Der erste Brief an die Thessalonicher

Kapitel 3

Der erste Brief an die Thessalonicher

Der Apostel fährt in diesem Kapitel fort mit der Bekundung seiner Anhänglichkeit an die Thessalonicher und mit dem Hinweis auf die Umstände, welche die Veranlassung waren, dass er nicht zu ihnen kommen konnte. Durch das, was er uns hier mitteilt, erhalten wir in Verbindung mit dem Bericht in der Apostelgeschichte eine vollständige Übersicht über jene Ereignisse. Durch die von den Juden gegen, ihn hervorgerufenen Verfolgungen war der Apostel nach einem kurzen Aufenthalt in Thessalonich gezwungen worden, die Stadt zu verlassen. Er begab sich darauf mit Silas und Timotheus nach Beröa, wo durch seine Predigt viele zum Glauben an den Herrn Jesus kamen. Als jedoch die Juden in Thessalonich dies vernahmen, kamen sie nach Beröa und wiegelten auch dort die Volksmenge gegen Paulus auf, so dass die Brüder sich genötigt sahen, ihn in Sicherheit zu bringen. Sie begleiteten ihn nach Athen, während Silas und Timotheus noch in Beröa blieben. Als sie dann auf Befehl des Paulus nach Athen kamen, vernahm dieser durch sie, dass in Thessalonich nach seiner Abreise heftige Verfolgungen einsetzten und dass sich die Gläubigen dort in großer Not befanden. Darum sandte er von Athen aus Timotheus und Silas nach Thessalonich, um die Brüder im Glauben zu stärken und zu ermahnen, damit niemand in den Verfolgungen wankend würde. In Athen allein gelassen, predigte er auch da das Evangelium und ging dann nach Korinth, wo Timotheus und Silas mit der guten Nachricht von dem Glauben und der Liebe und der Anhänglichkeit der Thessalonicher an den Apostel zu ihm kamen, so dass seine Seele getröstet und gestärkt wurde. So konnte er mit neuer Kraft und mit neuem Mut in Korinth wirken. Unmittelbar nach der Rückkehr des Timotheus nach Korinth schrieb Paulus seinen ersten Brief an die Thessalonicher.

Lasst uns nun noch ein wenig mit der Art, in der Paulus dies alles mitteilte, und mit den Beweggründen, die ihn dazu leiteten, beschäftigen. „Deshalb, da wir es nicht länger aushalten konnten, gefiel es uns, in Athen allein gelassen zu werden, und wir sandten Timotheus, unseren Bruder und Mitarbeiter Gottes in dem Evangelium des Christus, um euch zu befestigen und zu trösten eures Glaubens halber, dass niemand wankend werde in diesen Drangsalen“ (Verse 1–3). Welche Liebe! Welche Hingabe! Paulus fühlte sich so innig mit den Gläubigen in Thessalonich verbunden, dass er, nachdem er von den Drangsalen, die über sie gekommen waren, und von den Gefahren, in denen sie sich befanden, gehört hatte, es nicht länger ohne Nachricht von ihnen aushalten konnte und es darum gerne auf sich nahm, inmitten einer gottlosen Stadt und einer feindlichen Bevölkerung allein gelassen zu werden und seinen geliebten Diener und Mitarbeiter Timotheus zu ihnen zu entsenden. Und Timotheus fürchtete sich nicht, nach Thessalonich zurückzukehren, obschon dort Verfolgung und Drangsal und vielleicht der Tod seiner warteten. Die Liebe des Christus vertreibt alle Selbstsucht. Sie sucht nicht sich selber, im Gegenteil, sie verleugnet sich selbst, indem sie weder an den eigenen Vorteil noch an Bequemlichkeit und Genuss denkt, sondern an das Glück und Heil der anderen. Ihre Freude besteht darin, zu dienen und Segen zu verbreiten, indem sie sich selbst opfert. Die Liebe ist sogar bereit, für die Brüder das Leben zu geben. Paulus wollte gern in Athen allein gelassen werden, und Timotheus ging ebenso gern nach Thessalonich.

