Der Brief an die Philipper
Ein Brief der Freude

Kapitel 4

Der Brief an die Philipper

„Daher, meine geliebten und ersehnten Brüder, meine Freude und Krone, so steht fest im Herrn, Geliebte!

Evodia ermahne ich, und Syntyche ermahne ich, gleich gesinnt zu sein im Herrn. Ja, ich bitte auch dich, mein treuer Mitknecht, steh ihnen bei, die in dem Evangelium mit mir gekämpft haben, auch mit Clemens und meinen übrigen Mitarbeitern, deren Namen im Buch des Lebens sind“ (4,1–3).

„Meine geliebten und ersehnten Brüder, meine Freude und Krone“, welch wunderschöne Anrede! Die Philipper waren für den Apostel Gegenstände der Liebe und der Sehnsucht, der Freude und des Ruhmes. Die brüderliche Liebe ist doch ein wertvolles Geschenk des Herrn in dieser lieblosen Welt. Wenn sie doch mehr vorhanden wäre, mehr ausgeübt und mehr geschätzt würde! Aus der Bruderliebe entspringt das Verlangen sich zu sehen, die Sehnsucht nach Gemeinschaft, nach Aussprache und Austausch der Gedanken. Und wenn wir treu leben, dann sind wir einander zur Freude.

Wie viel Freude könnten wir einander doch bereiten, wenn wir wirklich unser Leben mit dem Herrn führen würden, wenn jeder dem Herrn treu ergeben wäre! Die Hirten, die so viel Sorgen um die Gläubigen haben, finden hier auf der Erde wenig Anerkennung, aber bei der Erscheinung des Herrn wird ihre Arbeit Anerkennung von Seiten des Herrn finden.

Der Apostel hatte die feste Zuversicht, dass seine Arbeit an den Philippern später einmal gewürdigt würde. Das würde ein Grund der Freude für ihn sein, da ihr Glaubensleben und ihr Zeugnis als Versammlung sehr lobenswert waren. So sollten sie feststehen im Herrn. Wenn sie später zu des Apostels Freude sein sollten, mussten sie feststehen, aber nicht in eigener Kraft, sondern im Herrn.

Der Christ wird von allen Seiten und auf vielerlei Arten versucht. Der Teufel möchte ihn vom rechten Weg abbringen, die Welt will ihn gefangen nehmen. Die Sorgen wollen ihn verschlingen, selbst durch Gläubige können für ihn Schwierigkeiten entstehen. Darum gilt es festzustehen, die Gnade des Herrn in allen Lagen immer in Anspruch zu nehmen, für die großen und die geringfügigen Dinge!

Ein großes Hindernis für das Feststehen im Herrn ist die Uneinigkeit. Zwei Schwestern, Evodia und Syntyche waren in diesem Fall angesprochen. Beide waren im Dienst für den Herrn tätig, beide hatten mit dem Apostel für die Ausbreitung des Evangeliums gekämpft, aber sie waren uneins. Wie traurig! Das zeigt uns, dass wir für den Herrn tätig sein können, während gleichzeitig das Fleisch in uns wirkt.

Welche Geduld hat doch der Herr mit den Seinen! Ein treuer Bruder sollte den beiden Schwestern beistehen, d. h. ihnen behilflich sein, wieder aufeinander zuzugehen. Wie sorgt doch der Herr so treu für die Glaubenden, wenn sie sich in Gefahr oder auf Abwegen befinden! Der Apostel ist voller Interesse für seine Mitarbeiter und der Gedanke war seinem Herzen kostbar, zu wissen, dass ihre Namen in dem Buch des Lebens standen. Erfüllt der Gedanke auch unsere Herzen mit Freude, dass die Namen unserer Mitgeschwister im Buch des Lebens stehen?

„Freut euch im Herrn allezeit! Wiederum will ich sagen: Freut euch! Lasst eure Milde kundwerden allen Menschen; der Herr ist nahe“ (4,4.5).

