Der Brief an die Philipper
Ein Brief der Freude

Kapitel 3

Der Brief an die Philipper

„Im Übrigen, meine Brüder, freut euch im Herrn! Euch dasselbe zu schreiben, ist mir nicht lästig, für euch aber ist es sicher“ (3,1).

Alle Übungen, von denen der Apostel im vorhergehenden Kapitel gesprochen hat, die guten und die schlimmen Erfahrungen, durfte er aus der Hand des Herrn nehmen. Der Herr macht alles gut. Wir dürfen uns in allen Lagen, in Freude und Leid, in Ihm freuen, denn Er ist die Quelle aller Freude. Er liebt uns, Er sorgt für uns, Er denkt an uns, wir sind eng mit Ihm verbunden, das ist der Grund unserer Freude. Der Apostel wiederholt diese Wahrheit immer wieder. Es ärgerte ihn nicht, dass die Wiederholungen immer wieder nötig wurden, denn es war für die Gläubigen gut und nützlich. Der Hinweis darauf, dass wir uns immer an der Quelle der Freude aufhalten sollen, ist besonders angebracht, weil Satan alles Mögliche versucht, um uns diese Freude zu rauben.

„Seht auf die Hunde, seht auf die bösen Arbeiter, seht auf die Zerschneidung. Denn wir sind die Beschneidung, die wir durch den Geist Gottes dienen und uns Christi Jesu rühmen und nicht auf Fleisch vertrauen; obwohl ich auch auf Fleisch Vertrauen habe. Wenn irgendein anderer meint, auf Fleisch zu vertrauen – ich noch mehr“ (3,2–4).

Schon zu Zeiten des Apostels gab es vieles, was den gläubigen Herzen die Freude rauben konnte. In Philippi war es nicht anders. Auch da gab es bloße Bekenner, die für andere zum Schaden waren. Paulus nennt sie „Hunde, böse Arbeiter, Zerschneidung“:

  • „Hunde“ sind irdisch gesinnte Menschen, solche die ihren Begierden freien Lauf lassen.
  • Die „bösen Arbeiter“ wirken unter den Gläubigen aus eigennützigen Beweggründen und fügen so dem Werk des Herrn großen Schaden zu.
  • Die „Zerschneidung“ predigt das Gesetz statt die Gnade, was dem Evangelium völlig entgegengesetzt ist.

Die dem Abraham gegebene Beschneidung war nur eine äußere Handlung, wenn sie auch symbolischen Wert hatte. Die, die der Apostel Zerschneidung nennt, predigten die äußere Beschneidung als etwas unbedingt Erforderliches und raubten so dem Kreuz des Christus seinen Wert. Das Kreuz beweist das völlige Verlorensein, den vollständigen Ruin des Menschen. Dass Christus am Kreuz gelitten und den Tod erduldet hat, bedeutet, dass wir jenen Platz verdient hätten.

Es stellt also den Menschen mitsamt seinen vermeintlichen Tugenden und seiner vermeintlichen Gerechtigkeit auf die Seite. Das passt diesen falschen Lehrern nicht, denn da gibt es nichts zu rühmen. Darum predigen sie die Beschneidung, dass sie sich der äußeren Handlung rühmen können. Das steckt auch heute noch in dem natürlichen Menschen, denn nur zu leicht ist er geneigt, sich auf etwas zu stützen, sich über etwas zu rühmen, was er tut!

Im Gegensatz zu diesen bösen Arbeitern waren die Apostel nach Gottes Gedanken die „Beschneidung“. Sie ließen sich in ihrem Dienst nicht von Selbstvertrauen, sondern vom Geist Gottes leiten und als Werkzeuge der Gnade waren sie abhängig von ihrem göttlichen Herrn und Meister. Sie waren nicht stolz auf ihre Fähigkeiten und ihr Tun, sondern sie rühmten sich Christi, das heißt der Gnade, die sie in Ihm gefunden hatten. Sie vertrauten nicht auf eigene Kraft und Tüchtigkeit. Das Todesurteil, das am Kreuz über das Fleisch ausgesprochen war, wurde von den Aposteln immer wieder auf die alte Natur angewendet. Das war die wahre Beschneidung.

