Der erste Brief an die Thessalonicher

Kapitel 5

Der erste Brief an die Thessalonicher

Nachdem der Apostel die Gläubigen durch die kostbare Mitteilung getröstet hat, dass alle Heiligen, auch die bereits Entschlafenen, dem Herrn entgegengerückt würden, schreibt er weiter: „Was aber die Zeiten und Zeitpunkte betrifft, Brüder, so habt ihr nicht nötig, dass euch geschrieben werde. Denn ihr selbst wisst genau, dass der Tag des Herrn also kommt wie ein Dieb in der Nacht“ (Verse 1 und 2). Waren die Gläubigen in Thessalonich in Bezug auf die Art und Weise der Entrückung der Heiligen noch im Unklaren gewesen, so hatte der Apostel aber nicht nötig, über die Zeiten und Zeitpunkte des Tages des Herrn zu schreiben. Sie wussten, dass dieser Tag des Herrn kommen würde wie ein Dieb in der Nacht. Schon in den Weissagungen des Alten Testamentes wurde manchmal darüber gesprochen, und der Herr Jesus selbst hatte wiederholt darauf hingewiesen (siehe Mt 24,35–44; Markus 13,33–37. Lukas 12,40; 17,26–30; 21,34–36), so dass die Thessalonicher damit bekannt waren. Zudem haben die Gläubigen mit den Zeiten und Zeitpunkten nichts zu tun, insofern sie nämlich nicht den Tag des Herrn, sondern des Herrn Ankunft in der Luft, um die Seinen zu sich zu nehmen, zu erwarten haben. Sie warten nicht auf die Erscheinung Jesu in Herrlichkeit, sondern auf Seine Ankunft, um sie aufzunehmen. Zeiten und Zeitpunkte stehen in Verbindung mit den Regierungswegen Gottes mit der Welt und dem „Tage des Herrn“.

Der „Tag des Herrn“ ist ein Ausdruck, der schon im Alten Testament oft vorkommt, und der sich auf das Kommen des Herrn auf die Erde zum Gericht und zur Aufrichtung Seines Messianischen Königreiches bezieht. Ich führe nur ein paar Stellen als Beispiel an. „Nahe ist der Tag des HERRN, und er kommt wie eine Verwüstung vom Allmächtigen“; „Denn groß ist der Tag des HERRN und sehr furchtbar, und wer kann ihn ertragen?“ (Joel 1,15; 2,11). Und dass dies der kommende Tag des Herrn ist, der nach dem Gericht den Segen über Israel und die Nationen bringen wird, ergibt sich aus dem Schluss des zweiten Kapitels des gleichen Propheten, wo die bekannte Weissagung von der Ausgießung des Heiligen Geistes – teilweise am Pfingsttag erfüllt – gefunden wird, und wo wir lesen: „Und Ich werde Wunder geben im Himmel und auf der Erde: Blut und Feuer und Rauchsäulen; die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond in Blut, ehe der Tag des HERRN kommt, der große und furchtbare“ (Joel 2,30. 31; siehe ferner Hes 13,5; Obadja 15; Zeph 1,14; Sach 14,1 usw.).

Ebendasselbe finden wir im Neuen Testament. Der Tag des Menschensohnes ist ein Tag des Gerichts – ein Tag, an dem alles offenbar werden wird, dem nach der Vertilgung der Feinde die Herrlichkeit des Königreiches und die Wiederherstellung aller Dinge folgen wird. An diesem Tag werden die Heiligen nicht in die Wolken aufgenommen, sondern mit dem Herrn vom Himmel herabsteigen, um an Seiner Herrschaft und Herrlichkeit teilzunehmen. (Siehe Mt 24,35–44; Lukas 17,26; Apg 3,19–21; Phil 2,16; 2. Thes 2,2 usw.)

