Betrachtung über 2. Korinther (Synopsis)

Kapitel 3

Betrachtung über 2. Korinther (Synopsis)

Dies veranlasst den Apostel, eine Darstellung des Evangeliums zu geben, im Gegensatz zum Gesetz, das die falschen Lehrer mit dem Evangelium vermengten, und er beginnt diese Abhandlung mit einer überaus rührenden Berufung auf das Herz der Korinther, die durch ihn bekehrt worden waren. Begann er von seinem Dienst zu reden, um sich selbst aufs Neue zu empfehlen? Oder brauchte er wie andere Empfehlungsbriefe an sie oder von ihnen? Sie waren sein Empfehlungsbrief, der schlagende Beweis von der Kraft seines Dienstes, ein Beweis, den er immer im Herzen trug, bereit, ihn bei jeder Gelegenheit hervortreten zu lassen. Er konnte jetzt so reden, weil er sich über ihren Gehorsam freute. Und warum dienten sie als sein Empfehlungsbrief? Weil sie in ihrem Glauben der lebendige Ausdruck seiner Lehre waren; sie waren der Empfehlungsbrief Christi, der mittels des Dienstes des Apostels, durch die Kraft des Heiligen Geistes, auf die fleischernen Tafeln des Herzens geschrieben worden war, gleichwie Gott selbst das Gesetz einst auf steinerne Tafeln eingegraben hatte.

Das war das Vertrauen Pauli hinsichtlich seines Dienstes; von Gott kam seine Befugnis für den Dienst des Neuen Bundes, nicht des Buchstabens (weder des Buchstabens dieses Bundes noch des Buchstabens irgendeiner anderen Sache), sondern des Geistes, d. h. der wahren Kraft der Gedanken Gottes, so wie der Geist sie gab. Denn der Buchstabe, als eine dem Menschen auferlegte Vorschrift, tötet; der Geist, als die Kraft Gottes in Gnade, macht lebendig. Der Dienst des Apostels war der Dienst der Gedanken Gottes, dem Menschenherzen mitgeteilt durch die Kraft Gottes, der den Menschen dieser Gedanken teilhaftig macht, damit er sie genießen könne. Der Gegenstand dieses Dienstes ließ den Unterschied zwischen ihm und dem Dienst des Gesetzes noch mehr hervortreten. Das auf Steine geschriebene Gesetz war mit Herrlichkeit eingeführt worden, obwohl es als ein Verbindungsmittel zwischen Gott und dem Menschen vorübergehend sein sollte. Es war „ein Dienst des Todes“, denn man durfte nur leben, wenn man das Gesetz hielt; ohne diesen Grundsatz hätte es überhaupt nicht gegeben werden können. Ein Gesetz ist da, um gehalten zu werden; der Mensch war aber schon seiner Natur und seinem Willen nach ein Sünder, der Begierden hatte, die das Gesetz verbot. So konnte das Gesetz nur den Tod für ihn bedeuten, es war ein Dienst des Todes. Auch war es „ein Dienst der Verdammnis“, weil die Autorität Gottes dem Gesetz die Befugnis gab, jede Seele zu Verdammen, die es übertrat. Es war also ein Dienst des Todes und der Verdammnis, weil der Mensch ein Sünder war.