Die Freude ist eine mächtige Triebfeder im menschlichen Leben. Freude war es auch, die den Apostel Paulus über die vielen traurigen Dinge erhob. Darum ermuntert er die Philipper, sich allezeit im Herrn zu freuen. Er sagt es zweimal, um ihnen zu zeigen, dass er der Freude im Herrn einen großen Wert und Einfluss beimaß, auch war er ihnen selbst ein Vorbild für alles, was er ihnen anbefahl. In den schwierigsten Umständen, sogar im Gefängnis, bedrängt von Sorgen um die Versammlungen, traurig über so vieles, was er bei Gläubigen sah, erhob sich sein Herz zu dem, der ihn so unaussprechlich liebte und – sein Herz wurde mit Freude erfüllt. Wollen wir es nicht auch so machen? Wenn sich das Herz im Herrn erfreut, ist es imstande, gegen andere milde und nachgiebig zu sein. Darum macht der Apostel darauf aufmerksam.

Die Freude, die das Herz erfüllt, zeigt sich darin, dass man nicht sein Recht verlangt und keine Ansprüche in Bezug auf Güter, Ehre und Anerkennung hat, denn man ist zufrieden. Alle Menschen um uns her sollen es erfahren, dass das, was wir besitzen – nicht irdische Dinge –, unser Herz befriedigt. Und sollten wir dabei zu kurz kommen oder Unrecht zu erdulden haben – bald kommt ja der Herr, der allen Leiden und Unannehmlichkeiten ein Ende bereitet.

„Seid um nichts besorgt, sondern in allem lasst durch Gebet und Flehen mit Danksagung eure Anliegen vor Gott kundwerden; und der Friede Gottes, der allen Verstand übersteigt, wird eure Herzen und euren Sinn bewahren in Christus Jesus“ (4,6.7).

Es gibt allerdings in dieser Welt viele Dinge, die unser Herz nicht unberührt lassen. Es sind Anliegen, die uns nicht gleichgültig sein dürfen. „Seid um nichts besorgt“ soll nicht heißen, sich um nichts zu kümmern. Wir denken da an die Versorgung der Familie, die Erziehung der Kinder, die beruflichen Pflichten, das Wohl der Versammlung Gottes, die Ausbreitung des Evangeliums, das Wohl der Stadt und des Landes, sowie der Regierung und vieles andere, was an unsere Herzen herantritt. Diesem allem gegenüber gleichgültig zu sein, wäre gewiss keine geistliche Gesinnung, jedoch dürfen diese Dinge nicht unsere Herzen beschweren und uns den Frieden und die Ruhe rauben.

Darum sollen wir um nichts besorgt sein, sondern alles unserem teuren Herrn anbefehlen. Nicht als ob Er nicht alle unsere Anliegen kennen würde, sondern weil wir keine Kraft haben und nichts vermögen, Er aber alles für uns tun will. Welch ein Trost ist es für unsere Herzen, dass seine Liebe, Weisheit, Macht und Gnade allezeit zu unseren Gunsten tätig sind, und dass Er alles, was uns betrifft, kennt und an allem interessiert ist. Durch Gebet und Flehen bringen wir Ihm alles, d. h. wir sagen Ihm alles und erbitten für alles seine Hilfe und danken im Voraus dafür. Das erfreut das Herz unseres Herrn! Welch einen treuen, liebevollen Vater haben wir im Himmel!

Wenn wir in kindlicher Ehrfurcht und in kindlichem Vertrauen zu Ihm kommen, dann erfüllt der Friede Gottes (nicht nur der Friede mit Gott) unsere Herzen. Es ist der Friede, den Gott allein geben kann, ein Friede, der für unsere Herzen unfassbar ist, weil er höher als alle menschliche Vernunft und alles menschliche Verstehen ist. Dieser Friede bewahrt unsere Herzen vor Trauer, vor Ärger und Trostlosigkeit, vor Neid und Streit und vielen anderen traurigen Dingen. Er bewahrt auch unseren Sinn vor Irrtümern und menschlichen Einflüssen. Beide Arten der Bewahrung haben wir immer nötig, sie geschehen dadurch, dass unsere Herzen und unsere Sinne allein auf den Herrn Jesus gerichtet sind.