„Beschnitten am achten Tag, vom Geschlecht Israel, vom Stamm Benjamin, Hebräer von Hebräern; was das Gesetz betrifft, ein Pharisäer; was den Eifer betrifft, ein Verfolger der Versammlung; was die Gerechtigkeit betrifft, die im Gesetz ist, für untadelig befunden“ (3,5.6).

Menschlich gesprochen hätte der Apostel stolz sein können, sogar mehr als irgendein anderer, denn er war nicht nur in jeder Hinsicht ein echter Israelit, sondern auch ein Vorbild gesetzlicher Pflichterfüllung. Er hatte daher große Vorzüge vor anderen, aber nicht vor Gott, nur bei den Menschen. Für sein Verhältnis zu Gott waren diese Vorzüge nur nachteilig gewesen, weil er sich darauf gestützt hatte. Jetzt aber hat er etwas viel Besseres gefunden, seinen Heiland und mit Ihm Gottes Gerechtigkeit. Was sind doch alle menschlichen Vorzüge, alle Selbstgerechtigkeit und Ehre vor Menschen gegen das, was der Gläubige in Christus Jesus hat.

Ein Autor schreibt über diese Stelle wie folgt: „Saulus von Tarsus stand in der Tat auf dem erhabensten Felsen der Anhöhe menschlicher Gerechtigkeit. Er hatte die höchste Stufe auf der Leiter der menschlichen Religion erreicht. Er wollte nicht einen einzigen Menschen über sich dulden. Der Erste zu sein war seine Devise. Seine religiösen Vorzüge waren wirklich von erstem Rang, denn er sagte von sich selbst, dass er: ‚in dem Judentum zunahm über viele Altersgenossen in seinem Geschlecht‘ (Gal 1,14). Niemand übertraf ihn im Ringen nach Gerechtigkeit. War jemand da, der auf seine Enthaltsamkeit vertraute, Paulus konnte sagen: ‚Ich noch mehr!‘ Vertraute jemand auf seine Moral, Paulus konnte sagen: ‚Ich noch mehr!‘ Meinte jemand auf Satzungen, Sakramenten, religiösen und frommen Gebräuchen zu vertrauen, Paulus noch mehr. Mit einem Wort: Lasst einen Menschen die Höhe gesetzlicher Gerechtigkeit ersteigen, so hoch der größte Ehrgeiz oder der glühende Eifer ihn zu führen vermögen, er wird aus einer noch größeren Höhe vernehmen: ‚Ich noch mehr!‘“

„Aber was irgend mir Gewinn war, das habe ich um Christi willen für Verlust geachtet; ja wahrlich, ich achte auch alles für Verlust wegen der Vortrefflichkeit der Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, um dessentwillen ich alles eingebüßt habe und es für Dreck achte, damit ich Christus gewinne“ (3,7.8).

Saulus von Tarsus kam heraus aus der Tiefe des Abgrundes des Verderbens, herab von der Leiter der Selbstgerechtigkeit und fand seinen Platz zu den Füßen des Jesus von Nazareth. Bei Ihm fand er etwas weit Besseres als er vorher besaß, darum hält er das Frühere für Dreck und Verlust. Er besaß Jesus selbst und damit alles, was er zu seiner Rechtfertigung vor Gott, für seinen Eifer, für die Befriedigung seines Strebens, für die Ruhe und das Glück seines Herzens brauchte. Darum strebte er nicht mehr nach der Höhe eigener Gerechtigkeit und Ehre vor Menschen. Die Gerechtigkeit vor Gott war nun nicht mehr Ziel, sondern Ausgangspunkt seines Strebens.