Es ist klar, dass dieser „Tag des Herrn“ nicht die Hoffnung und die Erwartung der Ekklesia sein kann. Darum schreibt der Apostel weiter. „Denn ihr selbst wisst genau, dass der Jag des Herrn also kommt wie ein Dieb in der Nacht“ (Vers 2). Ein Dieb kommt nicht nur plötzlich und unerwartet, sondern auch unerwünscht. Niemand wird auf das Kommen eines Diebes in der Nacht hoffen und noch viel weniger danach verlangen. ja, das Kommen eines Diebes in der Nacht erregt Schrecken und Bestürzung. Die Versammlung aber erwartet mit Sehnsucht die Ankunft des Herrn, denn sie hat sich von den Abgöttern bekehrt, um dem lebendigen und wahrhaftigen Gott zu dienen und Seinen Sohn aus den Himmeln zu erwarten und zu rufen: „Amen. ja, komm, Herr Jesus!“ Das Kommen Jesu ist die Hoffnung der Ekklesia und die Erfüllung all ihrer Wünsche. „Wir möchten nicht entkleidet, sondern überkleidet werden, damit das Sterbliche verschlungen werde von dem Leben“ (2. Kor 5,4). Der Apostel gebraucht solche Worte, um uns das Herrliche und Liebliche dieses Kommens fühlen zu lassen und damit wir ausrufen möchten: O, dass dieser Augenblick bald kommen möchte! Darum schließt Paulus mit dem Zuruf: „So tröstet nun einander mit diesen Worten“. Welch ein himmelweiter Unterschied gegenüber dem „Tag des Herrn“, der kommen wird wie ein „Dieb in der Nacht“! Weit entfernt davon, betreffs des „Tages des Herrn“ bestürzt und von Schrecken ergriffen zu sein, schauen wir mit sehnsüchtigem Verlangen nach dem Kommen unseres Bräutigams aus, denn bei Seiner Ankunft wird unser heißes Sehnen: Ihn zu sehen, den unsere Seele liebt, in Erfüllung gehen.

Welch ein Schrecken wird der „Tag des Herrn“ für die Welt sein! Er wird nicht nur plötzlich und ganz und gar unerwartet anbrechen, sondern wird die schrecklichsten Gerichte mit sich bringen. Gleichwie in den Tagen Noahs die Menschen nach der Lust ihrer Herzen lebten, Gott vergessend und über Noah, den Prediger der Gerechtigkeit spottend, und gleichwie die Einwohner von Sodom sich in der Ungerechtigkeit ergingen, so wird es sein in den Tagen des Menschensohnes. Ebenso plötzlich und unerwartet wie es Feuer und Schwefel regnete über Lots gottlose Mitbürger, wird der Tag des Herrn kommen wie ein Dieb in der Nacht. „Wenn sie sagen: Friede und Sicherheit! dann kommt ein plötzliches Verderben über sie, gleichwie die Geburtswehen über die Hoffende; und sie werden nicht entfliehen“ (Vers 3). Sacharja 14 und Offenbarung 19 berichten uns viele Einzelheiten dieses furchtbaren Tages.

Wie ernst ist die Stelle Offenbarung 3,3, wo wir lesen, dass die bekennende Kirche, die da sagt, dass sie lebt, die in Wirklichkeit aber tot ist, ebenso wie die Welt gerichtet werden wird. „Wenn du nun nicht wachen wirst, so werde ich über dich, kommen wie ein Dieb, und du wirst nicht wissen, um welche Stunde ich über dich kommen werde.“

Dass der „Tag des Herrn“ nicht wie ein Dieb in der Nacht über die Gläubigen kommt, wird durch den Apostel in den Versen 4 und 5 noch näher gezeigt: „Ihr aber, Brüder, seid nicht in Finsternis, dass euch der Tag wie ein Dieb ergreife; denn ihr alle seid Söhne des Lichtes und Söhne des Tages, wir sind nicht von der Nacht, noch von der Finsternis!“ Deutlicher kann das nicht gesagt werden; besser ist der Unterschied nicht hervorzuheben. Wir müssen auch beachten, dass das „sie“ in Vers 3 sich verändert in „ihr“ und „wir“. „Wenn sie sagen: Friede und Sicherheit, dann kommt ein plötzliches Verderben über sie, gleichwie die Geburtswehen über die Hoffende, und sie werden nicht entfliehen.“, Unmittelbar darauf lässt der Apostel folgen: „Ihr aber, Brüder, – ihr, die ihr nicht zu den „sie“ gehört, und über die deshalb der „Tag des Herrn“ nicht kommen wird – ihr seid nicht von der Finsternis.“ „Also lasst uns nun nicht schlafen wie die übrigen, sondern wachen und nüchtern sein. Denn die da schlafen, schlafen des Nachts, und die da trunken sind, sind des Nachts trunken. Wir aber, die von dem Tag sind, lasst uns nüchtern sein, angetan mit dem Brustharnisch des Glaubens und der Liebe und als Helm mit der Hoffnung der Seligkeit“ (Verse 6–8). Der „Tag des Herrn“ kann nur da hindringen, wo Nacht und Finsternis ist, nicht da, wo es Tag und Licht ist; er kann nur Schlafende und Trunkene, Unwachsame und Unnüchterne überfallen. Wir haben Teil an der Herrlichkeit Gottes, die am „Tage des Herrn“ offenbart werden soll zum Gericht über eine ungläubige Welt. Das Licht dieses kommenden Tages, der das Gericht über die Ungläubigen bringen wird, ist der Ausdruck der Herrlichkeit der Gläubigen. Christus ist dann die Sonne der Gerechtigkeit, und gleicherweise werden die Gläubigen glänzen wie die Sonne und die Sterne in Seinem Königreich (Daniel 12,3).

