Kommentar zum 2. Petrusbrief

Kapitel 1

Auch in diesem Brief geht es um die Grundsätze der Regierung Gottes. Da es sich um einen zweiten Brief handelt, beleuchtet er Umstände, die geprägt sind von Scheitern und Misserfolg. Dafür haben wir besondere Gnade nötig. Was uns im ersten Kapitel vorgestellt wird, ist von enormer Wichtigkeit angesichts dessen, was in Kapitel 2 prophezeit wird: Leiden aufgrund des Verderbens und der Falschheit, die heute weit verbreitet sind, sowie auch angesichts von Gottes gewaltigem Gericht und seiner großartigen Macht, die sich in der Erschaffung eines neuen Himmels und einer neuen Erde zeigen, wie Kapitel 3 das beschreibt.

Petrus schreibt diesen Brief nicht nur als Apostel – wie seinen ersten Brief –, sondern als Knecht und Apostel Jesu Christi (Vers 1). Das betont sowohl seine Autorität als auch seine demütige Abhängigkeit. Des Weiteren richtet er sich nicht nur an die Zerstreuten aus Israel, sondern an alle, die den gleich kostbaren Glauben empfangen haben wie die Apostel. Dieser Glaube wird umso kostbarer, je mehr er durch Unglauben jeder Art angefochten wird. Diesen Glauben haben wir empfangen durch die Gerechtigkeit dessen, der „Gott und Heiland Jesus Christus“ genannt wird. Das betont seine Gottheit. Seine göttliche Gerechtigkeit ist die Grundlage dafür, dass wir mit diesem kostbaren Glauben gesegnet sein können. Dies wurde für Israel nur durch den Messias möglich, der Gott war und Mensch wurde.

Petrus wünscht den Gläubigen vermehrt Gnade und Friede (Vers 2). Gnade ist Herablassung und Kraft, die über die gegenwärtigen Umstände erhebt, Friede das ruhige Vertrauen, das durch alle Umstände trägt. Während sich um uns herum das Böse immer mehr ausbreitet, sollen sich Gnade und Friede vermehren und den Bedürfnissen vollkommen entsprechen. Das ist nur möglich in der Erkenntnis Gottes und Jesu, unseres Herrn, die durch nichts anderes zu ersetzen ist.

In völliger Übereinstimmung damit hat uns seine göttliche Kraft großzügig alles „zum Leben und zur Gottseligkeit“ geschenkt (Vers 3). Leben ist der Ursprung der geistlichen Existenz und kann nur von Ihm, dem Geber, erhalten werden. Gottseligkeit ist die praktische Darstellung dieses Lebens, ein Widerspiegeln von Gottes Wesen. Das Erste ist Gottes Seite, das Zweite unsere.

Auch das ist nur „durch die Erkenntnis Gottes“ möglich. Wir müssen Ihn kennen, um Ihm ähnlich sein zu können. Er hat uns durch „Herrlichkeit und Tugend“ berufen (Vers 3). Die Herrlichkeit ist objektiv, eine herrliche Erwartung, die außerhalb von uns ist und uns doch so unbeschreiblich anzieht. Die Tugend ist im Gegensatz dazu subjektiv, und doch für das erneuerte Herz ebenso anziehend, denn welcher Gläubige wünscht sich nicht, dass sein eigenes Leben voll aufrichtiger Tugend ist?

Das Leben und die Gottseligkeit, die uns durch die Erkenntnis Gottes geschenkt sind, beinhalten „kostbare und größte Verheißungen“. Vers 3 beschreibt uns, dass wir all das durch seine göttliche Macht bekommen haben, und diese macht diese Dinge der Seele unschätzbar wertvoll. Diese Verheißungen dürfen wir schon jetzt genießen, nicht nur als Versprechen für die vor uns liegende Zukunft, sondern als durch das Wort Gottes schon jetzt gegeben. So werden wir praktisch „Teilhaber der göttlichen Natur“. Dies steht im Gegensatz zu dem Verderben, das in der Welt herrscht durch die Begierde, dem wir durch seine Gnade entfliehen konnten.

Als solche, die so reiche Verheißungen haben für jedes nur denkbare Bedürfnis, werden wir nun ermahnt, allen Fleiß anzuwenden, um diese göttliche Natur zu entwickeln. Dafür sind persönliche Übung und Verantwortung unabdingbar notwendig. Als erstes soll „in eurem Glauben die Tugend“ dargereicht werden. Damit meint er nicht unbedingt Tugend zusätzlich zum Glauben, sondern es geht vielmehr um einen Glauben, der von festem Mut oder Überzeugung charakterisiert ist. Aber das muss auch mit Erkenntnis einhergehen, sonst könnte es zu fehlgeleitetem Eifer ausarten. Alle aufgezählten Stücke oder Qualitäten, die in den Versen 5 bis 7 erwähnt werden, sind grundlegend und müssen sorgsam im Gleichgewicht gehalten werden.