„Und in ihm gefunden werde, indem ich nicht meine Gerechtigkeit habe, die aus dem Gesetz ist, sondern die, die durch den Glauben an Christus ist – die Gerechtigkeit aus Gott durch den Glauben; um ihn zu erkennen und die Kraft seiner Auferstehung und die Gemeinschaft seiner Leiden, indem ich seinem Tod gleichgestaltet werde, ob ich auf irgendeine Weise hingelangen möge zur Auferstehung aus den Toten“ (3,9–11).

Paulus besaß nun die göttliche Gerechtigkeit. Er musste sie nicht mehr verdienen, sondern seine Bemühungen gingen dahin, Ihn, der seine Gerechtigkeit war, besser kennen zu lernen und alles, was in Ihm für den Gläubigen vorhanden ist. Die Kraft der Auferstehung macht auch den Gläubigen lebendig, führt ihn in das Auferstehungsleben ein, in dem die Sünde keine Macht mehr hat, in dem der Gläubige Zugang zu den Segnungen des Himmels hat. Sie erhebt ihn über die Umstände des Lebens und gibt ihm Kraft zu einem Leben des Sieges über Satan und die Welt.

Dieses immer mehr zu verwirklichen war nun das Streben des Apostels. Er wünschte auch mit dem Herrn Gemeinschaft in den Leiden zu haben. Er wollte nicht ein angenehmes und leidensfreies Leben in dieser Welt haben, wo sein Heiland nur Leiden und Kreuz erfahren hatte, sondern er betrachtete es als ein Vorrecht, für Ihn zu sterben. Auf welche Weise das geschehen würde, war dem Apostel ganz einerlei. Ob so oder anders, in jedem Fall war das Ergebnis die Auferstehung aus den Toten.

Sein Lebensziel war die Erkenntnis Jesu, seines Herrn. Dieses Ziel hatte er noch nicht erreicht, wie wäre es auch möglich, solange er noch auf der Erde war? Aber auch der Gedanke, dass auf dieser Erde das Ziel nie erreicht werden kann, hinderte ihn gar nicht, sich nach Ihm auszustrecken. Wie bei einem Wettlauf der Läufer mit seiner ganzen Körper- und Willenskraft auf das Ziel zusteuerte, so war Paulus auf dieses Ziel ausgerichtet.

„Nicht, dass ich es schon ergriffen habe oder schon vollendet sei; ich jage ihm aber nach, ob ich es auch ergreifen möge, indem ich auch von Christus Jesus ergriffen bin. Brüder, ich denke von mir selbst nicht, es ergriffen zu haben; eins aber tue ich: Vergessend, was dahinten, und mich ausstreckend nach dem, was vorn ist, jage ich, das Ziel anschauend, hin zu dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach oben in Christus Jesus“ (3,12–14).

Der Herr hatte Paulus ergriffen, d. h. sein Herz gefangen genommen, und nun wünschte er, diesen Herrn, der ihn so wunderbar liebte, dass Er ihm auf dem Weg nach Damaskus entgegengetreten war, immer besser zu erfassen und zu genießen. Wie groß muss ihm dieses Ziel vor Augen gestanden haben, dass er alles Frühere, seine Vorzüge und seine Ehre vor den Menschen, seine erbitterte Feindschaft gegen den Herrn und die Seinigen vergessen konnte um dieser Person willen! Auch die bisher erduldeten Leiden vergaß er, denn immer stand Christus als das Ziel vor seinen Augen. Wäre dies doch bei uns allen mehr der Fall! Können wir nicht die erfahrenen Kränkungen und Ungerechtigkeiten, die vergossenen Tränen, die erlittenen Verluste, die begangenen Fehler vergessen und uns statt dessen mit Ihm beschäftigen, der allein unser Herz wirklich befriedigen kann? Warum gibt es so wenig Wachstum in der Erkenntnis des Herrn? Weil wir nicht vergessen, was vergangen ist!

„So viele nun vollkommen sind, lasst uns so gesinnt sein; und wenn ihr etwas anders gesinnt seid, so wird euch Gott auch dies offenbaren. Doch wozu wir gelangt sind, lasst uns in denselben Fußstapfen wandeln“ (3,15.16).

