Der Prophet Daniel

Kapitel 2

Der Prophet Daniel

In diesem Kapitel finden wir Nebukadnezar als den Verwalter der Geschichte dargestellt, die den Namen „die Zeiten der Nationen“ trägt. Auf diese Zeit folgt die Aufrichtung des Reiches Christi, wenn die Macht und Herrschaft des Menschen zu ihrem Ende gekommen ist. Aber die Offenbarung geschieht in einer solchen Weise, dass dadurch Daniel, der Knecht Gottes, in den Vordergrund gestellt wird, weil er, obwohl er ein Gefangener war, das Wohlgefallen Gottes in einer hervorstechenden Weise besaß. In Kapitel 1 sehen wir, dass Daniel Gott die Ehre gibt; hier wird uns gezeigt, dass Gott seinen Knecht Daniel ehrt. Der König Nebukadnezar war durch ein Traumgesicht beunruhigt worden. Aber zuerst wendet sich der König an solche, die in aller Weisheit der Welt unterwiesen waren. (Die Chaldäer sprachen zu dem König auf Aramäisch, das die heilige Sprache des Landes Babel und von der üblichen Landessprache verschieden gewesen zu sein scheint. Und es ist bemerkenswert, dass das Buch von hier ab bis zum Ende des 7. Kapitels in dieser Sprache geschrieben ist. Die weiteren Berichte sind auf Hebräisch geschrieben, da sie wesentlich mit dem Volk Gottes in Verbindung stehen. Der aramäisch geschriebene Teil betraf hauptsächlich das Volk, unter dem Daniel lebte. Für sie würde eine Prophezeiung in hebräischer Sprache unverständlich gewesen sein.) Die Weisen müssen eingestehen, dass sie nicht imstande sind, dem König den Traum zu erzählen, und der König stellt fest, dass sie ihm nur Lügen erzählen würden, wenn sie den Traum wüssten. Dies macht den König so wütend, dass er Befehl gibt, alle Weisen von Babel umzubringen.

Das Gebot des Königs betrifft auch Daniel und seine Genossen, aber Daniel antwortet dem Arioch mit Verstand und Einsicht, indem er zu wissen wünscht, warum der strenge Befehl vom König erlassen wurde. Er empfängt Antwort und geht zu dem König hinein, um von ihm eine Frist zu erbitten, um dem König den Traum zu deuten. Der König war zweifellos nur zu gerne bereit, einer solchen Bitte zu entsprechen. Dann tat Daniel seinen Freunden die Sache kund, und gemeinsam suchten sie die Barmherzigkeit des Gottes des Himmels wegen dieses Geheimnisses, das daraufhin Daniel in einem Nachtgesicht offenbart wurde. Was tut nun Daniel? Eilt er zu dem König, um sein Leben und das Leben seiner Freunde zu retten? Nein, zuerst wendet er sich in aufrichtigem Gebet zu Gott und preist Ihn als den Gott des Himmels. Er bekennt, dass bei Ihm sowohl Weisheit als auch Macht ist, dass Zeiten und Zeitpunkte in seiner Hand sind. Das Tier, das am Ende der Tage das Römische Reich darstellt, wird darauf sinnen, Zeiten und Gesetze zu ändern, und für eine Zeit wird es scheinen, als ob es damit Erfolg hätte. Aber hier wird uns gezeigt, dass die Änderung von Zeiten und Zeitpunkten Gottes Sache ist und dass sie nur mit seiner Zulassung und zur Erfüllung seiner Ratschlüsse geändert werden können. Er hat beides in seiner Hand. Er setzt Könige ab und Er setzt Könige ein, wie es in der Beiseitesetzung des Königs von Juda gesehen worden ist; Er hat auch einen Beherrscher der Welt in Nebukadnezar eingesetzt. Er gibt den Weisen Weisheit und Verstand den Verständigen. Dies wurde deutlich in Daniel gesehen, einem Mann, der Gott fürchtete. Die Furcht des HERRN ist der Weisheit Anfang, und Er gibt Verstand dem Verständigen. Gott allein offenbart das Tiefe und das Verborgene. Was dem Menschen oft dunkel erscheint, ist völlig klar vor Gott, der alles Licht bewohnt. Daniel ist imstande, Dank und Preis dem darzubringen, den er als den Gott seiner Väter anerkennt, von dem alle Weisheit und Einsicht kommt.

Dann möchte Daniel, in die Gegenwart des Königs gebracht zu werden. „Bist du imstande?“ Daniel gesteht, dass kein Mensch das Geheimnis, das der König verlangte, anzuzeigen vermag, dass aber ein Gott im Himmel ist, der Geheimnisse offenbart. Er zeigt, dass Gott dem König kundgetan habe, was am Ende der Tage geschehen würde.