Man beachte hier, dass die Vermischung der Gnade mit dem Gesetz nichts hinsichtlich der Wirkung des letzteren ändert, es sei denn, dass es die Strafe noch schwerer macht, denn die Schuld dessen, der das Gesetz verletzt, wird um so größer, weil er es Übertritt trotz der Güte und Gnade. Denn das Gesetz bleibt immer das Gesetz, und der Mensch musste der Verantwortlichkeit genügen, unter die das Gesetz ihn stellte. „Wer gegen mich gesündigt hat“, sagt der HERR zu Mose, „den werde ich aus meinem Buch auslöschen.“ Das von dem Apostel angewendete Bild zeigt, dass er von dem zweiten Herabsteigen Moses vom Berg Sinai spricht, als Mose den Namen des HERRN, des Gnädigen und Barmherzigen, hatte ausrufen hören (vgl. 2. Mo 34). Als er zum ersten Male herabkam, glänzte sein Angesicht nicht; er zerbrach die Tafeln, bevor er ins Lager kam. Beim zweiten Mal ließ Gott all seine Güte an ihm vorübergehen, und das Angesicht Moses strahlte die Herrlichkeit, die er gesehen hatte (wenn auch nur teilweise), zurück. Aber selbst diesen Widerschein konnte Israel nicht ertragen; denn wie kann die Herrlichkeit ertragen werden, da sie schließlich doch die Geheimnisse des Herzens richten muss? Denn obwohl Gott infolge der Fürbitte Moses Gnade erwies und Nachsicht übte, so wurde doch die Forderung des Gesetzes aufrecht gehalten, und ein jeder hatte die Folgen seines Ungehorsams zu tragen.

So hinderte der Charakter des Gesetzes das Volk Israel, selbst die Herrlichkeit zu erfassen, die die gesetzlichen Verordnungen enthielten, als Vorbild dessen, was besser und bleibend war, und das ganze durch die Vermittlung Moses verordnete System wurde vor ihren Augen verschleiert, und das Volk fiel unter den Buchstaben, sogar in demjenigen Teil des Gesetzes, der ein Vorbild zukünftiger Dinge war. dass es so war, entsprach der Weisheit Gottes; denn auf diese Weise ist die ganze Wirkung des Gesetzes auf das Herz und Gewissen des Menschen enthüllt worden.

Es gibt viele Christen, die aus Christus selbst ein Gesetz machen, und die, wenn sie an die Liebe des Herrn als an einen neuen Beweggrund denken, der sie verbindlich macht, Ihn zu lieben, nur eine Pflicht darin erblicken, eine sehr bedeutende Vergrößerung des Maßes der Pflicht, die ihnen obliegt – einer Pflicht, die zu erfüllen sie sich für gebunden erachten, das heißt, sie sind noch unter dem Gesetz und folglich unter der Verdammnis.

Der Dienst, den der Apostel erfüllte, war ein ganz anderer; es war der Dienst der Gerechtigkeit und des Geistes, nicht ein Dienst, der von den Menschen Gerechtigkeit forderte, um vor Gott bestehen zu können, sondern der diese Gerechtigkeit offenbarte. Christus war diese Gerechtigkeit, von Gott für uns dazu gemacht, und wir sind in Ihm die Gerechtigkeit Gottes geworden. Das Evangelium verkündigte Gerechtigkeit von Seiten Gottes, anstatt sie von dem Menschen dem Gesetz gemäß zu fordern. Der Heilige Geist konnte das Siegel dieser Gerechtigkeit sein: Er konnte auf den Menschen Christus hernieder kommen, weil Er vollkommen von Gott anerkannt wurde, Er war gerecht – der Gerechte. Und Er kann auf uns hernieder kommen, weil wir in Christus die Gerechtigkeit Gottes geworden sind. So war der Dienst des Apostels der Dienst des Geistes, die Kraft des Geistes wirkte darin. Der Geist wurde gegeben, wenn das Verkündigte durch den Glauben aufgenommen wurde; und mit dem Geist empfing man auch das Verständnis der Gedanken und Vorsätze Gottes, wie sie sich in der Person eines verherrlichten Christus offenbarten, in dem die Gerechtigkeit Gottes enthüllt war und ewig vor Ihm bestand.

