Der Prophet Daniel

Kapitel 4

Der Prophet Daniel

Nebukadnezar wohnte ruhig in seinem Haus und hatte Gedeihen in seinem Palast in allem, was seinem persönlichen Stolz diente, aber unter Ausschluss von Gott. Dann spricht Gott zu ihm in einem Traum, in einem Nachtgesicht, wenn tiefer Schlaf den Menschen befällt, wie wir in Hiob 33 lesen: Gott öffnet dann das Ohr der Menschen und besiegelt die Unterweisung, die Er ihnen gibt, um den Menschen von seinem Tun abzuwenden, und damit Er Übermut vor dem Mann verberge, dass Er seine Seele zurückhalte von der Grube und sein Leben vom Rennen ins Geschoss. Nebukadnezars Traum bewirkte Furcht, und die Gedanken seines Hauptes ängstigten ihn. Dazu gab es auch wohl Ursache, denn Gott hatte zu ihm geredet. Aber er wendet sich nicht zu dem Knecht Gottes, sondern zu den Weisen Babels. Doch diese Männer der Welt mit all ihrer Weisheit kannten Gott nicht noch waren sie imstande, den Traum zu deuten. In Kapitel 2 hatten sie sich damit entschuldigt, dass sie den Traum nicht kannten, aber diese Entschuldigung konnten sie diesmal nicht vorbringen. Dann tritt als Letzter (er hätte der Erste sein sollen) Daniel vor den König, und ihm wird der Traum mit allen Einzelheiten erzählt. Der König muss bekennen, dass alle Weisen Babels ihm die Deutung nicht kundtun konnten; Daniel allein war fähig, den Traum zu deuten, weil der Geist der heiligen Götter in ihm war.

Daniel mochte sich entsetzen und in Angst geraten, als er, vor dem König stehend, alle diese Dinge erfuhr. Nebukadnezar nahm die Beängstigung seiner Gedanken wahr, ohne vielleicht die wahre Ursache zu ahnen, und war daher geneigt, Daniel zu entschuldigen, um ihm seine peinliche Aufgabe zu ersparen. Aber Daniel war ein treuer Knecht Gottes. Er musste Gottes Botschaft kundmachen, koste es, was es wolle. „Mein Herr, der Traum gelte deinen Hassern und seine Deutung deinen Feinden“ (V. 16). Dann offenbarte er die wahre Bedeutung des Gesichts.

Der Baum war ein treffendes Bild des Königs selbst, wie es auch das Haupt von Gold gewesen war; aber während in dem Bild die Königreiche dargestellt waren, handelt es sich diesmal nur um Nebukadnezar. Er war gewachsen und stark geworden, so stark, dass der Baum als an den Himmel reichend gesehen wird, seine Herrschaft aber bis an das Ende der Erde ging. Es war wirklich ein wunderbarer Anblick, dieses Reich zu betrachten, das viel Frucht und Nahrung für alle bot. Für allen Luxus und alle Bedürfnisse war in diesem großen Reich gesorgt. Da war auch Schutz für die Tiere des Feldes, ein Bild von solchen, die ihr Teil in diesem Leben suchen und nicht zu Gott als dem Geber aller vollkommenen Gaben aufschauen. Da war auch Raum für die Vögel des Himmels, die in Matthäus 13 die Dämonen darstellen. Aber inmitten all dieses äußerlichen Wohlstands war der Wächter und Heilige, der vom Himmel herabstieg und sagte: „Haut den Baum um.“ Nichts war dem Auge Gottes entgangen, und wenn Er lange mit dem Hochmut des Menschen Geduld gehabt hatte, so musste doch eine Zeit kommen, wo Er gezwungen war, sein Urteil über alles zu bringen; doch noch im Zorn erbarmt sich Gott. Er hatte diesem Mann die Macht der Weltherrschaft gegeben, als sein eigenes Volk Ihn so verunehrt hatte; und es war Gottes Vorsatz, sich unter den Nationen zu verherrlichen. Daher der Befehl, den Wurzelstock in der Erde zu lassen, wenn auch in Fesseln von Eisen und Kupfer, im Gras des Feldes und benetzt von dem Tau des Himmels. Das Teil des Königs war mit den Tieren des Feldes, bis sieben Zeiten über ihn vergangen sein würden.

Dies war der Traum und seine Deutung in allen Einzelheiten. Als ein Befehl der Heiligen kam dies über den König. Von den Menschen vertrieben, musste er unter den Tieren des Feldes wohnen. Weil er alle Gedanken an Gott aufgegeben hatte, war er ihnen gleich geworden und musste nun gleich ihnen Gras essen, jedoch nur für eine bestimmte Zeit, die hier mit sieben Zeiten angegeben wird – bis er erkannte, dass der Höchste über das Königtum der Menschen herrscht und es verleiht, wem Er will. Was den König betrifft, waren dies zweifellos buchstäblich sieben Jahre, wie wir auch bei dem Tier in Offenbarung 13 eine festgesetzte Zeit sehen; aber in einem anderen Sinn sehen wir darin die ganze Zeit der Herrschaft der Nationen von Nebukadnezar an bis zur Zeit, wo Christus kommt, um sein Reich auf der Erde aufzurichten. Hier ist es buchstäblich für eine begrenzte Zeit, nämlich sieben Jahre. Das Reich sollte dem wiedergegeben werden, der die Lektion gelernt hatte, dass die Himmel regieren.

