch ihr eigenes Tun, durch gute Werke, aus ihrem Zustand ewigen Verlorenseins retten zu können!

Nach Gottes Urteil waren wir auf Grund unseres sündigen Zustandes für Ihn geistlich tot (Eph 2,1). Ein Toter kann nichts mehr für sich oder andere tun, geschweige sich selbst das Leben wiedergeben. Alle eigenen Bemühungen zu unserer Errettung sind daher nicht nur nutz- und sinnlos, sondern unmöglich. Einzig und allein die Gnade Gottes kann Verlorene retten (Eph 2,8). Diese unbegreifliche Gnade ist der tatsächliche Beweis der Liebe Gottes.

Jemand, der vor Gericht angeklagt, schuldig gesprochen und rechtmäßig verurteilt wird, kann nichts mehr zu seiner Rechtfertigung vorbringen. Genauso wird einmal jeder vor Gott, dem Richter aller stehen und wird auf tausend Anklagen nicht eine Entschuldigung vorbringen können. Vor Gott kann sich kein Sünder rechtfertigen, denn alles spricht gegen ihn. Wer dagegen jetzt im Glauben seine Zuflucht zu dem Herrn Jesus nimmt, wird durch Gottes Gnade vollkommen gerechtfertigt (Röm 3,24), weil Christus alle unsere Sünden an Seinem Leib auf dem Kreuz getragen und die Strafe zu unserem Frieden auf Ihm gelegen hat. Gott bestraft dieselben Taten nicht zweimal. So gibt es nur zwei Möglichkeiten: Entweder muß ein Sünder in Ewigkeit die gerechte Strafe Gottes für seine Taten tragen, oder aber er wird gerechtfertigt durch Den, der am Kreuz diese Strafe für alle getragen hat, die an Ihn glauben. Gerechtfertigt ist der, den Gott als gerecht betrachtet, weil er an Den glaubt, der unsere rechtmäßige Strafe getragen hat und dadurch der einzige Weg zu Gott ist. Die Gnade ist also auch der Beweis der Gerechtigkeit Gottes.

Wenn wir das alles überdenken und dabei im Auge behalten, daß wir durch unsere Sünden unseren schrecklichen Zustand selbst verschuldet hatten, dann wird uns die Größe der Gnade Gottes mehr und mehr deutlich. Wir verstehen, warum der Heilige Geist immer wieder von der überströmenden, überreichlichen Überfülle, ja, vom überragenden Reichtum der Gnade Gottes in Güte spricht (Röm 5,15.17.20; 6,1; Eph 1,7; 2,7). Bei der Betrachtung dieser unergründlichen Gnade dürfen wir mit dem Apostel Paulus dankbar und anbetend ausrufen: „Gott sei Dank für seine unaussprechliche Gabe“ (2. Kor 9,15)!

Aber damit nicht genug. Die wunderbare Gnade Gottes in Christus übersteigt ja bei weitem alle unsere Bedürfnisse und Erwartungen. Wir haben nicht nur Errettung aus unserem sündigen Zustand und Rechtfertigung von unseren Sünden erfahren, sondern weit mehr! Wenn uns in Epheser 1 der ewige Ratschluß Gottes, des Vaters, mitgeteilt wird, dann dürfen wir sozusagen einen Blick in Sein Herz werfen. Er hat uns in Christus gesegnet mit jeder geistlichen Segnung in den himmlischen Örtern, hat uns in Ihm vor Grundlegung der Welt auserwählt und uns zuvorbestimmt zur Sohnschaft für sich selbst – alles nach dem Wohlgefallen Seines göttlichen, ewigen Willens – zum Preise der „Herrlichkeit seiner Gnade“ (Eph 1,6)! In der unermeßlichen Fülle der Segnungen, in der Größe, Erhabenheit und Schönheit Seines göttlichen Handelns mit uns, den ins Elend der Sünde abgesunkenen Geschöpfen, offenbart sich die Herrlichkeit Seiner Gnade! Sie wird in Ewigkeit erstrahlen und Grund unserer Anbetung sein.

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