An diese Darlegungen über die herrliche Stellung der Erlösten knüpft der Apostel einige Ermahnungen. Sind wir Kinder des Lichtes und des Tages, dann müssen wir auch als solche wandeln. Obschon alles um uns her Finsternis ist, leben wir am Tag. Ein Christ als ein Kind des Tages muss deshalb nüchtern und wachsam sein. Glaube, Liebe und Hoffnung bilden die Waffenrüstung, die den Gläubigen nach allen Seiten hin deckt. Diese drei verkörpern die Grundlage des christlichen Lebens. Der Gläubige trägt den Brustharnisch des Glaubens und der Liebe, wodurch er freimütig dem Feind entgegengehen kann; kein Pfeil des Bösewichts kann ihn treffen. Und er hat als Helm die Hoffnung des Heils, wodurch er von allen Leiden, aller Verfolgung und Anfechtung erlöst werden wird, so dass er inmitten aller Gefahren sein Haupt mit Freimütigkeit erheben kann.

Der Apostel stellt uns hier nochmals die drei großen Grundsätze aus dem dreizehnten Kapitel des ersten Briefes an die Korinther vor Augen, um die Kraft und die Standhaftigkeit des Gläubigen in seinem Wandel zu kennzeichnen, gleichwie er am Anfang unseres Briefes gezeigt hatte, dass dieselben Grundsätze für die Thessalonicher der Ausgangspunkt ihres Wandels waren. Der Glauben und die Liebe bringen uns in Beziehung zu Gott, so dass wir uns auf Ihn verlassen und unsern Weg mit vollem Vertrauen gehen dürfen. Seine Gemeinschaft stärkt uns und erhebt uns über alles Eitle und Vergängliche hienieden. Durch den Glauben ist Gott der Gegenstand unserer Herzen, durch die Liebe sind wir aufs Innigste mit Ihm verbunden, während die Hoffnung unsere Blicke auf Christus richtet, der kommen wird, um uns teilnehmen zu lassen an der Herrlichkeit, die Er selber besitzt.

Durchdrungen von diesen herrlichen Wahrheiten schreibt der Apostel: „Denn Gott bat uns nicht zum Zorn gesetzt, sondern zur Erlangung der Seligkeit durch unsern Herrn Jesus Christus, der für uns gestorben ist, dass wir, sei es, dass wir wachen oder schlafen, zusammen mit Ihm leben“ (Verse 9 und 10). Wir alle waren einst Kinder des Zorns; doch wer an den Sohn glaubt, ist vom Gericht Gottes befreit; er ist aus dem Tod ins Leben hinübergegangen, und folglich gibt es für ihn keine Verdammnis mehr. Christus, der für uns gestorben ist, nahm im Gericht den Platz für uns ein. Sein Tod wurde für uns der Weg zum ewigen Leben und zur ewigen Herrlichkeit, so dass uns Gott nicht mehr zürnt. Allen, die da glauben, hat Gott durch Jesus Christus die ewige Seligkeit geschenkt.

Die Errettung ist hier eine zukünftige wie im Brief an die Philipper. Wir sind errettet durch den Glauben an den Herrn Jesus, und wir erwarten die Errettung, nämlich die völlige Erlösung von allen Folgen der Sünde in der Aufnahme in die ewige Herrlichkeit im Himmel. Es verhält sich hier wie mit der Gotteskindschaft und dem ewigen Leben. Nun sind wir Gotteskinder, sagt Johannes. Und wir erwarten die Hinrückung als Kinder, nämlich die Erlösung unseres Leibes, sagt Paulus. Wir sind Kinder Gottes, heute in Schwachheit; bald aber werden wir es in Herrlichkeit sein. So ist es auch im Blick auf das ewige Leben; wir haben es, und doch schreibt Paulus an Timotheus: „Ergreife das ewige Leben“ (1. Tim 6,12).