Paulus unternahm keinen Versuch, mit menschlichen Mitteln die Lage der Thessalonicher zu verbessern. Das vermochte der Herr allein und Paulus wusste, dass Er es auch tun würde zu Seiner Zeit und sobald es vor Ihm wohlgefällig war. Es ist nie die Sache des Arbeiters des Herrn, sich in die Regierungswege Gottes einzumischen. Sobald er seinen Fuß auf diesen Weg setzt, verliert er seine Kraft und seinen Einfluss. Er hat in erster Linie für das geistliche Wohl der Gläubigen zu sorgen.

Satan versuchte, die junge Versammlung in Thessalonich durch Trübsale ins Wanken zu bringen und wenn möglich das dortige Zeugnis zu zerstören. Paulus kannte seine Absichten nur zu gut. Er hatte selber zur Genüge die Listen Satans erfahren müssen. Er wusste auch, dass die Gläubigen ständig in Gefahr sind, den Einflüsterungen des Feindes Gehör zu schenken. Welch ein Schmerz wäre das für das Herz des Apostels gewesen, wenn seine geliebten Kinder in Thessalonich, durch die vielen Drangsale müde und matt geworden, vom Glauben abgewichen wären! Deshalb sandte er Timotheus zu ihnen, um zu erfahren, ob nicht etwa der Versucher sie bereits versucht hatte und seine Arbeit vergeblich gewesen wäre (Vers 5); vor allem aber, um ihren Glauben zu stärken und ihnen Mut zuzusprechen, damit sie im Ausharren fest blieben. Und damit sie nicht denken sollten, die Trübsale, die über sie kamen, seien etwas Außergewöhnliches, fügt Paulus bei. „Denn ihr selbst wisst, dass wir dazu gesetzt sind, denn auch als wir bei euch waren, sagten wir euch vorher, dass wir Drangsale haben würden, wie es auch geschehen ist und ihr wisst“ (Verse 3 und 4). Trübsale kennzeichnen das Leben des Gläubigen hienieden. Sie sind die notwendige Folge seiner christlichen Einstellung. Die Finsternis kann nun einmal das Licht nicht ertragen. Christus kam nicht, um Frieden auf die Erde zu bringen, sondern das Schwert (Mt 10,34). Darum sind Drangsale für den Gläubigen eine Ehre, während sie zugleich dazu dienen, ihn enger mit dem Herrn zu verbinden und das Sehnen nach Seiner Wiederkehr zu stärken.

Und wie lauteten nun die Nachrichten, die Timotheus von dem Zustand der Versammlung in Thessalonich brachte? O, die Freude des Apostels über den guten Bericht, den er empfing, war unaussprechlich. Die freudige Botschaft von ihrem Glauben und ihrer Liebe ließ ihn seine eigene Not und Trübsal vergessen. Seine Seele war reichlich getröstet worden und alle Besorgnis war verschwunden. Inmitten der Versuchungen waren seine geliebten Kinder im Glauben standhaft geblieben. Satan hatte nichts erreicht; mit dem Schild des Glaubens hatten sie seine feurigen Pfeile ausgelöscht, und durch die Liebe des Christus waren sie fähig gemacht worden, für den Herrn mit Freuden zu leiden. Und dieselben Gefühle der Anhänglichkeit, die der Apostel für sie hatte, fanden sich auch in ihrer Seele; ja, gleichwie Paulus nach, ihnen verlangte, so sehnten sich auch die Thessalonicher, sein Angesicht zu sehen. Wie schön ist das alles! Eine und dieselbe Liebe – die Liebe des Christus – wohnte in beiden und verband ihre Herzen. Die Liebe ist das Band der Vollkommenheit. Sie bewahrt die Seele vor dem Verderben, das in dieser Welt ist, indem sie eine völlige Selbstverleugnung und eine göttliche Freude am Glück und Wohlergehen der Heiligen hervorruft, so dass Paulus schreiben kann: „Denn jetzt leben wir, wenn ihr feststeht im Herrn“ (Vers 8).