„Im Übrigen, Brüder, alles, was wahr, alles, was würdig, alles, was gerecht, alles, was rein, alles, was lieblich ist, alles, was wohllautet, wenn es irgendeine Tugend und wenn es irgendein Lob gibt, dies erwägt. Was ihr auch gelernt und empfangen und gehört und an mir gesehen habt, dies tut, und der Gott des Friedens wird mit euch sein“ (4,8.9).

Es gibt aber außer unserem Verhältnis zum Herrn und außer den Dingen, wofür Er uns genaue Richtlinien gibt, noch solche, die Er dem geistlichen Verständnis des Einzelnen überlässt, Dinge, die wir nur zu leicht vergessen. Wir sind so sehr geneigt, uns zufrieden zu geben, wenn man uns keine Fehler und kein Unrecht nachsagen kann, das genügt aber dem Herrn nicht, Er freut sich über Vollkommenheit bei den Gläubigen.

„Ihr nun sollt vollkommen sein, wie euer himmlischer Vater vollkommen ist“ (Mt 5,48). Wir sollen alles, was in der Welt, auch die Dinge, die nicht verwerflich sind, die vielleicht einen guten Eindruck auf uns machen, wohl erwägen und prüfen, ob sie zur Ehre des Herrn sind. Das ist die beste Selbsterziehung, der beste Anstand und viel mehr wert, als jede menschliche Erziehung. Wenn wir uns darin üben, dann ist der „Gott des Friedens“ mit uns. Er lässt uns dann erfahren, dass Er mit uns geht und Er sorgt dafür, dass unser Verhalten, wenn auch nicht immer verstanden, doch schließlich Anerkennung findet.

Der Apostel hatte sich in diesen Dingen geübt und die herrliche Erfahrung gemacht, dass der Gott des Friedens mit ihm war. Welches Vorrecht für ein Kind Gottes, das seinem himmlischen Vater zu gefallen sucht: Der Gott des Friedens, der Gott, in dessen Gegenwart alles Friede ist, der den Frieden gibt und erhält, ist mit ihm. Das ist unbeschreiblich schön. Möchten wir alle dies aus Erfahrung kennen!

„Ich habe mich aber im Herrn sehr gefreut, dass ihr endlich einmal wieder aufgelebt seid, meiner zu gedenken; obwohl ihr auch meiner gedachtet, aber ihr hattet keine Gelegenheit. Nicht, dass ich dies des Mangels wegen sage, denn ich habe gelernt, worin ich bin, mich zu begnügen. Ich weiß sowohl erniedrigt zu sein, als ich weiß Überfluss zu haben; in jedem und in allem bin ich unterwiesen, sowohl satt zu sein als zu hungern, sowohl Überfluss zu haben als Mangel zu leiden. Alles vermag ich in dem, der mich kräftigt. Doch habt ihr recht getan, dass ihr an meiner Drangsal teilgenommen habt“ (4,10–14).

Die Philipper hatten durch Epaphroditus dem geliebten Apostel eine materielle Unterstützung gesandt, nachdem er lange umsonst auf einen Beweis ihres Mitgefühls gewartet hatte. Nun war er voller Freude und Dankbarkeit gegen den Herrn. Zu Ihm erhebt sich sein Herz, wissend, dass von Ihm jede gute Gabe kommt. Um die Philipper aber nicht traurig zu machen über seine Bemerkung, sie seien „endlich einmal aufgelebt“, fügt er, wie zur Entschuldigung, hinzu: „aber ihr hattet keine Gelegenheit“. Wie einfühlsam ist Paulus doch! Der Apostel hatte im Gefängnis viele Entbehrungen gehabt, aber das war es nicht, was ihn veranlasste über die Gabe zu schreiben.