Die Seligkeit ist unser herrliches, unveräußerliches und unverlierbares Teil, weil Christus für uns gestorben ist, damit wir, sei es, dass wir wachen oder schlafen, das will sagen, ob wir leben oder bereits gestorben sind, wenn Er kommt, ewiglich mit Ihm vereinigt werden. Weil Christus für uns starb, ist der Tod für uns eigentlich kein Sterben mehr. Alles, was uns hindert, mit Ihm zu leben, ist aus dem Weg geräumt und hat seine Kraft verloren. Jesu Tod ist für uns die Bürgschaft des ungestörten Genusses des Lebens mit Christus in Herrlichkeit. „Deshalb ermuntert einander und erbaut einer den anderen, wie ihr auch tut“ (Vers 11). Wir haben guten Grund, einander zuzurufen: „Steht fest im Glauben und seid wachsam und nüchtern!“ Wir können einer den andern, durch diese herrlichen Wahrheiten erbauen, durch die Gott alle unsere Bedürfnisse befriedigt.

Die Ermahnungen, womit der Apostel diesen Brief schließt, sind sehr kurz. Die mächtige Wirkung des Geistes Gottes im Herzen dieser Gläubigen machte Ermahnungen nicht so nötig. Zudem hatte Paulus an den Thessalonichern nichts zu tadeln. Fürwahr, ein glücklicher Zustand! Ihre Gemeinschaft mit Gott war echt und ihre Liebe ungeheuchelt.

„Wir bitten euch aber, Brüder, dass ihr die erkennt, die unter euch arbeiten und euch vorstehen im Herrn und euch zurechtweisen, und dass ihr sie über die Maßen in Liebe achtet, um ihres Werkes willen“ (Verse 12 und 13). Wie einfach und schlicht ist diese Ermahnung! Es ist hier nicht die Rede von einem geistlichen Amt. Die Thessalonicher sollten die, welche unter ihnen arbeiteten, besonders achten, nicht weil sie ein Amt in ihrer Mitte bekleideten oder eine erhöhte Stellung unter ihnen einnahmen, sondern um ihres Werkes willen. Ein geistlich gesinntes Herz erkennt das Werk Gottes, dem sich der Arbeiter widmet. Die Liebe, die Hingabe, die Sorge für die Bedürfnisse der Seele, die Geduld, mit der diese Wirksamkeit gepaart ist, sind die Beweise der Kraft des Geistes in dem von Gott berufenen Arbeiter, und die gläubige Seele dankt Gott für Seine Güte und Sorge durch sie. Dieser Grundsatz bleibt zu allen Zeiten und überall gültig, auch mitten im größten Verfall. Wer mit Gott wandelt, wird die wahren Arbeiter Gottes unterscheiden können und sie anerkennen und wertschätzen.

Zwei Gefahren bestehen in dieser Hinsicht, denen wir entgehen, wenn wir der Ermahnung des Apostels Gehör schenken. Die Vergötterung des Arbeiters einerseits und die Geringschätzung desselben andrerseits. Der Apostel bekämpft beides. Um seines Werkes willen sollte der Arbeiter anerkannt und geschätzt werden; und alle, die arbeiten im Werk des Herrn, uns vorstehen und ermahnen, sollten wir nicht nur anerkennen, sondern vor allem auch in Liebe achten.

„Seid in Frieden untereinander“, so fährt der Apostel fort. Wenn die Liebe das Werk Gottes im Arbeiter schätzt, dann wird dieselbe Liebe an alle Brüder denken; dadurch wird der Friede bewirkt und untereinander aufrecht erhalten. Und nur wenn der Eigenwille nicht wirksam ist, wird man imstande sein, die Unordentlichen zurechtzuweisen, die Kleinmütigen zu trösten, die Schwachen zu stützen und langmütig gegen alle zu sein (Vers 14). Die Gemeinschaft mit Gott macht uns hierzu tüchtig und Sein Wort gibt uns die nötige Unterweisung. Es lehrt uns, nicht nur gegen unsere Freunde gütig zu sein, sondern auch gegen die, welche unsere Ermahnungen nicht annehmen wollen. „Seht zu“, schreibt der Apostel, „dass niemand Böses mit Bösem jemandem vergelte, sondern strebt allezeit dem Guten nach gegeneinander und gegen alle“ (Vers 15). Wandeln wir mit Gott, dann denken wir nicht an uns selbst, sondern an das Wohl der anderen.