Welchen treuen Rat gibt Daniel in Vers 24: „Darum, o König, lass dir meinen Rat gefallen und brich mit deinen Sünden durch Gerechtigkeit und mit deinen Ungerechtigkeiten durch Barmherzigkeit gegen Elende, wenn dein Frieden Dauer haben soll.“ Ach, Daniels Rat scheint tauben Ohren gepredigt worden zu sein. Zwar sehen wir keine Auflehnung gegen diese Worte, aber augenscheinliche Gleichgültigkeit, so dass keine andere Wahl blieb, als dass er von dem angedrohten Schlag getroffen wurde. Gott mag lange Geduld haben, wie wir es auch hier sehen. Ein ganzes Jahr ging dahin und gab ihm reichlich Raum zur Buße, aber am Ende dieses Jahres finden wir Nebukadnezar hochmütiger als je zuvor. „Weil das Urteil über böse Taten nicht schnell vollzogen wird, darum ist das Herz der Menschenkinder in ihnen voll, Böses zu tun“ (Pred 8,11). Als er auf dem königlichen Palast umherging, drückte sich der Hochmut seines Herzens in den Worten aus, die sein Mund spricht: „Ist das nicht das große Babel, das ich zum königlichen Wohnsitz erbaut habe durch die Stärke meiner Macht und zu Ehren meiner Herrlichkeit?“ (V. 27). „Ich“ und „mein“ sind nur kleine Wörter, aber sie zeigen, wie ichbezogen er war, indem er alle Ehre für sich in Anspruch nahm. Er ließ völlig außer Acht, was ihm durch Daniel geoffenbart worden war: dass Gott allein ihm die Macht gegeben hatte, um zu herrschen. Aber er musste nun ernten, was er gesät hatte. Während das Wort noch in dem Mund des Königs war, wurde das durch Daniel vorausgesagte Gericht an ihm vollzogen (V. 30). Er wurde von den Menschen ausgestoßen, und er aß Kraut wie die Rinder, und sein Leib wurde benetzt von dem Tau des Himmels, bis sein Haar wuchs wie Adlerfedern, und seine Nägel wie Vogelkrallen. In was für einer beschämenden Weise wurde dieser große Mann erniedrigt!

Viele in dieser Welt leben heute wie die Tiere. Sie empfangen ungezählte Segnungen aus der Hand Gottes, ohne je mit einem Blick der Dankbarkeit zu Gott emporzuschauen. Oft habe ich das Empfinden, sie seien in den Augen Gottes schlechter als die Tiere, denn selbst ein Schwein empfängt unweigerlich sein Futter mit einem Grunzen der Befriedigung, Menschen aber empfangen ihre Nahrung mit Murren darüber, dass es nicht mehr und besser ist. Doch Gott ist langmütig gegen alle, da Er nicht will, dass irgendwelche verloren gehen, sondern dass alle zur Buße kommen.

Für Nebukadnezar gab es ein Ende dieses traurigen Zustandes der Dinge. Am Ende der Tage hob er seine Augen auf zum Himmel, und sein Verstand kam ihm wieder, und er pries den Höchsten und rühmte und verherrlichte den ewig Lebenden, dessen Herrschaft eine ewige Herrschaft ist und dessen Reich von Geschlecht zu Geschlecht währt. Nebukadnezar wurde wieder in sein Königtum eingesetzt, und ausnehmende Größe wurde ihm hinzugefügt. Ich empfinde dies als ein treffendes Bild von dem, was in den kommenden Tagen geschehen wird. Wenn Gottes Gerichte die Erde treffen, so lernen die Bewohner des Erdkreises Gerechtigkeit; die Nationen werden unter der Herrschaft Christi in einer Weise gesegnet werden wie nie zuvor, denn in Ihm sollen alle Familien gesegnet werden (s. 1. Mo 28,14). Ich zweifle nicht, dass Nebukadnezar am Ende wirklich zu Gott umgekehrt ist und dass sein Lobpreis, mit dem er Gott pries, aus der Fülle seines Herzens kam, in dem Gott wirklich gewirkt hatte.

Wir besitzen keine weiteren Berichte über Nebukadnezar. Zweifellos hat er den Rest seiner Tage in vollkommenem Frieden und Glück verbracht.

Gott wird noch als der König und Gott des Himmels gesehen. Wie schon früher bemerkt worden ist, konnte Gott sich, nachdem die Juden von Jerusalem vertrieben waren, während dieser Haushaltung nicht mehr den Gott der ganzen Erde nennen. Im Buch Daniel haben wir nirgendwo den Thron Gottes in Jerusalem, weder moralisch noch prophetisch. Der Nachkomme Davids wird nicht in Gefangenschaft sein, wenn Gott wieder seinen Platz als der Gott der Erde einnimmt. Im Buch Daniel befinden sich die Juden in Gefangenschaft unter den Nationen, und manche verstanden Gottes Handeln mit ihnen und sein Gericht über ihr Betragen während der Zeit, da die Macht in den Händen der Nationen war.

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