Betrachtung über das vierte Buch Mose (Synopsis)

Kapitel 22-25

Betrachtung über das vierte Buch Mose (Synopsis)

Auch Moab widersetzt sich umsonst. Nun sind sie in den Ebenen Moabs, und sie haben nur den Jordan zwischen sich und dem Lande ihrer Ruhe. Hatten sie aber das Recht, dort einzudringen? Wenn sich der Feind nicht durch Kraft widersetzen kann, wird er einen anderen Weg versuchen, indem er das Volk verflucht, das es durchaus verdient hatte.

Balak sendet nach Bileam. Die große Frage auf diesem ergreifenden Schauplatz lautet: „Kann es Satan gelingen, das Volk Gottes zu verfluchen, um ihren Einzug in das Land der Verheißung zu verhindern 1?“ Es ist nicht bloß eine Frage der Erlösung oder der Freude der Erlösung wie am Anfang ihres Laufes, sondern an dessen Ende, als sich ihre ganze Treulosigkeit erwiesen hatte - ihre Treulosigkeit sogar, nachdem der Herr sie zu Sich gebracht hatte. Kann es Satan dann gelingen? Nein.

Als Mose in denselben Ebenen wegen ihres Verhaltens zu Gott hin sagen muß: „Widerspenstige seid ihr gewesen von dem Tage an, da ich euch gekannt habe“ (und sie waren wirklich außerordentlich eigensinnig, ein sehr hartnäckiges Volk, wissen wir das nicht wohl?), da spricht Gott durch den Mund Bileams, des unfreiwilligen Zeugen der Wahrheit: „Er erblickt keine Ungerechtigkeit in Jakob und sieht kein Unrecht in Israel.“ Welches Zeugnis! Welche wunderbare Gnade! Welche Vollkommenheit in den Wegen Gottes! Gott sieht richtig; Er macht keine Fehler. Er redet die Wahrheit nach der Vollkommenheit Seiner unbegrenzten Einsicht; und gerade weil sie unbegrenzt ist, kann Er in dem erlösten Volk kein Unrecht sehen. Wie könnte Er Ungerechtigkeit in denen sehen, die im Blute des Lammes gewaschen sind? Noch will Er sie sehen.

Wenn Er Selbst es mit dem Volke zu tun hat, wird Er alles sehen, alles zur Kenntnis nehmen; dem Verkläger gegenüber ist es aber eine Frage der Gerechtigkeit. Gott sieht nur dies, daß Er nach den Ratschlüssen Seiner Gnade ein Lösegeld gegeben hat: die Sünden Seines Volkes sind gesühnt worden. In Gerechtigkeit konnte Er diese Sünden nicht sehen. Deshalb ist der Mund des Verklägers zu bekennen gezwungen, daß keine da sind, und daß der Feind keine Macht wider Jakob hat. Diese Grundlage wird deutlich gelehrt; dieser Zeit gemäß wird von Jakob und Israel gesagt werden: Was hat Gott gewirkt? Das wird nicht von Gott gesagt, sondern von Israel, und nicht was Israel gewirkt hat, sondern was hat Gott gewirkt? Israel hatte den Platz, das Werk aber war Gottes Werk. Dies ist sehr vollkommen.

Was dabei besonders gesegnet und trostreich ist, ist, daß Gott handelt und aus Seinen eigenen Gedanken heraus urteilt. Von Anfang bis zum Ende hat Er Gedanken über uns gehabt; Er hat das Nötige getan, um alle Seine Wege, indem Er sie vollendet, mit ewiger Gerechtigkeit zu versöhnen; Er aber hat diese Gedanken, und Er handelt mit uns im Einklang mit diesen. Der Glaube erfaßt diese; er nimmt sie an und baut auf sie. Daraus ergeben sich Freude und Frieden, während die Gegenwart Gottes inmitten eines angenommenen Volkes, dem eine neue Natur gegeben worden ist, und Sein Richten unter ihnen praktisch die Heiligkeit sichern, ohne die Er nicht auskommen kann, und jede Abweichung davon richtet Er, um Seinen Namen zu rechtfertigen. Hier aber handelt und richtet Gott trotz allem nach Seinen eigenen Gedanken.