So fasst also der Apostel hier in einem Gedanken dreierlei zusammen: die im Wort dem Geist gemäß ausgedrückten Gedanken Gottes, dann die Herrlichkeit Christi, die in demselben unter dem Buchstaben verborgen gewesen war, und endlich den Heiligen Geist selbst, der die wahre Bedeutung der göttlichen Gedanken mitteilte, jene Herrlichkeit offenbarte und, indem Er in dem Gläubigen wohnt und wirkt, diesen befähigt, alle diese Dinge zu genießen. Deshalb, wo der Geist war, da war Freiheit; die Gläubigen standen nicht mehr unter dem Joch des Gesetzes, der Furcht des Todes und der Verdammnis. Sie waren in Christus vor Gott, vor Ihm in Frieden nach der vollkommenen Liebe und der Gnade, die besser ist als Leben, so wie sie auf Christus herabstrahlte, ohne Decke oder Schleier; sie waren das gemäß der Gnade, die durch Gerechtigkeit herrscht.

Wenn es im 17. Verse heißt: „Der Herr ist der Geist“, so wird damit an Vers 6 angeknüpft, die Verse 7–16 bilden einen Zwischensatz. Der verherrlichte Christus ist der wahre Gedanke des Geistes, den Gott früher unter Bildern verborgen hatte. Deshalb ist die praktische Folge diese: sie schauten den Herrn mit aufgedecktem Angesicht an, sie waren dazu befähigt. Die Herrlichkeit des Angesichts Moses richtete die Gedanken und Absichten der Herzen, indem sie Schrecken hervorrief, da sie den Ungehorsamen und Sünder mit Tod und Verdammnis bedrohte. Wer konnte in der Gegenwart Gottes bestehen? Aber die Herrlichkeit im Angesicht Jesu, eines Menschen im Himmel, ist der Beweis, dass alle Sünden derer, die diese Herrlichkeit anschauen, getilgt sind; denn Er, der dort ist, trug diese Sünden, bevor Er hinaufging, und Er musste sie alle hinweg tun, um in diese Herrlichkeit einzugehen. Wir betrachten diese Herrlichkeit durch den Geist, der uns gegeben worden, weil Christus in die Herrlichkeit hinaufgestiegen ist. Er sagte nicht, wie einst Mose: „Ich will hinaufsteigen, vielleicht möchte ich Sühnung tun für eure Sünde“ (2. Mo 32,30). Nein, Er vollbrachte das Versöhnungswerk, und dann ging Er hinauf. Deshalb betrachten wir diese Herrlichkeit mit freudigem Staunen; wir betrachten sie gern. Jeder Strahl, den wir von ihr erblicken, ist der Beweis, dass in den Augen Gottes unsere Sünden nicht mehr sind. Christus ist für uns zur Sünde gemacht worden, Er ist jetzt in der Herrlichkeit. Indem wir nun so die Herrlichkeit mit Liebe und Verständnis anschauen und uns an ihr ergötzen, werden wir in dasselbe Bild verwandelt von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch die Kraft des Heiligen Geistes, der uns befähigt, diese Dinge zu verwirklichen und zu genießen. Das ist christliches Wachstum. So wird auch die Versammlung der Brief Christi.

Die Anspielung, die Paulus am Ende des Zwischensatzes, in dem er die beiden Systeme miteinander vergleicht, auf die Juden macht, ist sehr rührend. Die Decke, sagt er, ist in Christus weggenommen, nichts ist mehr verdeckt. Der herrliche Inhalt, das Wesen dessen, was unter den Bildern verborgen war, ist erfüllt. Die Decke liegt auf den Herzen der Juden, wenn sie das Alte Testament lesen. Sooft Mose in das Zelt ging, um mit Gott zu reden oder Ihn zu hören, nahm er die Decke weg. So, sagt der Apostel, wird die Decke weggenommen werden, wenn Israel sich zum Herrn wenden wird.

Es bleibt mir noch eine Bemerkung zu machen übrig. „Die Dinge, welche bleiben“, sind der Gegenstand des Evangeliums, nicht etwa der Dienst, der es verkündigt – die Herrlichkeit der Person Jesu Christi, das Wesen Dessen, wovon die jüdischen Verordnungen nur Vorbilder waren.

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