Erkenntnis muss mit Enthaltsamkeit verbunden sein, denn ohne diese kann selbst ein erkenntnisreicher Mensch intolerant werden. Und weiter kann man zwar enthaltsam sein, aber Geduld vermissen lassen, besonders mit solchen, die nicht enthaltsam sind. Wir sehen, dass Ausharren ein notwendiger Zusatz zur Enthaltsamkeit ist. Auf der anderen Seite kann es sein, dass jemand in einer negativen Weise geduldig ist. Deshalb soll das Ausharren von Gottseligkeit begleitet sein, denn diese entspringt der aufrichtigen Beachtung der Ehre Gottes.

Aber das Thema ist damit noch nicht beendet, denn selbst in der Gottseligkeit kann man die Bruderliebe vergessen, zu der wir hier aufgerufen werden. Das ist Liebe gegenüber denen, die auch Kinder Gottes sind. Und selbst hier geht es noch weiter, sodass es keinerlei Bevorzugung gibt, sondern als letztes Stück einfach die „Liebe“ vor uns steht. Sie durchzieht als umfassende Eigenschaft alle vorangegangenen. Es ist bemerkenswert, wie nah Petrus hier der Lehre von Johannes kommt: Vorher spricht er davon, dass wir Teilhaber der göttlichen Natur sind, und davon ist die Liebe sicherlich ein Hauptbestandteil.

Diese Eigenschaften sollen bei uns nicht nur vorhanden sein, sondern „zunehmen“ (Vers 8), was bedeutet, dass wir in ständiger, lebendiger Übung sind. Wenn das so ist, werden wir in der Erkenntnis des Herrn Jesus Christus nicht träge oder fruchtleer sein. Sind wir damit angemessen beschäftigt, wird das ausgezeichnete Ergebnisse mit sich bringen. Trägheit an sich ist eine dämpfende, elende Sache für das christliche Gewissen. Ohne Frucht zu tragen, kann es nicht glücklich sein.

Ein Christ, dem diese Dinge fehlen, kann sogar praktischerweise blind und kurzsichtig werden. Er kann Situationen nicht mehr von einem distanzierten Blickpunkt betrachten und so mit sich selbst und seinen eigenen Interessen beschäftigt sein, dass er sogar vergisst, dass er von seinen früheren Sünden gereinigt worden ist. Wenn jemand das neue Leben nicht fördert und auslebt, wird er gewissermaßen verhungern, sodass sein Zustand elend sein wird. Ein Christ in einem solchen Zustand verunehrt den Herrn in ernstzunehmender Weise.

Wie notwendig ist es also, Fleiß anzuwenden mit dem Ziel, die Dinge Christi zu einer praktischen Realität zu machen. Die Tatsache, dass wir diese Dinge wirklich genießen, wird die Echtheit unserer Berufung und Erwählung bestätigen. Aber woher haben wir die Gewissheit, dass wir berufen und erwählt worden sind? Nur durch das Wort Gottes, das lebendig und ewig ist. Ist dieses Wort für uns von wesentlichem Wert und grundlegende Wahrheit? Jemand, der es gering schätzt, wird natürlich auch Zweifel an seiner eigenen Errettung haben. Aber jemand, der dem Wort Gottes völlig glaubt, hat völlige Sicherheit im Blick auf seine Berufung und Erwählung und wird niemals fallen, wenn er das Wort Gottes in die Praxis umsetzt.

Dadurch wird uns der „Eingang in das ewige Reich unseres Herrn und Heilandes Jesus Christus“ reichlich dargereicht. Petrus spricht offensichtlich nicht von einem zukünftigen Eingang, sondern einem gegenwärtigen. Das Reich ist der öffentliche Bereich der Christenheit. Nur wer Christus wirklich genießt, betritt diesen Bereich voll Fülle und Segen.1 Er tritt ein in das, was ewig währt. Das ist Petrus spezielle Linie der Lehre.

Petrus erhebt nicht den Anspruch, neue Dinge zu lehren, aber es war notwendig, dass die Gläubigen daran erinnert wurden. Hätte er dies nicht getan, wäre das Nachlässigkeit gewesen. Das ist etwas, was sich auch jeder Diener des Herrn zu Herzen nehmen sollte. Obwohl diese Dinge durchaus bekannt sind und auch wenn die Gläubigen fest in der „gegenwärtigen Wahrheit“ stehen, ist es trotzdem notwendig, immer wieder an die Dinge von ewigem Wert erinnert zu werden. Der Ausdruck „gegenwärtige Wahrheit“ bezieht sich zweifellos auf das, was durch die Haushaltung der Gnade Gottes offenbart wurde und steht im Gegensatz zu dem, was davor offenbart wurde.