Bileam war ein elender Typ. Gezwungen, den Segen Gottes auf Seinem Volke von Ferne zu sehen, sieht er nichts als den Weg des Irrtums, wenn er seinem eigenen Herzen und Willen folgt; in diesen Irrtum möchte er sie hineinziehen, damit sie diesen Segen verwirken (wenn das möglich wäre), und zwar folgert er auf der Grundlage, daß der gerechte Gott ein sündiges Volk nicht segnen kann. Man kann sich keine schlimmere Ungerechtigkeit denken als diese.

Wir werden einige Worte über seinen kennzeichnenden Charakter sagen. Laßt uns die Geschichte weiter verfolgen. Balak sucht ihn. Bileam will Jehova befragen, entweder aus instinktiver Furcht, oder um in den Augen der anderen die Bedeutung des Namens Jehovas mit seinem Tun zu verbinden. Tatsächlich greift Gott ein, und Er geht sogar zuerst zu Bileam. Er nimmt die Sache in die Hand, und gegen den Willen Bileams besitzt Er Macht über seine ungerechte Gesinnung, denn Bileam hat kein Verständnis für den Sinn Gottes. Gott sprach: „Du sollst nicht mit ihnen gehen; du sollst das Volk nicht verfluchen, denn es ist gesegnet.“ Was ist seine Antwort? „Jehova hat sich geweigert, mir zu gestatten, mit euch zu gehen.“ Er wäre gern gegangen; sein Herz war auf den Lohn Balaks eingestellt, er fürchtete sich aber vor Gott. Die Segnung des Volkes kommt ihm gar nicht in den Sinn; die Großzügigkeit der Gnade ist ihm völlig fremd - er war sich des Gedankens nicht bewußt, daß sie von Gott gesegnet waren und daß es Gott wohlgefiel, Sein Volk zu segnen.

Infolgedessen sagt er, wenn die Versuchung aufs neue an ihn herantritt, daß er den Befehl Jehovas, seines Gottes, nicht zu übertreten vermag; er bekleidet sich mit Frömmigkeit, und er war eigentlich nicht ganz ohne Aufrichtigkeit, denn Gott hielt ihn fest, und fürwahr ließ Er das alles zu. Gleichzeitig nötigt Bileam die Boten Balaks zu bleiben, um zu sehen, was Gott weiter sagen würde. Was brauchte er noch mehr über eine Aufforderung zu wissen, jenes Volk zu verfluchen, das, wie Gott ihm gesagt hatte, gesegnet war? Er konnte weder mit den Gedanken des Herzens noch mit Ihm Selbst fühlen; er wurde von der Furcht vor den Folgen beherrscht. Sonst wäre er über die Segnung des Volkes so glücklich gewesen, daß er bei dem Gedanken, das zu verfluchen, was Gott gesegnet hatte, erschauert wäre. Gott wollte ihn jedoch gebrauchen, um ein herrliches Zeugnis in bezug auf Sein Volk abzugeben, während Er gleichzeitig die krummen Wege des Propheten verurteilte, denn sie waren wirklich krumm. Er zeigte ihm seine Verdrehtheit und Torheit, indem er dümmer war als die Eselin, die er ritt; gleichzeitig aber läßt Er ihn seines Weges ziehen.

Dieses Zusammentreffen auf dem Wege zwingt ihn durch Angst, das treu auszusprechen, was Gott ihm in den Mund legen würde. Wir sehen Bileam entgegengehen - er sagt aber nicht, was es ist. Es ist klar, daß er Wahrsagerei dem Bekenntnis des Namens Jehovas beigemischt hatte (Kap. 24, 1), und daß er dadurch zum Werkzeug des Feindes geworden war, aber unter dem guten Ruf des Namens Jehovas - ein tief ernster Fall. Also ging er der geheimnisvollen Macht entgegen, die dorthin kam, und Elohim kam ihm entgegen. Gott hemmt und hindert die ganze Macht des Feindes zugunsten Seines Volkes, und Er zwingt Bileam das auszusprechen, was Er gesagt haben will. Bileam schaut auf Israel von oben und spricht seinen Spruch.

Diese Weissagung ist in vier Teile eingeteilt. Israel ist ihr Gegenstand, aber betreffs ihres Grundsatzes bezieht sie sich auch auf die Versammlung.