Nach diesen Anweisungen für das Verhalten der Thessalonicher gegen die Brüder und gegen alle Menschen bespricht der Apostel ihren persönlichen Zustand. Er gibt drei diesbezügliche Ermahnungen, die miteinander in unmittelbarer Verbindung stehen. „Freut auch allezeit betet unablässig; danksagt in allen, denn dieses ist der Wille Gottes in Christus Jesus gegen euch“ (Verse 16–18). Freude, Fürbitte und Danksagung sind die Dinge, die das Leben des Christen kennzeichnen sollten. Wir sollten erfüllt sein mit fortwährender Freude in Gott, der solch ein unaussprechliches Heil zustandegebracht hat, und dessen Liebe ebenso unveränderlich wie groß ist. Andauernde Freude aber kann nicht bestehen ohne unablässiges Gebet, weil der Gefahren so viele und die Versuchungen Satans so stark sind. Eine beständige Freude, gepaart mit unablässigem Gebet, stimmt notwendigerweise zu Danksagung gegen Gott, der alles zu unserem Besten leitet und ohne dessen Willen kein Haar von unserem Kopf fällt. Welch ein herrliches Vorrecht ist uns doch geschenkt! Erhobenen Hauptes und mit einem Herzen, das sich an Gott und Seiner Liebe erfreut, wandeln wir durch die mühevolle Wüste dieser Welt, bis dass droben im Vaterhaus ewige und vollkommene Lobgesänge von unsern Lippen ertönen werden.

Auch betreffs des Verhaltens in Bezug auf die Offenbarung des Heiligen Geistes in ihrer Mitte folgen einige Ermahnungen, die ebenfalls miteinander in Beziehung stehen. „Den Geist löscht nicht aus, Weissagungen verachtet nicht; prüft aber alles, das Gute haltet fest. Von aller Art des Bösen haltet euch fern“ (Verse 19–22). Man denke nicht, dass die Worte „den Geist löscht nicht aus“ nur auf den persönlichen Zustand des Christen Bezug nehmen, sie bedeuten vor allem – es geht aus dem Zusammenhang deutlich hervor – dass man die Wirksamkeit des Heiligen Geistes in der Versammlung nicht hindern, noch das Wort des einfachen Bruders verachten soll, der als Werkzeug des Heiligen Geistes gebraucht wird zur Erbauung und Unterweisung der Gläubigen. In diesem Fall würden die Belehrungen, die der Versammlung durch diese Brüder übermittelt werden, verachtet. Unter „Weissagen“ wird hier nicht das Mitteilen von zukünftigen Dingen oder neuen Offenbarungen bezüglich der Lehre verstanden, sondern das Bezeugen der bereits geoffenbarten Wahrheit zur Ermahnung der Gläubigen, worüber im ersten Brief an die Korinther erschöpfend gesprochen wird. Hand in Hand mit der Unterwerfung unter die freie Wirksamkeit des Heiligen Geistes sollte jedoch das „Prüfen aller Dinge“ gehen, ein Verwerfen des Bösen und Festhalten alles Guten, weil gar zu leicht das Fleisch oder gar ein böser Geist in der Versammlung wirksam sein kann. Als allgemeine Regel fügt der Apostel noch hinzu: „Von aller Art des Bösen haltet euch fern“.

Paulus schließt seinen Brief, indem er die Thessalonicher dem Gott des Friedens anbefiehlt, damit sie tadellos bewahrt werden möchten bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus. „Er selber aber, der Gott des Friedens, heilige euch völlig; und euer ganzer Geist und Seele und Leib werde tadellos bewahrt bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus, Treu ist, der euch ruft; der wird es auch tun“ (Verse 23 und 24).