Petrus wurde auch nicht müde in seinem Dienst, die Gläubigen an diese Wahrheit zu erinnern. Er tat dies sein ganzes verbleibendes Leben lang. Wie kurz ist selbst das längst mögliche Leben eines jeden von uns. Petrus natürlicher Körper war nur eine Hütte, ein zeitliches Zelt, was nach den Worten des Herrn in Johannes 21,18 und 19 bald „abgelegt“ werden sollte.

Petrus schreibt inspiriert durch den Heiligen Geist Gottes, so dass seine Worte als Teil des Wortes Gottes bestehen bleiben. Dadurch redet er auch nach seinem Abscheiden noch zu uns.

Der Wert des Wortes ist ewig und kostbar und nicht eine bloße Gehaltlosigkeit „ausgeklügelter Fabeln“, die in der Welt heute weit verbreitet sind. Die Apostel waren zusammen Augenzeugen der Majestät des Herrn Jesus Christus. Besonders Petrus, Johannes und Jakobus sahen den Herrn (auf dem Berg der Verklärung) verwandelt und hörten die Stimme von Gott, dem Vater, aus der prachtvollen Herrlichkeit, der Ihn als seinen geliebten Sohn bezeichnete, an welchem Er vollkommenes Wohlgefallen gefunden hatte. Es gab drei glaubwürdige Zeugen dieser großartigen Offenbarung, deren Zeugnis völlig übereinstimmte. Drei Evangeliums-Schreiber berichten davon.

Von Vers 12 bis Vers 18 wird die „gegenwärtige Wahrheit“ betont, aber Vers 19 spricht von einem „prophetischen Wort“, das wahr und sicher ist im Blick auf die Zukunft. Deswegen bildet es eine solide Grundlage für die Ermutigung der Gläubigen, genau wie die „gegenwärtige Wahrheit“. Wir tun gut daran, die Prophetie nicht nur mit dem Intellekt zu beachten, sondern auch mit dem Herzen. Vers 19b, der beginnt mit „als auf eine Lampe“ und endet mit „der Morgenstern aufgeht in eurem Herzen“, ist ein Einschub. Die Prophetie ist wie ein Licht, das an einem dunklen Ort leuchtet, bis das Tageslicht mit dem Aufgehen des Morgensterns anbricht. Der Morgenstern spricht offensichtlich von dem Kommen des Herrn für die Seinen. Dieser Morgenstern wird nicht tatsächlich in unseren Herzen aufgehen, aber wir tun gut daran, diese Dinge in unseren Herzen zu erwägen.

Das prophetische Wort ist in sich stimmig und von ineinander greifendem Charakter. Keine Prophetie ist von eigener Auslegung, und wenn meine Interpretation nicht völlig mit dem Rest der Schrift übereinstimmt, dann liege ich falsch. Wie wichtig ist es daher, dass wir uns die Schrift selbst tief zu Herzen nehmen und nicht etwas in eine Schriftstelle hineinlegen, sondern vielmehr etwas „herausnehmen“, das mit dem Rest der Schrift übereinstimmt.

Der Wille des Menschen hatte nichts mit der Prophetie im Wort Gottes zu tun. Wenn der Mensch keinen Anteil an der Entstehung hatte, dann ist er als Mensch sicherlich auch nicht der geeignete Ausleger. Aber Gott hat Menschen benutzt, heilige Menschen, die das Gute liebten und das Böse hassten. Durch den Heiligen Geist hat Er sie zu Aussprüchen bewegt, die weit über das Maß ihres eigenen Verständnisses gingen. Sie beanspruchten auch keine Position der Autorität, sondern untersuchten mit der Demut wahren Glaubens das, was sie selbst geschrieben hatten, mit dem Wunsch, Gottes Deutung dafür zu finden (1. Petrus 1,10–12). Gott benutzte die zahlreichen Gott-gegebenen Fähigkeiten von Menschen, wobei Er sie jedoch so führte, dass alles, was sie schrieben, in vollkommener Übereinstimmung mit Seinem Willen war.

Fußnoten

  • 1 Anm. der Red.: Dies scheint als ein Hinweis auf den himmlischen Bereich des Reiches, der in 2. Timotheus 4 „himmlisches Reich“ und in Hebräer 12 „unerschütterliches Reich“ genannt wird zu verstehen sein.
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