Diese Freude über die guten Nachrichten stimmte den Apostel zu innigen Dank gegen Gott und ließ sein Verlangen, die Thessalonicher wieder zu sehen, noch stärker werden. „Denn was für Dank können wir Gott für euch vergelten über all der Freude, womit wir uns euretwegen freuen vor unserem Gott, indem wir Nacht und Tag über die Maßen flehen, dass wir euer Angesicht sehen und vollenden mögen, was an eurem Glauben mangelt?“ (Verse 9 und 10). Ja, Gott, der die Quelle aller guten Gaben ist, hatte den Thessalonichern die Gnade verliehen, standhaft zu bleiben und mit Freude ihren Lauf zu vollenden, wenn auch der Mühsale viele waren und die Bedrängnis schwer.

Der Zustand der Thessalonicher war so, wie man es nur wünschen konnte. Gottes Gnade hatte sich auf wunderbare Weise an ihnen verherrlicht. Dennoch hatte das Werk des Apostels in ihrer Mitte nicht aufgehört; o nein! es verlangte ihn sehr, sie wieder zu sehen, um weiter an dem zu bauen, was die Feuerprobe bereits bestanden hatte, und zu vollenden, was an ihrem Glauben noch mangelte. Es gab noch viel zu lernen, aber auch noch andere und größere Segnungen zu genießen. Die Gläubigen müssen fortwährend wachsen in der Erkenntnis und Gnade Gottes und des Herrn Jesus Christus. Aus der Fülle Gottes strömt ihnen Gnade um Gnade zu.

Tag und Nacht hatte Paulus Gott über die Maßen gebeten, die Thessalonicher zu sehen; doch er war Knecht und nicht Meister, und darum wollte er hierin, gleichwie in allen Dingen, ganz von Gott abhängig sein. Der Apostel sehnte sich nach den Thessalonichern, denn Gott wirkte dieses Verlangen durch Seinen Geist, und er brachte diesen innigen Wunsch im Gebet vor den Herrn, der gerne Gebete erhört, wenn Er mit deren Erfüllung auch manchmal einige Zeit zuwartet. Und wahrlich, Paulus hat viele Jahre warten müssen, bis es Gott gefiel, das Verlangen seiner Seele zu erfüllen. Nachdem er beinahe zwei Jahre in Korinth, wo der Herr ein großes Volk hatte, geblieben war, führte ihn sein Weg nach Jerusalem; darauf besuchte er nochmals Kleinasien. Und erst, nachdem er noch beinahe drei Jahre in Ephesus gearbeitet hatte, war ihm das Vorrecht geschenkt, seine geliebten Kinder in Thessalonich wieder zu sehen.

Auffallend ist die Art, wie der Apostel sich ausdrückt. „Unser Gott und Vater selbst aber und unser Herr Jesus richte unseren Weg zu euch“ (Vers 11). Das Zeitwort dieses Satzes, „richten“, steht in der Einzahl, während der Satzgegenstand eine Mehrzahl ist. Gott, der Vater, und Christus, der Herr, bilden hier in den Augen des Apostels ein Ganzes, obschon sie als Personen deutlich unterschieden sind. Eine sehr wichtige Wahrheit! Sie wird uns durch die ganze Schrift hindurch verkündigt. Es gibt mehrere Personen in der Gottheit, doch sind sie im Wesen und Ziel vollkommen eins. der eine wahrhaftige Gott. „Im Anfang war das Wort, und das Wort war bei Gott“ (Joh 1,1). „Ich und der Vater sind eins“ (Joh 10,30). „Denn wer von den Menschen weiß, was im Menschen ist, als nur der Geist des Menschen, der in ihm ist? Also weiß auch niemand, was in Gott ist, als nur der Geist Gottes“ (1. Kor 2,11). Der Vater, der Sohn und der Heilige Geist sind die drei Personen der Gottheit, von denen allerdings jede besonders handeln kann, die aber nicht nur eins im Willen und in Gedanken, sondern auch eins im Wesen sind. Es sind nicht nur drei Personen, von denen jede für sich selbst dasteht und die miteinander übereinkommen, sondern es ist ein Gott, unterschieden in drei Personen, die in ihrem Wesen und ihrer Natur unzertrennlich miteinander verbunden sind, und die darum einen Willen haben, weil sie im Wesen eins sind.