Am Ende des dritten Kapitels finden wir die Wirksamkeit der Liebe Gottes im Herzen des Gläubigen. Gott ist gegenwärtig und handelnd in denen, die Teilhaber der göttlichen Natur geworden sind der Natur, welche die Quelle der Heiligkeit ist. Der Apostel wünscht, dass der Gott des Friedens die Herzen der Heiligen vollkommen heilige, d. h. absondere, damit sie an der Innewohnung Seines Friedens teilhaben und so in jeder Beziehung bei der Wiederkunft des Christus untadelig bewahrt dastehen. Im dritten Kapitel war es das Werk eines göttlichen Grundsatzes in uns, verbunden mit der Gegenwart Gottes und unserer Gemeinschaft mit Ihm; hier ist es die vollkommene Ruhe des Herzens, in der die Heiligkeit sich, entfaltet. Hat das Herz keinen Frieden, dann ist es die Folge der Leidenschaften und des eigenen Willens.

In Gott ist alles Friede. Der „Gott des Friedens“ kann in Liebe handeln; Er kann sich verherrlichen, indem Er schafft, was Er will; Er kann richten, um das Böse, das vor Seinem Angesicht ist, wegzutun; doch, Er ruht stets in sich selber; sei es, dass Er Wohlgefallen am Guten hat, sei es, dass Er das Böse erträgt.

Er kennt das Ende von Anfang an und wird niemals unruhig. Wenn Er das Herz erfüllt, dann teilt Er uns Seine Ruhe und Seinen Frieden mit, die Er selber genießt. In uns selber haben wir keinen Frieden. Wir finden ihn allein in Gott als die Folge der Befriedigung all unserer Wünsche, weil unser Herz nun alles, was gut und göttlich ist, genießt.

Gott wird nirgends der Gott der Freude genannt. Er schenkt uns wohl Freude und will, dass wir uns freuen; aber Freude setzt etwas Überraschendes, etwas Unerwartetes, etwas Außergewöhnliches voraus, etwas, das im Gegensatz steht zum Bösen und seinen Folgen. „Frieden haben“ will sagen, dass wir besitzen, was uns befriedigt; dass es nichts gibt, das uns beunruhigt. Frieden ist die Befriedigung einer Natur durch etwas, was mit dieser Natur in völliger Übereinstimmung ist und worin sie sich entfaltet. So ruht Gott in sich selber, und Er gibt uns und ist uns die völlige Ruhe. Weil das Gewissen vollkommen gemacht ist durch das Werk des Christus, der für uns Frieden gemacht und uns mit Gott versöhnt hat, so findet die neue Natur ihre volle Befriedigung in Gott; der Eigenwille ist zum Schweigen gebracht und das Herz hat nichts mehr zu begehren. Gott befriedigt aber nicht nur unsere Wünsche, sondern Er ist die Quelle alles Verlangens des neuen Menschen durch die Offenbarung Seiner selbst in den Herzen der Gläubigen. Es ist Sein Begehren, auf diese Weise die Quelle des Guten in uns zu sein. Wir sind mit Gott versöhnt; und Gott verherrlicht sich in uns in dieser Versöhnung, damit wir die Erstlinge der neuen Schöpfung wären, wenn Er alle Dinge, die in den Himmeln und die auf der Erde sind, durch Christus versöhnt haben wird. Darum sagte der Herr Jesus: „Glückselig die Friedensstifter, denn sie werden Söhne Gottes heißen“ (Mt 5,9). Sie besitzen Seine Natur und Sein Wesen.

In diesen Beziehungen zu Gott entfaltet sich die praktische Heiligkeit; oder besser gesagt: Gott entfaltet in diesem Frieden Seiner Gemeinschaft unsere Heiligkeit, d. h. unsere innerliche Gleichförmigkeit in Zuneigung und Erkenntnis und demnach auch unser äußeres Verhalten gegenüber Ihm und Seinem Willen.

„Der Gott des Friedens heilige euch völlig.“ O, dass nichts in uns gefunden werden möchte, das nicht ganz dem wohltuenden Einfluss des Friedens unterstellt sei, den wir in Gemeinschaft mit Gott genießen. Möchte Er in allen Dingen unser ein und alles sein, dass nur Er in unseren Herzen regiere. Er hat uns in Christus und durch dessen Werk auf diesen Platz des Segens gestellt. Es gibt nichts mehr zwischen uns und Gott. Er entfaltet Seine Liebe, wir genießen unser Glück und unsere Herzen beten an. Wir sind das Zeugnis und die Frucht dessen, der uns so teuer erkauft hat, was für das Herz Gottes so köstlich ist und was Ihn vollkommen verherrlicht; das Zeugnis der Herrlichkeit dessen, der alles vollbracht hat – Christus und Sein Werk. Wir sind die Frucht der Erlösung, die Christus zustandegebracht hat, und die Gegenstände, an denen Gott als die Früchte Seiner Liebe Sein Wohlgefallen gefunden hat. Der dreimal heilige Gott ist uns ein Gott des Friedens geworden, denn die göttliche Gerechtigkeit hat ihre Befriedigung und die Liebe ihre vollkommene Erfüllung gefunden.