Die erste Weissagung tut die Absonderung des Volkes von der Welt kund. „Siehe das Volk, das abgesondert wohnt, und unter die Nationen nicht gerechnet wird“, abgesondert für Gott.

Die zweite Weissagung erklärt, daß Gott nicht bereut. Gott hat sie gesegnet; soll Er nicht bestätigen, was Er eben gesagt hat? In den Augen Gottes ist das Volk gerechtfertigt und ohne Sünde. Es war Gott, der sie aus Ägypten heraufgeführt hatte. Dieses Volk hatte „die Stärke des Wildochsen“, und der Feind, den er (in seiner Wahrsagerei) gesucht hatte, hatte keine Macht über sie.

Indem Bileam einsieht, daß Gott es auf Segnen abgesehen hat, fügt er sich der Macht Gottes, er geht nicht mehr auf Wahrsagerei aus, und der Geist Gottes kommt über ihn. Da die Rechtfertigung des Volkes nun erklärt worden ist, kann der Geist Gottes von ihnen zeugen, statt Sein Zeugnis auf die Gedanken und Absichten Gottes zu beschränken. Bileam sieht sie von oben her: da er die Gesichte des Allmächtigen sieht, sieht er das Volk gemäß den Gedanken des Geistes Gottes, wie sie im Sinne Gottes von oben zu sehen sind. Die Augen des Propheten sind geöffnet. Und man beachte hier, daß es sich hier weder um die Voraussicht auf Kanaan handelt, noch um Israel in seinen beständigen Wohnungen: Bileam richtet sein Angesicht nach der Wüste hin und sieht Israel in seinen Zelten gelagert. Der Geist sieht sie dort und verkündet die Schönheit und die Ordnung des Volkes in den Augen Gottes. Das Wasser der Erquickung Gottes war dort auch stets bei ihnen; sie waren gleich Bäumen, die Jehova gepflanzt hat, deshalb werden sie groß sein unter den Nationen, eine Quelle der Kraft und Freude. Sie trinken aus den Quellen Gottes, und sie gießen aus ihnen reichlich für andere aus. Gott hatte sie aus Ägypten heraufgeführt, sie waren das Werk Gottes, und die Macht Gottes schickte sich an, mit ihnen wider ihre Feinde zu gehen.

Als drittes haben wir hier dann Schönheit, eine Frische, deren Quellen nicht versiegen, und Kraft (das, was der Geist für die Versammlung tut).

An vierter Stelle steht dann das Kommen Christi, des Sternes aus Jakob, der die Herrlichkeit des Volkes krönt. Nur da dies in die Mitte Israels kommt, so kommt es in Gericht. In bezug auf uns wird es sein, um uns von hier wegzunehmen zu der Hochzeit des Lammes, um uns an der Freude Seiner Gegenwart teilnehmen zu lassen.

Mit einem Wort: wir sehen die Absonderung des Volkes von der Welt, ihre Rechtfertigung, ihre Ordnung und Schönheit, als von Gott an den ewigen Quellen des Stromes Gottes gepflanzt, und dann das Kommen Christi. Diese Weissagung ist vollkommen schön. Man beachte auch, daß die Weissagungen bei dem erneuten Bestreben, einen Fluch auf sie zu bringen, keine Wiederholungen sind. Jeder derartige Versuch bringt noch etwas mehr von dem hervor, was Gott für Sein Volk zum Segen im Sinn hatte. Es ist nicht ohne Interesse zu sehen, daß Balak alle menschlichen und abergläubischen Mittel gebraucht, um den Fluch über sie zu bringen. Er hatte gar keine Erkenntnis Gottes; es war aber Gott, mit dem er es zu tun hatte.