Aber es liegt noch mehr in diesen Worten: „Unser Gott und Vater selbst aber und unser Herr Jesus richte unseren Weg zu euch.“ Der Apostel will damit sagen, in welcher Beziehung wir zu Gott und zum Herrn Jesus stehen. Gott ist unser Vater geworden; Er leitet alle Dinge zum Wohl Seiner Kinder, nach Seiner vollkommenen Weisheit, die alle Umstände überblickt, und nach, Seiner vollkommenen Liebe, die alle Seine Kinder auf Seinem Herzen trägt. Jesus, der Sohn über Gottes eigenes Haus, ist unser Herr, der für das Wohl, das Wachstum und die Entwicklung der Versammlung sorgt. Fürwahr, es ist ein unaussprechliches Glück, dass alle unsere Umstände von der Liebe eines Vaters abhängen, der Gott selber ist, und der nach der zarten Zuneigung handelt, die durch Seinen Vaternamen ausgedrückt wird, und dass andrerseits das Wohl der Versammlung von der Leitung eines Herrn abhängt, der sie mit einer vollkommenen Liebe liebt, dem alle Gewalt im Himmel und auf Erden gegeben ist, und der die Gläubigen als die Gegenstände Seiner unablässigen Sorge beschirmt.

Können wir also inmitten all der Mühsale und Kümmernisse des täglichen Lebens auf die Liebe des Vaters zählen, so dürfen wir uns zugleich auf die ständige Teilnahme an dem Wohl und dem Wachstum der Gemeinde dessen verlassen, welcher Sohn ist über Gottes eigenes Haus. An Ihn wendet sich, der Apostel in der Folge auch, weil er das Wohl der Versammlung auf dem Herzen trägt. „Euch aber mache der Herr völlig und überströmend in der Liebe gegeneinander und gegen alle (gleichwie auch wir gegen euch sind), um eure Herzen tadellos in Heiligkeit zu befestigen vor unserem Gott und Vater, bei der Ankunft unseres Herrn Jesus mit allen Seinen Heiligen“ (Verse 12 und 13). Das herrliche Ziel des christlichen Lebens, gegründet auf das Werk des Christus, wird uns hier in seiner ganzen Größe vor Augen gestellt. Gott ist Liebe, und auf dem gleichen Werk ruht auch unsere Gemeinschaft mit dem Vater und dem Sohn in der Kraft des Heiligen Geistes. Seine Liebe ist in unsere Herzen ausgegossen. Wir haben Gemeinschaft mit Gott, Dessen Natur wir in Seinem Licht teilhaftig geworden sind, so dass wir auch in Übereinstimmung mit dieser Natur zu wandeln vermögen. Die Liebe ist das Band der Vollkommenheit, das wahre Mittel zur Heiligkeit. je mehr die Kraft der Liebe in uns zunimmt und überströmend wird, desto mehr werden wir gestärkt, um unsträflich zu sein in der Heiligkeit „vor unserem Gott und Vater bei der Ankunft unseres Herrn Jesus mit allen Seinen Heiligen“, denn dann wird dem herrlichen Werk von Gottes Gnade die Krone aufgesetzt werden. Jesus kommt wieder; aber Er kommt nicht allein; Er kommt mit allen Seinen Heiligen. Wir werden Ihn sehen in Seiner Herrlichkeit, einer Herrlichkeit, die Er durch das Werk, das Er für uns vollbrachte, bekommen hat. Wir werden alle Heiligen mit ihm sehen und Er wird in ihnen verherrlicht sein. Die Offenbarung Jesu mit all den Heiligen wird deshalb die Vollendung der Wege Gottes sein im Blick auf die, welche Sein Eigentum sind.