Paulus bittet noch für die Heiligen, dass Gott sie in dieser Wesensart bilden möge, damit alles in ihnen in Übereinstimmung sei mit Ihm, der sich also offenbart hat. Nirgends sonst in der Heiligen Schrift finden wir die Dreiheit des Menschen wörtlich angeführt. „Leib, Seele und Geist“. Der Zweck dieser Worte ist gewiß nicht, uns eine metaphysische Lektion zu geben, sondern vielmehr, uns den Menschen in allen Teilen seines Wesens vorzustellen. Der Apostel wünscht, dass alle diese verschiedenen Teile des menschlichen Wesens rein und Gott geweiht sein mögen.

Gewöhnlich bedient sich die Schrift der Worte „Seele und Geist“ mit der gleichen Bedeutung; denn die Seele des Menschen ist ganz anders geschaffen als die der Tiere: Gott blies in die Nase Adams den Geist des Lebens, und so ist der Mensch eine lebendige Seele geworden. Das Tier hat wohl natürliche Neigungen; es hat eine Seele; es hat Kenntnis von Personen; es widmet sich seinem Meister, hat ihn lieb und gibt sogar sein Leben für ihn; doch es besitzt nichts, wodurch es in Beziehung mit Gott treten kann; nichts, womit es sich mit Gegenständen außerhalb seinem eigenen Lebensbereich beschäftigen kann.

Beachten wir weiter, dass es keineswegs gegen Gottes Wort verstößt, wenn wir in den verschiedenen Verhältnissen, in die Gott uns gestellt hat, treu unsere Pflichten erfüllen. Im Gegenteil, wir sollen die göttlichen Grundsätze in diese Verhältnisse hineinbringen; wir sollen darin nach Seinem Willen und nach der Einsicht handeln, die Sein heiliges Wort mitteilt. Darum wird gesagt, dass die Männer bei den Frauen „mit Verstand“ wohnen sollen, d. h. nicht nur in menschlicher und natürlicher Zuneigung, sondern als vor Gott und im Bewusstsein, von Ihm abhängig zu sein. In den verschiedenen Verhältnissen, in die Gott uns gestellt hat, sollen wir göttliche Einsicht offenbaren und Gehorsam gegen Gott. Gott hat uns zu einem Leben in Heiligkeit berufen; „Er ist getreu, Er wird es auch tun“.

Wir sehen hier zugleich aufs neue, wie die Erwartung der Ankunft des Herrn Jesu einen wesentlichen Teil des christlichen Lebens ausmacht. Wenn der Herr kommt ist keine Rede von Tod; das Leben, das wir besitzen, wird tadellos in Ihm erfunden, wenn Er erscheint. Alle Schwachheit, die jetzt mit dem Zustand des Menschen verbunden ist, wird dann verschwunden und das Sterbliche wird vom Leben verschlungen sein. Wir gehören Christus an; wir sehnen uns, bald bei Ihm zu sein, wo wir die Erfüllung der Ratschlüsse Gottes in Herrlichkeit genießen werden.

Stehen wir nun noch ein wenig bei dem still, was uns hier über die Heiligkeit gelehrt wird. Diese steht in Verbindung mit der neuen Natur, doch ist sie auch an eine Person gebunden. Die Verwirklichung der Heiligkeit wird gewirkt durch Gott selbst und ist gegründet in dem vollbrachten Werk des Christus. Der Christ wird in der Heiligen Schrift als bereits vollkommen geheiligt betrachtet. In bezug auf seine Stellung vor Gott ist er also absolut heilig. Die Heiligung wird gewirkt durch den Geist Gottes, der uns durch die Mitteilung einer neuen Natur gänzlich von der Welt abgesondert hat. Wir sind geheiligt; lasst uns dies festhalten, sonst würde die praktische Heiligung nichts anderes bedeuten als eine Verbesserung des alten Menschen, und das wäre nicht mehr Gnade, sondern Gesetz. Zudem käme das Gotteskind wieder in Zweifel und Unsicherheit; sein Glaube würde geschwächt und das Bewusstsein der Erlösung verdunkelt, wenn nicht ganz weggenommen.