„So viele nun vollkommen sind“, das sind alle die, die erkannt haben, dass außer Christus nichts unsere Herzen befriedigen kann, aber dass wir in Christus alles haben, was unseren Seelen Frieden, Ruhe und Sicherheit gibt. Wenn auch unser Erkennen bruchstückhaft ist und wie weit sein mag, mögen wir weit hinter unserem großen, herrlichen Vorbild zurückbleiben, kann dies uns nicht hindern, treu in seine Fußstapfen zu treten und Ihm nachzufolgen. Gott wird auch weiter unsere Seelen leiten und alles an Erkenntnis geben, was wir brauchen.

„Seid zusammen meine Nachahmer, Brüder, und seht hin auf die, die so wandeln, wie ihr uns zum Vorbild habt. Denn viele wandeln, von denen ich euch oft gesagt habe, nun aber auch mit Weinen sage, dass sie die Feinde des Kreuzes des Christus sind: deren Ende Verderben, deren Gott der Bauch und deren Ehre in ihrer Schande ist, die auf das Irdische sinnen“ (3,17–19).

Wer so dasteht, wie der Apostel Paulus es tat, der kann mit aufrichtigem, kühnem Herzen sagen: „Seid meine Nachahmer“. Der Apostel ermahnt die Philipper, auf die guten Vorbilder zu achten und ihr Verhalten zu betrachten, denn es gab um sie her auch viele schlechte Beispiele, solche, die wohl ein christliches Bekenntnis, aber keine christliche Lebensführung hatten.

Diese waren bloße Bekenner, die dem Apostel viele Sorgen bereiteten, weil sie sich vom geraden Weg abgewandt hatten. Sie waren „Feinde des Kreuzes Christi“ geworden, das will sagen, dass sie wohl Christen sein wollten, aber nicht gewillt waren, das Kreuz, die Schmach Christi, zu tragen. Sie wollten das Leben genießen, ihr Gott war ihr Bauch, indem sie nur daran dachten, gut zu essen und zu trinken, den Leiden aber wichen sie aus. Sie suchten ihre Ehre in den Dingen dieser Welt, deren sie sich, da sie Jünger Christi zu sein bekannten, hätten schämen sollen. Sie betrachteten diese Erde als ihre Heimat, darum beschäftigten sie sich nur mit den Dingen, die diese Erde betreffen.

Über diese Bekenner weinte der Apostel, denn ihr Wandel war zur Unehre des Herrn, sie brachten Schmach auf seinen heiligen Namen.

„Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln, von woher wir auch den Herrn Jesus Christus als Heiland erwarten, der unseren Leib der Niedrigkeit umgestalten wird zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib der Herrlichkeit, nach der wirksamen Kraft, mit der er vermag, auch alle Dinge sich zu unterwerfen“ (3,20.21).

„Denn unser Bürgertum ist in den Himmeln.“ Wie sehr stand dieses hohe Zeugnis im Gegensatz zu dem oberflächlichen Leben dieser Bekenner! Wir Gläubigen sollten ein Interesse an himmlischen Dingen haben und mit ihnen beschäftigt sein. Unser Herz wird immer da sein, wo unser Schatz ist (Mt 6,21). Und unser „Schatz“ kann niemand anders sein als unser Herr Jesus. Unsere Beschäftigung soll nicht das Pflegen unseres Körpers sein und wir sollen nicht unseren Begierden nachgeben.

Erwarten wir doch unseren Heiland, der unseren Leib der Niedrigkeit zur Gleichförmigkeit mit seinem Leib umgestalten wird. Wir gehören dem Himmel an, sind aber noch im Leib der Niedrigkeit, darum wird ihn der Herr umgestalten, damit er an den himmlischen Herrlichkeiten teilnehmen kann. Dann werden wir Ihm gleich sein und wie Er einen verherrlichten Körper haben. Welche Hoffnung! Welche Herrlichkeit!

Nächstes Kapitel »« Vorheriges Kapitel