Es ist für uns sehr wichtig, manchmal die Kirche von oben aus in der Wüste zu sehen, aber in der Schönheit der Gedanken Gottes, die sehr kostbare Perle. Inmitten des Lagers unten in der Einöde, welches Murren, welches Klagen, wieviel Gleichgültigkeit, welche fleischlichen Beweggründe würde man sehen und hören! Der aber, der die Gesichte Gottes sieht und dessen Augen geöffnet sind, sieht alles von oben, und alles ist sehr schön. „Ich bin eurethalben in Verlegenheit“, sagt der Apostel; gleich danach sagt er aber. „Ich habe Vertrauen zu euch im Herrn.“ Wir müssen uns zu Ihm emporschwingen, und wir werden die Gedanken der Gnade Dessen haben, der die Schönheit Seines Volkes, Seiner Versammlung durch alles hindurch sieht, denn sie ist schön. Wenn das nicht wäre, würde man entweder vollkommen entmutigt sein, oder man würde sich mit Ungerechtigkeit begnügen. Dieses Gesicht Gottes beseitigt diese beiden Gedanken sofort. Wir sehen das Endgericht über die Schiffe von Kittim (d. h. vom Westen, im Norden des Mittelmeers) und von ihrem Haupte, nachdem er Assur und Heber gedemütigt hat. Es wird das schreckliche Gericht Gottes am Ende dieses Zeitalters sein.

Noch einige Worte über die Stellung Bileams.

Am Ende einer Zeitverwaltung, die sich auf irgendeine Erkenntnis Gottes gründet, wenn der Glaube verloren, das Bekenntnis aber bewahrt ist, dann bekommt dieses letztere einen Ruf, dessen die Menschen sich rühmen (wie sie sich jetzt des Namens des Christentums rühmen). Satan gebraucht das; bei ihm wird Macht gesucht. Sie gehen Wahrsagereien entgegen, denn während sie sich des geoffenbarten Namens Gottes rühmen, suchen sie ihre eigenen Lüste zu befriedigen, und die Bedeutung des Namens Gottes wird an das Werk des Teufels angehängt. Und doch wird Gott bis zu einem gewissen Punkte anerkannt. Sie fürchten Ihn, und Er mag eingreifen: das System aber ist teuflisch, unter dem Namen des Herrn, mit einer teilweisen Furcht des Herrn, und mit einem Schrecken, der Ihn als einen Gegenstand der Furcht anerkennt. Das Volk Gottes wird bewahrt; es ist aber ein sehr ernster Gedanke, und es ist wahrhaftig die Geschichte des christlichen Systems.

Schließlich sucht der unglückselige Bileam, dessen Herz in den Banden der Ungerechtigkeit war, als er sah, daß er durch die Macht Satans nicht verfluchen konnte, die Segnung Gottes dadurch zu vereiteln, daß er das Volk zur Sünde und zum Götzendienst hinzog. Was das Volk anbelangt, so ist er nur allzu erfolgreich. Gott sendet Züchtigung, und während das Volk sich demütigt, erregt die Ungeheuerlichkeit des Übels die Empörung des Pinehas, der mit einer den Umständen entsprechenden Energie handelt, die Plage abwehrt und ein ewiges Priestertum für seine Familie erwirbt.

Fußnoten

  • 1 Es ist hochinteressant, den besonderen Charakter dieser Weissagung zu erkennen. Es ist Gott, der nach Seinem eigenen Willen eingreift, um Sich der Sache Seines Volkes wider den Feind anzunehmen, und zwar sogar ohne daß sie es wußten oder darum gebeten hätten. Es ist nicht, wie beinahe alle Weissagungen, ein Aufruf an das Gewissen des Volkes, von Verheißungen begleitet, die dazu angetan sind, den Glauben des Überrestes inmitten der Widersacher aufrechtzuerhalten. Das Volk weiß nichts davon; vielleicht murren sie immer noch in ihren Zelten (welche so schön sind in den Augen dessen, der Gesichte des Allmächtigen sieht) wider die Wege Gottes mit ihnen. Es ist Gott, der Seine eigenen Gedanken kundtut und die Hinterlist Satans zunichte macht, den Feind, mit dem Er es zu tun hat. Das ist der Grund, warum diese Weissagung so vollständig ist und uns im Geiste unser ganzes Teil darstellt (buchstäblich ist er das Teil Israels, was aus der vierten Weissagung zu ersehen ist). Absonderung, Rechtfertigung, Schönheit in den Augen Gottes (alles, was der Gegenwart des Geistes Gottes entspricht), und die Krone der Herrlichkeit im Kommen des Sternes Jakobs, der Christus Selbst, in Herrlichkeit.
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