Die Gedanken waren in dem König aufgestiegen, aber Gott hatte sie geordnet, um dem König zu zeigen, was in der Zukunft geschehen sollte. In Vers 30 sehen wir, wie Daniel sich hinter seinem Gott zu verbergen sucht, damit Gott selbst alles Lob empfangen kann.

Das große Bild, das Daniel deutete, zeigt den ganzen Gang und das Ende der Zeiten und Nationen, besonders der großen Weltreiche. Die vier Metalle, aus denen das Bild zusammengesetzt ist, versinnbildlichen die vier Reiche der Weltherrschaft. Diese müssen nicht notwendig die ganze bewohnte Erde beherrschen, aber sie sind dazu fähig. Dies erfüllte sich zuerst bei Babel, dem das Medo-Persische Reich folgte, dann bei Griechenland unter Alexander dem Großen und seinen Feldherren, und zuletzt bei Rom. Die letzte Macht wird geteilt gesehen, erst in zwei Teile, wie es durch die Beine dargestellt wird und in dem östlichen und westlichen Teil des Römischen Reiches seine Erfüllung gefunden hat, und dann in zehn Teile, dargestellt in den Zehen. Unter diesem Bild sehen wir das Reich in seiner letzten und endgültigen Gestalt.

Gott selbst hatte Nebukadnezar die Weltherrschaft gegeben, daher wird er als das Haupt von Gold gesehen. In dem Medo-Persischen Reich haben wir mehr von dem, was vom Menschen ist, daher sind Brust und Arme von Silber, einem geringeren Metall. Dann folgen das dritte Königreich, das von Kupfer ist, und zuletzt das Römische Reich mit seinen Beinen von Eisen, die Füße aber teils von Eisen und teils von Ton. So stellt das Bild den ganzen Verlauf der heidnischen Macht dar. Es verschlechtert sich stufenweise, je mehr es sich von seiner Quelle entfernt, und endet im Gericht beim Kommen des Herrn vom Himmel, dem „Stein ohne Menschenhand“, der das Bild zertrümmert und das Reich der Himmel auf der Erde aufrichtet. Gott wird seine Ansprüche als der Gott der ganzen Erde wieder geltend machen; Er wird nicht nur in dem Charakter als der Gott des Himmels gekannt werden.

Hier sehen wir Gottes Oberhoheit. Der Mensch wurde an seinen Platz auf der Erde gestellt, und Herrschaft wurde ihm gegeben, die mit einigen Unterschieden derjenigen gleicht, die einst Adam empfing. In Nebukadnezar wurden die Menschen unter seine Gewalt gestellt, aber das Meer war nicht unter seine Oberhoheit gestellt. In den nachfolgenden Reichen ist eine Entartung wahrzunehmen, aber wir sehen kein Nachlassen an materieller Stärke, wenn wir zu dem Römischen Reich kommen, das durch Eisen charakterisiert wird, das alles zermalmt und zertrümmert. Daniel war nicht nur imstande, den Traum zu erzählen, sondern auch, dem König seine Deutung anzuzeigen. „Du, o König, bist der König der Könige.“ Er war von Gott eingesetzt, um über Könige zu regieren. „Denn der Gott des Himmels hat dir das Königtum, die Macht und die Gewalt und die Ehre gegeben.“ In Vers 38 sehen wir den ganzen Umfang seiner Herrschaft; „überall, wo Menschenkinder, Tiere des Feldes und Vögel des Himmels wohnen, hat er sie in deine Hand gegeben“. Er empfing direkt alles von Gott und wird das Haupt von Gold genannt. Hier handelt es sich deutlich um das Babylonische Reich, dessen erster Herrscher Nebukadnezar war. Dies war viele Jahre vorher durch Jesaja vorausgesagt worden, während Jeremia auch die Zeitdauer ankündigt, während der diese Macht bestehen würde. „Und nun habe ich alle diese Länder in die Hand Nebukadnezars gegeben. Und alle Nationen werden ihm dienen und seinem Sohn und seines Sohnes Sohn, bis die Zeit auch seines Landes gekommen ist“ (Jer 27,6.7). So musste also dieses Reich mit Belsazar enden.