Wir sind also geheiligt durch Gott, den Vater, durch das Blut und das Opfer Jesu und durch den Heiligen Geist; d. h. wir sind persönlich und für immer für Gott abgesondert. Unter diesem Gesichtspunkt betrachtet, stellt die Schrift die Rechtfertigung als eine Folge der Heiligung dar; durch die Heiligung kommen wir zur Rechtfertigung. Als Sünder von Gott berufen, werden wir durch den Heiligen Geist abgesondert, um die ganze Kraft des Werkes des Christus nach, Gottes Ratschluss zu genießen. Wie wir schon sagten, ist es von großer Wichtigkeit, diese Wahrheit festzuhalten zur Verherrlichung Gottes und zu unserem Frieden. In unserem Brief wird zwar die Heiligkeit nicht von diesem Gesichtspunkt aus betrachtet; Paulus spricht hier über die praktische Verwirklichung der Absonderung, über die göttliche Entfaltung des Lebens im inwendigen Menschen, wodurch wir, gemäß der göttlichen Natur, die uns mitgeteilt ist, Gemeinschaft mit Gott haben dürfen.

Der Mensch hat, wie wir wissen, sein Verderben selbst herbeigeführt. Er hat den Begierden der Lust nachgegeben und ist ein gefallenes Geschöpf geworden, indem er sich, von Gott abgewandt hat. Nun gibt Gott dem Menschen eine neue Natur, die Seiner Heiligkeit vollkommen entspricht. Diese Natur verlangt nach Gemeinschaft mit Gott. Der neue Mensch ist abhängig, ja die Abhängigkeit ist seine Vollkommenheit. Jesus hat in Seinem Leben dazu das Vorbild gegeben. Der Gläubige kann ohne diese Abhängigkeit von Gott nicht glücklich sein, die Liebe Gottes nicht genießen und nicht gehorsam sein, wie es sich geziemt.

Auf welche Weise wird die praktische Heiligung in uns bewirkt? Durch die Liebe Gottes, die durch, den Heiligen Geist in unsere Herzen ausgegossen ist. „Von dem Meinigen wird Er nehmen und euch verkündigen.“ Auf diese Weise wachsen wir in der Erkenntnis Gottes, da wir durch Seinen Geist mit Kraft ausgerüstet werden nach dem inwendigen Menschen, damit wir „mit allen Heiligen völlig zu erfassen vermögen, weiches die Breite und Länge und Tiefe und Höhe sei, und zu erkennen die die Erkenntnis übersteigende Liebe des Christus, dass wir erfüllt sein mögen zu der ganzen Fülle Gottes“ (Eph 3,18. 19).

Und während wir „mit aufgedecktem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn anschauen, werden wir verwandelt nach demselben Bild von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, als durch den Herrn, den Geist“ (2. Kor 3,18). „Und Ich heilige Mich selbst für sie“, sagte der Herr Jesus, „dass auch sie Geheiligte seien durch Wahrheit“ (Joh 17,19).

Der Apostel schließt nun seinen Brief mit dem Wunsch, dass die Brüder für ihn beten möchten (Vers 25). Wiewohl er so reich begnadigt und so hoch bevorrechtet war, fühlte er dennoch das Bedürfnis nach der Fürbitte der Heiligen; wohl ein Beweis, wie tief er sich, seiner Abhängigkeit von Gott bewusst war. Er grüßt die Thessalonicher mit inniger Liebe und beschwört sie zugleich, dass sein Brief allen Heiligen vorgelesen werde (Verse 26 und 27). Das Herz des Apostels vergaß keinen von ihnen. Er wollte mit allen in Gemeinschaft sein, weil er sich mit allen verbunden fühlte. Und wenn er auf der einen Seite alle von Gott geoffenbarten Ratschlüsse schaute, so verlor er andrerseits keinen einzigen der Heiligen aus dem Auge. Herrlicher Beweis von Gottes allmächtiger Gnade im Herzen eines Menschen!

„Die Gnade unseres Herrn Jesus Christus sei mit euch!“

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