Er hatte gelernt, sich in jeder Lage zu begnügen und zufrieden zu sein. Der Apostel konnte sagen: „Ich habe gelernt“. Wie hatte er das gelernt? Indem er seinen Heiland nachahmte, der es auch so gemacht hat. Er hatte etwas verstanden von dem Geheimnis der Kraft und der Freude, die auch der Herr Jesus besaß, als Er hier auf der Erde arm und in Niedrigkeit lebte. Darum konnte Paulus sagen: „Ich bin in allem unterwiesen (eingeweiht)“. Er war in der Schule des Herrn gewesen. Das ist es, was uns so sehr fehlt! Mangel zu leiden, und dabei glücklich zu sein, ist eine Kunst; Überfluss zu haben, ohne ihn zu missbrauchen oder seine Freude daran zu finden, ist auch eine Kunst. Das Fleisch ist dazu nie imstande, aber der Gläubige, der sich ganz auf seinen Herrn verlässt, wie der Apostel es getan hat, findet im Herrn die Kraft, diese Kunst auszuüben. „Ich vermag alles in dem, der mich kräftigt.“

„Ihr wisst aber auch, ihr Philipper, dass im Anfang des Evangeliums, als ich aus Mazedonien wegging, keine Versammlung mir in Bezug auf Geben und Empfangen mitgeteilt hat, als nur ihr allein. Denn auch in Thessalonich habt ihr mir einmal und zweimal für meinen Bedarf gesandt. Nicht, dass ich die Gabe suche, sondern ich suche die Frucht, die überströmend sei für eure Rechnung“ (4,15–17).

Der Apostel hatte ein dankbares Herz. Die Beweise der Liebe der Philipper gegen ihn in früheren Fällen konnte er nicht vergessen. Die Philipper sollten aber nicht denken, er würde seinetwegen auf die Unterstützung Wert legen, sondern er wünscht bei ihnen so sehr, dass ihnen später der Lohn des Herrn zufallen möchte. Ihr Dienst der Liebe wurde vom Herrn notiert und auf das Konto der Philipper (für ihre Rechnung) geschrieben.

„Ich habe aber alles empfangen und habe Überfluss; ich bin erfüllt, da ich von Epaphroditus das von euch Gesandte empfangen habe, einen duftenden Wohlgeruch, ein angenehmes Opfer, Gott wohlgefällig“ (4,18).

Jetzt hatte der Apostel Überfluss und konnte davon mit aufrichtigem Dank gegen seinen treuen Herrn, von dem jede gute Gabe kommt, genießen. Sein Herz freute sich bei dem Gedanken, dass die Gabe der Philipper für Gott ein duftender Wohlgeruch war. Solche Opfer sind Gott ganz besonders wohlgefällig (vgl. Heb 13,16).

„Mein Gott aber wird euch alles Nötige geben nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus“ (4,19).

Noch etwas erfüllt das Herz des Apostels mit Freude: Dass sein Gott, dem er so treu und hingebungsvoll diente, die Philipper nicht vergessen würde. Der Apostel konnte ihnen ihre Liebe nicht vergelten, aber er wusste, dass sein Gott ihnen vergelten würde. Wie hätte es auch anders sein können? Wie sollte Er nicht vielfältig vergelten, was seinem treuen Diener an Mitgefühl und Liebe erwiesen wurde? So ist es auch heute noch. Gott belohnt jede Wohltat an den Seinen nach seinem Reichtum in Herrlichkeit in Christus Jesus. Er bleibt uns nichts schuldig, auch wenn die Belohnung vielleicht erst in der Herrlichkeit kommen wird. Welche Freude wird es für sein Herz sein, wenn Er seinen Getreuen den Lohn austeilen kann und wird! Welch einen Gott haben wir!

„Unserem Gott und Vater aber sei die Herrlichkeit von Ewigkeit zu Ewigkeit! Amen.

Grüßt jeden Heiligen in Christus Jesus. Es grüßen euch die Brüder, die bei mir sind. Es grüßen euch alle Heiligen, besonders aber die aus dem Haus des Kaisers“ (4,20–22).

Der Apostel schließt den Brief, wie viele andere Briefe, mit dem Gruß an die Heiligen. Damit bezeugt er erneut seine enge Verbundenheit mit den Philippern.

„Die Gnade des Herrn Jesus Christus sei mit eurem Geist! Amen“ (4,23).

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