Es ist klar, dass der Apostel hier von der praktischen Heiligkeit spricht und keineswegs von unserem Geheiligtsein in Christus. Er wendet sich an das Haupt der Versammlung, damit er die Herzen der Thessalonicher stärken möge, damit sie tadellos in Heiligkeit seien. Es ist von großer Wichtigkeit, den Zusammenhang, in dem diese praktische Heiligkeit zu unserer Stellung zu Gott in Christus steht, zu erkennen. Versteht man das nicht, dann kommt man notwendigerweise in Verwirrung und verliert gar leicht den Frieden und die Ruhe und gerät in Zweifel. Die Worte, die der Apostel hier braucht, zeigen uns diesen Zusammenhang deutlich. Wir sollen untadelig in Heiligkeit sein vor unserem Gott und Vater bei der Ankunft unseres Herrn Jesus. Wir stehen in Beziehung zu Gott als unserem Vater und zu Jesus als unserem Herrn. Es handelt sich nicht um eine Verbindung, die zuerst noch angeknüpft werden müsste, im Gegenteil, es ist ein von uns gekanntes und genossenes Verhältnis. Dieser Gott, vor den wir gestellt werden sollten, ist unser Vater. Wir sind mit Ihm in Gemeinschaft als Seine Kinder und sind Seiner Natur teilhaftig. Das wäre unmöglich, wenn wir nicht durch Christus geheiligt und von allen unsern Sünden befreit wären. Wie kostbar, dass es so ist! Wir rufen: „Abba, Vater!“ und können mit aller Freimütigkeit ins himmlische Heiligtum eingehen. Gottes vollkommene Liebe hat alle Furcht zunichte gemacht.

Weil wir nun geheiligt sind in Christus, geziemt es sich auch, dass wir als Heilige wandeln, und weil wir Kinder Gottes sind, müssen wir uns als solche offenbaren. Die Heiligkeit ist der Charakter des Verhältnisses, in dem wir zu Gott stehen. Da wir der Natur Gottes teilhaftig und Seine Kinder geworden sind, bilden wir uns in Gesinnung und Taten nach Seinem herrlichen Bild. Wenn wir in Gemeinschaft mit Gott leben – und das können wir nicht, solange wir nicht wissen, dass Er unser Vater ist – dann offenbart sich Gott unserer Seele, und durch diese Offenbarung werden wir Seiner Heiligkeit teilhaftig. Nicht plötzlich, nicht in einem Tag, sondern nach und nach. Der neue Mensch wird erneuert zur Erkenntnis nach dem Bild dessen, der ihn geschaffen hat. Der Goldschmied läutert das Gold so lange, bis er sein eigenes Bild in ihm wiederspiegeln sieht. Wohl wird hier auf Erden dieses Werk der Erneuerung nie vollendet werden, doch wir haben dessen ungeachtet in der Heiligkeit immerfort zu wachsen. Allerdings, einmal werden wir untadelig in Heiligkeit vor unserem Gott und Vater stehen. Dann wird die Versammlung verherrlicht sein und nicht Flecken oder Runzel oder dergleichen haben, sondern heilig und tadellos sein (Eph 5,27). Nach diesem herrlichen Endziel soll sich unsere Seele ausstrecken. Mit der freudigen Erwartung vor Augen, reinigen wir uns von aller Befleckung des Fleisches und des Geistes, indem wir die Heiligkeit vollenden in der Furcht Gottes. Wie könnte es anders sein? Könnte ich mit Freude an den Augenblick denken, wo ich vor Gott, dem Vater, stehen werde, tadellos in Heiligkeit, und mich dann mit der Sünde der Welt besudeln? Unmöglich! Im Bewusstsein der Gemeinschaft mit Gott und in der Erwartung der zukünftigen Herrlichkeit werde ich mich bemühen, von der Welt abgesondert und Gott wohlgefällig zu wandeln.