„Und nach dir wird ein anderes Königreich aufstehen, geringer als du“ (V. 39). In wenigen Worten wird hier auf Medo-Persien hingewiesen und ebenso auf Griechenland, das dann folgt: „Und ein anderes, drittes Königreich, aus Kupfer, das über die ganze Erde herrschen wird.“ Dann haben wir mit größerer Genauigkeit das vierte Reich vor uns. Rom war in jenen Tagen eine unbedeutende Macht auf der Erde und in innere Streitigkeiten verwickelt, die mit den umliegenden kleinen Ländern auszufechten waren. Es zeigte keine Absichten, nach Weltherrschaft zu streben oder eine besondere Größe zu erreichen. Aber Gott wusste, wie seine Macht zu seiner Zeit zunehmen würde, um als Eroberer aufzutreten. Es würde stark sein wie Eisen und die Macht besitzen, jeden Widerstand niederzuwerfen. Dies wird in den Beinen von Eisen gezeigt, denn sowohl der östliche als auch der westliche Teil war ausnehmend stark. Wenn wir zu den Füßen und Zehen kommen, so haben wir das Reich in einer Gestalt vor uns, die es in noch zukünftigen Tagen annehmen wird. In seinem Charakter in den letzten Tagen wird es aus zehn Königreichen bestehen, die durch die zehn Zehen dargestellt werden. Dies hat in der Vergangenheit niemals seine Erfüllung gefunden, denn in der Vergangenheit regierte nur einer als Diktator; aber in den kommenden Tagen, wenn Rom wieder auferstanden ist, werden zehn Könige sein, die ihre Macht dem Tier geben, aber mit ihm herrschen (Off 17,12.13). Von dem Eisen mögen wir, wie ein anderer gesagt hat, lernen, dass eine allgemeine Monarchie bestehen wird, während in dem Ton die zehn einzelnen Königreiche dargestellt sind.

„Und in den Tagen dieser Könige wird der Gott des Himmels ein Königreich aufrichten, das in Ewigkeit nicht zerstört und dessen Herrschaft keinem anderen Volk überlassen werden wird; es wird alle jene Königreiche zermalmen und vernichten, selbst aber ewig bestehen“ (V. 44). Wenn von dem Stein gesprochen wird, der sich losriss ohne Hände, handelt es sich deutlich um das Kommen Christi, um Gericht auszuführen, bevor Er auf der Erde sein Reich aufrichtet. Bei dem Absturz des Steines auf das Bild finden wir, dass die Füße von Eisen und Ton zuerst getroffen werden und dass dann erst das Kupfer, das Silber und das Gold zusammen in Stücke zerbrochen werden. Sie sind wie Spreu der Sommertennen geworden, die der Wind hinwegführt. Wir wissen von anderen Schriftstellen, dass das Gericht zuerst das römische Tier und den falschen Propheten trifft, die in ihrem Widerstand gegen den Herrn ergriffen und lebendig in den Feuersee geworfen werden (s. Off 19,19.20). Die Heere des Tieres werden auch zerstört, danach aber auch die übrigen Nationen, die durch das Kupfer, das Silber und das Gold dargestellt werden. Für Israel wird dies die Befreiung von allen bedeuten, die sie bedrücken. Diese großen Mächte, Griechenland, Persien und Babel, die als Weltbeherrscher der Vergangenheit angehören, existieren noch als Völker unter verschiedenen Namen. Sie werden in den kommenden Tagen wieder in den Vordergrund treten. Im Land Palästina wird der Antichrist herrschen. Er wird vorgeben, ein Freund der Juden zu sein, aber er wird ein Freund des abgefallenen Teiles des Volkes Israel sein. Dem treuen Überrest dagegen, der sich weigert, sich der großen römischen Macht zu beugen und sie anzubeten, wird er mit bitterer Feindschaft begegnen. Da wird auch eine große assyrische Macht vom Norden her erscheinen, die in Palästina einfallen wird, um das Land zu zerstören. Russland und die Türkei (Letztere ein Teil des alten Griechischen Reiches) werden zweifellos den Fall der Araber und Moslems gegen die Juden aufnehmen. Die Juden andererseits werden Schutz suchen bei den westlichen Mächten, die durch das römische Tier angeführt werden, und so wird Palästina zum Mittelpunkt des Streites zwischen den umliegenden großen Mächten werden. Wie schnell sich alles in dieser Richtung entwickelt, können wir heute schon unschwer wahrnehmen. Als Gläubige brauchen wir uns nicht zu fürchten, denn wir wissen, dass der Herr Jesus kommen wird, um uns zu sich zu nehmen, bevor das Böse zu seiner Entwicklung kommt.

In Vers 46 sehen wir, wie stark Nebukadnezar durch die Offenbarungen, die durch Daniel gegeben werden, beeindruckt ist. Er sucht ihn anzubeten, aber dies ist nur der Eindruck eines Augenblicks. Das nächste Kapitel macht offenbar, dass sein Herz nicht durch das Gewissen erreicht ist. Da ist keine wahre Umkehr zu Gott, keine Bekehrung, wie wir heute sagen. Für ihn ist Gott ein Gott der Götter, ein Herr der Herren, ein Offenbarer usw., aber er ist ihm nicht der Gott des Himmels, dem er Gehorsam schuldet. Wir kommen darauf im vierten Kapitel noch zurück, wenn Gott streng mit ihm gehandelt haben wird. Hier indessen erhöht er Daniel zu der höchsten Stellung im Land, und auf Daniels Bitte werden auch seine drei treuen Freunde zu hohen Stellen in der Verwaltung der Landschaft Babel berufen.

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