Und wann werden wir untadelig in Heiligkeit vor unserem Gott und Vater stehen? Bei der Ankunft unseres Herrn Jesus Christus mit allen Seinen Heiligen. Wie schön drückt sich diesbezüglich der Apostel aus! Wir stehen in Verbindung mit dem Herrn Jesus; wir sind Seine Heiligen. Er hat uns für sich erworben, und darum werden wir mit Ihm vereinigt sein in der Herrlichkeit. Er kommt! Er wird in Herrlichkeit offenbart werden. Er wird erscheinen mit großer Kraft und Herrlichkeit auf den Wolken des Himmels. Gleichwie die Apostel Ihn sahen gen Himmel fahren, so wird Er wiederkommen. Und wenn das geschieht, dann kommen wir mit Ihm; wir werden mit Ihm in Herrlichkeit offenbart; wir verlassen mit Ihm den Himmel und erscheinen mit Ihm auf der Erde. Dann wird Er sich auf den Thron Seiner Herrlichkeit setzen, um gemeinsam mit Seinen Heiligen die Welt zu richten und zu regieren (Kol 3,4).

Lasst uns auch beachten, dass der Apostel schreibt: „Bei der Ankunft unseres Herrn Jesus mit allen Seinen Heiligen“ (Vers 13). Nicht mit etlichen Heiligen; auch nicht nur mit den entschlafenen Heiligen. Nein, mit allen Heiligen. Das schließt natürlich in sich, dass alle Heiligen, auch die, welche noch auf Erden sind, in den Himmel aufgenommen sein müssen. Obschon der Apostel hier nicht ausdrücklich davon redet – wir werden das im folgenden Kapitel finden – so ist es doch in seinen Worten enthalten. Wie könnte der Herr mit allen Seinen Heiligen vom Himmel kommen, wenn nicht zuerst alle Heiligen in den Himmel aufgenommen wären? Dem Kommen Jesu mit Seinen Heiligen muss also die Aufnahme der Heiligen – die Auferstehung der Entschlafenen und die Verwandlung der lebend Übriggebliebenen – vorausgegangen sein.

Nun, obwohl wir schon bei unserer Aufnahme ins Vaterhaus sofort untadelig in Heiligkeit, ohne Flecken oder Runzel sein werden, so wird doch erst beim Kommen Jesu mit allen Seinen Heiligen die eigentliche Offenbarung dieser Heiligkeit stattfinden. Jesus wird in Herrlichkeit offenbart werden und alle Seine Heiligen mit Ihm. Keine Schwachheit wird ihnen mehr anhaften, kein Gebrechen wird sie mehr verunstalten, keine Flecken werden sie mehr verunreinigen. Vollkommen, rein und herrlich, Jesu gleichförmig, werden sie als die Zeugen der mächtigen und erbarmenden Gnade Gottes der ganzen Welt offenbart werden.

Fürwahr, diese Worte des Apostels bestätigen, wie sehr die Ankunft des Herrn Jesus seine Seele erfüllte. Er bringt diese herrliche Wahrheit mit allem in Verbindung. Wir sahen in Kapitel 1, dass die freudige Erwartung der Wiederkunft des Herrn das Herz einer jeden gläubigen Seele erfüllte; in Kapitel 2 ist das Herz bei der Trennung hienieden getröstet und ermutigt; der Arbeiter im Weinberg des Herrn ist dadurch neu gestärkt. Im dritten Kapitel verbindet der Apostel die Wiederkehr des Herrn Jesus mit dem praktischen Leben des Christen, so dass das volle Licht des kommenden Tages seine hellen Strahlen auf den Weg hienieden wirft. Wie wichtig ist das alles! Möchten unsere Herzen den Trost und die Freude dieser ernsten Wahrheit erfahren! Ach, die Ekklesia, die Gemeinde des Herrn, ist so weit von der Einfalt des Wortes abgewichen! Sie verlor die Wiederkunft Jesu ganz aus den Augen. Jahrhunderte vergingen, ohne dass über diese herrliche Wahrheit gesprochen wurde. Welche Gnade, dass der Herr die Seinen wieder aus dem Schlaf aufgeweckt und aufs neue die freudige Erwartung von Jesu Ankunft vor ihre Seelen gestellt hat, so dass nun über die ganze Erde von Tausenden von Gläubigen der Ruf erschallt: „Komm, Herr Jesu!“ O, lasst uns die Häupter erheben und mit brennenden Lampen und umgürteten Lenden unserem Heiland entgegengehen!

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